Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
Es wird festgestellt, daß der zwischen der Klägerin als Verkäuferin und dem Beklagten als Käufer abgeschlossene Kaufvertrag vom 3. April 1986 über den Hälftemiteigentumsanteil der Klägerin an der Liegenschaft EZ 1655 II KG Zirl infolge Rücktritts vom Vertrag durch die Klägerin aufgelöst ist.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 82.014,35 (hievon S 7.455,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Auf Grund des mit Johann P*** abgeschlossenen Kaufvertrages vom 25./26. Juni 1985 war die Klägerin Eigentümerin des zuvor dem Johann P*** gehörigen Hälfteanteils der Liegenschaft EZ 1655 II KG Zirl. Über diesen Liegenschaftsanteil fertigten die Streitteile am 3. April 1986 einen Kaufvertrag, nach dem der Beklagte einen Kaufpreis von S 400.000,-- unter Übernahme einer auf der Liegenschaft haftenden Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges und eines Wohnrechtes des Johann P*** bezahlen sollte. Der Vertrag enthält u.a. folgende Bestimmungen: "Der vorangeführte Kaufpreis ist wie folgt zu entrichten: Bei Vertragsunterfertigung ist ein Teilbetrag von S 50.000,-- bar und abzugsfrei an die Verkäuferin zu entrichten. Der Restbetrag von S 350.000,-- ist binnen eines Monats nach Eintragung des Eigentumsrechtes des Käufers im Grundbuch zur Barzahlung fällig. Der Käufer ist verpflichtet, für die möglichst rasche Abwicklung aller zur Verbücherung dieses Kaufvertrages erforderlichen Schritte Sorge zu tragen. .... Die Verkäuferin erklärt ausdrücklich, daß ihr seinerzeitiger Rechtserwerb vollkommen unanfechtbar und weder die guten Sitten noch Treu und Glauben verletzend abgeschlossen worden ist. Sie weist darauf hin, daß der günstige Kaufpreis seinerzeit deshalb zustandekam, weil sie die Lebensgefährtin des Verkäufers gewesen ist, und neben der Entrichtung des Kaufpreises auch die Verpflichtung übernommen hat, im Krankheitsfall Herrn P*** zu versorgen. Es sei somit auch der Tatbestand der Verkürzung über die Hälfte auf jeden Fall nicht gegeben. Der Käufer erklärt, den gegenständlichen Kaufvertrag unter der Voraussetzung abzuschließen, daß der seinerzeitige Kaufvertrag vom 25. Juni 1985 nicht den guten Sitten aus welchem Grunde immer widerspricht. Die Verkäuferin erklärt diese Bedingung zu akzeptieren und den Käufer im Falle der Inanspruchnahme durch den seinerzeitigen Verkäufer, Herrn Johann P***, auf jeden Fall schad- und klaglos zu halten ..... Der Käufer erklärt, daß ihm bekannt ist, daß zur Geschäftszahl 16 Cg 436/85 beim Landesgericht Innsbruck ein Teilungsprozeß mit der Miteigentümerin Hildegard S*** anhängig ist, und daß in diesem Verfahren derzeit einfaches Ruhen vereinbart worden ist. Es wird festgestellt, daß es Sache des Käufers ist, in dieses Verfahren einzutreten oder nicht. Die bis zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung aufgelaufenen Kosten verpflichtet sich die Verkäuferin zu übernehmen."
Bereits am 26. Juni 1986 verfügte der Beklagte über die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern Innsbruck und hätte die bücherliche Durchführung des Kaufvertrages beantragen können. Die Zahlung des restlichen Kaufpreises von S 350.000,-- lehnte er jedoch mit Schreiben vom 18. Juli 1986 mit der Begründung ab, Dr. Herbert K***, der Rechtsanwalt des Johann P***, habe angekündigt, durch Klage die Aufhebung des Kaufvertrages zwischen der Klägerin und Johann P*** erzwingen zu wollen und hiefür stichhältige Gründe zu haben. Mit Schreiben vom 23. Juli 1986 forderte der Vertreter der Klägerin den Beklagten auf, den Restkaufpreis von S 350.000,-- bis längstens 4. August 1986 zu überweisen; andernfalls werde bereits jetzt der Rücktritt vom Vertrag erklärt. Der Beklagte überwies den geforderten Betrag nicht, sondern hinterlegte ihn am 30. Juli 1986 gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Innsbruck, weil er sich nicht im klaren sei, ob der aushaftende Kaufpreisteilbetrag der Klägerin oder Johann P*** zuzukommen habe. Als Antragsgegnerin bezeichnete er jedoch nur die Klägerin.
Am 5. August 1986 brachte Johann P*** gegen die nunmehrige Klägerin eine Klage ein, mit der er in der Hauptsache die Aufhebung des Kaufvertrages vom 25./26. Juni 1985 begehrte, weil er unter Ausnützung seiner Hilfsbedürftigkeit und seiner eingeschränkten oder gar gänzlich fehlenden Handlungsfähigkeit durch Unterschieben eines den mündlichen Abreden nicht entsprechenden Vertragstextes in Irrtum geführt und getäuscht worden sei. Die Durchführung der vom Gericht bewilligten Klagsanmerkung wurde vom Bezirksgericht Telfs abgelehnt, weil die Klägerin inzwischen ihren Hälfteanteil mit Kaufvertrag vom 13. August 1987 im Range vom 23. März 1987 an Johann S*** übertragen hatte.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß der mit dem Beklagten abgeschlossene Kaufvertrag vom 3. April 1986 infolge Rücktritts vom Vertrag durch die Klägerin aufgelöst sei. Der Beklagte habe den restlichen Kaufpreis zu Unrecht nicht bezahlt und gerichtlich hinterlegt.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Durch die Klageführung Johann P*** sei ein essentieller Vertragsbestandteil, die Unanfechtbarkeit des Vertrages zwischen Johann P*** und der Klägerin und dessen Zustandekommen ohne Verletzung der guten Sitten, in Frage gestellt worden. Der Beklagte habe daher den Kaufpreis gerichtlich hinterlegt, zumal auch der Rechtsfreund Johann P*** Ansprüche auf den Kaufpreis geltend gemacht habe. Die Hinterlegung habe die Wirkung der Zahlung. Der Vertragsrücktritt der Klägerin sei daher zu Unrecht erfolgt. Im übrigen sei im Zeitpunkt der Hinterlegung mangels Erfüllung des Vertragspunktes IV noch keine Fälligkeit gegeben gewesen. Zumindest zeige sich aus der Hinterlegung, daß der Beklagte zur Leistung bereit gewesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Feststellungsklage sei unzulässig, wenn der Kläger das gewünschte Ergebnis auch im Rahmen einer Leistungsklage erhalten könne. Die Klägerin habe mit Kaufvertrag vom 13. August 1987 den Liegenschaftsanteil bereits wieder an Johann S*** veräußert, der nunmehr bücherlicher Eigentümer der Liegenschaft sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000,-- übersteige. Der Beklagte behaupte, das Vertragsverhältnis mit der Klägerin bestehe nach wie vor; er behaupte damit Rechte aus dem mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrag, die auch trotz der zwischenzeitlichen Weiterveräußerung der Kaufliegenschaft weiterbestehen könnten. Die Klägerin habe nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen, daß eine Wiederbeschaffung des Kaufgegenstandes unmöglich sei. Eine Vereitelung des Eigentumserwerbes zugunsten des Erstkäufers würde diesem aber Ansprüche nach § 920 ABGB öffnen. Ein festgestellter Vertragsrücktritt im Sinne des Feststellungsbegehrens würde Klarheit schaffen, daß dem Beklagten weder vertragliche Ansprüche noch Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin zustünden. Das behauptete Feststellungsinteresse der Klägerin sei damit gegeben. Da es an ausreichenden Feststellungen des Erstgerichtes über die Gründe für die Zurückbehaltung der Zahlung durch den Beklagten sowie über seinen Wissensstand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bezüglich der näheren Umstände des Grunderwerbes der Klägerin fehlte, erachtete das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung für notwendig. Nach dem Protokoll über die Berufungsverhandlung faßte das Berufungsgericht den Beschluß auf Beweiswiederholung über die Gründe, die den Beklagten zur Hinterlegung des Kaufpreisrestes veranlaßten, durch den Akt 18 Cg 383/86 des Landesgerichtes Innsbruck (Klage des Johann P*** gegen die Klägerin), durch die Korrespondenz und den Hinterlegungsantrag. Es wurden dann Urkunden sowie der Akt 18 Cg 393/86 des Landesgerichtes Innsbruck verlesen. Nach Einlegung der Kostenverzeichnisse wurde sodann die Berufungsverhandlung geschlossen und verkündet, daß die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten werde. Das Berufungsgericht traf folgende Feststellungen: Der Beklagte habe sich bereits vor Abschluß des Vertrages mit der Klägerin mit Dr. Herbert K*** in Verbindung gesetzt. Dieser habe ihm mitgeteilt, der Ankauf der Liegenschaftshälfte durch die Klägerin sei eine eher bedenkliche Angelegenheit, Johann P*** behaupte, von der Klägerin betrogen worden zu sein. Vom Beklagten befragt, habe die Klägerin jedoch erklärt, die Schilderung Dris. Herbert K*** sei unrichtig. Die Unstimmigkeiten seien vielmehr darauf zurückzuführen, daß die ehemalige Lebensgefährtin Johann P***, Hildegard S***, wieder Einfluß auf Johann P*** gewinne und sie selbst mit ihm nicht mehr Kontakt habe. Die Klägerin wolle nochmals mit Johann P*** sprechen und die Angelegenheit klären. Es sei um die Behauptung gegangen, Johann P*** habe der Klägerin den Hausanteil nicht verkauft, sondern ihr nur ein Wohnrecht einräumen wollen. Der Beklagte habe die Klägerin wiederholt darauf angesprochen, ob sie mit Johann P*** gesprochen habe, sei aber immer wieder vertröstet worden; als der Beklagte selbst mit Johann P*** habe sprechen wollen, habe sich die Klägerin geäußert, dies habe keinen Sinn, bevor sie nicht selbst mit ihm Rücksprache gehalten habe. Der Beklagte habe dann zwar nicht mit Johann P***, aber mit Hildegard S*** gesprochen, die naturgemäß über kein eigenes Wissen über den Vertragsschluß zwischen der Klägerin und Johann P*** verfügt habe. Der Beklagte habe dann den Vertrag mit der Klägerin unter den in diesem festgelegten Klauseln geschlossen. Nach Vertragsabschluß, aber noch vor Erhalt des Mahnschreibens der Klägerin vom 14. Juli 1986 habe der Beklagte, um sich zu vergewissern, daß es mit Johann P*** keine Probleme gebe, mit dessen Rechtsfreund Dr. Herbert K*** abermals telefoniert. Dieser habe ihm mitgeteilt, daß eine Klage Johann P*** gegen die Klägerin auf Aufhebung seines Kaufvertrages mit der Klägerin bereits "unterwegs" sei und stichhaltige Gründe für die Klagsführung vorlägen. Nachdem der Beklagte nach Erhalt des Schreibens vom 14. Juli 1986 festgestellt hatte, daß eine Klagseinbringung noch nicht erfolgt sei, habe der Beklagte erfahren, daß Dr. Herbert K*** auf Urlaub sei und die Klage noch nicht geschrieben habe. Der Beklagte habe dies der Klägerin mit Schreiben vom 18. Juli 1986 mitgeteilt und um Verständnis gebeten, daß er die Zahlung des Restkaufpreises so lange nicht vornehmen wolle, als nicht wirklich geklärt sei, ob seitens Johann P*** eine Klage eingebracht werde. Sollte dies der Fall sein, müsse der restliche Kaufpreis entweder zurückbehalten oder gerichtlich hinterlegt werden, um nicht allfällige Ansprüche Johann P*** zu gefährden. Nach einem weiteren Telefonat mit Dr. Herbert K***, der ihm mitteilte, die Klage werde nunmehr unverzüglich eingebracht, habe der Beklagte dies dem Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 30. Juli 1986 mitgeteilt und bekanntgegeben, er sei zu einer Zahlung an die Klägerin nicht in der Lage und werde eine gerichtliche Hinterlegung vornehmen, falls die Klägerin auf Zahlung bestehe. Mit Schreiben vom 1. August 1986 habe Dr. Herbert K*** dem Beklagten mitgeteilt, im Auftrag Johann P*** die Klage gegen die nunmehrige Klägerin eingebracht zu haben. Mit einem weiteren Schreiben vom 12. August 1986 habe er dem Beklagten mitgeteilt, daß die nunmehrige Klägerin Johann P*** jedenfalls den Kaufschilling über S 300.000,-- schulde; der Wert des übertragenen Hälfteanteiles liege beträchtlich darüber. Der Beklagte habe auch selbst Johann P*** aufgesucht und den Eindruck gewonnen, dieser sei wirklich der Überzeugung, nicht verkauft zu haben. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung führte das Berufungsgericht aus, sowohl die vom Beklagten vorgelegten Durchschriften seiner Schreiben als auch die Zeugenaussage des Beklagten im Rechtsstreit 18 Cg 393/86 des Landesgerichtes Innsbruck ließen keine Zweifel daran offen, daß sich die darin wiedergegebenen Vorgänge so wie geschildert zugetragen hätten. Zu Bedenken bestünde umso weniger Anlaß, als keine gegenteiligen Beweise vorlägen.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, ausschließlich vom Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrages aus betrachtet läge ein rechtswirksamer Vertragsrücktritt der Klägerin vor, da die Fälligkeit des Kaufschillingrestes eingetreten und die Klägerin, die eine angemessene Nachfrist gesetzt habe, zum ausgesprochenen Vertragsrücktritt berechtigt gewesen wäre. Gehe man aber von dem vom Erstgericht und ergänzend hiezu vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt aus, erscheine die Zurückhaltung des Kaufpreisrestes durch den Beklagten dennoch gerechtfertigt, da dem Beklagten analog § 1052 letzter Satz ABGB eine Unsicherheitseinrede zustehe, da die Gegenleistung gefährdet gewesen sei. Die Klägerin hätte dem Beklagten anfechtungssicheres Eigentum zu verschaffen gehabt. Die Fälligkeit des Kaufpreisrestes sollte allerdings noch vor jenem Zeitpunkt eintreten, bis zu welchem ein Nachweis für die Erfüllung der vertraglichen Pflicht der Klägerin zur Verschaffung anfechtungssicheren Eigentums möglich sein konnte. Durch die nach Vertragsunterfertigung dem Beklagten zugekommene Information sei jedoch eine drastische Veränderung eingetreten. Hätten bis dahin nur gewisse und noch keineswegs einer Kenntnis im Sinne des letzten Satzes des § 1052 ABGB gleichzuhaltende Bedenken bestanden, die von der Klägerin hätten zerstreut werden können, so sei nunmehr auch bei objektiver Betrachtung mit Grund zu befürchten gewesen, daß Johann P*** mit seiner schon unmittelbar bevorstehenden klagsweisen Anfechtung des Erwerbsvorganges durchdringe und der Beklagte sich nicht mehr auf guten Glauben berufen könnte und deshalb möglicherweise den Liegenschaftsanteil an Johann P*** trotz allfälliger zwischenzeitlicher Zahlung des gesamten Kaufpreises an die Klägerin verliere. Die somit bestandenen ernsten Befürchtungen, daß die Klägerin nicht in der Lage sein werde, ihre vertragliche Leistung (Verschaffung anfechtungssicheren Eigentums) zu erbringen, habe den Beklagten zur Zurückhaltung des Restkaufpreises berechtigt. Sache der Klägerin wäre es gewesen, entweder durch eine entsprechende Erklärung Johann P*** bzw. durch ein gegen ihn erwirktes Urteil die Anfechtungssicherheit ihres Erwerbsvorganges darzutun oder dem Beklagten Sicherstellung im Sinne des § 1052 ABGB zu verschaffen. Dies sei aber seitens der Klägerin nicht geschehen. Die Unsicherheitseinrede könne allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn dem Vorleistungspflichtigen der gefahrendrohende Umstand schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht erkennbar war. Für den Grad der Sorgfaltsanforderung komme es auf die Umstände des konkreten Falles an. Bloßes Beteuern des Partners reiche zwar in der Regel nicht aus; die Richtigkeit mitgeteilter Tatsachen müsse aber nicht überprüft werden, denn der Nachleistungsberechtigte könne dem zur Vorleistung Verpflichteten nicht als Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt zum Vorwurf machen, daß er ihm geglaubt habe. Gehe man von diesen Kriterien aus und berücksichtige man zudem, daß auf Grund der gegebenen Konstellation eine objetive Überprüfung der Angaben der Klägerin durch den Beklagten selbst bei Durchführung entsprechender Rückfragen schon auf Grund der gegebenen Interessengegensätze und der emotionalen Spannungen - bei der Klägerin und Hildegard S*** habe es sich um ehemalige Lebensgefährtinnen Johann P*** gehandelt - kaum möglich gewesen sei, könne von einer Außerachtlassung der vom Beklagten vor Vertragsabschluß zu fordernden gehörigen Sorgfalt in bezug auf die "gefahrdrohenden Umstände" im Sinne des § 1052 ABGB doch noch nicht gesprochen werden; es könne noch zugebilligt werden, daß der Beklagte schließlich keine weiteren Rückfragen vorgenommen habe. Gegenüber dem Informationsstand des Beklagten, wie er nach Vertragsabschluß und Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung gegeben gewesen sei, habe doch ein sehr wesentlicher Unterschied bestanden; es sei doch etwas ganz anderes, ob bloß in mehr oder minder vager Form das gültige Zustandekommen eines Vertrages bezweifelt werde, ohne daraus Konsequenzen abzuleiten, oder ob von der unmittelbar bevorstehenden Einbringung einer entsprechenden Klage ausgegangen werden müsse. Sei dem Beklagten aber die Unsicherheitseinrede zur Verfügung gestanden, habe er durch die Nichtentrichtung des Restkaufpreises nicht in Verzug geraten können, weshalb die Klägerin zu einem Vertragsrücktritt nicht berechtigt gewesen sei. Einer gerichtlichen Hinterlegung des Kaufpreisrestes durch den Beklagten hätte es zur Abwendung der Verzugsfolgen gar nicht bedurft. Eine Prüfung, ob ein gesetzlicher Erlagsgrund vorlag und ob der Erlag schuldbefreiende Wirkung hatte, sei damit entbehrlich.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist berechtigt.
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt die Klägerin mit Recht die Vorgangsweise des Berufungsgerichtes bei der von ihm beschlossenen Beweiswiederholung. Diese war in Wahrheit eine Beweisergänzung, da das Erstgericht das Feststellungsinteresse der Klägerin verneint und daher keinen Grund hatte, in die sachliche Erledigung der Klagsbehauptungen einzugehen. Gemäß § 488 Abs 1 ZPO ist der Berufungssenat berechtigt, eine bereits in erster Instanz erfolgte Beweisaufnahme zu ergänzen und im erstrichterlichen Verfahren von den Parteien erfolglos angbotene Beweise nachträglich aufzunehmen. Für das im Zuge des Berufungsverfahrens durchzuführende Beweisverfahren gilt aber, von dem im § 488 Abs 2 letzter Halbsatz ZPO geregelten Ausnahmefall abgesehen, der Unmittelbarkeitsgrundsatz in gleichem Umfang wie im Beweisverfahren vor dem Erstgericht (Fasching, Komm. IV 184). Der Unmittelbarkeitsgrundsatz wurde, auch für das Verfahren vor dem Berufungsgericht (Fasching, ZPR Rz 1807), nur durch den § 281 a ZPO gelockert. Nach dieser Bestimmung kann u. a. das Protokoll über einen in einem gerichtlichen Verfahren, an dem die Parteien beteiligt waren, aufgenommenen Beweis verlesen und von einer neuerlichen Beweisaufnahme Abstand genommen werden, wenn nicht eine der Parteien ausdrücklich das Gegenteil beantragt. Einen solchen Antrag stellte die Klägerin nicht; sie konnte nach dem verkündeten Beweisbeschluß aber auch nicht annehmen (und entgegen der Meinung der Revisionsbeantwortung auch nicht gemäß § 196 ZPO rügen; vgl. im übrigen Bajons, Beweiswiederholung und Verfahrensergänzung in der Berufungsinstanz, FS Fasching 19 ff, 52), daß das Berufungsgericht ohne Vernehmung der Parteien Feststellungen allein auf Grund einer Zeugenaussage des Beklagten im Verfahren 18 Cg 383/86 des Landesgerichtes Innsbruck treffen würde. An einem früheren Verfahren beteiligt waren die Parteien eines Prozesses nur dann, wenn sie dort Parteien oder zumindest Nebenintervenienten waren (Fasching, ZPR Rz 677), was für den Beklagten im Verfahren 18 Cg 383/86 nicht gilt. Mit Recht wird darüber hinaus die Auffassung vertreten, daß die Anwendung des § 281 a ZPO überall dort unzulässig ist, wo Beweise über Umstände aufzunehmen sind, die nur durch den persönlichen unmittelbaren Eindruck des Berufungssenates ermittelt werden können (Fasching, ZPR Rz 1807; vgl. auch Bajons aaO 49, 51 ff). Wenn die Parteien in einem Verfahren also widersprechende Behauptungen aufstellen und es darauf ankommt, welcher Partei Glauben zu schenken ist, und sich eine Partei, wie im vorliegenden Fall die Klägerin, allein auf ihre Parteiaussage berufen hat, muß das Berufungsgericht, wenn es um die Glaubwürdigkeit der Parteien geht, beide Parteien vernehmen. Es ist hingegen unzulässig, ohne Anhörung der Parteien im Verfahren Feststellungen ausschließlich auf Grund einer Zeugenaussage zu treffen, die eine Partei in einem anderen Verfahren abgelegt hat, zumindest die Klägerin wäre als Partei zu vernehmen gewesen (JBl 1975, 100). Das Berufungsgericht hat damit in gravierender Weise bestehende Verfahrensvorschriften verletzt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nur deswegen nicht vor, weil der Mangel nicht geeignet ist, die abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache zu hindern; selbst dann, wenn die auf Grund der Zeugenaussage des Beklagten im Parallelprozeß getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichtes richtig sind, ist die Rechtssache dahin entscheidungsreif, daß dem Klagebegehren stattzugeben ist.
Gemäß § 1052 zweiter Satz ABGB kann der zur Vorausleistung Verpflichtete seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teiles gefährdet ist, die ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mußten. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß die Gleichheit der Rechtsrgründe die analoge Anwendung des Rechtsgedankens dieser Bestimmung auf den Fall verlangt, in dem Gefahr besteht, daß der Schuldner nach Empfang der ihm gebührenden Leistung sich der Gegenleistungspflicht entziehen wird (SZ 26/99). Das gilt auch für den Fall, in dem der Schuldner zur Gegenleistung nicht fähig erscheint (EvBl 1963/46; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 77 zu § 1052; aA Aicher in Rummel, ABGB, Rz 31a zu § 1052). Voraussetzung für die Anwendung des Rechtsgedankens des § 1052 ABGB muß aber immer sein, daß derjenige, der die Unsicherheitseinrede erhebt, überhaupt vorleistungspflichtig ist. Davon war aber im vorliegenden Fall keine Rede. Vorleistungspflichtig war vielmehr die Klägerin, da der Beklagte den Restbetrag von S 350.000,-- erst binnen eines Monats nach Erfüllung der Leistungspflicht der Klägerin, dem Beklagten Eigentum an ihrer Liegenschaftshälfte durch Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten im Grundbuch zu verschaffen, zu bezahlen hatte. Erst dadurch, daß der Beklagte trotz Vorhandenseins der Unbedenklichkeitsbescheinigung die Einverleibung seines Eigentumsrechtes unterließ, wurde wegen dieser Säumigkeit die Restforderung der Klägerin zu einem Zeitpunkt fällig, zu dem der Beklagte noch nicht bücherlicher Eigentümer der Liegenschaftshälfte war. Daß seine Restzahlung an sich fällig war, bestreitet der Beklagte gar nicht; in seinem Hinterlegungsantrag sprach er demgemäß von einem aushaftenden Kaufpreisrest und begründete seinen Antrag nur damit, nicht zu wissen, wem er zuzukommen habe. Allein dadurch, daß der Beklagte die Verbücherung des Vertrages mit der Klägerin unterließ wurde der Beklagte nicht Vorleistungspflichtiger. Für eine analoge Anwendung des § 1052 zweiter Satz ABGB fehlt es damit an deren wesentlicher Voraussetzung.
Das Berufungsgericht nahm allerdings an, die Klägerin habe dem Beklagten anfechtungssicheres Eigentum zu verschaffen gehabt, den Nachweis hiefür aber vor Fälligkeit des Restkaufpreises nicht erbringen können. Daraus zog es den Schluß, der Beklagte sei doch vorleistungspflichtig gewesen. Nach dem Vertrag zwischen den Streitteilen besteht aber kein Zweifel, daß der Beklagte bereits vor der Zahlung des Restkaufpreises ("möglichst rasch") bücherliches Eigentum erwerben sollte. Die Erklärung der Klägerin, ihr seinerzeitiger Rechtserwerb sei vollkommen unanfechtbar, die der Beklagte als Vertragsverfasser formulierte, konnte, da die Klägerin eine Anfechtung an sich, so aussichtslos sie sein mochte, nicht verhindern konnte, nur dahin verstanden werden, daß die Klägerin für die Erfolglosigkeit einer Anfechtung einstand. Daß der Beklagte eine Anfechtung ins Kalkül zog, ohne deswegen den Vertragsabschluß abzulehnen, ergibt sich aus der Klausel, wonach sich die Klägerin verpflichtete, den Beklagten im Falle der Inanspruchnahme durch den seinerzeitigen Verkäufer Johann P*** schad- und klaglos zu halten. Im übrigen ist keine Gefährdung des Beklagten eingetreten, die ihm nicht zur Zeit des Vertragsabschlusses bekannt sein mußte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes hatte der Rechtsanwalt Johann P*** dem Beklagten bereits vor Ankauf der Liegenschaftshälfte mitgeteilt, Johann P*** behaupte, von der Klägerin betrogen worden zu sein; es sei um die Behauptung gegangen, Johann P*** habe der Klägerin nicht den Hausanteil verkauft, sondern ihr nur ein Wohnrecht eingeräumt. Weiter geht der Wissensstand des Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes auch heute nicht, er hat inzwischen nur auch mit Johann P*** selbst gesprochen, was ihm vor dem Vertragsabschluß auch möglich gewesen wäre, und hat zur Kenntnis nehmen müssen, daß Johann P*** auf Grund der dem Beklagten bereits bekannten Argumente die Klägerin wirklich klagte, mit welcher Möglichkeit er aber bereits bei Vertragsabschluß gerechnet hatte. Da er selbst nicht vom Vertrag zurücktrat, sondern weiterhin auf dem Standpunkt steht, der Vertrag mit der Klägerin sei wirksam zustandegekommen, wäre er auch verpflichtet gewesen, den Restkaufpreis bis 4. August 1986 zu bezahlen. Da es sich bei diesem Termin bereits um eine Mahnfrist handelte, ist die Klägerin berechtigt vom Vertrag zurückgetreten. Der gerichtliche Erlag der Restkaufsumme änderte daran nichts, weil kein Grund zum Gerichtserlag bestand. Daß dieser insofern bedeutungslos war, da er nur zugunsten der Klägerin erfolgte und überhaupt kein Anlaß dafür bestand, auch Johann P*** könnte von ihm die Kaufsumme von S 350.000,-- begehren, sei nur am Rande vermerkt.
Trat die Klägerin wegen Nichtzahlung der Restkaufsumme aber berechtigt vom Kaufvertrag zurück, ist dem Klagebegehren stattzugeben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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