OGH 9ObA71/89

OGH9ObA71/8910.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Walter Zeiler und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Annette T***, Innsbruck, Schützenstraße 26 b, vertreten durch Dr.Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) F*** & Co, H.und W.H*** Gesellschaft mbH & Co KG,

2.) N*** M*** Gesellschaft mbH, beide Innsbruck,

Erzherzog Eugen-Straße 41, beide vertreten durch Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 93.859,71 S brutto abzüglich 7.000 S netto, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.November 1988, GZ 5 Ra 117/88-44, womit infolge Berufung beider Streitteile das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. April 1988, GZ 47 Cga 42/87-33, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 5.092,56 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 848,76 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die unter dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO bekämpften Feststellungen sind durch die vorliegenden Beweisergebnisse gedeckt. Die dazu erstatteten Ausführungen zeigen keine Aktenwidrigkeit auf; es wird vielmehr damit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft. Ein Eingehen hierauf ist dem Revisionsgericht verwehrt.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Begründung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Fest steht, daß die Klägerin im März 1986 an einer erheblichen Erschöpfungsdepression mit psychosomatischen Auswirkungen litt. Dieser Zustand wurde durch das Arbeitsklima in der Firma der erstbeklagten Partei ausgelöst. Die Klägerin hatte keinen fixen ruhigen Arbeitsplatz und mußte in verschiedenen Räumen unter belastenden Bedingungen arbeiten. Diese an und für sich schon schwierigen Arbeitsbedingungen wurden zusätzlich durch Herabsetzungen und auch durch Verbalinjurien von Seiten des Firmeninhabers belastet. Die Klägerin hätte nach den Feststellungen ohne Schaden für ihre Gesundheit die Arbeit bei den beklagten Parteien nicht mehr fortsetzen können.

Mag der Geschäftsführer Hubert H***, bedingt durch die angespannte wirtschaftliche Lage des Unternehmens, auch unter Druck gestanden sein, so rechtfertigte dies nicht sein Verhalten gegenüber der Klägerin. Es wurden nicht nur erhöhte Anforderungen an die Arbeitsleistung der Klägerin gestellt, die mit einer beträchtlichen Belastung verbunden waren; der Geschäftsführer verstieß auch durch sein widerholt beleidigendes und die Klägerin herabsetzendes Verhalten in grober Weise gegen die zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages einzuhaltenden Grundsätze der gegenseitigen Achtung und anständigen Begegnung. Dabei handelt es sich nicht um isolierte Vorfälle; das Verhalten des Geschäftsführers erstreckte sich vielmehr vom Ausscheiden Hermann T*** bis zum Antritt des Krankenstandes durch die Klägerin im März und damit über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten. Zutreffend hat das Berufungsgericht das Vorliegen des Austrittsgrundes des § 26 Abs 1 Z 1 AngG angenommen, steht doch fest, daß die Klägerin die Tätigkeit ohne Schaden für ihre Gesundheit nicht hätte fortsetzen können. Die Gefährdung der Gesundheit des Angestellten bei Fortsetzung einer bestimmten Tätigkeit ist ein Dauerzustand, auf den er sich jederzeit zur Rechtfertigung einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berufen kann (9 Ob A 307/88). Im übrigen konnte die Klägerin nach Antritt des Krankenstandes erst nach einer gewissen Zeit der Beobachtung der weiteren Entwicklung des psychischen Leidenszustandes endgültig abschätzen, ob ihr eine weitere Tätigkeit unter den im Unternehmen der beklagten Partei gegebenen Bedingungen möglich ist. Da nicht der Belastung durch die Arbeitstätigkeit allein, sondern dem Arbeitsklima insgesamt die ausschlaggebende Bedeutung zukam, stellt sich die Frage nach einem möglichen Ersatzarbeitsplatz im Unternehmen der erstbeklagten Partei nicht. Die besonders belastenden Rahmenbedingungen wären nämlich in jedem Fall unverändert geblieben. Der Austritt wurde daher nicht verspätet erklärt. Soweit die Revisionswerberinnen geltend machen, daß die Klägerin ihr Begehren auf diesen Austrittsgrund nicht gestützt hatte, so übersehen sie, daß die Klägerin ihre gesundheitliche Belastung durch die Tätigkeit im Unternehmen ebenso geltend gemacht hat wie die beleidigenden Ausfälle des Geschäftsführers.

Daß einzelne beleidigende Angriffe des Arbeitgebers für sich allein gesehen den Tatbestand des § 26 Abs 1 Z 4 AngG erfüllt hätten, steht der Annahme des Austrittsgrundes nach § 26 Abs 1 Z 1 AngG nicht entgegen, wenn durch eine Summe von Vorfällen dieser Art, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, letztlich eine psychische Beeinträchtigung in einem Maß eintritt, daß die Fortsetzung der Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte