Normen
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §16
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §41
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §50
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §16
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §41
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §50
Spruch:
Einem Gesellschafter einer GesmbH. eingeräumte Sonderrechte sind nur dann wirksam, wenn sie in der Satzung festgelegt sind. Auch bei vereinbarter Unwiderruflichkeit der Geschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters kann diese Befugnis aus wichtigen Gründen widerrufen werden.
Entscheidung vom 9. März 1955, 3 Ob 134/55.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten Partei mit einer Stammeinlage von 25% des Gesellschaftskapitals. Im Gesellschaftsvertrag vom 5. Jänner 1949 wurde er auf die Dauer seines Gesellschaftsverhältnisses zum Geschäftsführer mit selbständigem Zeichnungsrecht für die Beklagte bestellt, während allenfalls weiter zu bestellende Geschäftsführer die Gesellschaft kollektiv je mit einem zweiten Geschäftsführer oder mit einem Prokuristen zu zeichnen haben (Punkt VI und VII). In der außerordentlichen Generalversammlung vom 24. April 1954 wurde gegen die Stimme des Klägers mit den Stimmen der anderen Gesellschafter, die 75% des Stammkapitals vertreten, die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer widerrufen, ein anderer Geschäftsführer bestellt und die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (Punkt VI und VII) über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und über ihre Zeichnungsberechtigung teilweise geändert.
Der Kläger, der sich sein Klagerecht im Sinne des § 41 Abs. 2 GesmbHG. gewahrt hatte, stützt die auf Nichtigerklärung der erwähnten Beschlüsse der außerordentlichen Generalversammlung gerichtete Klage darauf, daß sich "aus den Vorgängen, Absprachen und den getroffenen Abmachungen vor und anläßlich der Gründung der beklagten Gesellschaft" ergebe, daß ihm seine Bestellung zum Geschäftsführer ausdrücklich als Sonderrecht eingeräumt worden sei, welches im gemäß § 50 Abs. 4 GesmbHG. nur mit seiner Zustimmung wieder genommen werden könnte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß aus dem Gesellschaftsvertrag nicht abgeleitet werden könne, daß dem Kläger seine Bestellung zum Geschäftsführer als ein unwiderrufliches Sonderrecht eingeräumt worden sei, zumal es, wie aus § 16 GesmbHG. hervorgehe, kein vertragsmäßiges Recht auf eine unwiderrufliche Geschäftsführung gäbe. Nach § 41 GesmbHG. habe das Gericht nur die formellen, nicht aber die materiellrechtlichen Voraussetzungen von Generalversammlungsbeschlüssen, die den Gegenstand der Anfechtung bilden, zu prüfen. In formeller Hinsicht sei aber gegen die beanstandeten Beschlüsse nichts einzuwenden.
Infolge Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug diesem eine neue Verhandlung und Entscheidung auf.
Das Berufungsgericht lehnte die Ansicht des Erstgerichtes ab, daß die Prüfung der Gültigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen nur nach ihrer formellen Seite hin ohne Bedachtnahme darauf zu erfolgen habe, ob ihr materieller Inhalt mit der Satzung oder dem Gesetz übereinstimme. Während § 41 Abs. 1 Z. 1 GesmbHG. die Fälle umfasse, in denen der Beschluß formell gesetz- oder satzungswidrig gefaßt worden ist, könne nach Z. 2 ein Generalversammlungsbeschluß auch wegen seines Inhaltes nichtig sein. Darunter fallen auch mittelbare Gesetz- oder Satzungswidrigkeiten eines an sich nicht gesetz- oder satzungswidrigen Beschlusses, etwa wenn der Inhalt des Beschlusses und dessen Folge in seiner Beziehung zur Gesellschaft oder den Individualrechten der überstimmten Gesellschafter oder zu den Rechten der der Majorität angehörenden Gesellschafter gesetz- oder satzungswidrig wären (EvBl. 1954 Nr. 448).
Da der Kläger gar nicht behauptet habe, daß die bei der außerordentlichen Generalversammlung vom 24. April 1954 gefaßten Beschlüsse in formeller Hinsicht nach § 41 Abs. 1 Z. 1 GesmbHG. gesetz- oder satzungswidrig wären, hätte das erstgerichtliche Verfahren darauf abgestellt werden sollen, ob der Inhalt der angefochtenen Beschlüsse und ihre Folgen in materiellrechtlicher Hinsicht mit dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag im Widerspruch stehen. Ein Beschluß der Generalversammlung könne auch dann satzungswidrig sein, wenn in die Individualrechte eines Gesellschafters unter Verletzung der Vorschrift des § 50 Abs. 4 GesmbHG. eingegriffen werde, wenn also der Betroffene der "Verkürzung" der ihm eingeräumten Rechte nicht zustimmt, sofern nicht seine Zustimmungserklärung im Hinblick auf entgegenstehende zwingende Vorschriften überhaupt unbeachtlich sei.
Wurde dem Kläger, wie er behauptet, die Geschäftsführung unwiderruflich als Sonderrecht deshalb eingeräumt, um das Kräfteverhältnis in der Gesellschaft dauernd zu sichern, so verstoße eine derartige Vereinbarung gegen die zwingenden Vorschriften des § 16 Abs. 2 GesmbHG., weil der jederzeitige Widerruf nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der bezogenen Gesetzesstelle auf wichtige Gründe beschränkt werden könne. Auf die Widerruflichkeit der im Gesellschaftsvertrag erfolgten Bestellung eines Geschäftsführers könne also nicht unbeschränkt, sondern nur sofern nicht wichtige Gründe vorliegen, verzichtet werden.
Auch wenn die Bestellung eines Gesellschafters zum Geschäftsführer auf einem Sonderrecht beruhe, äußere es seine Wirkung lediglich dahin, daß zwar der freie Widerruf der Bestellung ausgeschlossen sei, daß es aber doch einem "wichtigen Grund" des § 16 Abs. 2 GesmbHG. weichen müsse, selbst wenn ein entsprechender Vorbehalt in der Satzung fehle (SZ. XVII 91, SZ. VII 123). Der Kläger sei also, falls ihm sein Amt als Sonderrecht eingeräumt wurde, so zu behandeln, wie wenn im Gesellschaftsvertrag der Widerruf seiner Bestellung zum Geschäftsführer auf wichtige Gründe eingeschränkt worden wäre. Seine Abberufung könne daher nur durch einen Beschluß der Gesellschafter mit der in der Satzung hiefür vorgesehenen Mehrheit unter Angabe von bestimmten Gründen, die sich als "wichtige" im Sinne des § 16 Abs. 2 GesmbHG. darstellen müssen, erfolgen. Darüber, ob die dem abberufenen Geschäftsführer bekanntgegebenen Gründe tatsächlich vorliegen, habe sich das Gericht allerdings bei Erledigung der Klage auf Nichtigerklärung nicht zu befassen (AmtlSlg. 1562 = SpR. 241), während sich seine Prüfungspflicht nach § 41 Abs. 1 Z. 2 GesmbHG. darin erschöpfe, ob der Beschluß infolge seines Inhaltes mit zwingenden Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung in Widerspruch stehe, was dann vorliegen würde, wenn die bekanntgegebenen Gründe nicht als wichtige im Sinne der genannten Gesetzesstelle aufgefaßt, werden könnten. Das Gericht habe daher zwar von der Richtigkeit der dem abberufenen Geschäftsführer bekanntgegebenen Gründe auszugehen, doch habe es in rechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob diese Gründe unter § 16 Abs. 2 GesmbHG. subsumiert werden können.
Daraus ergebe sich, daß das erstgerichtliche Verfahren in mehrfacher Hinsicht mangelhaft geblieben sei.
Was die Frage des Sonderrechtes anlange, so habe das Erstgericht das Vorliegen eines solchen unter Hinweis auf die Entscheidung SZ. VII 123 deshalb verneint, weil aus Punkt VI des Gesellschaftsvertrages nicht der Schluß gezogen werden könne, daß der Kläger für die ganze Dauer der Gesellschaft Geschäftsführer bleiben müsse und seine Stellung unwiderruflich sein soll. Wohl habe der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung den Gesellschaftsvertrag in dem gleichen Sinne wie das Erstgericht ausgelegt, jedoch keineswegs ausgesprochen, daß die Frage, ob die Bestellung zum Geschäftsführer auf einem Sonderrecht beruhe, ausschließlich aus der Urkunde zu beantworten sei und andere Beweismittel zur Auslegung des Gesellschaftsvertrages nicht zugelassen werden dürfen. Aus § 42 Z. 2 GesmbHG. (richtig § 41 Abs. 1 Z. 2) lasse
sich derartiges nicht entnehmen. Ob die im Gesellschaftsvertrag erfolgte Bestellung zum Geschäftsführer sich als ein besonderes Vorrecht des Klägers in dem Sinne darstelle, daß er unwiderruflich zum Geschäftsführer bestellt werden sollte, könnte sich aus den von ihm angebotenen Beweisen ergeben.
Im weiteren Verfahren sei daher auf folgendes Bedacht zu nehmen:
könne der Kläger das Vorliegen des behaupteten Sonderrechtes nachweisen, dann werde das Erstgericht noch die Frage erörtern müssen, ob die Abberufung des Klägers unter Bekanntgabe von bestimmten Gründen erfolgt sei oder nicht. Treffe das letztere zu, dann wären aus den dargelegten Erwägungen die angefochtenen Generalversammlungsbeschlüsse nichtig; liege aber der erste Fall vor, dann müßte noch untersucht werden, ob die bekanntgegebenen Gründe sich als wichtig im Sinne des § 16 Abs. 2 GesmbHG. darstellen. Stelle sich jedoch heraus, daß die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführers nicht Ausfluß eines ihm eingeräumten Sonderrechtes war, dann müsse noch untersucht werden, ob es der Absicht der Parteien entsprach, den Kläger jederzeit abzuberufen, wenngleich er auf die Dauer seines Gesellschaftsverhältnisses zum Geschäftsführer bestellt wurde (§ 914 ABGB.).
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Verfehlt ist die Ansicht des Rekurses, daß durch die Vereinbarung eines unwiderruflichen Rechtes auf Geschäftsführung für den Kläger kein Sonderrecht nach § 50 Abs. 4 GesmbHG. begrundet werden konnte, weil eine diesbezügliche Abmachung infolge Verstoßes gegen die zwingende Vorschrift des § 16 Abs. 2 GesmbHG. absolut unwirksam sei.
Unwirksam wäre die Satzungsbestimmung in diesem Punkt nur insoweit, als die Widerrufsmöglichkeit zur Gänze beseitigt erscheint. § 16 Abs. 2 GesmbHG. gestattet den Gesellschaftern, sich ihre Stellung als Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag von vornherein dauernd zu sichern. Diese Bestimmung engt jedoch ihre Vertragsfreiheit in der Weise ein, daß die Zulässigkeit des Widerrufes aus wichtigen Gründen nicht ausgeschlossen werden kann. Nur mit dieser Einschränkung wäre daher ein dem Kläger als Sonderrecht eingeräumtes Recht auf Geschäftsführung wirksam. Der Kläger müßte es sich daher unter allen Umständen gefallen lassen, daß ihm die Geschäftsführung entzogen wird, wenn wichtige Gründe vorliegen. In diesem Fall bedarf es, da ein Entzug vertraglicher Rechte nicht stattfindet, nicht der Fassung eines Beschlusses auf Änderung des Gesellschaftsvertrages.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes kann das dem Gesellschafter eingeräumte Sonderrecht nur dann beachtet werden, wenn es der Satzung zu entnehmen ist. Das folgt aus der Erwägung, daß die Satzung für die Allgemeinheit bestimmt ist und deshalb alle wesentlichen Abmachungen in der Urkunde selbst festgelegt sein müssen.
Der Kläger kann sich daher auf mündliche Abreden vor und anläßlich der Gründung der Gesellschaft nicht berufen. Es kommt allein darauf an, ob ihm das Recht auf Geschäftsführung als Individualrecht im Gesellschaftsvertrag eingeräumt worden ist. Das ist aber, wie von den Untergerichten richtig erkannt wurde. Nicht der Fall Punkt VI des Gesellschaftsvertrages, in dem die Bestellung de Klägers zum Geschäftsführer während der Dauer seines Gesellschaftsverhältnisses festgelegt wurde, stimmt mit der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 4 GesmbHG. überein, derzufolge die Bestellung von Geschäftsführern auch im Gesellschaftsvertrag geschehen kann, jedoch nur auf die Dauer des Gesellschaftsverhältnisses. Daß hiedurch dem Kläger ein unwiderrufliches Sonderrecht auf Ausübung des Amtes als Geschäftsführer während der ganzen Dauer seiner Gesellschaftszugehörigkeit eingeräumt werden sollte, kann aus der Vertragsurkunde nicht erschlossen werden.
War nun aber nach Inhalt des Gesellschaftsvertrages dem Kläger ein Sonderrecht nicht eingeräumt, dann kann auch nicht gesagt werden, daß die in der außerordentlichen Generalversammlung gefaßten Beschlüsse mit dem Gesellschaftsvertrag im Widerspruch stehen (§ 41 Abs. 1 Z. 2 GesmbHG.). Die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer konnte daher auch ohne seine Zustimmung erfolgen.
Wird von dieser Rechtansicht ausgegangen, dann ist die Sache offenbar schon jetzt spruchreif und es bedarf der vom Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragenen Verfahrensergänzungen nicht, um die Spruchreife herbeizuführen.
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