OGH 14Os100/89

OGH14Os100/8930.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vondrak als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Theresia S*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben vom 25.Jänner 1989, AZ 17 Bl 9/89, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer und des Verteidigers Dr. Grogger jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Theresia S*** wegen § 88 Abs. 1 StGB, AZ U 80/88 des Bezirksgerichtes Kindberg, verletzt der Beschluß des Kreisgerichtes Leoben vom 25.Jänner 1989, 17 Bl 9/89 (ON 26 des Aktes), womit in Stattgebung der Kostenbeschwerde des Subsidiaranklägers Walter M*** die von ihm der freigesprochenen Angeklagten Theresia S*** zu ersetzenden Verteidigungskosten (in Anwendung der Tarifpost 4 des damals geltenden Rechtsanwaltstarifs bei Bemessung der Entlohnung für die Verrichtung der Hauptverhandlung) mit 9.978,24 S bestimmt wurden, das Gesetz in der Bestimmung des § 393 Abs. 3 StPO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 RATG.

Diese Beschwerdeentscheidung wird aufgehoben und gemäß § 292 letztem Satz StPO dem Kreisgericht Leoben aufgetragen, neuerlich über die Beschwerde des Subsidiaranklägers Walter M*** zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Kindberg vom 17.November 1988, GZ U 80/88-12, wurde Theresia S*** von dem gegen sie vom Subsidiarankläger Walter M*** wegen fahrlässiger Körperverletzung gestellten Strafantrag gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen. Dem gemäß § 366 Abs. 1 StPO mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesenen Privatbeteiligten Walter M*** wurde gemäß § 390 (Abs. 1) StPO der Ersatz der Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die vom Subsidiarankläger zu ersetzenden Kosten der Verteidigung der Theresia S*** wurden mit Beschluß vom 22.Dezember 1988, GZ U 80/88-22, mit 23.421,82 S bestimmt. Dabei stützte sich das Bezirksgericht bei den Verteidigerkosten für die Hauptverhandlung auf § 9, beim Erfolgszuschlag auf § 12 der Autonomen Honorarrichtlinien (AHR) in der damals geltenden Fassung (laut Beschluß des österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 14. März 1986).

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wandte sich der Subsidiarankläger gegen die Anwendung der §§ 9 und 12 AHR, weil seiner Ansicht nach Tarifpost 4 RAT anzuwenden gewesen wäre (und die Barauslagen von 120 S für Vollmachtstempel keine nowendigen Kosten seien).

Das Kreisgericht Leoben gab dieser Beschwerde mit Beschluß vom 25. Jänner 1989, 17 Bl 9/89, Folge und führte aus, die Autonomen Honorarrichtlinien seien mangels entsprechender Vereinbarung (§ 1 lit b AHR) nicht anwendbar. Die Entlohnung sei nach dem Rechtsanwaltstarif vorzunehmen, wobei "der Subsidiarankläger dem in der anzuwendenden Tarifpost 4 genannten Privatbeteiligten gleichzusetzen" sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung des Kreisgerichtes Leoben steht, wie der Generalprokurator zutreffend in der gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Nach § 393 Abs. 3 StPO haben alle jene Personen, denen der Ersatz der Prozeßkosten überhaupt zur Last fällt, gemäß § 390 Abs. 1 StPO also auch Privatbeteiligte im Falle der Beendigung von Strafverfahren, welche gemäß § 48 StPO lediglich auf ihren Antrag stattgefunden haben, auch alle Kosten der Verteidigung und der Vertretung zu ersetzen.

Bei der mangels eines Übereinkommens durch das Gericht vorzunehmenden Bestimmung dieser Kosten ist auch zu prüfen, ob die Vertretungshandlungen notwendig waren oder sonst nach Beschaffenheit des Falles gerechtfertigt sind (§ 395 Abs. 2 StPO). Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 22.Mai 1969, BGBl Nr 189, über den Rechtsanwaltstarif besteht der Anspruch der Rechtsanwälte auf Entlohnung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes (einschließlich des ihm angeschlossenen Tarifs) im zivilgerichtlichen und schiedsrichterlichen Verfahren sowie im Strafverfahren über eine Privatanklage und für die Vertretung von Privatbeteiligten (siehe auch Tarifpost 4 RAT). Der Rechtsanwaltstarif regelt also lediglich die Verteidigungskosten für das Privatanklageverfahren (vgl EvBl 1983/46). Die vom Privatbeteiligten nach Maßgabe des § 48 StPO übernommene öffentliche Anklage wird dadurch nicht zur Privatanklage (§ 2 Abs. 3 StPO). Daß durch den Rechtsanwaltstarif auch die Entlohnung des Verteidigers in jenen offiziosen Strafsachen geregelt wäre, in welchen der Privatbeteiligte statt des Staatsanwaltes die öffentliche Anklage erhebt und durchführt (§ 48 StPO), ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Tätigkeit des Verteidigers ist qualitativ keine andere, wenn die öffentliche Anklage durch den Privatbeteiligten an Stelle des Staatsanwaltes (dem allerdings gemäß § 49 Abs. 1 StPO jederzeit die neuerliche Übernahme der gerichtlichen Verfolgung freisteht) vertreten wird. Da der Rechtsanwaltstarif die Verteidigerkosten nur für das Privatanklageverfahren regelt (s erneut EvBl 1983/46 sowie EvBl 1973/194 und JBl 1954, 571; gegenteilig - allerdings ohne stichhaltige Begründung - lediglich RZ 1954/11), ist die Bedachtnahme auf die Autonomen Honorarrichtlinien - die unter anderem dann Anwendung auf Leistungen eines Rechtsanwaltes finden sollen, soweit seine Entlohnung nicht durch Gesetz oder Verordnung geregelt ist (§ 1 lit a AHR) - auch dann nicht ausgeschlossen, wenn deren Ansätze über jene der Tarifpost 4 RAT hinausgehen. Allerdings besteht keine Bindung der Gerichte an die Autonomen Honorarrichtlinien. Sie haben nur die Bedeutung einer gutächtlichen Äußerung über die Bewertung rechtsanwaltlicher Leistungen im Durchschnittsfall (§ 4 AHR; vgl RZ 1978/86 sowie erneut JBl 1954, 571). Es steht somit im Ermessen des die Kostenbestimmung nach § 395 StPO vornehmenden Gerichtes, die Ansätze dieser Richtlinien als auf den Einzelfall allenfalls nicht anwendbar zu erachten.

Im vorliegenden Fall ist das Beschwerdegericht bei Überprüfung des vom Bezirksgericht geübten Ermessens von der unzutreffenden Rechtsansicht ausgegangen, höchstens die nach der Tarifpost 4 RATG zustehenden Beträge als Verteidigerkosten für die Verrichtung der Hauptverhandlung zusprechen zu dürfen. Der Gleichsetzung des Subsidiaranklägers mit dem "Privatbeteiligten nach TP 4" des RATG fehlt überhaupt jeglicher Bezug auf das hier zu bstimmende Ausmaß der Vertretungskosten des freigesprochenen Angeklagten. Eine solche auf unrichtiger Rechtsauffassung beruhende Ermessensentscheidung kann Gegenstand der Feststellung einer Gesetzesverletzung nach §§ 33, 292 StPO sein (vgl Mayerhofer-Rieder2, § 292 StPO, E 13 ff). Da (in Anbetracht der Höhe der in erster Instanz zugesprochenen Verteidigungskosten) eine Benachteiligung der freigesprochenen Angeklagten auf Grund des Rechtsirrtums des Beschwerdegerichts zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, ist ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes nach § 292 letztem Satz StPO geboten, weil dessen sinngemäße Anwendung auf alle sich an irgendeine Verletzung des Gesetzes im Strafverfahren knüpfenden Nachteile für den Beschuldigten, welcher Art auch immer (14 Os 185, 186/88; EvBl 1981/187 = JBl 1981, 605; SSt 52/16 uam), daher auch auf gesetzwidrige Entscheidungen in der Kostenfrage (vgl erneut 14 Os 185, 186/88 und SSt 52/16; siehe ferner SSt 55/51 und 9 Os 33-36/87 sowie Pallin in Festschrift 100 Jahre StPO, 182 f), zulässig ist. Dies umsomehr, als vorliegend - anders als in den Fällen der Entscheidungen 13 Os 73/87, 11 Os 150, 151/85 und RZ 1986/10 - eine Bekämpfung des Verstoßes im Wege eines ordentlichen Rechtsmittels der Angeklagten überhaupt nicht offenstand.

Mit der Feststellung des gegenständlichen Verstoßes war daher die Aufhebung der auf unrichtiger Rechtsansicht beruhenden Beschwerdeentscheidung zu verbinden. Eine Entscheidung in der Sache selbst kann jedoch nicht erfolgen, weil im Verfahren gemäß §§ 33, 292 StPO das vom Erstgericht geübte Ermessen nicht überprüft werden kann (vgl EvBl 1976/210). Dies wird (erneut) durch das (nunmehr gemäß § 293 Abs. 2 StPO an die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes gebundene) Beschwerdegericht vorzunehmen sein. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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