OGH 8Ob657/89

OGH8Ob657/8928.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Heinz S***, geboren am 4. Dezember 1923, Baumeister, 6401 Inzing, Ranggergasse 2, vertreten durch Dr. Manfred Opperer, Rechtsanwalt in Telfs, wider die beklagte Partei Anna S***, geborene O***, geboren am 17. Jänner 1927, Hausfrau, 6401 Inzing, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1989, GZ 3 a R 220/89-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 31. Jänner 1989, GZ 1 C 1389/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Scheidung seiner im Jahre 1954 mit der Beklagten geschlossenen, kinderlos gebliebenen Ehe aus den Gründen des § 55 und (subsidiär) § 49 EheG. Er brachte hiezu vor, die Beklagte habe im Laufe der Jahre eine krankhafte, unerträgliche Eifersucht entwickelt und keinerlei Verständnis für seine berufsbedingten gesellschaftlichen Aktivitäten gezeigt. Die geschlechtlichen Beziehungen der Ehegatten seien vor sieben Jahren eingestellt worden, nachdem ihm die Beklagte mit der Behauptung, er sei bei einer anderen Frau gewesen, erklärt habe, es grause ihr, mit ihm zu schlafen. Die Streitteile wohnten zwar in derselben Wohnung, sie sprächen aber kaum noch miteinander, sodaß eine eheliche Geschlechts- und Gesinnungsgemeinschaft nicht mehr bestehe. Durch das krankhafte, eifersüchtige Verhalten der Beklagten und ihre ständigen Schimpfereien und Nörgeleien sei die Ehe unheilbar zerrüttet worden.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung, gegebenenfalls die Feststellung des Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe im Sinne des § 61 Abs3 EheG und bei Annahme einer schweren Eheverfehlung ihrerseits die Klageabweisung mangels sittlicher Berechtigung des Klagebegehrens gemäß § 49 letzter Satz EheG. Sie führte aus, der Kläger sei häufig betrunken nach Hause gekommen und habe Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten, seine Urlaube seit Jahren allein verbracht und sich überhaupt nicht um sie gekümmert, sodaß es zu Streitigkeiten und Eifersuchtsszenen gekommen sei. Die Beklagte habe den Geschlechtsverkehr mit der vom Kläger angeführten Begründung verweigert, als dieser morgens in betrunkenem Zustand nach Hause gekommen sei. Bei Änderung seines Verhaltens sei sie zur Wiederaufnahme der geschlechtlichen Beziehungen bereit. Sie koche nach wie vor für den Kläger und besorge für ihn die Wäsche, das Essen werde allerdings nicht gemeinsam eingenommen. Der Umstand, daß sie kaum miteinander sprächen, liege darin begründet, daß sich der Kläger um sie nicht kümmere und nichts rede und ihr wiederholt gesagt habe, er könne "ihre Visage nicht mehr sehen."

Das Erstgericht wies das Scheidungsbegehren ab. Es stellte fest:

Die Ehe der Streitteile verlief anfänglich harmonisch. Der Kläger ist im dörflichen Leben stark integriert; seine Mitgliedschaft bei mehreren Vereinen hatte zur Folge, daß er häufig spät nach Hause kam. Bis ungefähr zum Jahre 1980 hatte er bei derartigen Gelegenheiten auch ziemlich viel Alkohol getrunken und kam daher alkoholisiert nach Hause oder mußte nach Hause gebracht werden. Einmal wurde ihm wegen Alkoholisierung der Führerschein entzogen. Bei derartigen Anlässen hat der Kläger sich mitunter auch mit anderen Frauen abgegeben, und es kam vor, daß er mit Lippenstift- und Make-up-Spuren am Hemd nach Hause kam. Einmal hatte er sogar Blut- und Schleimspuren an der Unterhose. Durch einige Jahre war der Kläger mit Mathilde O*** eng befreundet, ging in deren Haus aus und ein und hat auch in Gegenwart der Beklagten mit dieser Frau häufig geschäkert. Er ließ sich auch in Gegenwart der Beklagten von Frau O*** die Zigaretten anzünden. Alle diese Vorfälle hatten zur Folge, daß die Beklagte dem Kläger häufig Vorhalte machte und es zu Eifersuchtsszenen kam. Trotzdem unterhielten die Streitteile immer wieder Geschlechtsbeziehungen zueinander. Als der Kläger im Jahr 1980 früh morgens nach Hause kam und mit der Beklagten geschlechtlich verkehren wollte, erklärte diese, daß "sie sich so vor ihm grause, und sie so nicht mit ihm schlafen" wolle. Der Kläger beschloß hierauf "mit der Beklagten nicht mehr zu schlafen." Im Jahre 1982 kam es anläßlich der Abholung der Beklagten durch den Kläger am gemeinsamen Urlaubsort in Bellaria noch einmal zu einem Geschlechtsverkehr. Dieser Urlaub verlief harmonisch. Seither ist es zu keinem Geschlechtsverkehr zwischen den Streitteilen mehr gekommen, der Kläger hat die Beklagte hiezu auch nicht aufgefordert. Im Jahre 1975 wurde das vom Kläger erbaute Hotel "S***" eröffnet, in der Folge wurde dieses von der Beklagten mit einer Aushilfe aus dem Dorf geführt. Die Beklagte war als Halbtagskraft zur Sozialversicherung angemeldet, tatsächlich arbeitete sie aber den ganzen Tag. Vor fünf Jahren wurde das Hotel verpachtet, so daß die Beklagte seither nur mehr den gemeinsamen Haushalt führt. Sie kocht für den Kläger und besorgt seine Wäsche, nimmt geschäftliche Anrufe entgegen und teilt diese dem Kläger mit. Die Streitteile schlafen bis heute im gemeinsamen Ehebett, sprechen miteinander allerdings nur mehr das Allernotwendigste. Wenn der Kläger heimkommt, setzt ihm die Beklagte das Essen vor. Sie selbst nimmt das Essen allein ein, einerseits weil sie kein Fleisch essen mag und andererseits weil der Kläger wiederholt zu ihr sagte, er könne "ihre Visage nicht mehr sehen". Ungefähr seit dem Jahre 1980 kommt der Kläger nicht mehr so spät nach Hause und spricht auch nicht mehr so dem Alkohol zu. Wenn er abends heimkommt, schaut er sich das Fernsehprogramm an, die Beklagte geht zu Bett. Sie war bis zum Jahresende 1988 im Betrieb angemeldet und hatte zuletzt einen Betrag von S 8.500 netto bezogen. Mit diesem Geld, gleichsam dem Wirtschaftsgeld, hatte sie "den gemeinsamen Haushalt zu bestreiten". Der Kläger übertrug ihr zwei Mansardenwohnungen in Innsbruck und eine Wohnung in Inzing ins Eigentum. Hieraus erzielt sie ein Mieteinkommen von S 9.000 monatlich und bestreitet hiemit sämtliche Auslagen für sich selbst sowie die Investitionen für diese Wohnungen. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht den Standpunkt, die für den Scheidungsgrund des § 55 Abs1 EheG vorausgesetzte Auflösung der häuslichen Gemeinschaft der Ehegatten sei nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien hier nicht erfüllt, weil weiterhin Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft bestehe. Die Aufhebung der Geschlechtsgemeinschaft habe der Kläger zu vertreten, weil ihn die festgestellte Unmutsäußerung der Beklagten hiezu keinesfalls berechtigt habe. Das gleiche gelte für die getrennte Einnahme der Mahlzeiten. Die Beklagte habe sich ausdrücklich zur Wiederaufnahme der vollen ehelichen Gemeinschaft unter der Voraussetzung eines entsprechenden Verhaltens des Klägers bereit erkärt. Auch der Scheidungsgrund des § 49 EheG sei nicht gegeben, denn die Eifersuchtsvorwürfe der Beklagten stellten im Hinblick auf das Verhalten des Klägers durchaus normale Reaktionen dar, so daß das Scheidungsbegehren im Sinne des § 49 letzter Satz EheG keinesfalls sittlich gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es traf nach teilweiser Beweiswiederholung auf Seite 7 bis 12 seiner Entscheidung ergänzende bzw. präzisierende Feststellungen u.a. dahin, daß der Kläger im Jahr 1971 eine seiner mehrfachen Reisen unternahm, obwohl die Beklagte gerade nach einem fünfmonatigen Klinikaufenthalt infolge eines schweren Unfalles nach Hause gekommen war. Während der Abwesenheit des Klägers war sie vierzehn Tage lang auf die Hilfe ihrer Schwägerinnen angewiesen. Weiters, daß der Kläger einmal (im Zeitraum zwischen 1979 und 1983) mit Lutschflecken nach Hause gekommen war. Bei der vom Erstgericht festgestellten Verweigerung des Geschlechtsverkehrs durch die Beklagte im Jahre 1980 beschimpfte diese im Zuge der Auseinandersetzung den Kläger mit dem Ausdruck "Hurenbock". Die Streitteile hatten bis Ende März 1989 das Ehebett miteinander geteilt, doch war es schon seit dem Jahre 1982 zu keinem Geschlechtsverkehr zwischen ihnen mehr gekommen. Irgendeine räumliche Aufteilung in der Benützung der Wohnung hat nicht stattgefunden.

Ungefähr im Jahre 1983 oder 1984 kam es zwischen der Beklagten und der zu Besuch weilenden vorehelichen Tochter des Klägers zu einer Auseinandersetzung über das Verhalten des Enkels des Klägers. Seit diesem Streit, der zu gegenseitigen Beschimpfungen zwischen der Beklagten und der Tochter des Klägers bzw. deren Ehemann führte, wohnt die Tochter des Klägers, wenn sie den Vater besucht, mit ihrer Familie im Hotel. Es ist nicht erwiesen, daß die Beklagte den Kläger öffentlich herabgesetzt hat. Allerdings erzählte sie den Verwandten des Klägers, mit denen sie zum großen Teil ein gutes Einvernehmen pflegt, anläßlich von Gesprächen über die Eheprobleme der Streitteile, daß sie den Lebenswandel des Klägers - insbesondere seinen Umgang mit Frauen und seine finanzielle Gebarung - nicht billige und daß sie den Kläger aushalten müsse. Bei den Auseinandersetzungen der Streitteile bezeichnete sie den Kläger auch wiederholt als "Lügner", weil sie sich von ihm hintergangen fühlte. Umgekehrt glaubte der Kläger in den Jahren 1986 oder 1987, die Beklagte habe ohne sein Wissen Geld aus seiner Brieftasche entnommen. Von diesem Vorfall erzählte er auch in seinem Bekanntenkreis. Ob dieser Vorwurf gegenüber der Beklagten tatsächlich zutrifft, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat dem Kläger im Rahmen der Streitigkeiten immer wieder angetragen, er könne sich ja scheiden lassen, sie sei für ihn ohnedies nur eine Wirtschafterin; diese Äußerungen waren aber nicht ernst gemeint. Seit dem 1.4.1989 bewohnt der Kläger eine Wohnung in seinem Elternhaus in Inzing, während die Beklagte in der Ehewohnung verblieben ist.

Rechtlich folgte das Berufungsgericht der erstgerichtlichen Beurteilung, wonach es an den Voraussetzungen für die Annahme der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Streitteile in der Zeit vor dem 1.4.1989 fehle und auch das Eventualbegehren des Klägers auf Scheidung nach § 49 EheG nicht gerechtfertigt sei. Die behauptete Eifersucht der Beklagten habe eine angemessene Reaktion auf die wiederholten Beziehungen des Klägers zu anderen Frauen dargestellt. Der Kläger habe nichts unternommen, um begründete Verdachtsmomente zu zerstreuen, sondern mehrfach und über Jahre hinweg den objektiven Anschein ehewidriger Beziehungen erweckt, was - abgesehen von einem allfälligen Ehebruch - eine schwere Eheverfehlung darstelle. In diesem Zusammenhang seien auch die Beschwerden der Beklagten, der Kläger gebe sich mit anderen Frauen ab, nicht ungerechtfertigt gewesen. Anders verhalte es sich mit den Erzählungen der Beklagten, sie müsse den Kläger aushalten. Hiefür lasse sich ein unmittelbarer Zusammenhang mit Eheverfehlungen des Klägers nicht herstellen. Der Beklagten müsse jedoch zugestanden werden, daß sie angesichts der bestehenden Auffassungsunterschiede zwischen den Ehegatten nur im Verwandtenkreis und im Rahmen vertraulicher Erörterung ihrer Eheprobleme auch derartige Vorwürfe geäußert hat. In dieser Verhaltensweise könne sohin keine schwerwiegende Eheverfehlung erblickt werden, zumal nicht erwiesen sei, daß die Anschuldigungen auch außenstehenden Dritten gegenüber erhoben worden seien. Im übrigen spiegelten die Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen, welche in den letzten Jahren infolge Resignation weitgehend aufgehört hätten, lediglich den Zerrüttungszustand der ehelichen Beziehung wieder, ohne daß daraus einer der beiden Seiten ein besonderer Vorwurf gemacht werden könne. Es verbleibe sohin der Vorfall aus den Jahren 1983/1984, in dessen Rahmen die Beklagte mit der vorehelichen Tochter des Klägers in Streit geriet. Da die eigentliche Ursache für diesen Streit nicht habe aufgeklärt werden können und insbesondere nicht erwiesen sei, daß die Beklagte die Auseinandersetzungen ohne sachliche Rechtfertigung begonnen habe oder dabei gegen die Tochter des Klägers bzw. deren Familie unangemessen vorgegangen sei, könne auch daraus keinesfalls der Vorwurf einer Eheverfehlung der Beklagten abgeleitet werden. Dazu komme - und dies gelte auch für allfällige herabsetzende Äußerungen der Beklagten gegenüber dritten Personen in den letzten Jahren - daß die Ehe der Streitteile zu diesem Zeitpunkt bereits erheblich zerrüttet gewesen sei. Es könne daher dahingestellt bleiben, inwieweit hinsichtlich der geschilderten Vorfälle ein allfälliger Fristablauf nach § 57 Abs1 EheG zu beachten wäre. Somit ergebe sich, daß das auf § 49 EheG gestützte Scheidungsbegehren des Klägers im Sinne des § 49 Satz 2 EheG sittlich nicht gerechtfertigt sei, weil allfällige Eheverfehlungen der Beklagten entweder in Zusammenhang mit dem vorangegangenen Fehlverhalten des Klägers zu sehen seien oder diesem gegenüber als Beitrag zur Zerrüttung der Ehe weitgehend in den Hintergrund träten.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Kläger eine auf die Anfechtungsgründe des § 503 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagestattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die in der Revision behauptete Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens liegt, wie die Überprüfung ergab, nicht vor (§ 510 Abs3 ZPO).

In seiner Rechtsrüge vertritt der Revisionswerber den Standpunkt, die häusliche Gemeinschaft zwischen den Streitteilen sei seit mehr als 6 Jahren aufgelöst, zumal sie zueinander so gut wie keine Beziehungen unterhielten, nur das Notwendigste miteinander sprächen, nicht mehr miteinander das Essen einnähmen, keine gemeinsamen Aktivitäten entwickelten und die Beklagte den Kläger nach Art einer Haushälterin versorge. Daß in Teilbereichen noch Beziehungen vorlägen, stünde der Annahme der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nicht entgegen, zumal es darauf ankomme, ob noch persönliche Kontakte bestünden oder nicht. Das Naheverhältnis habe sich daraus ergeben, daß die Ehewohnung im Betriebsgebäude liege und der Kläger diesen Betrieb bis zum Zeitpunkt des Auszuges - damals sei der Betrieb verpachtet worden - überwachen habe müssen. Aber auch das Klagebegehren auf Scheidung wegen Verschuldens der Beklagten an der Ehezerrüttung sei gerechtfertigt, weil sie den Kläger mit krankhafter Eifersucht verfolgt und anderen Personen gegenüber herabgesetzt habe, worin zweifellos eine Eheverfehlung liege. Es wäre auch davon auszugehen gewesen, daß die Beklagte dem Kläger Geldbeträge unbefugt weggenommen und eine Auseinandersetzung mit der Tochter des Klägers vom Zaun gebrochen habe.

Den Revisionausführungen kann insgesamt nicht gefolgt werden. Grundsätzlich ist unter der im § 55 EheG genannten häuslichen Gemeinschaft eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, die erst aufgehoben ist, wenn alle diese Voraussetzungen weggefallen sind (EFSlg 36.354; 3 Ob 617/82; 1 Ob 678/82 ua). Nach der Rechtsprechung kann aber auch trotz Weiterbestandes der Wohngemeinschaft die häusliche Gemeinschaft als aufgehoben gelten, nämlich, wenn eine persönliche Berührung der Ehegatten weitgehend ausgeschaltet ist (7 Ob 62/74; SZ 52/29; 7 Ob 713/88 ua), die Ehegatten also in ihrer sonstigen Lebensführung mehr oder weniger (getrennte Anschaffung von Lebensmitteln, getrennte Zubereitung der Mahlzeiten, getrennte Versorgung der Wäsche usw.) vollständig getrennt leben (EFSlg 11.942, 25.022; EvBl. 1979/131; 3 Ob 617/82; 7 Ob 713/88 uva). Davon kann hier aber nicht die Rede sein, denn die Beklagte führte bis zum 31.3.1989 weiterhin voll einen gemeinsamen Haushalt der Ehegatten, sie nahm darüber hinaus auch geschäftliche Anrufe für den Kläger in der Wohnung entgegen und machte ihm hierüber Mitteilung; bis zum 31.3.1989 hatten die Streitteile weiterhin im gemeinsamen Ehebett geschlafen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, das auf § 55 EheG gestützte Scheidungsbegehren sei mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen einer seit mindestens drei Jahren gegebenen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft abzuweisen, ist daher zutreffend, denn es bestehen entgegen der Ansicht des Revisionswerbers noch zahlreiche und wesentliche persönliche Berührungspunkte der Ehegatten.

Den Revisionsausführungen über schwere Eheverfehlungen der Beklagten ist einerseits entgegenzuhalten, daß die Tatsacheninstanzen weder die vom Kläger behauptete Wegnahme von Geld durch die Beklagte noch die Ursache für ihre Auseinandersetzung mit der Tochter des Klägers feststellen konnten und andererseits, daß hinsichtlich allfälliger Eheverfehlungen der Beklagten jedenfalls zu Recht die Bestimmung des § 49 letzter Satz EheG angewendet wurde. Nach dieser Gesetzesstelle kann derjenige, der selbst eine Verfehlung begangen hat, die Scheidung nicht begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhanges der Verfehlungen des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden, sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist. Die Anwendung dieser Bestimmung erfordert nach der Rechtsprechung nicht unbedingt einen Zusammenhang zwischen den Verfehlungen der Streitteile, es genügt unter Umständen, daß das ehewidrige Verhalten des beklagten Ehegatten durch jenes des klagenden Gatten irgendwie beeinflußt war. Bei der diesbezüglichen Beurteilung ist das Gesamtverhalten der Ehegatten zu berücksichtigen (6 Ob 642/80; 8 Ob 510/87 ua).

Vorliegendenfalls kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger durch sein festgestelltes Verhalten die Eifersuchtsvorwürfe der Beklagten herausgefordert hat, deren Eifersucht also nicht, wie er in der Revision weiterhin behauptet, eine krankhafte Grundlage hat. Der schließlich in der Revision neuerlich geltend gemachten Herabsetzung seiner Person durch Äußerungen der Beklagten gegenüber seinen Verwandten, also im Familienkreis - es steht fest, daß die Beklagte mit den Verwandten des Klägers immer in gutem Einvernehmen stand - kommt keinesfalls ein Gewicht zu, das für die Zerrüttung der Ehe auch nur von einiger Bedeutung gewesen sein könnte. Nach den gesamten Umständen dieses Falles erscheint das Scheidungsbegehren des Klägers demnach im Sinne des § 49 Abs2 EheG nicht gerechtfertigt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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