OGH 10ObS101/88

OGH10ObS101/8831.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Raimund Kabelka (Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef E***, Pensionist, Wiesenweg 13, 5700 Zell am See, vertreten durch Dr.Alfred Ebner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei A*** U***, Adalbert-StifterStraße 65, 1200 Wien,

(Landesstelle Salzburg), vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Februar 1988, GZ 13 Rs 1139/87-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.Juli 1987, GZ 36 Cgs 1015/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 20.Jänner 1981 einen Arbeitsunfall mit Schienbeinkopfbruch links, der Bewegungseinschränkungen der Zehen, des Sprung- und Kniegelenkes, geringe Verdickung des Kniegelenkes, Muskelschwäche des Oberschenkels, verminderte Gangleistung und subjektive Beschwerden zur Folge hatte. Zur Abgeltung dieser Unfallfolgen gewährte die beklagte Partei mit Bescheid vom 5. Oktober 1982 seit 1.November 1982 eine Dauerrente von 40 % der Vollrente.

Am 11.April 1986 erlitt der Kläger neuerlich einen (privaten) Unfall. Mit der Behauptung, dieser Unfall sei auf die durch den Arbeitsunfall bedingten Bewegungseinschränkungen zurückzuführen, begehrt der Kläger die Erhöhung der Dauerrente auf 60 % der Vollrente ab 5.August 1986. Die beklagte Partei bestritt eine Verschlechterung der Unfallfolgen und die Kausalität. Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, dem Kläger ab 5.August 1986 anstelle der 40 %igen Versehrtenrente eine 60 %ige Versehrtenrente als Dauerrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab.

Es stellte fest, daß der Kläger am 11.April 1986 beim Gehen (auf nassem Gras) mit dem rechten Bein ausrutschte. Er stürzte und fiel auf das linke Knie. Dabei zog er sich einen Kniescheibenbruch links zu. Auch wenn man annehme, daß die vorhandene Bewegungseinschränkung im linken Sprung- und Kniegelenk zu einer Behinderung des Bewegungsablaufes geführt habe, könne nicht ausgeschlossen werden, daß es bei einem gesunden Bein nicht trotzdem zu einem Sturz auf das linke Knie gekommen wäre. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 20.Jänner 1981 und dem Unfallvorgang vom 11. April 1986 in dem Sinne, daß die damals noch bestehenden Folgen des Arbeitsunfalles den Sturz und die daraus resultierenden Verletzungen bedingten, ist nicht abzuleiten. Die nun feststellbare Verminderung der Beweglichkeit des Kniegelenkes ist eher auf den Kniescheibenbruch beim zweiten Unfall zurückzuführen. Im übrigen ist der Zustand des linken Beines des Klägers weitgehend mit den 1982 erhobenen Werten der Folgen des Arbeitsunfalles ident. Lediglich die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes hat sich etwas verschlechtert. Eine stärkere Verschlimmerung der Unfallfolgen gegenüber dem Zustand am 10.September 1982 liegt nicht vor. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt weiterhin 40 %. Rechtlich führte das Erstgericht aus, wenn eine durch einen Arbeitsunfall verursachte körperliche Beeinträchtigung wesentlich an einem späteren Unfall, der kein Arbeitsunfall sei, mitgewirt habe, stehe auch der spätere Unfall unter Versicherungsschutz. Dafür treffe den Kläger die Beweislast. Ihm sei aber der Beweis einer Wahrscheinlichkeit der Kausalität des Arbeitsunfalles für den Unfall vom 11.April 1986 nicht gelungen, weil der Sturz und als dessen Folge der Kniescheibenbruch auch bei einem gesunden linken Bein möglich gewesen wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und übernahm dessen Feststellungen. Bei der Prüfung des Kausalzusammenhanges genüge es nicht, daß der Arbeitsunfall ein Umstand gewesen sei, ohne den die weitere Entwicklung nicht eingetreten wäre. Der zweite Unfall stehe nur unter Versicherungsschutz, wenn eine durch einen Arbeitsunfall verursachte körperliche Beeinträchtigung wesentlich mitgewirkt habe. Das Erstgericht habe aber schon den Anschein jeder Kausalität verneint. Selbst wenn man eine Kausalität wegen einer gewissen Behinderung durch Bewegungseinschränkung in Betracht zöge, habe die körperliche Beeinträchtigung nicht wesentlich an dem späteren Unfall mitgewirkt. Der vorliegende Unfall habe seine Ursache nicht in der Bewegungseinschränkung sondern im Ausrutschen beim Gehen gehabt, auch bei einem gesunden linken Bein wäre ein Sturz auf das linke Knie möglich gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet. Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht in der Revision nur Verfahrensmängel geltend, die er schon in der Berufung gerügt hat, deren Vorliegen aber das Berufungsgericht nicht als gegeben erachtete. Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen schon vom Berufungsgericht verneint wurde, können aber auch in Sozialrechtssachen nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden (JBl 1988, 196 uva). Die Frage aber, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, fällt in das Gebiet der Beweiswürdigung und ist daher nicht revisibel.

Richtig ist, daß in der Unfallversicherung zur Kausalität (dem ursächlichen Zusammenhang im Sinne des § 175 ASVG) die Theorie der wesentlichen Bedingung entwickelt wurde. Eine Ursache muß für die Verletzung wesentlich sein. Dies ist sie dann, wenn sie nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in einem geringeren Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung (10 Ob S 3/88; vgl. auch Tomandl System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes 3. ErgLfg. S 302 f und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung).

Es trifft auch zu, daß der Kläger den Kausalzusammenhang nur wahrscheinlich machen muß wobei aber bloße Möglichkeit nicht genügt (Tomandl aaO 315), weil eine absolut sichere Aussage zur Kausalität oft nicht möglich ist. Der Revisionswerber übersieht aber, daß ihm dies nicht gelungen ist, die Vorinstanzen vielmehr auf Grund der Beweisergebnisse nicht feststellen konnten, daß die bestehenden Bewegungseinschränkungen durch den Arbeitsunfall überhaupt Ursache oder zumindest Mitursache des Sturzes waren, dieser also ohne die Mitwirkung der Bewegungseinschränkung überhaupt nicht oder nur in einem geringeren Umfang eingetreten wäre. Damit aber wurde ein Kausalzusammenhang verneint. Soweit die Revisionsausführungen daher davon ausgehen, die Bewegungseinschränkung sei Mitursache des zweiten Unfalles und auch wesentlich im Sinne des Kausalitätsbegriffes in der Unfallversicherung gewesen, weichen sie vom festgestellten Sachverhalt ab.

Mangels eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen den Folgen des Arbeitsunfalles und dem zweiten (privaten) Unfall waren aber auch Feststellungen über die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit unter Einbeziehung auch der durch den zweiten Unfall entstandenen Einschränkungen entbehrlich.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. b ASGG.

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