Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 25.Februar 1939 geborene Klägerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, kam mit ihrem Ehegatten im August 1939 nach Österreich, wo sie bis Ende 1983 132 ASVG-Beitragsmonate erwarb. Abgesehen von jeweils ein bis zwei Wintermonate dauernden Unterbrechungen der Arbeitsfähigkeit (vor dem hier zu beurteilenden Unfall zuletzt im Jänner und Februar 1974) hielt sie sich mit ihrem Ehegatten während dieser Jahre ständig in Österreich auf. Die Ehegatten bewohnten eine Dienstwohnung des Ehemannes in Altlengbach, wo die Klägerin alle für die tägliche Lebensführung wesentlichen Verrichtungen vornahm. Das Ehepaar verbrachte die Urlaube regelmäßig in Rasanac bei den Eltern des Ehemannes, bei denen auch der (am 10. April 1958 geborene) Sohn lebte. Die Ehegatten fuhren etwa drei- bis fünfmal jährlich nach Jugoslawien, und zwar neben dem Sommerurlaub zu Weihnachten und zu Ostern und gelegentlich während eines verlängerten Wochenendes. Für die PKW-Fahrt in das von Wien etwa 1.000 km entfernte Rasanac sind zwischen 12 und 14 Stunden erforderlich. Am 22.Mai 1977 erlitt die Klägerin, die sich mit ihrem Ehegatten auf der Rückfahrt von einem Kurzbesuch in Rasanac befand, (als Insassin eines PKW) bei einem Verkehrsunfall (in der Nähe von Zagreb) einen Bruch an der linken Kniescheibe.
Mit nach dem 26.März 1987 zugestelltem Bescheid vom 4.März 1987 lehnte die beklagte Partei einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung aus Anlaß dieses Unfalles mit der Begründung ab, daß es sich um keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG handle.
Dagegen erhob die Klägerin am 14.April 1985 - also
rechtzeitig - Klage, in der sie den Zuspruch einer Entschädigung aus
Anlaß des Unfalles vom 22.Mai 1977 begehrte.
Das Erstgericht wies das als Begehren auf eine Versehrtenrente aus Anlaß des erwähnten Unfalles aufgefaßte Klagebegehren ab. Es beurteilte den oben wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß die Klägerin den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen und damit ihren ständigen Aufenthaltsort zur Unfallzeit nicht in Jugoslawien sondern in Österreich gehabt habe, weshalb sich der Unfall nicht auf dem Weg vom ständigen Aufenthaltsort ereignet habe.
Das Berufungsgericht gab der auf Abänderung durch Zuerkennung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß "ab dem Stichtag", allenfalls auf Aufhebung gerichteten Berufung der Klägerin nicht Folge und begründete eingehend, warum die Rechtsansicht des Erstgerichtes richtig sei.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im Sinne des Berufungsantrages abzuändern, allenfalls die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben. Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs 1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Arbeitsunfälle sind nach Abs 2 Z 1 leg cit auch Unfälle, die sich auf einem mit der Versicherung zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeitsstätte ereignen; hat der Versicherte wegen der Entfernung seines ständigen Aufenthaltsortes von der Arbeits(Ausbildungs)stätte auf dieser oder in ihrer Nähe eine Unterkunft, so wird die Versicherung des Weges von oder nach dem ständigen Aufenthaltsort nicht ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall hat sich der Unfall auf dem Weg vom Heimatort in Jugoslawien zum in Österreich gelegenen Unterkunfts- oder Arbeitsort ereignet. Dieser Weg wäre daher nur unter den im zweiten Halbsatz der Z 1 des § 175 Abs 2 ASVG genannten Voraussetzungen nicht von der Versicherung ausgeschlossen. Der Heimatort hätte daher damals der ständige Aufenthaltsort der Klägerin sein müssen. Dies war jedoch nicht der Fall. Der Begriff des "ständigen Aufenthaltes" geht jedenfalls über den z.B. im § 67 JN gebrauchten Begriff des "jeweiligen Aufenthaltes", aber auch über den z.B. im § 66 Abs 2 JN definierten und im § 4 Abs 1 und § 7 ASGG verwendeten Begriff des "gewöhnlichen Aufenthaltes" hinaus und unterscheidet sich von dem im § 66 Abs 1 JN definierten und z.B. in den zitierten Paragraphen des ASGG gebrauchten Begriff des "Wohnsitzes", der "an dem Ort begründet ist, an welchem sich eine Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen", nur durch die fehlende Absicht, den faktischen dauernden Aufenthalt aufrechtzuerhalten (vgl Fasching, Komm I 373 und ZPR Rz 273; Kuderna, ASGG § 4 Erl 5). Der Aufenthalt einer Person bestimmt sich nämlich ausschließlich nach tatsächlichen Umständen. Bei der Beurteilung, ob er (zumindest) als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind seine Dauer und seine Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (§ 66 Abs 2 JN). Er wird also durch die körperliche Anwesenheit, nicht durch ein Willenselement bestimmt und setzt dauerhafte, nicht nur vorübergehende Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthaltsort voraus, die sich in einer bestimmten längeren Dauer und Beständigkeit des Aufenthaltes äußern und auf objektiv überprüfbare Umstände persönlicher oder beruflicher Art gründen, z. B. der krankheitsbedingte Aufenthalt in Dauerabteilungen von Krankenanstalten oder Altersheimen, die Anhaltung in Strafvollzugsanstalten, ein entfernt gelegener Arbeitsplatz bei langer Zeit der Beschäftigung u.a. (Fasching, ZPR Rz 274; Kuderna aaO Erl 6). Letzterer bringt als Beispiel, daß ein Arbeitnehmer etwa seinen Wohnsitz im Ort A haben kann, weil er dort mit seiner Familie wohnt, seine Kinder zur Schule gehen, seine gesellschaftlichen Kontakte bestehen, sein Kfz angemeldet ist, weil er und seine Familie dort die kommunalen Dienste und Einrichtungen in Anspruch nehmen, kurz, weil er diesen Ort in der erweislichen Absicht, dort seinen bleibenden Aufenthalt zu nehmen, zum Mittelpunkt seiner Lebensführung gemacht hat. Derselbe Arbeitnehmer kann aber gleichzeitig beruflich im Ort B tätig sein und sich dort aus diesem Grund während einer längeren Zeit überwiegend aufhalten. Er hat dann seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ort B, seinen Wohnsitz aber im Ort A. Fasching führt noch aus (Komm I 374), daß für den dauernden Aufenthalt nicht gefordert werde, daß er ein immerwährender sei. Entscheidend sei nur, daß der Aufenthaltsort bewußt zum wirtschaftlichen und faktischen Mittelpunkt gemacht werde, auch wenn von vornherein klar sei, daß dieser Aufenthalt über eine bestimmte oder unbestimmte Dauer hinaus nicht erstreckt werde. Als wesentlich müsse aber die Einrichtung des Aufenthaltes über eine Provisorialmaßnahme hinaus angesehen werden.
Anders als die vergleichbare Bestimmung des § 550 Abs 3 RVO gebraucht § 175 Abs 2 Z 1 zweiter Halbsatz ASVG nicht den Begriff der "ständigen Familienwohnung" sondern des "ständigen Aufenthaltsortes". Das österreichische Recht stellt daher nicht auf die ständige Wohnung der Familie sondern auf den ständigen Aufenthaltsort des Versicherten ab.
Die ständige Wohnung der Familie des Versicherten wird also nur dann auch dessen ständiger Aufenthaltsort sein, wenn sich auch der Versicherte dort tatsächlich ständig aufhält und diesen Ort auch tatsächlich zum Mittelpunkt seiner Lebensführung macht. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Versicherte selbst so häufig und regelmäßig an diesem Ort lebt, daß dieser als sein ständiger Aufenthalt bezeichnet werden kann. Daß dort der Ehepartner, die Eltern oder Schwiegereltern und Kinder des Versicherten leben, macht einen solchen Ort für sich allein noch nicht zu dessen ständigem Aufenthaltsort (so auch 10 Ob S 24/88, 10 Ob S 75/88 und 10 Ob S 83/88). Es kommt vielmehr nach österreichischem Recht darauf an, ob dieser Ort der Mittelpunkt der Lebensführung des Versicherten ist.
Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil die Klägerin, während sie in Österreich beschäftigt war, ihren ständigen Aufenthalt in der Dienstwohnung ihres Ehegatten in Altlengbach hatte und sich nur während des Sommerurlaubes und während der Weihnachts- und Osterfeiertage, allenfalls noch an einem oder zwei verlängerten Wochenenden besuchsweise in Rasanac aufhielt. Der strittige Unfall ereigente sich daher nicht auf dem Weg vom ständigen Aufenthaltsort zum Unterkunftsort bzw zur Arbeitsstätte der Versicherten, weshalb er von den Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum nicht als Arbeitsunfall gewertet wurde.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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