OGH 5Ob626/88

OGH5Ob626/8822.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Geric tchofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Helmut F***, Geschäftsführer, Wien 13., Küniglberggasse 5, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Ernst P. F***, Maschinen- und Apparatebau Gesellschaft mbH, Wien 10., Schleiergasse 17, vertreten durch Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung eines Generalversammlungsbeschlusses (Streitwert S 301.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1988, GZ 2 R 76/88-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. Februar 1988, GZ 22 Cg 273/87-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.766,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 978,75 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 27. März 1972 wurde zwischen Dipl.Ing. Ernst Paul F***, seiner Ehegattin Camilla F*** und deren Söhnen Ing. Helmut F*** (Kläger) und Ing. Gerhard F*** ein Gesellschaftsvertrag errichtet, mit dem die beklagte Gesellschaft mbH gegründet wurde.

Diese Gesellschaft wurde als Familiengesellschaft konzipiert (eine Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf andere Personen als Deszendenten von Gesellschaftern wird im Gesellschaftsvertrag erheblich erschwert) und sollte den Handel mit Maschinen und Apparaten, insbesondere für die Getränke-, Lebensmittel- und chemische Industrie, zum Gegenstand haben. Am Stammkapital sind die 4 Gründungsgesellschafter zu je 25 % beteiligt gewesen. Der die Geschäftsführer betreffende Punkt VIII des Gesellschaftsvertrages lautet:

"Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Zu Geschäftsführern werden, jedoch nur längstens auf die Dauer ihres Gesellschaftsverhältnisses, die Herren Dipl.Ing. Ernst Paul F***, Ing. Gerhard F*** und Ing. Helmut F*** bestellt.

Die Geschäftsführer Herr Dipl.Ing. Ernst Paul F***, Herr Ing. Gerhard F*** und Herr Ing. Helmut F*** sind jeder einzelzeichnungs- und vertretungsberechtigt.

Der Widerruf dieser Geschäftsführerbefugnis ist nur aus wichtigen Gründen zulässig.

Künftighin werden Geschäftsführer mit Beschluß der Gesellschafter in der Generalversammlung bestellt.

Die Regelung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis künftiger Geschäftsführer obliegt der Generalversammlung Folgende Entscheidungen bedürfen der vorherigen Zustimmung sämtlicher Geschäftsführer:

a) Produktions- und Investitionsplanung, b) Investitionen und Anschaffungen von Anlagegütern, die S 50.000,-- übersteigen, c) die Aufnahme oder Einstellung von Produktionszweigen oder von Produktionsstätten, d) Abschluß oder Auflösung von Miet- oder Pachtverträgen, gleichgültig, ob das Unternehmen als Bestandgeber oder Bestandnehmer auftritt, sowie die Eingehung von Dauerschuldverhältnissen aller Art (vgl. jedoch die Bestimmung in lit. e), e) Erteilung von Prokura oder Handlungsvollmacht, Abschluß, Auflösung oder Abänderung von Dienstverträgen leitender Angestellter oder mit einem Jahresbruttogehalt von über S 150.000,--, f) Aufnahme und Kündigung von Familienangehörigen von Gesellschaftern, g) generelle Marktabsprachen (Kartelle), h) Geschäfte zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter oder dessen nahen Angehörigen,

i) sämtliche Maßnahmen, die nach Art und Umfang über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen." Der die Generalversammlung betreffende Punkt X des Gesellschaftsvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Die Generalversammlung findet am Sitz der Gesellschaft statt. Die Ausübung des Stimmrechtes ist auch durch einen Bevollmächtigten zulässig.

Ebenso ist die Abstimmung im schriftlichen Wege zulässig. Grundsätzlich entscheidet die Generalversammlung durch einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht Gesetz oder Gesellschaftsvertrag anderes bestimmen.

Zur Beschlußfassung über folgende Punkte bedarf es einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen:

a) Ankauf, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, b) Belastung oder Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, Aufnahme und Gewährung von Krediten, soweit diese über das im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb übliche Maß hinausgehen, jedenfalls aber von Krediten, die S 500.000,-- übersteigen.

Je S 1.000,-- einer übernommenen Stammeinlage gewähren eine Stimme, doch muß jedem Gesellschafter mindestens eine Stimme zustehen." Ing. Gerhard F*** war bei der ersten Vorbesprechung beim Vertragsverfasser Rechtsanwalt Dr. B***, bei der die Ausgestaltung des Punktes VIII besprochen wurde, nicht anwesend, erhielt jedoch von seiner Mutter Camilla F*** einen schriftlichen Entwurf des gesamten Vertrages, den er vor der zweiten Besprechung auch durchlas. Bei dieser wurde nur noch die Verpflichtung jedes Gesellschafters zum Abschluß eines Ehegütertrennungsvertrages bei Verehelichung besprochen, anschließend wurde der Vertrag von allen Gesellschaftern beim Notar unterschrieben und darüber ein Notariatsakt aufgenommen.

Am 30. Juni 1980 vereinbarten der Kläger und sein Bruder Ing. Gerhard F*** formlos, daß sowohl die Aufnahme als auch der Verbleib von unter Punkt VIII Abs. 7 lit. e) und f) genannten Personen in der beklagten Partei ihrer beider Zustimmung bedürfe (./K). In der Folge kam es zwischen den beiden Brüdern zu immer größeren Spannungen. Mit Notariatsakt des öffentlichen Notars Dr. A*** schenkte Dipl.Ing. Ernst Paul F*** seinen Gesellschaftsanteil von 25 % den Kindern des Ing. Gerhard F***, nämlich Bernhard, Monika, Herbert und Harald F***. Die Kinder des Klägers, Doris und Manfred F***, gingen leer aus, weshalb diese Schenkung zu 22 Cg 112/86 des Erstgerichtes angefochten wurde.

Dagegen verweigerten Ing. Gerhard F*** und seine Kinder die Anerkennung der Übertragung eines Stammeinlagenteiles von S 500,--- von Doris auf Manfred F***.

Seit dem Tod von Camilla und Dipl.Ing. Ernst Paul F*** in den Jahren 1984 und 1986 sind der Kläger und Ing. Gerhard F*** einzelzeichnungs- und einzelvertretungsbefugte Geschäftsführer der beklagten Partei. Derzeit verfügen der Kläger mit einer Stammeinlage von S 750.000,--, sein Sohn Manfred F*** mit einer solchen von S 188.000,-- und seine Tochter Doris F*** mit einer solchen von S 187.000,-- gemeinsam über 37,5 % des Stammkapitals. Dagegen sind Ing. Gerhard F*** mit einer Stammeinlage von S 749.000,--, Bernhard F*** mit einer solchen von S 301.000,--, Monika F*** mit einer solchen von S 225.000,-- sowie Harald und Herbert F*** mit Stammeinlagen von je S 300.000,-- (zusammen 62,5 %) Gesellschafter der beklagten Partei. Während die Gattin des Klägers, Margit F***, halbtägig bei der beklagten Partei arbeitet, sind seine Tochter Doris sowie die Gattin von Ing. Gerhard F***, Gertrud F***, und dessen Söhne Bernhard und Herbert F***

ganztägig dort beschäftigt.

Ing. Gerhard F*** lehnte jahrelang den Vorschlag seines Bruders, einen dringend benötigten Angestellten in das Unternehmen aufzunehmen, mit dem Argument ab, daß sich die beklagte Partei einen solchen nicht leisten könne. Nachdem jedoch sein Sohn Herbert F*** am 30. April 1987 die Höhere Technische Bundes- Lehr- und Versuchsanstalt in Wien 20. mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, lud er mit Schreiben vom 15. Juni 1987 die Gesellschafter der beklagten Partei zu einer außerordentlichen Generalversammlung für den 24. Juni 1987, bei der unter anderem über die Anstellung von Herbert F*** abgestimmt werden sollte.

Herbert F***, der neben der Schule den Refa-Grundlehrgang A und B sowie einen Schweißtechnologiekurs positiv abgeschlossen hat, erfüllt aufgrund seiner Ausbildung die beruflichen Voraussetzungen für eine Anstellung bei der beklagten Partei.

In der Generalversammlung vom 23. Juni 1987 verweigerte jedoch der Kläger seine Zustimmung zur Anstellung von Herbert F*** und verwies auf Punkt V*** Abs. 7 lit. f des Gesellschaftsvertrages, wonach die Entscheidung über die Aufnahme eines Familienangehörigen eines Gesellschafters ausschließlich den Geschäftsführern in ihrer Gesamtheit zugewiesen sei. Dagegen vertrat Rechtsanwalt Dr. C*** für Monika F*** die Ansicht, die Generalversammlung könne auch über die in Punkt VIII lit. a bis i genannten Agenden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden; er stellte namens Monika F*** den Antrag, Herbert F*** mit Wirksamkeit vom 1. September 1987 als Angestellten zu einem angemessenen Gehalt in das Unternehmen aufzunehmen. Dieser Antrag wurde schließlich mit den Stimmen von Ing. Gerhard F*** (749), Dr. C*** für Monika F*** (225), Dr. S*** für Harald F*** (300) sowie von Bernhard F*** (301;

insgesamt 1575) gegen die Stimmen des Klägers (750), von Manfred F*** (188) und Dr. S*** für Doris F*** (178;

insgesamt 1125) angenommen. Der Gesellschafter Herbert F*** enthielt sich der Stimme. Der Kläger erhob gegen diesen Beschluß Widerspruch.

Herbert F*** arbeitet seit dem 1. September 1987 im Ebreichsdorfer Werk der beklagten Partei an der Ausarbeitung von Offerten und bezog die ersten drei Monate je S 13.000,-- brutto;

seit dem 1. Dezember 1987 bezieht er S 15.000,-- monatlich brutto. Mit der am 30. Juni 1987 beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien überreichten und mit Beschluß dieses Gerichtes vom 1. Juli 1987 gemäß § 261 Abs. 6 ZPO an das Erstgericht überwiesenen Klage begehrt der Kläger, den in der außerordentlichen Generalversammlung der beklagten Partei vom 24.(richtig 23.) Juni 1987 gefaßten Beschluß über die Anstellung des Herbert F*** für nichtig zu erklären. Er brachte im wesentlichen vor, daß der angefochtene Generalversammlungsbeschluß durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesellschaftsvertrages und des Gesetzes verletze, weil er ohne Einhaltung der Vorschriften über die Abänderung des Gesellschaftsvertrages in die durch diesen begründete ausschließliche Entscheidungskompetenz der Geschäftsführer betreffend die Anstellung von Familienangehörigen von Gesellschaftern eingreife. Es sei Absicht der Gründungsgesellschafter gewesen, jedem Geschäftsführer schon im Gesellschaftsvertrag das Recht einzuräumen, die Anstellung eines Familienangehörigen eines Gesellschafters durch sein Veto zu unterbinden. Darüber hinaus habe nicht nur für Herbert F***, sondern auch für die Gesellschafter Ing. Gerhard F*** und Bernhard, Monika sowie Harald F*** wegen Befangenheit bzw. Verfolgung von Privatinteressen Stimmverbot bestanden; die Stimmrechtsausübung sei mißbräuchlich geschehen und verstoße gegen die Treuepflicht der Gesellschafter; die angefochtene Beschlußfassung verstoße auch gegen § 50 Abs. 4 GmbHG. Die beklagte Partei beantragt Klageabweisung. Sie bestritt die geltend gemachten Anfechtungsgründe und wendete insbesondere ein, Punkt VIII des Gesellschaftsvertrages verankere lediglich, daß trotz grundsätzlicher Einzelvertretungsbefugnis manche Entscheidungen von sämtlichen Geschäftsführern befürwortet werden müßten. Eine ausschließliche Zuweisung von Kompetenzen an die Gesamtheit der Geschäftsführer unter Beschneidung der Souveränität der Generalversammlung sei in dieser Bestimmung nicht zu erblicken. Trotz dieser Bestimmung stehe es daher der Generalversammlung frei, den Geschäftsführern mittels Gesellschafterbeschlusses Weisungen zu erteilen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als erwiesen an und führte zur Beweiswürdigung unter anderem aus:

Daß die Gründungsgesellschafter bei den Vorbesprechungen die Konsequenzen der Verweigerung der Zustimmung eines Geschäftsführers zu den in Punkt VIII des Gesellschaftsvertrages genannten Maßnahmen erörtert hätten bzw. in den Besprechungen klar gewesen sei, daß in einem solchen Fall die Gesellschafter zu entscheiden hätten, wurde von Ing. Gerhard F*** bekundet, obwohl er im Gegensatz zum Kläger nach eigener Aussage bei der ersten Vorbesprechung, bei welcher Punkt VIII erörtert wurde, nicht anwesend war. Der Kläger gab dazu an, es wäre zwingende Einstimmigkeit vereinbart worden. Eine zweifelsfreie Feststellung konnte diesbezüglich nicht getroffen werden.

Den festgestellten Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung:

Mit dem Beschluß über die Anstellung von Herbert F*** bei der beklagten Partei sei gegen die Stimmen des Geschäftsführers Ing. Helmut F*** über eine Materie entschieden worden, die gemäß Punkt VIII Abs. 7 lit. f des Gesellschaftsvertrages der vorherigen Zustimmung sämtlicher Geschäftsführer vorbehalten sei. Grundsätzlich könne die Generalversammlung auch in Angelegenheiten, die den Geschäftsführern zugewiesen seien, diesen mittels Gesellschafterbeschlusses Weisungen erteilen. Der klagegegenständliche Beschluß könnte daher unter Umständen als eine solche Weisung aufgefaßt werden. Doch sei im Einzelfall innerhalb bestimmter zwingender Grenzen eine Weisungsfreistellung der Geschäftsführer möglich, wenn die Satzung dies vorschreibe. Zu untersuchen sei, ob ein solcher Fall hier vorliege. Mangels einer ausdrücklichen Regelung im Gesellschaftsvertrag sei bei dessen Auslegung nach den Grundsätzen des § 914 ABGB die Absicht der Parteien zu erforschen. Die Lösung der Frage, ob es sich bei Punkt VIII um eine ausschließliche Kompetenzzuweisung an die Geschäftsführer mit oder ohne Aufhebungsbefugnis durch die Generalversammlung handle, ergebe sich also aus dem Zweck, den die Gründungsgesellschafter mit dieser Regelung erreichen wollten. Im Zweifel habe nämlich die Auslegung den Vorzug, die eine wirksame und sinnvolle Anwendung der strittigen Bestimmung ermögliche. Zunächst sei festzuhalten, daß dieses Problem beim oben erwähnten Charakter der beklagten Partei als Familiengesellschaft nur auftrete, wenn sich bei den Gesellschaftern ein Übergewicht eines der beide Stämme ergebe, da davon auszugehen sei, daß die Angehörigen der jeweiligen Stämme in ihrem Stimmverhalten meist übereinstimmen werden. Diese Beurteilung entspreche nicht nur der Berufserfahrung des beurteilenden Gerichtes, sondern auch den Erfahrungen im Komplex der vorliegenden Streitsache (vgl. hg. 22 Cg 112/86). Wenn nun in einem solchen Fall ein Stamm mit einfacher Mehrheit gegen den Willen eines Geschäftsführers des anderen Stammes sämtliche Beschlüsse durchsetzen könnte, die gemäß Punkt VIII Abs. 7 lit. a bis i seiner Zustimmung bedürfen, wäre dieses Zustimmungsrecht ein nudum ius, eine bloße Farce und damit in Wahrheit wertlos. Daß die Gründungsgesellschafter eine dermaßen sinnentleerte Regelung treffen wollten, könne ihnen nicht unterstellt werden und ergebe sich auch nicht aus dem Beweisverfahren. Die Zustimmungsrechte gemäß Punkt VIII Abs. 7 lit. a bis i stellten sich daher als Rechte zum Schutz der Minderheit der Gesellschafter dar. Nur eine solche Interpretation lasse sie sinnhaft und bedeutungsvoll erscheinen. Eine Aufhebungsbefugnis durch die Generalversammlung - und nichts anderes wäre eine Weisungsbefugnis in diesem Fall - widerspräche daher der Absicht der Parteien und würde einen vertragswidrigen Eingriff in die Rechte der Geschäftsführer bedeuten. Es handle sich daher im gegenständlichen Fall um eine Einschränkung von Befugnissen der Gesellschaftergesamtheit in Form der verdrängenden Kompetenz. Eine solche Weisungsfreistellung sei freilich durch die zwingenden Grenzen des Gesetzes und das Verbot der Aushöhlung der Zuständigkeit der Generalversammlung begrenzt. Die Gefahr einer solchen Aushöhlung der Kompetenzen der Generalversammlung, die zB bei einem völligen Entgleiten der Geschäftsführer aus der Kontrolle der Generalversammlung vorliegen würde, bestehe jedoch im gegenständlichen Fall nicht. Die Generalversammlung könne nämlich mit der für Satzungsänderungen erforderlichen Stimmenmehrheit (gemäß § 50 Abs. 1 GmbHG 3/4 der abgegebenen Stimmen) infolge Zustimmungsverweigerung eines Geschäftsführers nicht zustandegekommene Entscheidungen treffen oder solche Beschlüsse wieder aufheben. Die in Punkt VIII Abs. 7 lit. a) bis i) genannten Agenden seien der Generalversammlung daher keineswegs entzogen, es sei lediglich eine qualifizierte Stimmenmehrheit erforderlich. Diese Lösung halte auch einer systematischen Interpretation stand: Wenn zur Beschlußfassung über die in Punkt X Abs. 4 lit. a und b genannten Fälle, die in jedem kaufmännischen Unternehmen auftreten, lediglich eine 2/3-Mehrheit der abgegebenen Stimmen in der Generalversammlung genüge, so verhindere dieses Mehrheitserfordernis einerseits allzu leichtfertige Entscheidungen, andererseits jedoch auch eine sonst relativ einfache Blockierung dieser für jedes Unternehmen notwendigen Maßnahmen und eine daraus resultierende Lahmlegung des Geschäftsbetriebes. Dagegen sollten alle über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Maßnahmen mit Ausnahme der Aufnahme und Gewährung von Krediten sowie die anderen in Punkt VIII Abs. 7 aufgezählten Maßnahmen nur mit Einverständnis aller Geschäftsführer (hier der beiden Brüder F***) vorgenommen werden können. Es sollte dadurch einem allein unmöglich sein, den anderen durch eine einfache Mehrheit in der Generalversammlung auszuschalten. Bei der Interpretation des gegenständlichen Gesellschaftsvertrages dürfe nicht übersehen werden, daß die beklagte Partei als Familiengesellschaft konzipiert sei und Punkt VIII Abs. 7 in erster Linie auf die Nachkommen des Unternehmensgründers Dipl.Ing. Ernst Paul F***, also die beiden Brüder, gemünzt sei, da zum Gründungszeitpunkt schon absehbar war, daß der Seniorgesellschafter und seinerzeitige Geschäftsführer Dipl.Ing. Ernst Paul F*** sich aus Altersgründen in den nächsten Jahren aus dem Unternehmen zurückziehen oder ausscheiden werde. Wenn ein Vater seinen beiden Söhnen gemeinsam ein Unternehmen übergebe und im Gesellschaftsvertrag eine derartige Regelung getroffen werde, so sei darin der Wunsch zu erblicken, die beiden Brüder mögen alle wichtigen Angelegenheiten gemeinsam entscheiden, sollten sich auch die Mehrheitsverhältnisse in der Generalversammlung ändern. Daß es sich im vorliegenen Fall - neben wirtschaftlichen Gründen - zumindest auch um eine solche Unternehmensübergabe an die nächste Generation gehandelt habe, erscheine dem Gericht außer Frage zu stehen. Da der Kläger und sein Bruder im Gründungszeitpunkt schon Kinder hatten und eine Aufnahme von Familienangehörigen in das Unternehmen mit den allzu oft damit verbundenen emotionsbeladenen Streitigkeiten über Bevorzugung und Benachteiligung vorhersehbar war, sei es nicht verwunderlich oder gar abwegig, daß auch diese Frage in den Punkt VIII aufgenommen worden sei. Daß auch die beiden Brüder die Einstellung ihres Vaters über das bloß gemeinsame Vorgehen in wichtigen Angelegenheiten geteilt haben, gehe aus der Vereinbarung vom 30. Juni 1980 (./K) hervor, die zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in welchem zwischen dem Kläger und seinem Bruder noch ein Vertrauensverhältnis bestand. Obwohl diese Vereinbarung, nach der die Aufnahme und der Verbleib von Familienangehörigen in der beklagten Partei ihrer beider Zustimmung bedarf, weder gemäß § 49 Abs. 1 GmbHG notariell beurkundet noch im Handelsregister eingetragen und somit nicht wirksam sei, werfe sie doch ein deutliches Licht auf die ehemals gute Beziehung zwischen dem Kläger und Ing. Gerhard F*** und stelle damit auch eine wesentliche Auslegungshilfe und eine Stütze zum Verständnis der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages dar. Daß die Ausnahmeregelung einer Zustimmung sämtlicher Geschäftsführer zu allen wichtigen Maßnahmen nach dem Willen des Seniorgesellschafters Dipl.Ing. Ernst Paul F*** nur für seine beiden Söhne gelten solle und in Zukunft von der Generalversammlung jederzeit geändert werden könne, ergebe sich aus Punkt VIII Abs. 5 und 6. Daher sei es auch nicht widersinnig, wenn für eine künftige Geschäftsführerbestellung bloß eine einfache Mehrheit gegenüber einer 3/4-Mehrheit für einen familienangehörigen Dienstnehmer erforderlich sei, denn realistischerweise werde bei Verbleiben beider Brüder als Geschäftsführer im Unternehmen aufgrund ihrer größeren Erfahrung und der ausreichenden Zahl von zwei Geschäftsführern kein weiteres Familienmitglied zum Geschäftsführer bestellt werden. Dieser Widerspruch bestehe daher nur theoretisch. In diesem Licht erscheine auch der Einwand der beklagten Partei, redliche und vernünftige Vertragspartner hätten eine ausschließliche Kompentenzzuweisung an die Geschäftsführer wohl ausdrücklich geregelt, nicht stichhältig. Wenn sich nur eine sinnvolle Lösung ergebe, möge es den Gründungsgesellschaftern überflüssig erschienen sein, eine bei näherer Betrachtung selbstverständliche Konsequenz aus Punkt VIII noch näher zu regeln. Überdies könne von Gründungsgesellschaftern nicht erwartet und verlangt werden, daß sie für alle in Zukunft möglichen Streitigkeiten und Eventualitäten eine klare, keinen Zweifel offen lassende abschließende Lösung vorsehen. Zuzugeben sei aber der beklagten Partei, daß die kaufmännische Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit eines Gesellschafterbeschlusses nicht der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen solle, da dies einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und Verantwortung darstellen würde. Doch gehe der Einwand ins Leere, die Anfechtung des Generalversammlungsbeschlusses erscheine als unzulässige Bekämpfung des Gesellschafterbeschlusses über eine wirtschaftliche Maßnahme, wobei die Generalversammlung in wirtschaftlichen Angelegenheiten ein weiteres Beurteilungsermessen habe. Im gegenständlichen Fall mangle es nämlich aus den oben erwähnten Gründen schon an der Kompetenz der Generalversammlung, sodaß die Frage der Weite des Beurteilungsermessens gar nicht mehr gestellt werden könne.

Da sich Herbert F*** bei der Beschlußfassung ohnehin der Stimme enthalten habe, sei auch nicht weiter zu prüfen, ob er wegen der Zuwendung eines sachlich ungerechtfertigten Vorteils überhaupt vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen wäre. Der Ansicht des Klägers, daß auch die nahen Verwandten dem Stimmverbot unterlägen, könne dagegen nicht zugestimmt werden, da bei offenkundiger Befangenheit die Anfechtung wegen Stimmrechtsmißbrauches ohnehin ausreichenden Schutz gewähre. Außerdem könne nicht generell gesagt werden, daß Verwandte, mögen sie auch demselben Interessenkonflikt wie der Betroffene unterliegen, stets ihren privaten Interessen gegenüber denen der Gesellschaft den Vorzug gäben. Dem entspreche auch die in SZ 53/172 zum Ausdruck gebrachte Auffassung des Obersten Gerichtshofes, wonach eine Abwicklung der Anfechtung über das Stimmverbot widersinnig wäre, wenn die materiellrechtliche Grundlage des Beschlusses geprüft werde.

Die vom Kläger behauptete Verletzung des § 50 Abs. 4 GmbHG liege nicht vor, da sich der gegenständliche Beschluß nicht auf ein in Punkt VIII eingeräumtes Recht, sondern auf die Anstellung des Herbert F*** beziehe. Daß dieser Beschluß im Ergebnis das Erfordernis der Zustimmung des Klägers gemäß Punkt VIII umgehe, könne nur gemäß § 41 GmbHG angefochten werden. Dagegen sei im Gesellschaftsvertrag kein Recht der jeweiligen Stämme auf gleiche Angestelltenzahlen bei der beklagten Partei verankert. Überdies sei der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht schon dann verletzt, wenn ein Beschluß nicht alle gleich treffe. Es gelte der Grundsatz der Maßgeblichkeit von Mehrheitsentscheidungen, auch wenn die getroffenen Entscheidungen für die Minderheit unangenehm sein mögen. Daß Beschlüsse in ihren Folgen schließlich gegen eine Partei wirken, vermöge noch nicht den Vorwurf der Schikane oder des Verstoßes gegen die guten Sitten zu begründen. Schikanös mache nur derjenige von seinem Recht Gebrauch, dem seine Rechtsausübung nur Mittel zur Schadenszufügung sei. Da Herbert F*** offenbar ein geeigneter Dienstnehmer sei, bei der beklagten Partei ein solcher Bedarf bestanden habe und überdies das bezogene Gehalt durchaus angemessen erscheine, könne davon, daß der beklagten Partei durch seine Anstellung ein Schaden zugefügt worden wäre, keine Rede sein. Das ändere jedoch nichts daran, daß der gegenständliche Beschluß gegen den Willen des nach Punkt VIII Abs. 7 zustimmungsberechtigten Klägers bzw. ohne die nach § 50 Abs. 1 GmbHG erforderliche Mehrheit gefaßt worden sei, weshalb aus den eingangs der rechtlichen Beurteilung dargelegten Gründen der Klage stattzugeben gewesen sei. Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Es legte seiner Entscheidung gemäß § 498 Abs. 1 ZPO die von der beklagten Partei nicht bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Die beklagte Partei wende sich gegen die Auffassung des Erstgerichtes, aus der Regelung des Punktes VIII Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages sei auch eine Einschränkung der Rechte der Gesellschafterversammlung zu erkennen. Das Erstgericht sei in seiner rechtlichen Beurteilung zutreffend davon ausgegangen, daß die Gesellschafterversammlung einer Gesellschaft mbH jede Geschäftsführungsangelegenheit aufgreifen und mit Beschluß den Geschäftsführern Weisungen erteilen könne, die diese gemäß § 20 Abs. 1 GmbHG einzuhalten hätten; es könnten auch positive Weisungen sein. Im Gesellschaftsvertrag könne das Weisungsrecht der Generalversammlung auch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Die Ausnehmung der Geschäftsführer von der Weisungsgebundenheit bedürfe der Festsetzung im Statut. Soweit der Gesellschaftsvertrag den einzelnen Geschäftsführern bestimmte Agenden zur autonomen Wahrnehmung übertrage, bedürfe eine entgegenstehende Weisung einer vorherigen Satzungsänderung. Seien mehrere Geschäftsführer vorhanden, so dürfe, wenn im Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt sei, gemäß § 21 Abs. 1 GmbHG keiner allein die zur Geschäftsführung gehörenden Handlungen vornehmen, es sei denn, daß Gefahr im Verzug sei. Das Gesetz gehe somit vom Grundsatz der gemeinsamen Geschäftsführung aus; es bedürfe einstimmiger Beschlüsse der Geschäftsführer. Gemäß Punkt VIII Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages seien die Geschäftsführer jedoch einzelzeichnungs- und vertretungsberechtigt. Damit sei nach dem Gesellschaftsvertrag Einzelgeschäftsführung vorgesehen. Die in Punkt VIII Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages aufgezählten Entscheidungen bedürften hingegen der vorherigen Zustimmung sämtlicher Geschäftsführer. Dazu zähle gemäß lit. f des genannten Vertragspunktes die Aufnahme und Kündigung von Familienangehörigen von Gesellschaftern. Mit dieser Regelung sei für die aufgezählten Angelegenheiten der vertraglich vorgesehene Grundsatz der Einzelgeschäftsführung (gleichsam als Ausnahme der Ausnahme) durchbrochen und dafür die gemeinsame Geschäftsführung - also das Erfordernis einstimmiger Beschlüsse - vorgeschrieben worden. Die Regelung bewirke daher z.B., daß nicht einer der Geschäftsführer ohne vorherige Zustimmung des zweiten Geschäftsführers über die Aufnahme und KÜndigung von Familienangehörigen von Gesellschaftern entscheiden dürfe. Das vom Kläger aus Punkt VIII Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages abgeleitete "Vetorecht" sei ein solches gegen unzulässige Maßnahmen eines Geschäftsführers ohne Zustimmung des anderen, aber nicht ein Recht auf Freistellung von der in § 20 Abs. 1 GmbHG verankerten Weisungsbefugnis der Generalversammlung. Die Einordnung der Bestimmung in den die Geschäftsführer betreffende Regelungen enthaltenden Punkt VIII des Gesellschaftsvertrages lasse nicht erkennen, daß damit den Geschäftsführern über die Einzel- oder kollektive Geschäftsführerbefugnis hinaus Rechte hinsichtlich der Willensbildung der Gesellschaft eingeräumt werden sollten. Die dargestellten klaren Vertragsbestimmungen enthielten keine Regelung über eine teilweise Freistellung der Geschäftsführer von der im § 20 Abs. 1 GmbHG verankerten Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung, sondern eine kombinierte Zuweisung von Agenden in die Einzelgeschäftsführung oder Kollektivgeschäftsführung. Abgesehen von der Frage der Wirksamkeit einer formlosen Vereinbarung der Freistellung der Geschäftsführer von der Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung habe der Kläger eine Nebenabrede zum Gesellschaftsvertrag weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Die Urkunde über den Gesellschaftsvertrag gelte daher als richtig und vollständig. Das Erstgericht habe überdies dazu die negative Feststellung getroffen, daß eine zweifelsfreie Feststellung darüber nicht möglich sei, ob die Gründungsgesellschafter bei den Vorbesprechungen über die Konsequenzen der Verweigerung der Zustimmung eines Geschäftsführers zu den in Punkt VIII genannten Maßnahmen gesprochen hätten. Die Ansicht des Erstgerichtes, die Bestimmung des Punktes VIII Abs. 7 lit. a bis i wäre sinnentleert, das Zustimmungsrecht in Wahrheit wertlos, wenn ein Stamm mit einfacher Mehrheit gegen den Willen eines Geschäftsführers des anderen Stammes sämtliche Beschlüsse durchsetzen könnte, verkenne die Funktion der Regelung der Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer. Die Regelung der Geschäftsführungsbefugnis habe nicht primär die Aufgabe, den Geschäftsführern Rechte zuzuerkennen, sondern stelle eine Funktionsregelung dar, bei der die Befugnisse der Geschäftsführer vor allem haftungsbegründende Pflichten darstellten. Die in Gesellschaftsverträgen enthaltene Regelung der Kollektiv- oder Einzelgeschäftsführungsbefugnis sei im Hinblick auf das gesetzliche Weisungsrecht der Generalversammlung nicht sinnlos, weil vielfach (bejahende und verneinende) Entscheidungen gefällt würden, ohne daß damit auch die Generalversammlung befaßt werde. Zu Recht weise die beklagte Partei auch darauf hin, daß das bekämpfte Auslegungsergebnis zu einem Widerspruch zwischen Punkt VIII Abs. 7 und Punkt X Abs. 4 des Vertrages führe, weil die Maßnahmen des Punktes X Abs. 4 (mit dem Erfordernis einer Mehrheit von 2/3) zugleich Gegenstände des Punktes VIII Abs. 7 lit. b und i seien:

Grundstücke gehörten zum Anlagevermögen (vgl. § 131 AktG); Maßnahmen nach Punkt X Abs. 4 lit. b fielen als Maßnahmen, die nach Art und Umfang über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, unter Punkt VIII Abs. 7 lit. i. Das bekämpfte Auslegungsergebnis führe auch zu dem Wertungswiderspruch, daß gemäß Punkt X Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages mit einfacher Stimmenmehrheit weitere Geschäftsführer der beklagten Partei bestellt werden könnten, nicht aber die Erteilung von Prokura oder Handlungsvollmacht (Punkt VIII Abs. 7 lit. e) veranlaßt werden könnte. Die an sich zutreffende Qualifikation der beklagten Partei als Familiengesellschaft rechtfertige es in Ermangelung weiterer Anhaltspunkte nicht, der Regelung der Befugnis der Geschäftsführer eine weitergehende rechtliche Bedeutung zukommen zu lassen, als es der Regelung typischerweise entspreche; die Bestellung mehrerer Geschäftsführer und die Regelung ihrer Befugnisse seien keine Besonderheit von Familiengesellschaften. Für die kollektive Entscheidung der Geschäftsführer in allen wichtigen Fragen sprächen nicht nur Gründe familiärer Natur. Für eine erweiterte Kompetenzzuweisung an die Geschäftsführer zur Wahrung der Rechte der beiden Stämme habe bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages kein Grund bestanden, weil - folge man dem Vorbringen des Berufungsgegners - eine gleichteilige Beerbung der Eltern vorgesehen gewesen sei. Das bekämpfte Auslegungsergebnis erforderte daher die Annahme, daß sich die Eltern Dipl.Ing. Ernst und Camilla F*** eine Selbstbeschränkung hinsichtlich der Rechte aus den ihnen zukommenden Geschäftsanteilen auferlegen wollten. Dafür fehlten aber Anhaltspunkte. Das Erstgericht verstehe das von ihm gefundene Auslegungsergebnis als hypothetischen Parteiwillen, zumal es nicht davon ausgehe, die angenommene Kompetenzzuweisung an die Geschäftsführer wäre ausdrücklich erfolgt. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei jedoch nur dann zulässig, wenn eine Vertragslücke vorliege. Die Frage nach dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung sei im § 20 Abs. 1 GmbHG geregelt. Es bestünden keine Anhaltspunkte, daß die Parteien die Nichtgeltung des 20 Abs. 1 GmbHG vereinbart hätten oder die vorhandene gesetzliche Regelung nicht sachgerecht wäre. Hinsichtlich der das Stimmverbot und die Verletzung des § 50 Abs. 4 GmbHG betreffenden Behauptungen des Klägers werde auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen. Eine Verletzung der Bestimmung des § 50 Abs. 4 GmbHG liege nicht vor, weil ein Sonderrecht des Klägers (oder seines Bruders) auf Weisungsfreiheit in Ausübung der Funktion eines Geschäftsführers in bestimmten Angelegenheiten, wie oben dargelegt, nicht vereinbart worden sei. Ein einem Gesellschafter eingeräumtes Sonderrecht sei im übrigen nur dann beachtlich, wenn es dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmen sei.

Auch die Vereinbarung vom 30. Juni 1980 (./K) enthalte, abgesehen von der Frage ihrer Gültigkeit, keine Regelung über eine Beschränkung der Rechte der Gesellschafterversammlung, sondern nur eine Ergänzung zu den die Geschäftsführer betreffenden Bestimmungen des Statuts.

Die Ausführungen des Berufungsgegners zum Verfahren 22 Cg 112/86 des Erstgerichtes stellten eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung dar. Abgesehen davon ließen die zitierten Ausführungen zum Geschäftsführerwiderspruch keinen zwingenden Rückschluß auf eine auf Weisungsfreistellung zielende Absicht der Parteien bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages zu, weil nicht klargestellt sei, seit wann den Parteien die dispositive Regelung des § 20 Abs. 1 GmbHG bekannt sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund des § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf gemäß § 510 Abs. 3 Satz 2 ZPO keiner Begründung. Dennoch sei darauf hingewiesen, daß das Berufungsgericht nicht - wie gerügt - unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ohne Durchführung einer Beweiswiederholung oder -ergänzung von Tatsachenfeststellungen abgewichen ist, die das Erstgericht aufgrund von ihm aufgenommener Beweise getroffen hat, sondern unter Zugrundelegung dieser Feststellungen zu teilweise anderen tatsächlichen Schlußfolgerungen und im Ergebnis zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangt ist.

Die in der Revision beantragte Beischaffung der Akten 22 Cg 112/86 des Erstgerichtes und 12 C 228/86 des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien ist schon deshalb entbehrlich, weil das Erstgericht ohnehin nicht der Aussage des Ing. Gerhard F*** folgte und es darauf nicht ankommt, ob der Genannte noch im Jahr 1986 davon ausgegangen ist, daß jeder Geschäftsführer durch seinen Widerspruch die Aufnahme von Familienangehörigen verhindern kann. In der Ausführung der Rechtsrüge hält der Kläger sämtliche in erster Instanz geltend gemachten Anfechtungsgründe aufrecht. Das Schwergewicht der Revision ruht auf der Erörterung der Frage, ob der Gesellschaftsvertrag dahin auszulegen sei, daß über die Anstellung von Familienangehörigen der Gesellschafter ausschließlich die Geschäftsführer zu entscheiden haben und bei Nichteinigkeit der Geschäftsführer die Generalversammlung nur unter Einhaltung der Vorschriften über die Abänderung des Gesellschaftsvertrages darüber Beschluß fassen kann, oder dahin, daß Punkt V*** Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages lediglich das in § 21 Abs. 2 GmbHG normierte Widerspruchsrecht zu einem Zustimmungsrecht verstärkt und die Befugnis der Generalversammlung, den Geschäftsführern mit einfacher Stimmenmehrheit Weisungen zu erteilen (§ 20 Abs. 1 GmbHG), auch in bezug auf die im genannten Punkt des Gesellschaftsvertrages aufgezählten Angelegenheiten besteht. Der Kläger meint nun, das Berufungsgericht habe bei der Beantwortung dieser Frage in letzterem Sinne mehrere Gesichtspunkte außer acht gelassen. Dem kann nicht gefolgt werden.

Wenn der Kläger den Standpunkt vertritt, das Erstgericht habe unangefochten festgestellt, daß der übereinstimmende Parteiwille der Gründungsgesellschafter in die erstgenannte Richtung gegangen sei bzw. - wenn die Gründungsgesellschafter an das in Rede stehende Problem gedacht hätten - gegangen wäre, worüber sich das Berufungsgericht nicht hätte hinwegsetzen dürfen, so ist ihm zu entgegnen, daß das Erstgericht unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung aus dem Gesellschaftsvertrag, aus der formlosen Vereinbarung vom 30. Juni 1980 (Beilage K), aus den Umständen des vorliegenden Falles sowie aus der Lebenserfahrung mit Hilfe tatsächlicher Schlußfolgerungen und der Auslegungsregeln des § 914 ABGB rechtlich zur Annahme einer bestimmten (allenfalls bloß hypothetischen) Parteienabsicht und damit Vertragsauslegung gelangte, während das Berufungsgericht, ausgehend von denselben Grundlagen, ohne Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen ein anderes rechtliches Ergebnis erzielte. Dieses Ergebnis hat nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die überzeugenderen Argumente für sich. Die Regelung der Geschäftsführerbefugnisse ist im Gesellschaftsvertrag von der Regelung der Befugnisse der Generalversammlung klar getrennt. Eine Beschränkung der Befugnisse der Generalversammlung in den Angelegenheiten, die gemäß Punkt VIII Abs. 7 der vorherigen Zustimmung sämtlicher Geschäftsführer bedürfen, ist aus dem Gesellschaftsvertrag nicht ersichtlich. Die Regelung des Punktes VIII Abs. 7 ist auch im Falle einer Auslegung im Sinne des Berufungsgerichtes nicht inhaltsleer, wird doch durch sie das im § 21 Abs. 2 GmbHG bei Einzelgeschäftsführungsbefugnis vorgesehene Widerspruchsrecht der anderen Geschäftsführer zu einem Zustimmungsrecht verstärkt. Die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung des Gesellschaftsvertrages vermeidet überdies den Widerspruch zwischen Punkt VIII Abs. 7 und Punkt X Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages, der bei einer Auslegung im Sinne des Erstgerichtes bestünde. Gerade der Umstand, daß die Stimmrechtsverteilung in der Generalversammlung schon bei der Gründung der Gesellschaft so beschaffen war, daß sich eine Gesellschaftermehrheit gegen einen einer gemäß Punkt VIII Abs. 7 zustimmungsbedürftigen Maßnahme widersprechenden Geschäftsführer-Gesellschafter bilden konnte, und für diesen Fall keine von der gesetzlichen Vorschrift des § 20 Abs. 1 GmbHG abweichende gesellschaftsvertragliche Regelung getroffen worden ist, läßt das Auslegungsergebnis des Erstgerichtes nicht zwingend und die Annahme einer Vertragslücke verfehlt erscheinen. Aus der formlosen Vereinbarung vom 30. Juni 1980 (Beilage K), daß sowohl die Aufnahme als auch der Verbleib von unter Punkt VIII Abs. 7 lit. e und f genannten Personen in der beklagten Partei der Zustimmung des Klägers und seines Bruders Ing. Gerhard F*** bedürfe, ist für die Beurteilung der Entscheidungsbefugnis der Generalversammlung in dieser Frage nichts zu gewinnen. Im übrigen könnte die Auslegung einer Urkunde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung nur dann bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnisgrundsätzen oder den gesetzlichen Auslegungsregeln im Widerspruch stünde (SZ 26/49; JBl. 1975, 602 uva, zuletzt etwa 7 Ob 579/88); wenn eine nach diesen Kriterien unbedenkliche Urkundenauslegung des Berufungsgerichtes - wie hier - durch eine andere, ebenfalls mögliche Auslegung ersetzt werden soll, kann von einer Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht noch nicht gesprochen werden (6 Ob 279/62 ua).

Nach Auffassung des Klägers ist das in Punkt VIII Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages verankerte Vetorecht jedes Geschäftsführers auch ein Sonderrecht im Sinne des § 50 Abs. 4 GmbHG. Diese Auffassung wurde bereits von beiden Vorinstanzen abgelehnt. Das Berufungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, daß ein einem Gesellschafter eingeräumtes Sonderrecht nur dann beachtlich ist, wenn es dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmen ist (SZ 28/71), und daß hier ein Sonderrecht des Klägers oder seines Bruders nicht vereinbart worden ist.

Schließlich macht der Kläger geltend, daß der angefochtene Generalversammlungsbeschluß selbst dann rechts-(d.h. gesetz- oder vertrags-)widrig wäre, wenn die Generalversammlung den Geschäftsführern grundsätzlich Weisungen geben könnte, die das Vetorecht eines Geschäftsführers im gegenständlichen Fall aufheben würden: Entweder unterliege der Gesellschafter Ing. Gerhard F*** einem Stimmverbot, weil er der Vater des aufzunehmenden Dienstnehmers Herbert F*** ist, oder es habe sich um einen Stimmrechtsmißbrauch und Verstoß gegen die Treuepflicht gehandelt, weil er für die Anstellung seines Sohnes als Dienstnehmer der beklagten Partei entschieden hat, obwohl der Gesellschaftsvertrag hiefür die Zustimmung aller Geschäftsführer vorschreibt, die nicht gegeben war. Auch dem kann nicht beigepflichtet werden. Daß hier ein Stimmverbot im Sinne des § 39 Abs. 4 GmbHG zu verneinen ist, haben gleichfalls bereits die Vorinstanzen richtig dargelegt. Was den behaupteten Verstoß gegen die Treuepflicht betrifft, so unterliegt auch der Gesellschafter einer GmbH - nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber den Mitgesellschaftern - einer über § 1295 Abs. 2 ABGB hinausgehenden Treuepflicht, die an den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie des redlichen Verkehrs und am Gebot der guten Sitten zu orientieren ist, wobei die personalistische Struktur der Gesellschaft Umfang und Intensität der Treuepflicht beeinflußt (für den österreichischen Rechtsbereich siehe insbesondere Kastner, Österreichisches Gesellschaftsrecht4, 11 ff; Thöni in GesRZ 1987, 82 ff [89 f];

Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 358 ff und WBl. 1988, 141 f; SZ 53/172;

WBl. 1988, 125 mit Anmerkung von Reich-Rohrwig; für den deutschen Rechtsbereich vgl. etwa Schilling in Hachenburg, dGmbHG7, Rz 23 f und 29 zu § 14, wonach der Gesellschafter die Interessen der Gesamtheit der Gesellschafter und des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens, aber auch die gesellschaftlichen Interessen der Gesellschafter zu wahren und zu fördern und damit deren Schädigung zu unterlassen hat; Koppensteiner in Rowedder, dGmbHG, Rz 56 f zu § 43 und Rz 103 zu § 47, wonach der Mehrheitsgesellschafter seine Interessen zurückzustellen hat, wenn mit ihrer Verfolgung eine Benachteiligung der Minderheit und auch eine Beeinträchtigung des Verbandszweckes verbunden wäre; Karsten Schmidt in Scholz, dGmbHG7, Rz 26 ff zu § 47; Emmerich in Scholz aaO Rz 37 ff zu § 13, wonach die Pflicht besteht, bei der Stimmabgabe und darüber hinaus bei jeder Einflußnahme auf die Geschäftsführung auf die legitimen Interessen der Minderheit Rücksicht zu nehmen und jeden unnötigen oder übermäßigen Eingriff in die Rechte der Minderheit zu unterlassen; Winter in Scholz aaO Rz 50 ff zu § 14). Die Treuepflicht des Gesellschafters einer GmbH gebietet eine angemessene Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Mitgesellschafter auch bei der Ausübung des Stimmrechtes in der Generalversammlung, etwa bei der Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer (Kastner, Österreichisches Gesellschaftsrecht4, 12 f; Schilling in Hachenburg, dGmbHG7, Rz 77 zu § 47, wonach sich die Mehrheit nicht unter Ausnützung ihrer Stellung zum Schaden der Minderheit übermäßige Vorteile verschaffen darf).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann ist ein Stimmrechtsmißbrauch/eine Verletzung der Treuepflicht durch Ing. Gerhard F*** nicht anzunehmen. Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, daß Herbert F*** aufgrund seiner Ausbildung die beruflichen Voraussetzungen für eine Anstellung bei der beklagten Partei erfüllt, daß bei dieser ein Bedarf nach einer derartigen Arbeitskraft besteht und daß das Herbert F*** gezahlte Gehalt angemessen ist. Unter diesen Umständen ist darin, daß Ing. Gerhard F*** für die Anstellung seines Sohnes stimmte und nicht wegen der mangelnden Zustimmung des Klägers zu dieser Anstellung einen anderen geeigneten Dienstnehmer für die beklagte Partei suchte, kein Stimmrechtsmißbrauch/Verstoß gegen die Treuepflicht zu erblicken: Es kann nicht gesagt werden, Ing. Gerhard F*** habe es bei der Ausübung seines Stimmrechtes an einer angemessenen Berücksichtigung berechtigter Interessen des Klägers fehlen lassen und seinem Sohn zum Schaden der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter einen übermäßigen Vorteil verschafft.

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Voraussetzungen einer Festsetzung der Entlohnung für die Erstattung der Revisionsbeantwortung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 RATG liegen nicht vor.

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