Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.
Text
Begründung
Die am 7.November 1963 zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe wurde aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden (Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 31.August 1984, 1 Ob 636/84). Der Ehe der Streitteile entstammen die beiden Söhne Heinrich S***, geboren am 12.April 1965, und Norbert S***, geboren am 17. September 1966.
Mit Übergabsvertrag vom 22.Februar 1971 übergab(en) die Eltern (der Vater) der Klägerin den Streitteilen je zur Hälfte den landwirtschaftlichen Betrieb Pitten 1, der verschiedene Grundstücke, Gebäude, Viehstand und Wirtschaftsgeräte umfaßte, gegen Übernahme eines Pfandrechtes sowie Einräumung der Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes und der Reallast des Ausgedinges (Beilage 2). Am selben Tag errichteten die Streitteile in Form eines Notariatsaktes einen Ehevertrag. Die wesentlichen Punkte dieses Ehevertrages lauteten (Beilage 1):
"Erstens: Die genannten Ehegatten errichten in Ansehung ihres gesamten Vermögens, welches sie schon derzeit besitzen, oder in Zukunft erwerben, ererben oder was sonst immer für andere rechtliche Art an sich bringen sollten, eine allgemeine, bereits unter Lebenden rechtswirksame Gütergemeinschaft.
Zweitens: In diese Gütergemeinschaft bringen die Ehegatten Heinrich und Christine S*** den von ihnen mit
Übergabsvertrag vom heutigen Tag übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb, Einlagezahl 1, Katastralgemeinde Pitten, Einlagezahl 32, Grundbuch Brunn bei Pitten, ein und nehmen zur Kenntnis, daß ihr Verfügungsrecht durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden durch diese Gütergemeinschaft eingeschränkt ist. Demgemäß bewilligen die Ehegatten Heinrich und Christine S***, daß auf diesen Liegenschaften gegenseitig das Recht der Gütergemeinschaft grundbücherlich einverleibt wird....
Drittens: Für den Fall ihres Ablebens treffen die genannten
Ehegatten nachstehende letztwillige Verfügungen:
a) Ist beim Ableben eines Teiles eine eheliche Nachkommenschaft des vorverstorbenen Teiles vorhanden, so soll der überlebende Eheteil zu einem Viertel und die vorhandene eheliche Nachkommenschaft untereinander zu drei Viertel Erbe des Nachlasses des vorverstorbenen Teiles sein.
b) Für den Fall des Nichtvorhandenseins einer solchen ehelichen Nachkommenschaft soll der überlebende Eheteil drei Viertel des Nachlasses des vorversterbenden Teiles vertragsmäßig als Erbe erhalten, indem diese Vereinbarung hiemit ausdrücklich als Erbvertrag erklärt und das gegenseitig gegebene Erbversprechen hiemit auch gegenseitig angenommen wird.
In Ansehung des gesetzlich der freien letztwilligen Verfügung vorbehaltenen vierten Nachlaßviertels setzen sich die genannten Ehegatten hiemit wechselseitig testamentarisch als Erben ein.
c) In allen Fällen ist der überlebende Eheteil vertragsmäßig berechtigt, den gesamten Nachlaß des vorverstorbenen Eheteiles um den mit den Erbsinteressenten zu vereinbarenden Preis und in Ermangelung einer solchen Vereinbarung um den gerichtlich zu erhebenden Schätzwert zu übernehmen.
d) Der überlebende Ehegatte verpflichtet sich jedoch, den ererbten Liegenschaftsanteil samt dem ihm gehörigen Hälfteanteil an dem gemeinsamen landwirtschaftlichen Betrieb in Pitten 1 immer nur einem Kind aus dieser Ehe zu übergeben, falls ein solches vorhanden ist, welches die Wirtschaft selbst betreiben kann."
Kleinere Liegenschaften haben die Streitteile während aufrechter Ehe noch dazugekauft. Durch Erbgang fiel weiteres Liegenschaftsvermögen vom Vater der Klägerin an diese, welches dann im Sinne des Ehevertrages mit dementsprechenden Anteilen grundbücherlich dem Beklagten zugeschrieben wurde.
Am 29.Mai 1987 schlossen die Klägerin und die Söhne der Streitteile in Form eines Notariatsaktes eine Vereinbarung (Beilage B), wonach sich die Klägerin verpflichtete, den beiden Söhnen als Abgeltung für das gesamte in die Gütergemeinschaft fallende und gemäß Punkt Drittens lit. c des Ehevertrages von ihr übernommene Vermögen des Beklagten je 200.000,-- S und für den Hälfteanteil des Beklagten an verschiedenen landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Maschinen und Geräten, sollte sie diese tatsächlich erhalten, weitere je 30.000,-- S zu zahlen. Diese Vereinbarung kam gemäß deren Punkt Fünftens unter der aufschiebenden Bedingung zustande, daß die Klägerin Eigentümerin des in die Gütergemeinschaft fallenden Vermögens des Beklagten wird.
Mit der am 19.März 1986 beim Erstgericht eingelangten und in der Folge modifizierten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten, gestützt auf die Behauptung, daß der Ehepakt wegen der Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem Verschulden des Beklagten so aufzulösen sei, als ob der Beklagte gestorben wäre, sowie auf das ihr in dem Ehepakt eingeräumte Aufgriffsrecht, a) darin einzuwilligen, daß ob den im einzelnen aufgezählten in die Gütergemeinschaft fallenden (dem Beklagten zugeschriebenen) Liegenschaftsanteilen ihr Eigentumsrecht einverleibt werde, b) die Herausgabe der im einzelnen aufgezählten, in die Gütergemeinschaft fallenden Fahrnisse und
c) die Zahlung eines Betrages von 393.500,-- S samt Anhang für nicht mehr vorhandene derartige Fahrnisse.
Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein: Der mit der Klägerin geschlossene Ehepakt sei ausdrücklich auf das Überleben eines Ehegatten und damit auf den Fall des aufrechten Bestandes der Ehe im Zeitpunkt des Vorversterbens eines Ehegatten abgestellt, die Klägerin könne daher nach dem Parteiwillen nicht bei Lebzeiten des Beklagten auf seinen Anteil an der Gütergemeinschaft greifen. Durch die Vereinbarung, daß der überlebende Ehegatte mit den Erben des Vorverstorbenen einen Übernahmspreis festzulegen habe, sei die Anwendung der Bestimmung des Satzes 2 des § 1266 ABGB und damit jede Ausübung des Übernahmsrechtes unter Lebenden ausgeschlossen worden. Es sei derzeit noch völlig ungewiß, welche Personen zum Zeitpunkt des tatsächlichen Todes des Beklagten zu Erben berufen sein würden. Sollte man aber der Auffassung sein, daß der Klägerin ein Aufgriffsrecht schon derzeit zustehe, so wäre ein Übernahmspreis mit dem Beklagten zu vereinbaren und an diesen zu zahlen. Dem Klagebegehren könnte daher nur Zug um Zug gegen Zahlung des Wertes der in der Klage angeführten Liegenschaftsanteile und Hälfteanteile an den Fahrnissen in der Höhe von 4 Mill. S stattgegeben werden. Für den Fall, daß der Klägerin ein Aufgriffsrecht ohne Ablösung des Wertes zustünde, machte der Beklagte geltend, daß er nach Abschluß des Notariatsaktes vom 22.Februar 1971 erhebliche wertsteigernde Aufwendungen für die in der Klage genannten Liegenschaften gemacht habe. Dafür seien Barmittel von 70.000,-- S und erhebliche Arbeitsleistungen erbracht worden. Es sei dadurch der Wert des Gemeinschaftsgutes um 4 Mill. S gesteigert worden. Der Beklagte macht für den Fall, daß einem Übernahmsbegehren ohne Ablösung des Gegenwertes Berechtigung zukomme, ein Rückbehaltungsrecht geltend; in eventu wird der Antrag gestellt, dem Klagebegehren nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 2 Mill. S stattzugeben. Schließlich wendete der Beklagte noch ein, daß ein Übernahmsrecht der Klägerin verfristet und verjährt sei. Die Geltendmachung eines Übernahmsrechtes hätte innerhalb der Frist des § 31 Abs 2 EheG, zumindest aber innerhalb der Frist des § 95 EheG erfolgen müssen. Hinsichtlich des zwischen der Klägerin und den ehelichen Kindern abgeschlossenen Notariatsaktes machte der Beklagte geltend, daß der dort festgelegte Übernahmspreis nicht dem tatsächlichen Wert entspreche. Überdies sei die Vereinbarung unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen worden, daß die Klägerin Eigentümerin des in die Gütergemeinschaft fallenden Vermögens werde. Eigentümerin könne die Klägerin nur durch Eintragung in das Grundbuch werden. Sie könne diese Bedingung verhindern, indem sie vor der Eintragung in das Grundbuch mit einem Urteil als Zwischenurkunde über die Liegenschaften verfüge.
Das Erstgericht gab dem Einwilligungsbegehren (Punkt a der Klage) und dem Herausgabebegehren (Punkt b der Klage) mit Teilurteil statt. Es ging von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und stellte ferner fest, daß das Schicksal des Gemeinschaftsgutes im Scheidungsfall nicht Gegenstand der Besprechung des Ehepaktes durch Notar Dr.L*** war. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:
Das Aufgriffsrecht sei gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Es sei das einem Erben oder einem Dritten zustehende Recht, den ganzen Nachlaß oder Teile davon gegen Zahlung eines Übernahmspreises zu erwerben. Die Ausgestaltung des Aufgriffsrechtes träfen im Einzelfall die Vertragsparteien (oder der Erblasser). Das Aufgriffsrecht könne zu Lebzeiten des Erblassers in einem Erbvertrag oder auch in einem sonstigen ehegüterrechtlichen Vertrag begründet werden. Es liege in einem solchen Fall eine dem Vermächtnisvertrag ähnliche Vereinbarung vor, sodaß ein einseitiger Widerruf nicht möglich sei (SZ 15/212; SZ 34/74; Welser in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 550 Anh). Daher gelte bei Scheidung der Ehe nicht § 1266 vorletzter Satz ABGB (Vorbehalt auf den Todesfall), sondern der zweite Satz des § 1266 ABGB. Das bedeute, daß der an der Scheidung schuldlose (oder der minder schuldige) Ehegatte sofort das für den Fall des Überlebens bedungene Aufgriffsrecht durch Übernahme zum Schätzwert bzw. vereinbarten Preis ausüben könne. Ein solches Aufgriffsrecht hätten die Streitteile in Punkt Drittens des Ehevertrages vereinbart. Die an der Scheidung schuldlose Klägerin habe mit der Klage dieses Aufgriffsrecht ausgeübt. Die Klägerin könne dieses Aufgriffsrecht sofort geltend machen und sei es nicht von einem Ableben des anderen (geschiedenen) Ehegatten abhängig. Die Klägerin habe im Sinne des Punktes Drittens lit. c des Ehevertrages mit den Erbsinteressenten, das seien die beiden ehelichen Söhne, eine Vereinbarung geschlossen, inhaltlich welcher sie sich verpflichtet habe, den beiden Kindern einen Betrag von je 200.000,-- S plus 30.000,-- S als Übergabspreis zu zahlen. Damit sei der zitierten Vertragsbestimmung voll entsprochen worden. Die sonstigen Einwendungen und Erwägungen des Beklagten seien ohne rechtliche Relevanz. Die Klägerin habe nicht an den Beklagten den Übergabspreis zu zahlen, sondern - wie dies vereinbart sei - an die Erbsinteressenten. Auch eine Zug-um-Zug-Übergabe der Liegenschaften gegen Zahlung des Übergabspreises, sei es an den Beklagten oder an die Erbsinteressenten, müsse nicht erfolgen, weil eine solche eben nicht vereinbart sei. Es sei auch rechtlich nicht erheblich, ob der Beklagte Investitionen auf die Liegenschaft getätigt habe. Das Berufungsgericht hob das Teilurteil des Erstgerichtes mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000,-- S übersteigt, auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen mit Ausnahme der vom Beklagten bekämpften Feststellung des Erstgerichtes, daß das Schicksal des Gemeinschaftsgutes für den Fall der Auflösung der Ehe durch Scheidung bei der Besprechung des Ehepaktes nicht erörtert worden sei, die es für die Entscheidung unbeachtlich hielt, und führte im übrigen aus:
Unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit rüge der Beklagte unter anderem die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen Dr.L***. Aus der Aussage dieses Zeugen hätte sich ergeben, daß der Punkt Drittens lit. c des Notariatsaktes nach dem übereinstimmenden Vertragswillen der Parteien unter Ausschluß jeder anderen rechtlichen Möglichkeit nur auf den Vortod eines der Ehegatten und den dann noch aufrechten Bestand der Ehe abgestellt gewesen sei. Die Unterlassung der Einvernahme dieses Zeugen habe eine erschöpfende Beurteilung der Streitsache verhindert. Dazu sei zu sagen, daß wohl die Regelung des § 1266 Satz 2 ABGB nicht zwingend sei (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1266), d.h. eine von dieser Regelung abweichende Parteienvereinbarung getroffen werden könne, es sich bei der Vereinbarung eines Aufgriffsrechtes zwischen Ehegatten allerdings um einen Ehepakt handle (Eccher, Antizipierte Erbfolge 75 mwN), sodaß eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung gemäß § 1 Abs 1 lit. a NZwG des Notariatsaktes bedürfe. Unbeachtlich seien daher die bei Abschluß der Vereinbarung vom 22.Februar 1971 geführten mündlichen Gespräche, sodaß auch der Aussage des Notars Dr.L*** keine Bedeutung zukommen könne.
Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mache der Beklagte geltend, daß die Auslegung der Voraussetzungen der Ausübung des Aufgriffsrechtes nach dem Inhalt des Aufgriffsvertrages und dem darin zum Ausdruck kommenden Vertragswillen vorzunehmen sei. Im vorliegenden Fall sei ausdrücklich vereinbart worden, daß das Aufgriffsrecht nur bei Überleben eines der Ehegatten und bei aufrechtem Bestand der Ehe zum Zeitpunkt des Todes ausgeübt werden könne. Dieser Vertragswille könne durch die Bestimmung des § 1266 Satz 2 ABGB keine Behebung im Sinne des Klagebegehrens erfahren. Den Parteien könnte auch ein Vertragswille dahingehend, daß sie sich im Falle einer eigenverschuldeten Scheidung der Ehe ihres Anteiles an der Landwirtschaft und damit auch ihrer Existenzgrundlage begeben wollten, nicht unterstellt werden. Eine Auslegung des Notariatsaktes im Sinne einer solchen existenzvernichtenden wirtschaftlichen Konsequenz würde der redlichen Verkehrsauffassung widerstreiten. Überdies sei die Regelung des § 1266 Satz 2 ABGB auf für den Überlebensfall bedungene Vermögenszuwendungen nicht abgestellt. Schon begrifflich sei darunter nicht das als Teilungsanordnung aufzufassende Aufgriffsrecht zu verstehen. Dazu komme, daß im vorliegenden Fall die Ausübung des Aufgriffsrechtes von einer mit den Erben zu treffenden Vereinbarung abhängig sei. Mangels Vortodes des Beklagten komme den ehelichen Söhnen keine Erbenqualität im Sinne des Punktes Drittens lit. c des Notariatsaktes zu. Der zwischen der Klägerin und den Kindern getroffenen Vereinbarung eines Übernahmspreises fehle es somit an jeglicher Rechtserheblichkeit. Schließlich könne im Sinne des § 1266 ABGB der schuldlose Ehegatte die Rechte aus einem Erbvertrag nur im Falle seines Überlebens geltend machen. Es würde eine Umgehung dieser gesetzlichen Anordnung bedeuten, würde man ein lediglich für den Vortod eines Ehegatten vorgesehenes Aufgriffsrecht als einen noch zu Lebzeiten beider Teile in Vollzug zu setzenden Rechtsanspruch auf Vermögenswerte ansehen. Wollten Ehegatten einem Aufgriffsrecht bereits unter Lebenden Wirksamkeit verleihen, dann bedürfte es dazu einer ausdrücklichen darauf abgestellten Vereinbarung. Schließlich wohne dem Aufgriffsrecht auch die Umstandsklausel inne. Die grundlegende Änderung der der Vereinbarung zugrunde liegende maßgeblichen Voraussetzungen im Sinne einer Entscheidung schließe die Anwendbarkeit des Aufgriffsrechtes aus.
Allen diesen Ausführungen könne nur entgegengehalten werden, daß nach Lehre und Rechtsprechung bei Scheidung der Ehe der an der Scheidung schuldlose Ehegatte sofort das für den Fall des Überlebens bedungene Aufgriffsrecht durch Übernahme zum Schätzungswert ausüben könne (Welser in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 550 Anh; Weiß in Klang2 V 978; SZ 28/244; JBl. 1961, 190). Daß die Parteien bei Abschluß der Vereinbarung vom 22.Februar 1971 diese Konsequenz nicht bedacht hätten, vermöge den Eintritt der Rechtsfolgen des § 1266 Satz 2 ABGB nicht zu verhindern. Die genannte Bestimmung gebe dem an der Scheidung Schuldlosen oder minder Schuldigen das, was in den Ehepakten auf den Überlebensfall bedungen worden sei (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1266). Sie finde eben gerade dann Anwendung, wenn eine Vereinbarung für den Überlebensfall getroffen worden sei, sie käme nicht nur zur Anwendung, wenn eine Regelung der Scheidungsfolgen vereinbart worden wäre. Der Ansicht, daß ein Aufgriffsrecht unter Lebenden ausdrücklich vereinbart werden müßte, könne daher nicht gefolgt werden.
Weiters vertrete der Beklagte in seinem Rechtsmittel die Ansicht, daß das Aufgriffsrecht in angemessener Frist geltend zu machen sei. Die Geltendmachung hätte in Analogie zu § 31 Abs 2 EheG innerhalb einer Frist von 6 Monaten, zumindest aber innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG zu erfolgen gehabt. Der Anspruch der Klägerin sei daher verjährt und verfristet.
Dem sei entgegenzuhalten, daß die Bestimmung des § 31 Abs 2 EheG eine Sonderregelung für den Fall der Nichtigkeit der Ehe enthalte. Die dortige Fristbestimmung könne daher keinesfalls im Wege der Analogie zu einer Befristung des Aufgriffsrechtes führen. Gleiches gelte auch für die vom Beklagten herangezogene Bestimmung des § 95 EheG. Auch hier handle es sich um eine Sonderregelung, sie betreffe das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse. Im übrigen würde ein Analogieschluß das Vorliegen einer Gesetzeslücke voraussetzen (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 7). Eine solche Lücke sei aber im vorliegenden Fall keinesfalls gegeben, weil ja die allgemeinen Bestimmungen über die Verjährung anwendbar seien.
Schließlich sei der Beklagte der Ansicht, daß eine Übernahme des Vermögens nur entgeltlich erfolgen könnte. Die aufgrund des Notariatsaktes erforderliche Vereinbarung über den Übernahmspreis hätte mit ihm getroffen werden müssen. Mangels einer derartigen Vereinbarung wäre das Klagebegehren abzuweisen gewesen. Sollte man aber davon ausgehen, daß die Verhandlungen über den Übernahmspreis erfolglos gewesen seien, so hätte es einer Erhebung des Schätzwertes durch einen Sachverständigen bedurft. Dem Klagebegehren hätte nur Zug um Zug gegen Zahlung des Schätzwertes stattgegeben werden können. Diese Ansicht treffe zu. An sich sei unstrittig, daß das der Klägerin eingeräumte Aufgriffsrecht nicht unentgeltlich ausgeübt werden könne. Die Klägerin vertrete aber die Ansicht, daß sie sich im Sinne des Punktes Drittens lit. c des Notariatsaktes Beilage 1 mit den ehelichen Kindern einigen konnte und daß das Entgelt diesen zuzufließen habe. Eine solche Vorgangsweise sei auch in Punkt Drittens lit. c des Notariatsaktes Beilage 1 vorgesehen. Unter den dort genannten Erbsinteressenten seien wohl unzweifelhaft die Erben zu verstehen. Die von der Klägerin mit den Kindern getroffene Vereinbarung würde daher im Falle des Todes des Beklagten für die Ausübung des Aufgriffsrechtes ausreichen. Die Regelung des § 1266 Satz 2 ABGB fingiere aber nicht den Tod eines der Gatten, sondern gebe dem an der Scheidung schuldlosen oder minder schuldigen Ehegatten bestimmte Rechte, die ihm an sich erst im Falle des Todes des anderen Ehegatten zustünden. Daraus ergebe sich, daß mit dem an der Scheidung allein oder überwiegend Schuldigen eine Vereinbarung über den Übernahmspreis zu erzielen oder der Schätzwert an diesen zu zahlen sei (vgl. SZ 28/244). Dazu komme, daß zum Zeitpunkt der Scheidung bzw. der Ausübung des Aufgriffsrechtes nicht feststehe, wer Erbe des Beklagten sein werde. Eine mit den derzeitigen Erben getroffene Vereinbarung würde daher zu Lasten allfälliger anderer Erben des Beklagten gehen. Der Ansicht, daß mangels eines Übereinkommens mit dem Beklagten das Klagebegehren abzuweisen wäre, könne aber nicht gefolgt werden. Daß im vorliegenden Fall ein Einvernehmen zwischen den Streitteilen nicht erzielt worden sei, liege auf der Hand, die Klägerin hätte daher Zug um Zug den gerichtlich zu erhebenden Schätzwert zu zahlen. Ausgehend von seiner Rechtsansicht, daß es ausreiche, daß sich die Klägerin mit den Kindern einige, habe das Erstgericht diese Frage mit den Parteien nicht erörtert und darüber auch keine Beweise aufgenommen. Das Verfahren leide daher an einem Mangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht mit den Parteien zu erörtern haben, wie der Übernahmspreis berechnet werden solle (Welser in Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 550 Anh), es werde sodann auch entsprechende Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen haben.
Auf die in der Berufung aufgeworfene Frage eines Zurückbehaltungsrechtes brauche nicht eingegangen zu werden, weil dieses nur für den Fall geltend gemacht worden sei, daß den ehelichen Kindern ein Anspruch in Ansehung des väterlichen Vermögens zustünde. Desgleichen erübrige sich auch eine Erörterung der zwischen der Klägerin und den Kindern getroffenen Vereinbarung Beilage B.
Gegen den unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richten sich die Rekurse beider Parteien. Der Beklagte beantragt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne der Abweisung der (Punkte a und b der) Klage, die Klägerin im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Teilurteils. Beide Parteien stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
In ihren Rekursbeantwortungen beantragen beide Parteien, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind zulässig, aber nicht berechtigt. Der Beklagte hält seinen Standpunkt aufrecht, daß die Klägerin das ihr nur für den Fall seines Vorversterbens eingeräumte Aufgriffs-(Übernahms-)Recht mangels ausdrücklicher Vereinbarung auch für den Scheidungsfall derzeit nicht ausüben könne. Die zu Unrecht unterbliebene Vernehmung des Notars Dr.L*** hätte den schon aus dem Wortlaut des Ehevertrages hervorleuchtenden übereinstimmenden Parteiwillen der Streitteile bestätigt, das Aufgriffsrecht nur für den Fall des Vortodes eines Ehegatten und des dann noch aufrechten Bestandes der Ehe einzuräumen. Die Geltendmachung eines auch für den Scheidungsfall vereinbarten Aufgriffsrechtes wäre im Sinne der analog anzuwendenden Vorschriften der §§ 31 Abs 2 bzw. 95 EheG verfristet. Die Klage wäre aber selbst bei Bejahung eines Aufgriffsrechtes im Scheidungsfall und Verneinung einer Verfristung dieses Rechtes abzuweisen gewesen, weil die Klägerin nicht einmal den Versuch unternommen habe, mit ihm zu einer Vereinbarung über den Übernahmspreis zu gelangen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 1266 ABGB und aus dem Ehevertrag ergebe sich, daß sie wie beim Tod des Beklagten 1/4 des Anteils des Beklagten aufgrund des Vertragspunktes Drittens lit. a, ein weiteres Viertel aufgrund der testamentarischen Erbeinsetzung laut Vertragspunkt Drittens lit. b Abs 2 und die restliche Hälfte des Anteils des Beklagten aufgrund der mit ihren Söhnen als Erbsinteressenten getroffenen Vereinbarung zu erhalten habe. Eine andere Auslegung würde zu dem grob unbilligen Ergebnis führen, daß der an der Scheidung schuldige Beklagte für die Liegenschaften, die von ihren Eltern und Verwandten stammten, noch ein Entgelt bekäme.
Zu diesen Ausführungen ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Über das Schicksal des in die eheliche Gütergemeinschaft gehörenden Vermögens der Ehegatten im Falle der Scheidung entscheidet zunächst die vertragliche Einigung der Parteien (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1266; Gschnitzer-Faistenberger, Familienrecht2, 88, EvBl 1986/28 ua), die wegen ihres ehegüterrechtlichen Charakters an die Notariatsaktsform gebunden ist (§ 1 Abs 1 lit. a NZwG). Die Auslegung formbedürftiger Geschäfte ist problematisch, soweit nicht beurkundete Willensäußerungen zur Deutung, Ergänzung und Berichtigung des Beurkundeten herangezogen werden sollen. Die Berücksichtigung von Begleitumständen und formlosen Nebenabreden hat darin ihre Grenze, daß sich für den wahren Willen der Parteien in der Urkunde irgendein, wenn auch noch so geringer Anhaltspunkt finden muß (vgl. dazu Rummel in Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 886; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 253; EvBl 1980/59 und 99 ua). Der Oberste Gerichtshof pflichtet daher dem Berufungsgericht darin bei, daß die beantragte zeugenschaftliche Einvernahme des Notars Dr.L*** zum Beweis dafür, daß die Parteien für den Fall der Scheidung eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung treffen wollten (darauf läuft - wie sich aus den folgenden Darlegungen ergeben wird die Behauptung des Beklagten hinaus, das für den Überlebensfall eingeräumte Aufgriffsrecht habe nicht für den Scheidungsfall gelten sollen), unterbleiben konnte, weil für einen derartigen Parteiwillen im Ehevertrag vom 22.Februar 1971 nicht die geringsten Anhaltspunkte vorhanden sind. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß beide Streitteile in ihrer Parteienvernehmung übereinstimmend angegeben haben, daß bei der Errichtung der Ehepakte nichts darüber gesprochen worden sei, was im Fall einer Scheidung gelten solle (AS 152, 156, 157).
Nach der Regelung des § 1266 Satz 2und 3 ABGB hat der schuldlose oder minder schuldige geschiedene Ehegatte Anspruch auf alles, was ihm in den Ehepakten auf den Fall des Überlebens bedungen worden ist, aber auch auf das, was ihm für diesen Fall aus dem Gesetz gebührt, sowie auf Teilung des Vermögens, worüber eine Gütergemeinschaft bestanden hat, wie beim Tod, d.h. in der Regel auf die Hälfte des Gesamtgutes; das Recht aus einem Erbvertrag bleibt dem schuldlosen oder minder schuldigen geschiedenen Ehegatten - zum Unterschied vom gesetzlichen Erbrecht (§ 1266 letzter Satz ABGB) - auf den Todesfall vorbehalten (Weiß in Klang2 V 979 und 981; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1266 mwN;
Gschnitzer-Faistenberger, Familienrecht2, 88). Der schuldlose oder minder schuldige geschiedene Ehegatte kann aber auch nach seiner Wahl die Aufhebung der Ehepakte im Sinne des § 1266 Satz 1 ABGB verlangen; dies führt dazu, daß jedem das von ihm Eingebrachte zurückzustellen ist (Petrasch aaO und Rz 3 zu § 1266; Gschnitzer-Faistenberger aaO; 1 Ob 562/86). Das in einem Erbvertrag oder einer sonstigen ehegüterrechtlichen Vereinbarung begründete Aufgriffsrecht eines Ehegatten stellt keine Erbseinsetzung, also keine erbvertragliche Vereinbarung im technischen Sinn dar, weshalb im Scheidungsfall nicht der Vorbehalt auf den Todesfall, sondern § 1266 Satz 2 ABGB gilt: Der an der Scheidung schuldlose oder minder schuldige Ehegatte kann sofort das für den Fall des Überlebens bedungene Aufgriffsrecht durch Übernahme zum Schätzwert ausüben (Welser in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 550 Anh; Petrasch aaO, SZ 28/244; JBl. 1961, 190; 3 Ob 130/61).
Daraus folgt im gegenständlichen Fall, in dem die Klägerin ihre Ansprüche aus einer Teilung des Gemeinschaftsgutes wie beim Tod und aus der Ausübung des ihr vertraglich eingeräumten Aufgriffsrechtes ableitet: Die Teilung des Gemeinschaftsgutes wie beim Tod gibt der Klägerin nur einen Anspruch auf die Hälfte des Gemeinschaftsgutes, das ohnehin bereits in ihrem Eigentum steht. Ein fingierter Erbgang in dem Sinne, daß so vorzugehen wäre, als ob der Beklagte mit der Rechtskraft der Scheidung aus seinem Verschulden gestorben wäre, findet nicht statt. Die Klägerin hat daher entgegen ihrer Ansicht nicht gemäß Punkt Drittens lit. a des Ehevertrages (im Hinblick auf die vorhandenen ehelichen Kinder) 1/4 des Anteiles des Beklagten am Gemeinschaftsgut und gemäß Punkt Drittens lit. b Abs 2 des Ehevertrages (welcher Fall übrigens auch beim tatsächlichen Ableben des Beklagten wegen der vorhandenen ehelichen Kinder nicht vorläge) ein weiteres Viertel des Anteils des Beklagten am Gemeinschaftsgut zu erhalten und darüber hinaus die Möglichkeit, die restliche Hälfte des Anteils des Beklagten am Gemeinschaftsgut durch Ausübung des Aufgriffsrechtes gegenüber den ehelichen Kindern als Erbsinteressenten zu erwerben. Sie hat vielmehr, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nur die Möglichkeit, das durch die Scheidung aus dem Verschulden des Beklagten - wie dargetan - von Gesetzes wegen entsprechend umgewandelte Aufgriffsrecht hinsichtlich der dem Beklagten aus dem Gemeinschaftsgut zukommenden Hälfte durch deren Übernahme zum Schätzwert auszuüben. Damit gehen auch die Ausführungen des Beklagten, das im Ehevertrag für den Überlebensfall eingeräumte Aufgriffsrecht bestehe mangels Vorliegens der hiefür erforderlichen Voraussetzungen im Falle der Scheidung aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden eines Ehegatten nicht (sodaß ihm die Hälfte des Gemeinschaftsgutes zu verbleiben habe), ins Leere. Es kann auch, wie das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend erkannt hat, mangels der hiefür erforderlichen Voraussetzungen auf das vertraglich vereinbarte Aufgriffsrecht nicht die für das gesetzlich eingeräumte Erklärungsrecht nach § 31 Abs 2 EheG bestimmte Sechsmonatsfrist oder die für die Geltendmachung des gesetzlichen Aufteilungsanspruches nach § 95 EheG bestimmte Einjahresfrist analog angewendet werden. Es bestehen schließlich keine Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß schon jetzt davon auszugehen sei, zwischen den Streitteilen sei eine Einigung über den Übernahmspreis nicht erzielt worden, weshalb die Klägerin Zug um Zug den gerichtlich zu erhebenden Schätzwert zu zahlen habe. Im übrigen steht es den Streitteilen noch immer frei, die (teilweise) Entrichtung des Übernahmspreises durch Übertragung von (derzeit je im Hälfteeigentum der Streitteile stehendem) Grundvermögen ins bücherliche Alleineigentum des Beklagten zu vereinbaren.
Es war daher beiden Rekursen ein Erfolg zu versagen. Der Vorbehalt der Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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