OGH 1Ob663/88

OGH1Ob663/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Adoptionssache der mj. Gabriela R***-M***, geboren am 20.Oktober 1985, infolge Revisionsrekurses der Annehmenden Anton S***, Gemeindebediensteter, und Christine S***, Hausfrau, beide Wien 10., Per Albin Hanssonstraße 99/1/4, beide vertreten duch Dr. Christine Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 28.Juli 1988, GZ 44 R 3273/88-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 28.Jänner 1988, GZ 8 P 188/87-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk wurde vom Erstgericht auf seinen Antrag mit Beschluß vom 5.3.1987 (ON 2) zum besonderen Sachwalter des Kindes zwecks Abschlusses eines Adoptionsvertrages namens der Minderjährigen mit den Eheleuten Anton und Christine S*** bestellt. Dieser Beschluß wurde nur dem Antragsteller zugestellt. Dem Antrag des Bezirksjugendamtes für den 10.Bezirk ist eine Niederschrift mit den Eheleuten S*** angeschlossen, die vorbrachten, die bolivianische Staatsangehörige Adela Nuriarda R***-M*** habe ihre schriftliche Zustimmung zur Adoption des Kindes durch sie erteilt; der Aufenthalt der Mutter des Kindes sei ihnen nicht bekannt; die Vaterschaft sei nicht festgestellt und das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk möge zwecks Abschlusses eines Adoptionsvertrages mit ihnen die Sachwalterschaft für das Kind übernehmen.

Am 31.7.1987 stellte das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk als Sachwalter des Kindes unter Vorlage eines mit den Eheleuten S*** abgeschlossenen Adoptionsvertrages den Antrag auf Bewilligung dieser Annahme an Kindes Statt.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Adoption. Zwischen den Wahleltern und dem Wahlkind bestehe ein dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und deren Kindern entsprechendes Verhältnis; das Wahlkind sei schon in die Familie der Wahleltern integriert. Die Wahleltern seien in jeder Hinsicht zur Erziehung des Kindes geeignet. Die zwischen dem Wahlkind und der am 29.4.1979 geborenen leiblichen Tochter der Wahleltern Tanja anfänglich zu beobachtende Rivalität sei bereits ausgestanden. Das Zustimmungsrecht der leiblichen Mutter entfalle, weil sie das Kind am 21.1.1986 den Wahleltern zur Adoption überlassen habe und nunmehr unbekannten Aufenhaltes sei. Gemäß § 26 Abs.1 IPRG sei zwar auf die nach dem Personalstatut des Wahlkindes (bolivianisches Recht) erforderlichen Zustimmungen Bedacht zu nehmen, doch seien nach Art.233 des bolivianischen Familiengesetzbuches die Bestimmungen über die Sonderannahme u.a. dann anzuwenden, wenn das Wahlkind das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet habe und von seiner leiblichen Mutter - der leibliche Vater sei unbekannt - verlassen worden sei. In solchen Fällen sei zwar die Zustimmung des Vormundes einzuholen; fehle diese jedoch, so habe das Gericht gemäß Art.234 des bolivianischen Familiengesetzbuches im besten Interesse des Kindes zu entscheiden. Den Interessen des Kindes werde aber gerade die bewilligte Adoption am ehesten gerecht.

Das Rekursgericht wies den Adoptionsbewilligungsantrag ab. Die Voraussetzungen seien gemäß § 26 IPRG nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen. Die Wahleltern seien beide österreichische Staatsbürger, so daß für die Voraussetzungen der Adoption österreichisches Recht anzuwenden sei. § 258 AußStrG ordne jedoch für die Wirksamkeit der erforderlichen Zustimmungserklärungen Formerfordernisse an. Deren Zweck sei es, unüberlegte oder mit Willensmängeln behaftete Zustimmungserklärungen zu vermeiden bzw. Fälschungen zu verhindern. Nach der Rechtsprechung könne unter Verletzung der Formgebote des § 258 AußStrG erteilten Zustimmungserklärungen keine Bedeutung beigemessen werden. Voraussetzung der Wirksamkeit der Zustimmungserklärungen sei nach dieser Bestimmung die Einhaltung der dort vorgesehenen Form und Fristen. Seien diese nicht beachtet worden, sei die Zustimmungserklärung unwirksam, so daß die begehrte Annahme an Kindes Statt nicht bewilligt werden dürfe. Die Bestätigung der Mutter des Adoptivkindes, mit welcher sie der Adoption durch die Annehmenden zustimmte, sei gleich dem Beglaubigungsvermerk mit 21.1.1986 datiert. Die Beglaubigung der Unterschrift dürfe jedoch nicht mehr als drei Monate, befinde sich jedoch das Kind bereits zumindest sechs Monate in Pflege der Annehmenden, nicht mehr als ein Jahr vor Stellung des Adoptionsbewilligungsantrages zurückliegen. Das Kind sei nach der Aktenlage am 21.11.1985 in Obhut und Pflege der Annehmenden gelangt, so daß selbst die einjährige Frist nicht gewahrt sei. Daß die leibliche Mutter des Kindes derzeit unbekannten Aufenthaltes sei, könne nach der Aktenlage gleichfalls nicht angenommen werden. Es liege nur eine Auskunft des Zentralmeldeamtes vom 17. und 21.9.1987 vor, nach der die leibliche Mutter in Wien nicht gemeldet aufscheine. Das Erstgericht habe keinerlei Versuch unternommen, den Aufenthalt der leiblichen Mutter in Bolivien ausfindig zu machen, so daß deren unbekannter Aufenthalt nicht mit der gebotenen Sicherheit unterstellt werden dürfe. Gemäß § 26 IPRG sei insoweit auch das Personalstatut des Kindes maßgeblich, wenn danach die Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, erforderlich sei. Wenngleich für die gesetzliche Vertretung des Kindes für den Inlandsbereich durch Bestellung des Bezirksjugendamtes für den

10. Bezirk zum besonderen Sachwalter zwecks Abschlusses eines Adoptionsvertrages gesorgt worden sei, wäre dieser Beschluß doch auch dem für die leibliche Mutter bestellten Kurator zuzustellen gewesen. Diese Unterlassung könne jedoch im vorliegenden Fall auf sich beruhen, weil der Adoptionsbewilligungsantrag schon nach § 258 Abs.3 AußStrG abzuweisen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von den Annehmenden Anton und Christine S*** gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz erhobene Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Aktenlage kann entnommen werden, daß das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk über Ersuchen der Rechtsmittelwerber beim Erstgericht den Antrag stellte, es zum Sachwalter für das Kind zum Abschluß eines Adoptionsvertrages zu bestellen. Zur Begründung dieses Antrages brachte es lediglich vor, die Eheleute S*** trügen sich mit der Absicht, das ihrer Obhut und Pflege überlassene Kind an Kindes Statt anzunehmen; dessen leibliche Mutter Adela R*** sei vermutlich unbekannten Aufenthaltes in Bolivien. Das Erstgericht gab dem Antrag statt, ohne das Antragsvorbringen zu prüfen und seinen Beschluß zu begründen. Vor allem aber wurde der Beschluß allein dem bestellten Sachwalter zugestellt, der danach namens der Minderjährigen mit den Eheleuten S*** am 27.7.1987 einen Adoptionsvertrag abschloß und am 31.7.1987 beim Erstgericht den Antrag auf Bewilligung dieser Annahme an Kindes Statt stellte. Zu diesem Antrag war das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk ebensowenig legitimiert wie es namens des Kindes zum Abschluß eines Adoptionsvertrages berechtigt war, weil der Beschluß, mit dem es zum Kurator des Kindes bestellt wurde, mangels Zustellung an den gesetzlichen Vertreter der Minderjährigen, dessen Rechtssphäre durch die Kuratorbestellung beeinträchtigt würde und der somit jedenfalls zum Rekurs gegen den Bestellungsbeschluß legitimiert wäre, keine Rechtswirksamkeit erlangt hat. Da das Erstgericht seinem Beschluß keine Begründung angeschlossen hat, kann nicht beurteilt werden, auf welche Rechtsgrundlage es die verfügte Kuratorbestellung stützen wollte. Das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk hat in seinem Antrag auf den (vermutlichen) unbekannten Aufenthalt der leiblichen Mutter in Bolivien hingewiesen, so daß es denkbar wäre, daß das Erstgericht bei der Beschlußfassung die Bestimmungen der §§ 145 Abs.1 und 145b Abs.2 ABGB vor Augen hatte.

Geht man von dem - nicht weiter geprüften - Vorbringen im Antrag aus, für dessen Richtigkeit allerdings die vorgelegte Geburtsurkunde der Personenstandsbehörde von Cochabamba (Bolivien) gewisse Anhaltspunkte liefert, so ist die Minderjährige uneheliches Kind und gleich ihrer leiblichen Mutter - die Vaterschaft ist angeblich nicht festgestellt - bolivianische Staatsangehörige. Da die Wirkungen der Unehelichkeit eines Kindes gemäß § 25 Abs.2 IPRG nach dessen Personalstatut zu beurteilen sind, richtet sich dann auch die gesetzliche Vertretung des Kindes nach bolivianischem Recht (vgl Schwimann in Rummel, ABGB, § 25 IPRG Rz 6). Wer nach diesem Recht gesetzlicher Vertreter der Minderjährigen ist, kann anhand der dem Obersten Gerichtshof zu Gebote stehenden Unterlagen (Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Bolivien, 26) nicht verläßlich beurteilt werden, weil die Bestimmungen der Art.251 ff des bolivianischen Familiengesetzbuches, die die Ausübung der elterlichen Gewalt regeln, dort nur auszugsweise wiedergegeben sind, so daß nicht festgestellt werden kann, wer gesetzlicher Vertreter eines unehelichen Kindes ist, dessen Vater nicht festgestellt ist (vgl. auch das Vorbringen des Geschäftsträgers der Botschaft der Republik Bolivien, ON 16 und 24). Diese Fragen müssen jedoch im vorliegenden Fall nicht abschließend erörtert werden. Das Erstgericht hätte unter Bedachtnahme auf § 4 IPRG feststellen müssen, wer gesetzlicher Vertreter der Minderjährigen ist und diesem den Kuratorbestellungsbeschluß zustellen müssen. Da der Beschluß nicht auch dem gesetzlichen Vertreter des Kindes zugestellt wurde, ist die Kuratorbestellung nicht wirksam geworden, weshalb der bestellte Kurator auch nicht anstelle des gesetzlichen Vertreters rechtswirksam tätig werden kann (NZ 1968, 190; JBl 1962, 381; SZ 27/302; vgl auch Knell, Kuratoren, 69).

Da das Erstgericht im vorliegenden Fall die Zustellung des Bestellungsbeschlusses an den gesetzlichen Vertreter des Kindes unterlassen hat, erlangte der Beschluß auch keine Rechtswirksamkeit; das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk ist daher nicht zum Kurator für das Kind bestellt und war daher namens der Minderjährigen weder zum Abschluß eines Adoptionsvertrages noch zur Stellung des Antrages auf Bewilligung der Annahme an Kindes Statt legitimiert. Aus diesen Erwägungen erweist sich die rekursgerichtliche Entscheidung im Ergebnis als richtig, so daß dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben muß.

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