OGH 12Os150/88

OGH12Os150/8822.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Dezember 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zeh als Schriftführer, in der Strafsache gegen Reda Mousstafa Mahmoud S*** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Mohamed Abd el Latif Abo EL M*** sowie die Berufung des Angeklagten Reda Mousstafa Mahmoud S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.Mai 1988, GZ 5 c Vr 426/88-67, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Jerabek, des Angeklagten Reda Mousstafa Mahmoud S*** und der Verteidiger Dr. Mühl und Dr. Hoffelner, sowie des Dolmetsch Dr. Hussein El-Taktawy jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Mohamed Abd el Latif Abo EL M*** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Mai 1957 geborene ägyptische Staatsangehörige Mohamed Abd el Latif Abo EL M*** der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (Punkt 1./ des Urteilssatzes) und der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Darnach hat er im einverständlichen Zusammenwirken mit den zugleich abgeurteilten Mittätern Reda Mousstafa Mahmoud S***, Housam Elden Abdel Aziz Ahmed EL B*** und Adel Taha Abdelazez Abou E*** in der Zeit vom 9. bis 11. Jänner 1988 in Wien Mustafa Mohamed EL-N*** in einer Wohnung in Wien 16., Menzelgasse 19/3, widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie die Wohnung versperrten, ihn fesselten und ihm zudem untersagten, die Wohnung zu verlassen (Punkt 1./ des Urteilssatzes) sowie ihn mit Gewalt, nämlich durch die zu Punkt 1./ genannte Freiheitsentziehung und durch gefährliche Drohung mit einer weiteren Freiheitsentziehung bis zur Erfüllung ihrer Forderungen, zu Handlungen, nämlich zur wiederholten telefonischen Aufforderung an seinen in Ägypten wohnenden Bruder, er möge eine Strickmaschine im Wert von ca. 30.000 S dem gleichfalls in Ägypten wohnenden Bruder des Reda S*** übergeben, sowie zur Duldung der Abnahme einer vergoldeten Armbanduhr im Wert von 6.000 S, einer goldenen Halskette im Wert von 1.000 S, einer Jeansjacke im Wert von 900 S, eines Pullovers im Wert von 500 S und eines Paares Schuhe im Wert von 500 S genötigt, wodurch tatsächlich bestehende oder vermeintliche Schulden des Mustafa Mohamed EL-N*** abgegolten werden sollten (Punkt 2./ des Urteilssatzes).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Mohamed Abd el Latif Abo EL M*** mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit a) wendet der Beschwerdeführer ein, das Urteil lasse Konstatierungen hinsichtlich eines vorsätzlichen Handelns vermissen, und sei daher in Ansehung der subjektiven Tatseite mit Feststellungsmängeln behaftet. Dabei läßt die Beschwerde aber außer acht, daß sich ein solches vorsätzliches Handeln des Angeklagten schon aus dem vom Erstgericht als erwiesen angenommenen, eine unmittelbare Beteiligung auch des Beschwerdeführers an den inkriminierten Tathandlungen ausdrücklich feststellenden Geschehensablauf (vgl S 307/308) - Unterstützung des Mitangeklagten S***, als dieser zu EL-N*** sagte, er dürfe erst dann die Wohnung verlassen, wenn er seine Schulden bezahlt habe; Festhalten des Genannten und Anlegen der Fesseln auch durch den Beschwerdeführer; einverständliches Zusammenwirken bei der Abnahme der Wertgegenstände - mit durchaus hinreichender Deutlichkeit ergibt, zumal alle diese Tätigkeiten gewollte Handlungsweisen bezeichnen. Weil die Beschwerde dies negiert, und nur auf die Schlußfolgerung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung Bezug nimmt, daß die Täter mit Vorsatz handelten (vgl S 312), führt sie die Rechtsrüge nicht dem Prozeßgesetz gemäß aus.

Unbegründet ist die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den seiner Meinung nach bloß subsidiären Charakter des Tatbestands nach § 99 StGB die Auffassung vertritt, daß die Freiheitsentziehung durch die ihm gleichfalls angelastete Nötigung verdrängt werde.

Schon die im § 99 Abs. 1 und Abs. 2 StGB für Freiheitsentziehung vorgesehenen gewichtigen Strafdrohungen (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bzw von einem bis zu zehn Jahren) weisen auf die eigenständige Bedeutung und den hohen Unwertgehalt dieses Deliktes hin, weshalb grundsätzlich (echte) Konkurrenz zwischen § 99 und § 105 StGB besteht, wenn die durch Gewalt oder/und Drohung begangene Freiheitsentziehung die (im Sinn des § 99 StGB) tatbestandliche Erheblichkeitsschwelle überschreitet (vgl Kienapfel, BT I2 § 99 RN 39). In jenen Fällen, in denen der Freiheitsentzug zugleich Mittel zur Begehung eines anderen Delikts (hier: der Nötigung) ist, könnte allerdings ein Zurücktreten des § 99 StGB unter dem Gesichtspunkt der Konsumtion (Freiheitsentziehung als "typische Begleittat") erfolgen (vgl 12 Os 15/85; Burgstaller JBl 1978, 404; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2 § 28, RN 69; Kienapfel BT I2, § 99 RN 36; aM Foregger-Serini StGB4, § 99 Erl III und die dort angeführten Entscheidungen, wonach § 99 eine grundsätzlich subsidiäre Norm ist). Im vorliegenden Fall ging nun der Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit - mehrtägiger massiver Eingriff in die persönliche Freiheit des Tatopfers - deutlich über das zur Verfolgung des anderen strafgesetzwidrigen Zweckes erforderliche Ausmaß hinaus und erreichte deshalb im Sinne des im § 99 StGB pönalisierten Freiheitsentziehung eigenständigen Handlungsunwert, weshalb echte Konkurrenz beider Delikte anzunehmen war. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist weder § 99 StGB gegenüber § 105 StGB schlechthin subsidiär, noch trifft dies auf das Delikt der Nötigung gegenüber dem der Freiheitsentziehung zu (Kienapfel BT I2 § 99 RN 36, 37, 38 und 39; Leukauf-Steininger, Komm2 § 99 RN 20, 23 und 24; 12 Os 15/85; aM Foregger-Serini StGB4 § 99 Erl III); zumal dann, wenn - wie vorliegend - nötigend auch geldwerte Leistungen erzwungen werden sollten. Der gesamte Unwert des im angefochtenen Urteil festgestellten Tatverhaltens des Angeklagten gegenüber Mustafa Mohamed EL-N*** wäre durch eine Tatbeurteilung bloß als Nötigung oder durch eine solche allein als Freiheitsentziehung nicht voll erfaßt (vgl auch Kienapfel in JBl 1979 S 554, P. 4).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte nach §§ 28, 99 Abs. 1 StGB über den Angeklagten Reda Mousstafa Mahmoud S*** eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, über den Angeklagten Mohamed Abd el Latif Abo EL-M*** eine solche von sechs Monaten; die Strafen wurden gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen. Bei deren Bemessung war bei beiden Angeklagten erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, mildernd die Unbescholtenheit; bei Reda Mousstafa Mahoud S*** überdies erschwerend der Umstand, daß er offensichtlich "Initiator" der Straftaten war und ferner mildernd das Geständnis bezüglich der Freiheitsentziehung; bei Mohamed Abd el Latif Abo EL-M*** war weiters die untergeordnete Beteiligung mildernd. Den Berufungen, mit welchen die Angeklagten jeweils eine Strafminderung anstreben, kommt keine Berechtigung zu. Die Berufungswerber vermögen keine weiteren Milderungsgründe aufzuzeigen: Der von beiden Angeklagten i.S. des Milderungsgrundes des § 34 Z 11 StGB ins Treffen geführte Umstand - Mustafa Mohamed EL-N*** sei Geld schuldig gewesen, die Angeklagten waren überzeugt, zu einer solchen Anhaltung des Genannten berechtigt zu sein, zumal keine andere Möglichkeit bestanden habe, die Schuld hereinzubringen oder EL-N*** zur Bezahlung zu veranlassen - kommt weder den Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes des § 105 Abs. 2 StGB noch denen des Anhalterechtes (§ 86 Abs. 2 StPO) oder des allgemeinen Selbsthilferechts (§§ 19, 344 ABGB) nahe und war daher nicht mildernd.

Dem Vorbringen des Berufungswerbers Reda Mousstafa Mahoud S*** zuwider wurde die Tatsache, daß kein Schaden entstanden ist, mit Recht nicht als Milderungsgrund (§ 34 Z 13 StGB) herangezogen, weil bei Delikten, zu deren Vollendung ein Schadenseintritt nicht erforderlich ist (hier: § 99 Abs. 1, § 105 Abs. 1 StGB), der Umstand, daß die Tat keine Folgen nach sich gezogen hat, nicht mildernd ist. Daß von diesem Angeklagten der maßgebliche Anstoß für die Tatbegehung ausging, ergibt sich aus dem im Urteil geschilderten Hergang der Straftaten (vgl S 307 f), sodaß das Erstgericht diesen Umstand im Ergebnis zutreffend als erschwerend gewertet hat. Bei sachgemäßem Abwägen der gegebenen Strafzumessungsgründe werden die über die beiden Angeklagten in erster Instanz verhängten Freiheitsstrafen der jeweiligen tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus gerecht, sodaß zu einer Strafherabsetzung kein Anlaß bestand.

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