Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wollte bei der Beklagten für sich und seine Ehegattin Janina P*** eine Lebens-, Unfall- und Krankenversicherung abschließen. Er unterfertigte daher am 1. August 1986 einen diesbezüglichen Antrag an die Beklagte, wobei eine Bindungsfrist von 3 Monaten festgesetzt wurde.
Nach Art. 16 II 1 der dem in Aussicht genommenen Vertrag unter anderem zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1982) beginnt der Versicherungsschutz mit der Zahlung der Prämie, jedoch nicht vor dem in der Polizze festgesetzten Zeitpunkt. Wird die Polizze nach diesem Zeitpunkt ausgehändigt, die Prämie sodann aber unverzüglich bezahlt, so beginnt der Versicherungsschutz zu dem festgesetzten Zeitpunkt. Als Beginn der Versicherung war im vorliegenden Fall der 1. August 1986 vorgesehen.
Da Janina P*** am 1. August 1986 nicht anwesend war, unterfertigte sie den Antrag auf Abschluß der Versicherung erst am 8. August 1986. Hierauf leitete der Vertreter der Beklagten diesen Antrag an die Beklagte weiter, die ihn am 11. September 1986 annahm. Die Polizze wurde dem Kläger zugestellt, worauf er unverzüglich am 15. September 1986 die Erstprämie bezahlte.
Am 7. August 1986 hatte der Kläger durch einen Sturz vom Pferd einen Unfall erlitten, für den er mit der vorliegenden Klage Deckung aus dem Versicherungsverhältnis verlangt.
Die Beklagte wendet unter Hinweis auf § 2 Abs 2 VersVG Leistungsfreiheit ein.
Das Erstgericht hat der Deckungsklage mit der Begründung stattgegeben. Die Beklagte wäre nach Ansicht des Erstrichters zwar im Hinblick auf § 2 Abs 2 VersVG leistungsfrei, doch habe sie durch Annahme der Prämie schlüssig auf die Geltendmachung der Leistungsfreiheit verzichtet.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt. Es erklärte die Revision für zulässig. Der Rechtsansicht des Erstgerichtes bezüglich des Eintrittes der Leistungsfreiheit nach § 2 Abs 2 VersVG trat es bei, verneinte jedoch die Annahme eines schlüssigen Verzichtes auf Geltendmachung der Leistungsfreiheit.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist, entgegen den Ausführungen der Revisionsbeantwortung, zulässig, weil zu der noch darzulegenden Frage des § 2 Abs 2 VersVG eine österreichische Judikatur nicht vorliegt.
Die Revision ist allerdings nicht gerechtfertigt.
Von keiner der Parteien wird in Frage gestellt, daß es sich im vorliegenden Fall um eine Rückwärtsversicherung handelt, weshalb diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann.
Daß der maßgebliche Zeitpunkt für die endgültige Bindung des Versicherers an den Vertrag die Annahme eines Antrages auf Abschluß einer Versicherung und nicht die Antragstellung als solche ist, ergibt sich schon aus dem klaren Wortlaut des § 2 VersVG. Diesbezüglich sind weder eine abweichende Judikatur noch eine solche Lehrmeinung bekannt (vgl. Bruck-Möller VVG I8, 152, EvBl 1979/4 ua). Selbst die von der in der österreichischen Judikatur vertretenen Rechtsansicht, bei § 2 Abs 2 VersVG handle es sich um eine zwingende Bestimmung, abweichende Rechtsmeinung
(Prölss-Martin VVG24, 48) führt aus, daß ein Abbedingen der Leistungsfreiheit nach § 2 Abs 2 VersVG dann nicht angenommen werden kann, wenn der Versicherungsnehmer bereits bei Absendung des Antrages auf Abschluß einer Versicherung den Eintritt des Versicherungsfalles kannte, weil nicht anzunehmen ist, daß der in Unkenntnis befindliche Versicherer von vorneherein das Risiko eines bereits eingetretenen Versicherungsfalles übernehmen wollte. In diesem Zusammenhang übersieht allerdings die Argumentation der Revisionsbeantwortung, der Antrag sei nach Übersendung durch den Vertreter der Beklagten dieser erst später zugekommen, daß nach § 43 Z 1 VersVG auch der nicht abschlußberechtigte Versicherungsagent bevollmächtigt ist, Anträge auf Abschluß von Versicherungsanträgen entgegenzunehmen. Daraus muß aber geschlossen werden, daß die Übergabeneines solchen Antrages an den Versicherungsagenten als Absendung des Antrages anzusehen ist. Im vorliegenden Fall ergibt sich allerdings, daß ein Antrag auf Abschluß einer gemeinsamen Versicherung für den Kläger und seines Ehegatten gestellt worden ist und daß diese beiden Personen als Versicherungsnehmer aufscheinen sollten. Handelt es sich aber um einen einheitlichen Versicherungsantrag auf Abschluß einer einzigen Versicherung mit zwei Versicherungsnehmern als Vertragspartner, so kann von einer Antragstellung vor jenem Zeitpunkt, in dem beide in Aussicht genommenen Versicherungsnehmer ihren Willen zum Abschluß der Versicherung klar zum Ausdruck gebracht haben, nicht ausgegegangen werden.
Der Antrag an die Beklagte wurde also frühestens am 8. August 1986 gestellt. Der Versicherungsfall ist vor diesem Zeitpunkt eingetreten. Schon dieser Umstand führt bereits nach den vorangehenden Darlegungen zur Verneinung des Deckungsanspruches des Revisionswerbers, weshalb auf die weitere Rechtsfrage, ob für spätere Versicherungsfälle § 2 Abs 2 VersVG als abbedungen angesehen werden kann, nicht einzugehen ist.
Zutreffend ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß in der bloßen Annahme der Erstprämie durch den Versicherer nicht ein nachträglicher Verzicht auf die Geltendmachung der nach § 2 Abs 2 VersVG eingetretenen Leistungsfreiheit zu erblicken ist. Es käme hier überhaupt nur ein Verzicht nach § 863 ABGB in Frage. Nach dieser Bestimmung sind konkludente Handlungen nur solche, die bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, an einem bestimmten Vertragswillen zu zweifeln, übrig lassen. Da der vorherige Eintritt eines Versicherungsfalles die gesamte Versicherung als solche zumindest für die Zukunft nicht berührt, blieb grundsätzlich die Verpflichtung zur Prämienzahlung aufrecht. Wenn daher der Versicherer die an ihn gezahlte Prämie entgegengenommen hat, so hat er damit höchstens zu erkennen gegeben, daß er grundsätzlich den Versicherungsvertrag als wirksam ansieht, nicht aber, daß er auf bereits eingetretene Leistungsfreiheiten verzichten wolle. An die Annahme eines Verzichtes sind strenge Anforderungen zu stellen. In der Entgegennahme des Geschuldeten kann noch nicht ein Verzicht auf eine bereits eingetretene Leistungsfreiheit erblickt werden (SZ 57/123, EvBl 1979/4). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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