Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin ist die seit 1974 geschiedene Ehegattin des am 15. Mai 1986 verstorbenen Bundesbahnpensionisten Alfred K***. Dieser hatte sich anläßlich der Scheidung mit gerichtlichem Vergleich verpflichtet, der Klägerin ab April 1974 einen wertgesicherten Unterhaltsbeitrag von S 2.000 pro Monat zu zahlen; die Unterhaltsverpflichtung sollte sich aber um die Hälfte jenes Betrages vermindern, den die Klägerin in Hinkunft als Nettoeinkommen erzielen werde.
Die Klägerin war nach der Ehescheidung überwiegend als Stubenmädchen in Saisonbetrieben beschäftigt, was zur Folge hatte, daß sie meist im Frühjahr 14 Tage und im Herbst drei Monate arbeitslos war. Während sie in den Zeiten ihrer Erwerbstätigkeit keine Unterhaltsbeiträge erhielt, bezog sie für die Dauer ihrer Arbeitslosigkeit Unterhaltsleistungen entsprechend dem im Scheidungsverfahren abgeschlossenen Vergleich.
Als ihr geschiedener Mann, der im Zeitpunkt des Todes bereits Ruhegenuß bezog, starb, hatte sie gerade ein monatliches Nettoeinkommen von S 7.998,30. Bis Mai 1986 hatte sich die Unterhaltsverpflichtung zufolge der Wertsicherung auf rund S 3.500 pro Monat erhöht.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der beklagten Partei die Zahlung eines Versorgungsbezuges in Höhe von S 819,50 brutto sA für November 1986. Sie habe in diesem Monat S 5.361 an Arbeitslosengeld erhalten, so daß sich abzüglich der Hälfte dieses Betrages ein Unterhaltsanspruch in der begehrten Höhe ergebe.
Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen und stellte ihrerseits einen Zwischenantrag auf Feststellung, daß der Klägerin nach ihrem verstorbenen Ehemann kein Versorgungsgenuß gemäß § 18 der BB-PO zustehe. Nach § 18 Abs 1 BB-PO komme es bei der Zuerkennung eines Versorgungsgenusses an die frühere Ehegattin allein darauf an, ob diese am Sterbetag des Beamten einen konkreten Unterhaltsanspruch gehabt habe. Da die Klägerin im Mai 1986 selbst ein Nettoeinkommen von S 7.998,30 bezogen habe, übersteige dessen Hälfte den wertgesicherten Unterhaltsbeitrag; in diesem Monat habe daher keine Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehegatten bestanden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und gab dem Zwischenantrag auf Feststellung der beklagten Partei statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Gatten der Klägerin an dem als Stichtag allein maßgeblichen Sterbetag geruht habe, so daß die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Witwenversorgungsgenusses nicht gegeben seien. Auch wenn dieses Ergebnis unbillig sei, komme eine Stichtagverschiebung nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Ansicht, daß die Begrenzung des Versorgungsbezuges auf die Höhe der dem Beamten gegenüber an dessen Sterbetag zu beanspruchenden Unterhaltsleistung mehrdeutig sei, da sie den Leistungszeitraum nicht eingrenze. Der Begriff des "Sterbetages" sei daher extensiv auszulegen. Entgegen der Ansicht der Klägerin komme es nicht auf den fiktiven Unterhaltsanspruch in jedem einzelnen, dem Sterbetag folgenden Monat an, weil dann die Versorgungsleistung ständigen Schwankungen unterworfen wäre. Diesem starken Schwanken des Einkommens der Klägerin könne vielmehr ohne Verschlechterung der Vorsorgungslage nur dadurch Rechnung getragen werden, daß ihr auf ein Jahr vor dem Sterbetag des geschiedenen Gatten umgelegtes Einkommen als Bemessungsgrundlage herangezogen werde. Eine solche Vorgangsweise berücksichtige nicht nur die Beschäftigung der Klägerin als Saisonarbeiterin, sondern schalte auch alle nicht dem Gesetz gemäßen Zufälle bei der Ermittlung des Versorgungsgenusses aus.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Berufung der Klägerin nicht Folge gegeben werde.
Die Klägerin erstattete keine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Voraussetzung für den Anspruch der früheren Ehefrau auf den Versorgungsbezug ist, daß die Verpflichtung des Ehegatten, für den Lebensunterhalt seiner früheren Ehefrau aufzukommen oder dazu beizutragen, auf einem gerichtlichen Urteil, einem gerichtlichen Vergleich oder einer vor der Auflösung der Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung beruht (§ 18 Abs 1 BB-PO 1966, BGBl.1966/313 idF BGBl.1985/407). Diese Voraussetzung wurde von der Klägerin, welche sich auf einen vor Gericht abgeschlossenen Vergleich berufen kann, erfüllt. Während es nach dem ursprünglichen Wortlaut des § 18 Abs 1 BB-PO überdies noch erforderlich war, daß der Beamte "an seinem Sterbetag" für den Lebensunterhalt seiner früheren Ehefrau aufzukommen oder dazu beizutragen hatte, stellt die durch BGBl.1985/407 novellierte Fassung dieser Bestimmung auf eine solche Verpflichtung "zur Zeit seines Todes" ab. Ob die im § 18 Abs 4 BB-PO in der geltenden Fassung vorgesehene Begrenzung der Höhe des Versorgungsgenusses im gegenständlichen Fall überhaupt anwendbar ist, wurde bisher nicht erörtert.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die BB-PO als Vertragsschablone den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 6 und 7 ABGB unterliegt (Arb 9.310, 10.352 ua), so daß es allein darauf ankommt, welcher Wille des Normengebers dem Text entnommen werden kann (vgl Koziol-Welser I8 20 ff). Auch wenn die Änderung des Beziehungszeitraumes von "Sterbetag" auf "Zeit des Todes" für sich allein nicht eindeutig ist, läßt sich daraus doch entnehmen, daß der Normengeber damit nicht mehr auf einen von vorneherein genau bestimmbaren Zeitraum abstellen wollte. Die Erläuternden Bemerkungen zu den gleichen und ähnlichen Regelungen des § 19 Abs 1 des Pensionsgesetzes 1965 und § 258 Abs 4 ASVG zeigen, daß der Gesetzgeber einerseits bestrebt war, daß die unterhaltsberechtigte frühere Ehefrau durch den Tod des Beamten allein in ihrer Lebenshaltung keine Änderung erfahren soll (878 BlgNR 10.GP, 26). Dies wäre aber der Fall, wenn der Versorgungsgenuß der bisherigen Unterhaltsleistung nicht entspricht. Andererseits mußte der Gesetzgeber bestrebt sein, eine spekulative Ausnützung dieser Einrichtung auszuschließen und gewisse Sicherungen einzubauen (599 BlgNR 7.GP, 86 f). So bestimmt etwa § 18 Abs 6 der BB-PO, daß eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Sterbetag des Beamten nur beachtlich ist, wenn sie entweder in einem rechtskräftigen Urteil ausgesprochen oder schriftlich vereinbart worden ist und wenn sie ihren Grund in einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Beamten oder in einer Steigerung der Bedürfnisse des früheren Ehegatten gehabt hat. Dieses Kontinuitätserfordernis von einem Jahr in der Unterhaltsleistung bietet auch im vorliegenden Fall - wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausführte - eine brauchbare, dem Gesetz zu entnehmende und nicht gegen die Mißbrauchskautelen verstoßende Handhabe.
Für ein Saisonarbeitsverhältnis ist ein starkes Schwanken des Einkommens während des Jahres typisch. Besteht die Verpflichtung, das eigene Einkommen auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen, bleibt es sohin dem bloßen Zufall überlassen, wie hoch der Unterhaltsanspruch jeweils ist. Wäre der geschiedene Gatte der Klägerin in einem Monat verstorben, in dem die Klägerin saisonbedingt arbeitslos war, hätte an ihrem Anspruch auf Versorgungsgenuß auch nach dem Standpunkt der beklagten Partei kein Zweifel bestanden. Das besondere Beschäftigungs- und Einkommensverhältnis der Klägerin kann daher nicht schlechthin jenen Fällen gleichgestellt werden, in denen keine Pension zuerkannt wurde, weil der Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt des Todes des geschiedenen Gatten ruhte (vgl SV-Slg.31.665). Der anläßlich der Scheidung abgeschlossene Vergleich nimmt ja gerade auf ein Einkommen in wechselnder Höhe Bedacht. Wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigte, verschafft auch ein Bruchteilstitel für den Zeitraum keinen Unterhalt, in dem der Verpflichtete kein Einkommen erzielt. Dennoch ist die bisherige Rechtsprechung in Sozialversicherungssachen bei der Bemessung der Witwenpension nach den §§ 258 Abs 4 und 264 Abs 4 ASVG von den durchschnittlichen Verhältnissen unter Ausklammerung von zufälligen kurzfristigen Schwankungen zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten ausgegangen, um ein völlig verzerrtes Bild des Versorgungswertes des der geschiedenen Ehefrau eingeräumten Unterhaltsanspruches zu vermeiden. Es wurde der Ermittlung der Höhe des "zur Zeit des Todes" des Versicherten gebührenden Unterhaltsanspruches vielmehr der letzte Jahresnettounterhaltsanspruch der geschiedenen Gattin zugrundegelegt (vgl SSV 12/55, 17/136). Gegen die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall bestehen entgegen der Ansicht der Revisionswerberin insoferne keine Bedenken, als auch der Versorgungsanspruch der Klägerin von einem stark schwankenden Einkommen - wenn auch der Unterhaltsberechtigten - abhängt. Wenn man daher der Absicht des Normengebers, daß die Klägerin durch den Tod ihres geschiedenen Ehegatten in ihrer Lebenshaltung keine Änderung erfahren soll, Rechnung trägt, ist im Sinne der Aufträge des Berufungsgerichtes der durchschnittliche Unterhaltsanspruch der Klägerin zur Zeit des Todes ihres früheren Ehemannes zu ermitteln und danach gemäß § 18 Abs 1 BB-PO zu prüfen, ob der Klägerin ein Versorgungsbezug zusteht.
Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.
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