Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der erst- , der zweit- und der drittbeklagten Partei die mit S 13.258,24 (darin S 1.205,29 Umsatzsteuer) und der viertbeklagten Partei die mit S 12.748,32 (darin S 1.158,94 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Dritt- und der Viertkläger sind Redakteure der für die erstklagende Partei, die K*** P*** Ö***, von der zweitklagenden Partei herausgegebenen Tageszeitung "Volksstimme" und waren im Jahre 1956 Ressortleiter für Innen- bzw. Außenpolitik. Der Erstbeklagte ist der Autor des Filmdrehbuches "Der Aufstand", der Zweitbeklagte der Regisseur des nach diesem Drehbuch hergestellten Fernsehfilmes, der von der Dr.Heinz S***
Gesellschaft m.b.H. produziert und am 19.Oktober 1986 von der drittbeklagten Partei, dem Ö*** R***, in seinem Fernsehprogramm ausgestrahlt wurde. Der Erstbeklagte hat in Zusammenarbeit mit der drittbeklagten Partei nach diesem Drehbuch das im Österreichischen Bundesverlag erschienene, als Filmprosa bezeichnete Buch "Der Aufstand" mit dem Untertitel "Wien im Feuerschein der ungarischen Revolution" verfaßt. Drehbuch, Buch und Film spiegeln die Ereignisse des Ungarnaufstandes 1956 anhand von Einzelschicksalen wieder. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die erfundene Person des Ernstl B***, der als Redakteur der "Volksstimme" bezeichnet wird. Eine weitere erfundene Person ist J***, der leitender Redakteur für das politische Ressort der "Volksstimme" sein soll. J*** und K***, ein KGB-Agent, den B*** stets für einen CIA-Mann gehalten hat, wollen nach der Story B*** glauben machen, daß die USA durch ihren CIA von österreichichem Hoheitsgebiet aus Waffen an die aufständischen Gruppen in Ungarn liefern; sie führen zu diesem Zweck ein Täuschungsmanöver durch, indem sie die Einlagerung von Waffen auf einem im Donauhafen Wien vor Anker liegenden ungarischen Schiff, das nach Budapest abgehen soll, simulieren. Der Kapitän dieses Schiffes wird später von KGB-Leuten in seiner Budapester Wohnung ermordet. B*** läßt sich täuschen und bringt eine entsprechende Meldung in der "Volksstimme".
Später wird B*** von E***, einer anderen Kunstfigur des Werkes, über den wahren Sachverhalt aufgeklärt und bricht verbittert mit seiner kommunistischen Vergangenheit; er verläßt das Parteilokal der KPÖ-Sektion 5, in dem er die Obmannfunktion ausgeübt hat, schlägt den Wandkasten mit der affichierten "Volksstimme" ein, reißt die dort angeschlagenen Seiten der Zeitung vom Wandbrett, zerknüllt sie und wirft sie seiner Frau vor die Füße.
Unter Berufung auf § 1295 Abs. 2 und § 1330 Abs. 2 ABGB, aber auch auf jeden anderen erdenklichen Rechtsgrund begehren die klagenden Parteien die Unterlassung folgender unwahrer und kreditschädigender, ihren Erwerb und ihr Fortkommen gefährdenden Behauptungen: Den gegen sie erhobenen Vorwurf, 1.) sie hätten einen gutgläubigen Redakteur der "Volksstimme" und 2.) die Leser dieser Zeitung irregeführt, 3.) die Kläger hätten gemeinsam mit dem KGB illegal Waffen angeschafft,
4.) diese illegal zunächst in einer Lagerhalle aufbewahrt, danach in Kisten verpackt und auf einem ungarischen Schiff gelagert, 5.) dritte Personen dazu veranlaßt, die Waffen auf ein ungarisches Schiff zu transportieren und 6.) diese Personen verleitet, die Waffen entgegen den österreichischen Rechtsvorschriften nach Ungarn zu schmuggeln, 7.) die Tötung des Kapitäns des ungarischen Schiffes veranlaßt, 8.) durch diese Handlungen vorsätzlich das bewaffnete Einschreiten der Sowjetarmee in Ungarn bewirkt und somit den Tod vieler Menschen verschuldet und 10.) den Ausbruch eines dritten Weltkrieges in Kauf genommen. Die Intentionen des Erstbeklagten in Film und Buch seien, wie er selbst in der Einleitung seines Buches hervorgehoben habe, keineswegs auf die Darstellung einer von der Realität abgehobenen eigenen künstlerischen Wirklichkeit gerichtet gewesen, sondern hätten den Eindruck eines Dokumentarwerkes vermitteln wollen. Daran könne nichts ändern, daß die Namen des damaligen Chefredakteurs und des Ressortleiters für politische Belange verändert worden seien, da bei den beteiligten Hörer- und Zuseherkreisen kein Zweifel daran gelassen werde, wer gemeint sei. Es gehe den beklagten Parteien offenbar nur um eine Verunglimpfung der klagenden Parteien und darum, sie in Mißkredit zu bringen, ohne künstlerische Qualitäten in Anspruch nehmen zu können. Buch und Film seien nicht als Werke der Literatur zu qualifizieren, so daß für sie die im Art. 17a StGG garantierte Kunstfreiheit nicht in Anspruch genommen werden könne.
Das Buch gehe noch weiter als das Filmwerk, da darin die erst- und die zweitklagende Partei mehrmals ausdrücklich genannt würden. In der Einleitung des Buches führe der Erstbeklagte zudem u.a. aus, daß er im Rahmen der Recherchen sämtliche Sachverhalte vorgefunden habe, die dann im Buch verwendet worden seien. Die Dritt- und Viertkläger hätten im Jahre 1956, wenn auch nach Innenund Außenpolitik geteilt, das politische Ressort der "Volksstimme" geleitet.
Die beklagten Parteien beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Die klagenden Parteien seien keineswegs eines unehrenhaften Verhaltens bezichtigt worden. Die Ereignisse seien in Buch, Drehbuch und Fernsehfilm als Einzelaktion eines Agenten und eines Journalisten beschrieben worden; eine Beteiligung der klagenden Parteien sei weder angedeutet worden noch aus dem Fernsehspiel ableitbar. Die dort vorkommenden Figuren seien Kunstfiguren und als solche mit den klagenden Parteien nicht in Verbindung zu bringen. In Buch und Film sei durch vorangestellte Erklärungen klargestellt worden, daß nur der Rahmen der Handlung den wahren Ereignissen entspreche, die einzelnen Schicksale und Figuren jedoch frei erfunden seien. Insbesondere zur erstklagenden Partei sei kein Bezug herzustellen, weil in diesem Werk keine politische Partei unmittelbar agiere. Dr.Ernst B*** sei in der Spielhandlung zwar als Funktionär einer Sektion 5 der KPÖ gekennzeichnet, doch könne seine Verhaltensweise nicht der erstklagenden Partei zugerechnet werden. Eine Assoziation zu den übrigen klagenden Parteien verbiete sich im Hinblick auf den künstlerischen Charakter des Fernsehfilmes. Sie würden auch nicht namentlich genannt. Den im Film als leitenden Redakteur für das politische Ressort bezeichneten Redakteur habe es bei der "Volksstimme" nicht gegeben. Die drittbeklagte Partei wies noch darauf hin, sie habe nur jene Textstellen, die im Fernsehfilm enthalten seien, zu verantworten. Überdies habe die "Volksstimme" am 4. November 1956 selbst einen Bericht gebracht, wonach vom Schwechater Flugplatz unter dem Deckmantel von Hilfeleistungen pausenlos Waffen und Munition nach Ungarn gebracht worden seien, daß Wien der Herd und Salzburg das Zentrum der ungarischen Emigration seien und Österreich somit seine Neutralität verletze. Ein derartiger Waffenschmuggel habe jedoch nicht stattgefunden. Die Nummer der "Volksstimme" sei über Betreiben der Österreichischen Bundesregierung wegen unwahrer Meldungen beschlagnahmt worden. Buch, Drehbuch und Fernsehfilm seien Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes und damit ein künstlerisches Werk im Rechtssinn. Vom Autor eines solchen Kunstwerkes könne nicht verlangt werden, daß er bei der künstlerischen Gestaltung sein Augenmerk darauf verwenden müsse, jeden Bezug zur Wirklichkeit unter allen Umständen so sehr zu vermeiden, daß kein Werkrezipient Beziehungen zwischen Kunstfiguren und lebenden Personen herstellen könne. Da es sich um die künstlerische Aufarbeitung historischer Ereignisse handle, scheide § 1295 Abs. 2 ABGB als Haftungsgrundlage aus; aber auch eine Haftung nach § 1330 Abs. 1 oder 2 ABGB komme nicht in Betracht. Buch, Drehbuch und Fernsehfilm seien nicht geeignet, den klagenden Parteien einen Schaden zuzufügen, der im Verlust von Wählern oder Lesern bestehen könnte. Die Tätigkeit des Dritt- und des Viertklägers bei der "Volksstimme" sei bisher nicht beeinträchtigt worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei Buch, Drehbuch und Fernsehfilm handle es sich um ein Kunstwerk, das den Schutz des § 17a StGG genieße. Eine Interessenabwägung im Sinne des § 1330 ABGB müsse zum Nachteil der erst- und der zweitklagenden Partei ausfallen. Das Verhalten und die Äußerungen der KPÖ und der "Volksstimme" im Zusammenhang mit den tragischen Ereignissen des Herbstes 1956 in Ungarn ließen nur wenig Schutzwürdiges erkennen. Dem Dritt- und dem Viertkläger mangle es an der aktiven Klagslegitimation, da weder B*** noch J*** mit ihnen identifiziert werden könnten; sie seien eindeutig als Kunstfiguren gekennzeichnet. Das Berufungsgericht hielt das Verfahren erster Instanz nicht für mangelhaft und gab der Berufung der klagenden Parteien nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Zu Unrecht bezweifelten die Berufungswerber, daß es sich bei den vorliegenden Werken um ein Kunstwerk handle. Ein Kunstwerk im Sinne des Art. 17a StGG liege vor, wenn ein subjektiver Gestaltungswille zur Schaffung eines Kunstwerkes vorhanden sei. Daß die Werke solche im Sinne des Urheberrechtsgesetzes seien, sei zweifellos ein Hinweis auf ihre Qualifikation als Kunstwerke. Es werde keineswegs ein künstlerisches Bemühen bloß vorgeschoben, um irgendjemanden zu verunglimpfen. Zu prüfen sei, ob durch die so gewährleistete Freiheit der Kunst auch in Privatrechte einzelner eingegriffen werden könne. Bei einem Konflikt zwischen privaten Interessen und den Freiheitsansprüchen der Künstler sei nach Berka (JBl 1983, 283 f) ein vernünftiger Ausgleich zu finden, keiner der betroffenen Positionen komme ein gleichsam abstrakter Vorrang zu. Auch Bydlinski (ZÖR 1962/63, 423, 460) sehe eine Einschränkungsmöglichkeit privater Rechte durch Richterspruch im rechtsfreien Raum als wünschenswert an, auch wenn aus der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des Art. 17a B-VG ein subjektives privates Recht nicht abgeleitet werden könne. Die aus § 1330 Abs. 2 ABGB abgeleiteten Rechte könnten demnach durch Art. 17a B-VG eine Einschränkung erfahren. Die Frage, ob ein Eingriff in absolut geschützte Rechte rechtswidrig sei, könne nur auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden, bei der das Interesse am gefährdeten Gut stets dem Interesse der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müsse. Der Dritt- und der Viertkläger könnten schon mangels jeglicher Identifizierungsmerkmale mit einer der Kunstfiguren der Handlung nicht betroffen sein. Die Interessenabwägung habe aber zu Lasten der erst- und der zweitklagenden Partei auszufallen. In der "Volksstimme" seien am 1. und 4.November 1956 die Artikel "Flugzeugstaffel nach Ungarn" und "Radio Wien stört unsere Neutralität" erschienen, die geeignet waren, die öffentliche Meinung des Auslandes über die Verhältnisse im Inland in ungünstigem Sinn zu beeinflussen. Diese Meldungen seien von der "Volksstimme" ohne zureichenden Grund, sie für wahr zu halten, gebracht worden, weshalb auch deren verantwortlicher Redakteur nach den §§ 308, 310 Abs. 2 StGB verurteilt worden sei. Im Hinblick auf diese die Neutralität der Republik Österreich in ungerechtfertigter Weise in Frage stellenden, jedenfalls für die öffentliche Meinung des Auslandes über die Verhältnisse in Österreich negativen Mitteilungen könne den klagenden Parteien ein schutzwürdiges Interesse am Unterbleiben der Verbreitung einer überdies einwandfrei als fiktiv erkennbaren Darstellung, derzufolge ein Redakteur der "Volksstimme" namens J*** gemeinsam mit einem KGB-Mann ein Täuschungsmanöver inszenierte, indem sie Waffen amerikanischer Herkunft auf einem Schiff versteckten und den gutgläubigen Volksstimme-Redakteur B*** zur Meldung veranlaßten, der CIA beschaffe Waffen für die ungarischen Aufständischen, nicht zugebilligt werden. Abgesehen davon werde durch die inkriminierten Textpassagen keiner der klagenden Parteien eine unehrenhafte Handlung unterstellt. Für den Dritt- und den Viertkläger sei dies von vornherein ausgeschlossen, weil diese kein allgemeines politisches Ressort, was immer dies bedeuten möge, leiteten, sondern bei der "Volksstimme" als Ressortleiter für Innen- bzw. Außenpolitik tätig waren und weitere Individualisierungsmerkmale nicht einmal behauptet haben. Aber auch gegen die erst- und die zweitklagende Partei würden solche Behauptungen nicht erhoben. Ernstl B*** sei die einzige Kunstfigur, die eindeutig als Funktionär der KPÖ gekennzeichnet sei. Er handle durchaus ehrenhaft und bringe erst nach eigenen Recherchen eine entsprechende Meldung in seiner Zeitung. Allein die Abbildung von Parteilokalen im Film stelle keinen Zusammenhang zwischen der erstklagenden Partei und dem unehrenhaften Handeln zweier Agenten (K*** und J***) her. J*** könne, selbst wenn man ihn für ein Mitglied der KPÖ halten wolle, jedenfalls nicht als Repräsentant der KPÖ schlechthin angesehen werden. Auch der zweitklagenden Partei als Herausgeberin der Tageszeitung "Volksstimme" werde kein unehrenhaftes Verhalten vorgeworfen. Die Verbindung zu ihr bestehe in der Person J***, doch zeige nach den Intentionen des Autors gerade sein Verhalten, daß die "Volksstimme" nur solche Tatsachenberichte bringe, von deren Richtigkeit sie sich selbst durch Recherchen überzeugt habe; andernfalls hätte es J*** möglich sein müssen, die Meldung unter Berufung auf ihm zugekommene Berichte unterzubringen. Sowohl im Buch als auch in Drehbuch und Film wolle lediglich der Rahmen der dargestellten Handlung historisch verstanden werden, wogegen die eigentliche Handlung fiktiv sei. Die bei Art. 17a StGG vorzunehmende Interessenabwägung müsse jedenfalls zu Lasten der klagenden Parteien ausfallen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen den Ausführungen in den Revisionsbeantwortungen zwar zulässig, da das Berufungsgericht nicht an die als Wert des Streitgegenstandes angegebene Geldsumme gebunden war (§ 500 Abs. 2 ZPO), aber nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Gemäß Art. 17a StGG sind das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre frei. Mit der Bedeutung dieser Verfassungsbestimmung hat sich bereits der Verfassungsausschuß des Nationalrates in seinem Bericht an das Plenum, 978 BlgNR 15.GP, eingehend befaßt. Es war angestrebt, dem künstlerischen Schaffen und dessen Vermittlung in der Außenwelt einen Freiheitsraum zu schaffen, der gegen Eingriffe geschützt sein soll. Bewußt wurde von einer Definition des Begriffes "Kunst" abgesehen, weil es einen anerkannten Kunstbegriff nicht gebe, die Garantie der Kunstfreiheit es aber auch dem Staat untersage zu bestimmen, was Kunst sei; staatlich verordnete Kunst habe in einem gesellschaftlichen System, das nach dem Prinzip der Freiheit gestaltet sei, keinen Platz. Bewußt wurde auf einen Gesetzesvorbehalt verzichtet, ohne damit aber zu meinen, daß das künstlerische Schaffen und die Vermittlung von Kunst keinerlei Beschränkungen unterworfen sein dürften. Schon der Umstand, daß man allen Grund- und Freiheitsrechten das gleiche Gewicht beimessen und die Ausübung der gewährleisteten Freiheit durch den einen sich mit dem Freiheitsraum des anderen in Übereinstimmung befinden müsse, führe zu typischen Schranken, die vielen Grund- und Freiheitsrechten gemeinsam seien (immanente Schranken). Grenzen ergäben sich auch aus der Kunstfreiheit selbst. Künstlerisches Wollen müsse von der Gesellschaft, nicht zuletzt in der Form einer - vielfach erst zu erringenden - gesellschaftlichen Anerkennung erkannt werden können;
hinter dem Werk müsse in erster Linie ehrliches künstlerisches Streben und Wollen und nicht eine davon völlig verschiedene Zielsetzung stehen. Für die Kunstfreiheit ergäben sich - wie auch für die anderen Grundreche - jene Schranken, die aus dem geordneten, auf Toleranz aufbauenden Zusammenleben der Menschen folgen. Aus dem Prinzip der freien Entfaltung aller in der Gesellschaft eingebetteten Kräfte, Anschauungen und Bestrebungen könne in schweren Konfliktssituationen die Aufgabe des Staates folgen, unter Beachtung der in unserer Rechtsordnung geltenden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der daraus abzuleitenden verfassungsrechtlichen Grenzen ordnend einzugreifen. Der Verfassungsausschuß lehnte sich weitgehend an die Regelung in der Bundesrepublik Deutschland an, wo Art. 5 Abs. 3 des Bonner Grundgesetzes (GG) auch die Freiheit der Kunst garantiert. In seiner dazu ergangenen grundlegenden Entscheidung BVerfGE 30, 173 ("Mephisto") führte das Bundesverfassungsgericht aus, das Wesentliche der künstlerischen Betätigung sei die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden; alle künstlerische Tätigkeit sei ein Ineinander von bewußten und unbewußten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen seien. Beim künstlerischen Schaffen wirkten Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es sei primär nicht Mitteilung, sondern unmittelbarer Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers. Dies ließ das Bundesverfassungsgericht auch für den Fall gelten, in dem ein Werk der Literatur an Vorgänge der historischen Wirklichkeit anknüpft, so daß die Gefahr eines Konfliktes mit schutzwürdigen Rechten und Interessen der in dem Werk dargestellten Personen gegeben sein könne. Das Bundesverfassungsgericht anerkannte, daß der Künstler, der Vorgänge des realen Lebens schildert, berechtigt sei, diese Wirklichkeit im Kunstwerk zu "verdichten"; die Realität werde dadurch aus den Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten der empirischgeschichtlichen Wirklichkeit gelöst und in neue Beziehungen gebracht, für die nicht die Realitätsthematik, sondern das künstlerische Gebot der anschaulichen Gestaltung im Vordergrund stehe; die Wahrheit des einzelnen Vorganges könne und müsse unter Umständen der künstlerischen Einheit geopfert werden. Auch wenn der Künstler sich mit aktuellem Geschehen auseinandersetze, umfasse die Verfassungsgarantie nicht nur die freie Themenwahl, sondern auch die freie Themengestaltung.
Für Österreich hat Berka (JBl 1983, 283 ff) hervorgehoben, daß die spezifische Weise der Freiheitssicherung durch die Grundrechte, der liberalen Freiheitstradition entsprechend, in der Anerkennung der Selbstbestimmung des Individuums über Maß und Inhalt der garantierten Freiheiten liege, die einer fremden Sinngebung entzogen seien; daher versperre sich der Kunstbegriff der Verfassung jeder Eingrenzung auf bestimmte Kunstrichtungen und jeder Festlegung auf bestimmte Qualitätsmerkmale. Die Bevorzugungstendenz komme dem persönlichkeitsbezogenen Gestaltungswillen zu, durch den ein objektiver Kunstwert hervorgebracht werde; die Verfassung nehme es in Kauf, daß der Grundrechtsschutz nicht nur dem bleibenden Kunstwerk, sondern auch dem gut gemeinten Versuch des Dilettanten zuteil werde. Eine erschöpfende und ausschließliche Beschreibung des bedeutungsvollen Begriffes der Kunst werde und könne nicht gelingen, ohne daß staatliche Organe die Grenzen ihres Bestimmungsrechtes überschreiten. Für viele Fälle der Praxis möge eine Annäherung der Definition, wie sie das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 30, 173 vorgenommen habe, ausreichen, weil häufig nicht die Qualifikation als Kunstwerk, sondern die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen das strittige Entscheidungsthema sein werde. Der erkennende Senat schließt sich den dargestellten Ausführungen in dem Sinne an, daß Art. 17a StGG die Anerkennung eines Werkes als Kunstwerk in möglichst großzügigem Sinne verlangt.
Es kann dann kein Zweifel bestehen, daß es sich auch bei dem Buch, dem Drehbuch und dem Film, die Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens sind, um Kunstwerke handelt, die unter dem Verfassungsschutz des Art. 17a StGG stehen. Der Erstbeklagte ist ein nicht unbekannter Autor, dessen Schöpfungen bereits mehrfach veröffentlicht und im Fernsehen gezeigt wurden. Auch wenn er den Ungarnaufstand im Herbst 1956 und damit in Zusammenhang stehende Vorfälle als Hintergrund seines Themas wählte und damit an Vorgänge der historischen Wirklichkeit anknüpfte, hat er doch nicht eine reine Dokumentation beabsichtigt, schildert er doch Situationen, von denen für jedermann erkennbar ist, daß er sie nicht in allen Einzelheiten dokumentieren wollte und konnte, sondern seiner gestalterischen Phantasie freien Raum ließ.
Entgegen der Auffassung der Revision ist damit davon auszugehen, daß ein Kunstwerk vorliegt. Es ist dann zu prüfen, in welchen Grenzen von der Kunstfreiheit Gebrauch gemacht werden darf. Daß der Verfassungsgesetzgeber trotz Nichtaufnahme eines Gesetzvorbehaltes Schranken gesetzt wissen wollte, ergibt sich mit aller Deutlichkeit schon aus dem Bericht des Verfassungsausschusses. Auch wenn dieser keine unmittelbare normative Wirkung besitzt, läßt er doch auf die Tendenz des Verfassungsgesetzgebers schließen (vgl. Neisser, ÖJZ 1983, 8 FN 51). Die Beschränkung eines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes durch die Rechte anderer ist auch eine allen Grundrechten geradezu rechtslogisch immanente Schranke (Neisser aaO 8 mwN in FN 54).
Der deutsche Bundesgerichtshof hat in seiner Mephisto-Entscheidung, BGHZ 50, 133, hervorgehoben, daß dann, wenn eine Meinungsäußerung in die Form eines Kunstwerkes gekleidet ist, der Freiheitsspielraum gegenüber der Persönlichkeitssphäre eines Betroffenen weiter gezogen werden kann als bei solchen Meinungsäußerungen, die nicht den Rang eines Kunstwerkes erreichen.
Das bedeute nicht nur - was für den künstlerischen Schaffensprozeß unverzichtbar sei -, daß der Künstler an reale Geschehnisse und persönliche Umwelterfahrungen anknüpfen dürfe und daß ihm bei der Verarbeitung dieser Anregungen im Falle ausreichender Verfremdung ein weiter Schaffensspielraum verbleibe; vielmehr könne beim Konflikt zwischen Freiheit der Kunst und geschützter Persönlichkeitssphäre die Güterabwägung dazu führen, daß der Künstler bei romanhafter Darstellung des Lebens einer Person der Zeitgeschichte, wenn jene erkennbar nicht den Anspruch erhebt, die historischen Begebenheiten wirklichkeitstreu wiederzuspiegeln, den Dargestellten auch durch erfundene Begebenheiten ergänzend charakterisieren dürfe. Die Grenze der Freiheit der Kunst sei aber überschritten, wenn das Lebensbild einer bestimmten Person (dort Gustaf G***), die deutlich als Vorbild gedient habe, durch frei erfundene Zutaten grundlegend entstellt werde, ohne daß dies als satirische oder sonstige Übertreibung erkennbar sei. Diese Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht, wenn auch nicht einstimmig (zwei veröffentlichte abweichende Meinungen werteten die Freiheit der Kunst höher und hielten eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsbereiches von G*** nicht als gegeben; vgl. dazu AK-GG-Ladeur, Art. 5 Abs. 3 GG Rz 19), geteilt (BVerfGE 30,173). In einer weiteren Entscheidung (BGHZ 84, 237) sprach der Bundesgerichtshof aus, daß ein Künstler, der sich in seiner Arbeit mit Personen seiner Umwelt auseinandersetze, sich nicht rücksichtslos über deren Persönlichkeitsrecht hinwegsetzen könne; je stärker das vom Künstler entworfene Persönlichkeitsbild beanspruche, sich mit der sozialen Wirklichkeit des Dargestellten zu identifizieren, desto schutzwürdiger sei dessen Interesse an "wirklichkeitsgetreuer" Darstellung seiner Person (vgl dazu auch v. Mangoldt-Klein-Starck, GG, Art. 5 Abs. 3 Rz 209;
Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, GG, Art. 5 Abs. 3 Rz 66). Da das österreichische Grundrechtssystem kein allgemeines Menschenrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit kennt, mag zwar der Persönlichkeitsschutz im allgemeinen als Schranke für die Kunstfreiheit kein grundrechtsrelevantes Problem sein; Grenzen der Kunstfreiheit können sich aber aus Schranken, die aus dem geordneten, auf Toleranz aufbauenden Zusammenleben der Menschen folgen, ergeben; diese Schranken lassen sich aus den "Baugesetzen" sowie aus den "Strukturprinzipien" der Verfassung bzw. aus den in der Verfassung normativ geregelten "Grundwerten" ableiten (Neisser aaO 9) und erhalten damit praktisch wieder die Relevanz von Grundrechten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der im Bericht des Verfassungsausschusses genannt wird, bestimmt die Schrankenfestlegung (Neisser aaO 9). Wie schwierig die Anwendung dieses Grundsatzes ist, hat auch Berka (JBl 1983, 287) unter Hinweis auf die Lückenhaftigkeit des österreichischen Grundrechtskataloges, insbesondere das Fehlen einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung der privaten Ehre, dargetan. Dennoch kommt Berka (aaO 290) zu dem überzeugenden Schluß, daß die Gewährleistung der Kunstfreiheit den künstlerisch Tätigen nicht von einer rechtlichen Verantwortung freistellen kann, die grundsätzlich jeden Menschen trifft; die Kunstfreiheit gewährt keinen Freibrief und auch kein "Genieprivileg". Berka ist der Auffassung, daß das straf- und zivilrechtliche Ehrenschutzrecht und die in der jüngeren Zeit durch das Datenschutzgesetz und das Mediengesetz zunehmend dichter geknüpften zivilrechtlichen Vorschriften zum Schutz der privaten Sphäre unmittelbar und manifest den Inhalt künstlerischer Gestaltungen beschränkten; ihr Ziel sei der Ausgleich zwischen kollidierenden privaten Interessen und Freiheitsansprüchen, die als gleichrangig anzusehen seien. Berka leitet die Interessen des Einzelmenschen auf Achtung seiner persönlichen Integrität aus Art. 8 und 10 MRK und § 1 DSG ab. Ein Kunstwerk dürfe nicht aggressiv und offensiv in Rechtssphären Dritter einwirken. Bei der richterlichen Interessenabwägung sei u.a. auf die Art des eingeschränkten Rechtes, die Schwere des Eingriffes, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, die Art des verfolgten Interesses und den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses Bedacht zu nehmen. All dies hat auch für zivilrechtliche Ansprüche nach § 1330 Abs. 2 ABGB zu gelten, in denen ohnehin auf eine Interessenabwägung abgestellt ist (Berka aaO 292 FN 68). Bei der Interessenabwägung ist auch auf die zeitgeschichtliche Bedeutung eines Kunstwerkes, die ein besonderes und legitimes öffentliches Interesse zu begründen vermag, Bedacht zu nehmen (Berka aaO 292; vgl dazu auch RFK RfR 1979, 13). Auch Mandler (JBl 1986, 31) hält den Schutz der Ehre als Einschränkung der Kunstfreiheit für berechtigt und will ihn vor allem aus Art. 10 MRK ableiten. Je stärker ein Rechtsgut durch die Kunstfreiheit unterminiert werde, je notwendiger ein Schutz für die Rechtsgemeinschaft oder für die individuellen Rechte anderer Menschen sei, desto mehr weiche die Kunstfreiheit zurück (aaO 92). Da der Gesetzgeber durch das Unterlassen eines Gesetzesvorbehaltes dokumentiert habe, daß er der Kunst den stärksten Schutz der Verfassung, die vorderhand größtmögliche Freiheit, angedeihen lassen wolle, sei aber nach Möglichkeit die Freiheit der Kunst zu wahren, es sollen nur die notwendigsten Einschränkungen statthaben, wie sie sich aus dem allgemeinen Rechtsgüterschutz ergeben ("in dubio pro libertate artis"; aaO 93).
Der Verfassungsgerichtshof (VfSlg 10.401/1985; dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6 Rz 1451) hat sich diesen Thesen grundsätzlich angeschlossen. Aus dem bewußten Verzicht auf einen Gesetzesvorbehalt schloß er zwar, daß die Kunst einer Beschränkung nicht unterliegen solle, was aber nur bedeute, daß der Staat künstlerische Bewegungen weder unterdrücken noch verordnen dürfe; sowenig aber die Freiheit der Wissenschaft, des häuslichen Unterrichts oder der beruflichen Ausbildung schlechthin von der Beachtung gesetzlicher Vorschriften entbinde, sowenig könne auch die Freiheit der Kunst für sich allein schon sämtliche Hemmnisse beseitigen, welche die Rechtsordnung insgesamt der Verwirklichung auch künstlerischer Vorhaben entgegenstelle. Nach wörtlicher Zitierung der Auffassung des Verfassungsausschusses über die Beschränkungen der Freiheit der Kunst hatte der Verfassungsgerichtshof keinen Zweifel, daß die Kunstfreiheit auch in ihrer Tragweite als Gegenstück zur Wissenschaftsfreiheit (Unterrichtsfreiheit, Ausbildungsfreiheit) gedacht und nach dem Muster dieser Grundrechte ausgerichtet ist. Daraus folge, daß auch der Künstler in einem Schaffen an die allgemeinen Gesetze gebunden sei, sein Tun sei duch die Freiheit der Kunst nicht privilegiert. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betraf zwar (notwendigerweise) ein öffentliches Recht, die Wahrung der Bestimmungen der Bauordnung, sein Inhalt ist aber dahin verallgemeinerungsfähig, daß auch die Freiheit der Kunst dem Künstler nicht das Recht gibt, jemanden zu beleidigen oder über ihn Tatsachen zu verbreiten, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte (§ 1330 ABGB). Das ändert aber nichts daran, daß bei der Beurteilung, ob dieser Tatbestand gegeben ist, insofern eine Abwägung vorzunehmen ist, als der grundsätzlichen Wahrung der künstlerischen Freiheit nicht unnötig Abbruch getan wird. Es hat ein Ausgleich zwischen den kollidierenden privaten Interessen und den Freiheitsansprüchen des Künstlers stattzufinden; zur Freiheit der künstlerischen Gestaltung gehört auch in gewissem Maße ein großzügiger Umgang mit der Wahrheit, wenn es etwa, wie es der Erstbeklagte beabsichtigt haben will, um eine Parabel geht. Dem Betroffenen ist dies bis zu einem gewissen Grade zuzumuten, weil auch derjenige, der ein künstlerisches Werk der Literatur oder der Dramatik liest, hört oder sieht, geneigt ist, die Inanspruchnahme künstlerischer Gestaltungsfreiheit zu unterstellen. Das muß - von den beklagten Parteien gar nicht in Anspruch genommen - auch für Dokumentarliteratur und Dokumentartheater gelten, die gesellschaftskritisch und politisch orientiert zwar auf Dokumente oder Fakten zurückgreifen, aber, von der Öffentlichkeit auch so akzeptiert, dem faktischen Geschehen nur nahebleiben (vgl dazu Meyers Enzyklopädisches Lexikon9 Band 7, 45; Brockhaus Enzyklopädie19 Band 5, 585).
Die klagenden Parteien haben ihren Unterlassungsanspruch konkret auf § 1295 Abs. 2 und § 1330 ABGB, darüber hinaus auch auf jeden anderen in Betracht kommenden Rechtsgrund gestützt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß das Recht der Ehre ein Persönlichkeitsrecht im Sinne des § 16 ABGB ist und als solches absoluten Schutz gegen jedermann genießt; bei Wiederholungsgefahr steht auch ohne Vorliegen der für Widerruf und Veröffentlichung im § 1330 Abs. 2 ABGB normierten Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch zu (SZ 56/124; SZ 56/63 mwN). Auch der wirtschaftliche Ruf einer Person kann absoluten Schutz beanspruchen. Der Oberste Gerichtshof hat aber ebenso bereits hervorgehoben, daß auch aus einer Beeinträchtigung eines absoluten Rechtes allein noch nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit der Handlung geschlossen werden kann. Die Rechtswidrigkeit kann nur auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden; dem Interesse am gefährdeten Gut müssen stets auch die Interessen des Handelnden und e der Allgemeinheit gegenübergestellt werden (SZ 56/124; SZ 51/146, je mwN). Das gilt ganz besonders in einem Fall, in dem eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Ehre und der Wahrung des wirtschaftlichen Rufes, das zumindest nicht ausdrücklich verfassungsgesetzlich geschützt ist, und dem verfassungsgesetzlich geschützten Recht der Freiheit der Kunst vorzunehmen ist. Wie weit allerdings die Grundrechte, die den Staat verpflichten, auch im privatrechtlichen Bereich Bedeutung haben, ist umstritten. Herrschende Auffassung ist es aber, daß die Grundrechtsnormen an sich zwar im Privatrecht nicht angewendet werden können, wohl aber die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte, die in ihnen anerkannt sind, auch im Privatrecht Beachtung und Schutz verdienen; sie wirken sich mittelbar über die privatrechtlichen Begriffe, Normen und Generalklauseln auch auf die Anwendung des Privatrechtes aus (Franz Bydlinski, RZ 1965, 69). Als legitimer Sitz der zivilen Persönlichkeitsrechte, durch die die Grundrechte in die Zivilrechtsordnung einfließen, wird § 16 ABGB angesehen (F. Bydlinski aaO 70). Gerade die Freiheit der Kunst stellt nicht nur einen Anspruch gegen den Staat, sondern ein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar, das im Falle eines Interessenkonfliktes mit anderen Persönlichkeitsrechten abzuwägen ist.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die in Buch, Drehbuch und Film den handelnden fiktiven Personen gemachten Vorwürfe schwerwiegend sind, unterstellen sie doch, daß ein gutgläubiger Redakteur der "Volksstimme" veranlaßt wurde, über Waffentransporte des CIA nach Ungarn zu berichten, was eine Gefahr für das neutrale Österreich, aber auch die Gefahr eines Krieges bewirkt haben kann. Mit Recht hat das Berufungsgericht jedoch die Auffassung vertreten, daß die Persönlichkeitsrechte des Dritt- und des Viertklägers nicht berührt worden sein können. Die vom Autor vorgenommene Verfremdung durch die Wahl eines anderen Namens und einer Funktion, die es in der Redaktion der "Volksstimme" gar nicht gab, wurde eine Identifizierung mit dem Dritt- und dem Viertkläger ausgeschlossen. Bezeichnend ist es, daß sich beide betroffen fühlen, nach dem Inhalt von Buch, Drehbuch und Film aber eindeutig nur ein Redakteur, J***, deliktisch gehandelt haben soll. Ein Vergleich mit G*** drängt sich nicht auf, war dieser doch eine Persönlichkeit, deren Eigenschaften, Handlungsweisen und Karriere weitgehend bekannt waren, wogegen der Dritt- und der Viertkläger nicht annähernd eine solche Position eingenommen haben und einnehmen. Selbst im Falle G***, der damals allerdings schon tot war, wies das deutsche Bundesverfassungsgericht darauf hin, daß das Schutzbedürfnis - und entsprechend die Schutzverpflichtung - in dem Maße schwindet, als die Erinnerung verblaßt und im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes verloren geht. Trotz des seinerzeitigen Veröffentlichungsverbotes des Romanes von Klaus M*** ist dieser inzwischen wegen des Zeitablaufes auch schon längst auf dem Büchermarkt zu haben. Auf den Dritt- und den Viertkläger angewendet bedeutet dies, daß die Verfremdung nach drei Jahrzehnten nicht mehr sehr weit gehen muß, um eine Identifizierung mit dem Dritt- und dem Viertkläger ausschließen zu können.
Was die erst- und die zweitklagende Partei betrifft, so kann ein Zusammenhang mit Roman, Drehbuch und Film nur insoweit gefunden werden, als der angebliche Mittäter J*** als leitender politischer Redakteur der "Volksstimme" bezeichnet wird, die im Verlag der zweitbeklagten Partei erscheint. Da die "Volksstimme" das Zentralorgan der erstklagenden Partei ist, wird jedermann annehmen, daß der leitende politische Redakteur dieser Zeitung Mitglied der erstklagenden Partei war. Keine Partei ist in der Regel aber dafür verantwortlich zu machen, daß eines ihrer Mitglieder, sei es auch der leitende politische Redakteur ihres Zentralorganes, in verbrecherischer, ja staatsgefährdender Weise tätig wird; der Redakteur B***, der für die gefährdenden Veröffentlichungen verantwortlich war, wird aber als gutgläubig dargestellt, was bedeutet, daß wahrheitswidrige Veröffentlichungen der erst- und der zweitbeklagten Partei nur insoweit zur Last fallen können, als sie das Klima schufen, in dem der Redakteur B*** düpiert werden konnte. Der Revision kann darin beigepflichtet werden, daß die Meinung des Berufungsgerichtes, in den vorliegenden Werken werde keiner der klagenden Parteien ein unehrenhaftes Verhalten vorgeworfen, offenbar auf einer zu isolierten Betrachtung der inkriminierten Textstellen beruht. Natürlich konnte der unbefangene Leser und Zuseher annehmen, daß B*** nur deswegen so leicht getäuscht werden konnte, weil er als Kommunist allzu gern bereit war zu glauben, daß der CIA Waffen nach Ungarn schmuggeln wollte, aber auch die erst- und die zweitklagende Partei wenig Bedenken haben konnten, einen solchen Bericht ohne Rücksicht auf die möglichen schädigenden Folgen zu veröffentlichen, weil sein Inhalt der politischen Linie entsprach. Jede künstlerische Bewältigung eines historischen Themas muß auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Daß man aber auch noch im Jahre 1986 glauben konnte, es könnte sich ein Vorfall vor dreißig Jahren so ereignet haben, wie ihn Buch, Drehbuch und Film schildern, muß die erstklagende Partei, aber auch die zweitklagende Partei, die die "Volksstimme" herausgibt, gegen sich gelten lassen. Beide standen damals eindeutig auf Seiten der Gegner des ungarischen Aufstandes, so daß es ihnen zumindest zuzutrauen war, Meldungen über geheime Waffentransporte des CIA über Österreich nach Ungarn trotz der damit verbundenen Gefahren jedenfalls dann zu veröffentlichen, wenn ein vertrauenswürdiger Redakteur gutgläubig annehmen konnte, solche fänden wirklich statt. Es liegt im Wesen der künstlerischen Freiheit, die konkreten Umstände der angenommenen Ereignisse aus der im Rahmen der Plausibilität bleibenden Phantasie zu schöpfen. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht angenommen, daß die vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Freiheit der Kunst und nicht zugunsten der Wahrung des (politischen bzw. geschäftlichen) Rufes der erst- und der zweitklagenden Partei ausfallen muß. Es darf bei dieser Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben, daß seit den geschilderten Ereignissen dreißig Jahre vergangen waren und seither nicht nur viele Funktionäre der erstklagenden Partei und ebenso viele Redaktionsmitglieder der "Volksstimme" wechselten, sondern auch die erstklagende Partei und damit auch die von der zweitklagenden Partei herausgegebenen Parteizeitung ihre politische Linie entscheidend geändert haben, so daß in der Öffentlichkeit eine Identifizierung mit der erst- und zweitklagenden Partei der Gegenwart aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr stattfindet. Zurückliegende historische Ereignisse können aber mit größerer künstlerischer Freiheit behandelt werden als solche der Gegenwart. Daß auf Grund von Ereignissen, die dreißig Jahre zurückliegen, derzeit oder in Zukunft noch der Kredit, der Erwerb und das Fortkommen dieser juristischen Personen noch geschädigt werden könnten, wie es die klagenden Parteien behaupten, ist auszuschließen.
Der Revision ist demnach der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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