Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 9. Mai 1980 die Ehe geschlossen. Es war beiderseits die erste Ehe, die kinderlos blieb. Beide Teile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Wien 10., Herzgasse 13.
Die Beklagte unterhält seit Feber 1987 ehebrecherische Beziehungen zu Dr. Karl K***, seit Mai 1987 lebt sie mit ihm in Lebensgemeinschaft. Der Kläger begehrt aus diesem Grund die Scheidung der Ehe.
Die Beklagte stellte einen Mitschuldantrag. Sie wirft dem Kläger vor, durch seine Spielleidenschaft und durch seine Weigerung, Nachkommen zu zeugen, die Entfremdung zwischen den Ehegatten herbeigeführt und die Ehe zerrüttet zu haben.
Das Erstgericht schied die Ehe aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden.
Das Berufungsgericht bestätigte das nur vom Kläger im Ausspruch über das Verschulden angefochtene Ersturteil.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen lernten die Streitteile einander im Jahre 1976 kennen. Bereits damals spielte der Kläger im Casino. Er gestand der Beklagten, S 10.000,-- verloren zu haben. Daraufhin brach die Beklagte die Beziehungen zum Kläger für ca. 2 Monate ab, nahm sie jedoch wieder auf, nachdem der Kläger versprochen hatte, nicht mehr zu spielen.
Die Ehe der Streitteile verlief zunächst harmonisch. Zu Beginn der Ehe verzichteten die Streitteile einvernehmlich auf Kinder, vor allem mit Rücksicht auf die Berufstätigkeit der Beklagten. In der Folge weigerte sich jedoch der Kläger, Kinder zu zeugen. Er unterbrach den Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Beklagten, insbesondere in der kritischen Zeit. Die Beklagte hatte den Wunsch, Kinder zu bekommen. Die Weigerung des Klägers, Kinder zu zeugen, führte immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen. Der Kläger setzte auch nach der Eheschließung seine Casinobesuche fort. Zunächst besuchte er das Casino nur fallweise, ab dem Jahre 1984 jedoch regelmäßig. Er verheimlichte diese Besuche vor der Beklagten. Im Juni 1985 hatte der Kläger Spielschulden in Höhe von ca. S 400.000,-- und sein Gehaltskonto um S 60.000,-- überzogen. Er gestand damals der Beklagten seine durch die Casinobesuche verursachte finanzielle Lage und ersuchte sie, davon weder seinen noch ihren Eltern Mitteilung zu machen. Als die Beklagte von den Spielschulden erfuhr, war sie schockiert. Die Beklagte erfuhr damals erst, wieviel der Kläger tatsächlich verdient. Bis zu diesem Zeitpunkt nahm sie ein geringeres Einkommen des Klägers an. Der Kläger verdient als Elektriker bei der Verbundgesellschaft S 19.000,-- bis S 20.000,-- monatlich netto, 14mal jährlich. Durch Nebenbeschäftigungen verdient er S 50.000,-- bis S 60.000,-- pro Jahr. Von seinem Arbeitgeber hat er ein Stromdeputat von S 10.000,-- bis S 12.000,-- pro Jahr. Die Beklagte brachte die Weigerung des Klägers, Kinder zu zeugen, mit seiner Spielleidenschaft und seiner dadurch bedingten prekären finanziellen Situation in Zusammenhang. Der Kläger gestand auch zu, daß seine Schulden der Grund für seine Weigerung waren, Nachkommen zu zeugen. Als die Beklagte von den Spielschulden des Klägers erfuhr, kam es zu einem Bruch in den Beziehungen der Streitteile, der sich nicht mehr beseitigen ließ. Die Streitteile überlegten jedoch eine gemeinsame Bewältigung der finanziellen Belastung. Der Kläger schlug Sparmaßnahmen vor, die von der Beklagten akzeptiert wurden. Die Kreditrückzahlungen, die Wohnungskosten und die Kosten für einen Wohnungsverbesserungskredit brachte der Kläger auf, alle anderen mit dem ehelichen Haushalt verbundenen Lasten trug die Beklagte, die hiebei von ihren Eltern unterstützt wurde.
Der Kläger verhielt sich zum Bekannten- und Freundeskreis der Beklagten ablehnend. Er bezeichnete diese unter anderem als Angeber. Die Beklagte war daher gezwungen, manchmal allein mit ihren Bekannten auszugehen. Der Kläger verhielt sich jedoch auch gegenüber seinen Bekannten ablehnend. Dies führte zu Spannungen in der Ehe. Der letzte Geschlechtsverkehr zwischen den Streitteilen fand im Feber 1987 statt.
Nach der Auffassung der Vorinstanzen hätten beide Ehegatten durch die festgestellten Eheverfehlungen schuldhaft die Ehe zerrüttet. Eine Verzeihung auf Seiten der Beklagten liege nicht vor. Es sei kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß die Gestattung des Geschlechtsverkehrs Ausdruck einer Verzeihungsabsicht gewesen sei. Das Verhalten der Beklagten nach Hervorkommen der Spielschulden des Klägers gehe nicht über ein Ertragen dieser Umstände aufgrund noch gegebener ehelicher Gesinnung hinaus und bedeute keineswegs, daß sie die Ehe nicht als zerrüttet empfunden habe. Bei der Verschuldensabwägung sei zu berücksichtigen, daß der Kläger durch seine Spielleidenschaft und seine Weigerung, Nachkommen zu zeugen, die Zerrüttung der Ehe eingeleitet habe und daß die Ehe im Zeitpunkt der Aufnahme der ehebrecherischen Beziehungen durch die Beklagte bereits zerrüttet gewesen sei, sodaß der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens der Beklagten nicht gerechtfertigt sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor
Der Frage der Verzeihung durch fortgesetzten regelmäßigen Geschlechtsverkehr, der die Revision breiten Raum widmet, kommt hier deshalb keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil im Rahmen der Verschuldensabwägung nach § 60 Abs. 3 EheG selbst verziehene Eheverfehlungen zu berücksichtigen sind, wenn es unter Bedachtnahme auf alle Umstände, insbesondere auf die verziehenen Eheverfehlungen gerechtfertigt ist, die Schuld nicht nur einem Ehegatten aufzuerlegen (EFSlg. 51.657, 46.240, 43.693 ua). Letzteres trifft hier zu, weil gerade durch die Eheverfehlungen des Klägers die Zerrüttung der Ehe eingeleitet wurde. Die Meinung des Revisionswerbers, daß derjenige Ehegatte, dessen uneheliches Kind im ehelichen Haushalt lebt, keinen Anspruch auf Kinderzeugung hat, ist weder durch das Gesetz noch durch die Lehre und Rechtsprechung gedeckt. Der Revisionswerber kann für seinen Standpunkt auch keine Belegstellen anführen. Selbst wenn man aber der Meinung des Klägers folgte, würde sich am Ergebnis nichts ändern, weil selbst die Verweigerung weiterer Kinder jedenfalls eine schwere Eheverfehlung nach § 49 EheG darstellt (vgl. SZ 39/124). Insoweit die Revision der Beklagten einen Mangel an Empfängnisbereitschaft vorwirft, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Keinesfalls kann der Beklagten angelastet werden, daß sie nicht versuchte, den Kläger beim koitus interruptus "hineinzulegen".
Richtig ist zwar, daß bei der Verschuldensabwägung entscheidende Bedeutung dem Umstand zukommt, wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe geleistet hat. Desgleichen ist aber auch zu berücksichtigen, wer mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe begonnen hat (EFSlg. 51.645, 48.822, 43.682 uva). Ein überwiegendes Verschulden ist überdies nur dann auszusprechen, wenn die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer ist und das Verschulden des anderen demgegenüber in den Hintergrund tritt (EFSlg. 51.658 mwN). Im vorliegenden Fall hat der Kläger durch seine Spielleidenschaft und durch seine Weigerung, Nachkommen zu zeugen, die Zerrüttung der Ehe eingeleitet und es ist auch offensichtlich, daß die Eheverfehlungen der Beklagten durch das vorangegangene Verhalten des Klägers entscheidend mitbestimmt wurden. Dem Kläger fällt daher nicht nur die Einleitung der Zerrüttung, sondern auch der entscheidende Beitrag hiezu zur Last. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Ehebruch eine besonders schwere Eheverfehlung darstellt, kann daher nicht gesagt werden, daß das Verschulden des Klägers derart in den Hintergrund tritt, daß der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Beklagten gerechtfertigt wäre. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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