Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hartberg vom 23. Jänner 1980, L 111/79-29, war Elisabeth R*** wegen Geistesschwäche beschränkt entmündigt worden (ON 1). Das Erstgericht bestellte mit Beschluß vom 21. Oktober 1985 Renate V*** zum Sachwalter der Behinderten gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB (ON 147). Die Behinderte war oftmals im Landes-Sonderkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Graz in stationärer Behandlung; zuletzt wurde sie dort am 5. September 1987 wegen Oligophrenie und eines psychotischen Zustandsbildes aufgenommen (ON 207 S 489). Auf Anfrage des Erstgerichtes teilte das Landes-Sonderkrankenhaus am 18. September 1987 mit, daß im psychischen Zustand der Behinderten eine deutliche Besserung eingetreten und ihre Entlassung in absehbarer Zeit vorgesehen sei (ON 208). Die Sachwalterin berichtete dem Erstgericht am 24. September 1987, daß die Behinderte nach Mitteilung der behandelnden Stationsärztin zur Zeit der Spitalsaufnahme in schlechter psychischer Verfassung gewesen sei, dieser Zustand sich aber in kurzer Zeit wieder gebessert habe. Die Behinderte bewege sich frei, gehe im Krankenhaus einer Beschäftigung nach und habe Parkausgang sowie Stadtausgang für Einkäufe. Sie sei aus der Sicht der Sachwalterin mit ihrem jetzigen Aufenthalt im Krankenhaus einverstanden. In den letzten Monaten sei sie einigen schwierigen Situationen - einem Wohnungswechsel und Mißhandlungen durch ihren Freund - ausgesetzt gewesen (ON 209).
Der Erstrichter erklärte hierauf mit Beschluß vom 28. September 1987 die weitere Anhaltung der Behinderten im Landes-Sonderkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie, Graz, bis auf weiteres, jedoch längstens auf die Dauer eines Jahres, ohne Verfahren im Sinne der §§ 16 ff EntmO pflegschaftsgerichtlich für zulässig, weil die Behinderte nach der Aktenlage, insbesondere nach der Mitteilung der Sachwalterin, auf Grund ihres Gesundheitszustandes der Betreuung in einer geschlossenen Anstalt bedürfe (Pkt. 1.); er forderte die Leitung des Landes-Sonderkrankenhauses Graz auf, jede wesentliche Veränderung im Gesundheitszustand des Pfleglings, welche eine weitere Anhaltung unzulässig machen würde bzw. eine Überprüfung der Anhaltung durch einen gerichtlichen Sachverständigen veranlassen könnte, unverzüglich dem Pflegschaftsgericht anzuzeigen, andernfalls jedoch vor Ablauf der zu Punkt 1. angeführten Aufenthaltefrist mitzuteilen, warum eine weitere Anhaltung des Pfleglings aus anstaltsärztlicher Sicht gegeben erscheine, wobei um Anschluß einer Ablichtung der Krankengeschichte über den letzten für zulässig erklärten Anhaltungszeitraum ersucht werde (Pkt 2.); schließlich wies er die Leitung des erwähnten Krankenhauses darauf hin, daß gemäß § 52 Abs 1, § 53 Abs 2 KAG die Entlassung bzw. auch vorübergehende Beurlaubung des Pfleglings nur mit Zustimmung des Sachwalters als gesetzlichen Vertreters unter Verständigung des Pflegschaftsgerichtes zulässig sei; bei einer dem Pflegschaftsgericht angezeigten und mit Zustimmung des Sachwalters vorgenommenen Entlassung - ohne daß der Pflegling geheilt sei - bzw. Beurlaubung des unter Sachwalterschaft stehenden Pfleglings sei bei einer Wiedereinlieferung bzw. Urlaubsrückkehr nicht das Anhaltegericht, sondern das zuständige Pflegschaftsgericht zu verständigen, das dann keinen weiteren Anhaltungsbeschluß fasse wenn die festgesetzte Anhaltungsfrist noch laufe (Pkt. 3.). Mit Beschluß vom 2. November 1987 wies das Gericht zweiter Instanz den von der Sachwalterin gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs als unzulässig zurück. Der Beschluß des Erstrichters habe die jederzeitige Zulässigkeit einer Entlassung der Behinderten aus der Anstaltspflege bei Besserung ihres Gesundheitszustandes nicht in Frage gestellt; er habe nicht ausgesprochen, daß die Behinderte erst nach Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht entlassen werden dürfte. Da die Behinderte nach dem Rekursvorbringen bereits am 18. Oktober 1987 nach Hause entlassen worden sei, fehle dem Rechtsmittel - mangels weiterer Anhaltung - eine Beschwer, zumal eine weitere Anhaltung nicht verfügt worden sei und auch nicht in Frage komme. Unabhängig vom Inhalt des erstgerichtlichen Beschlusses würde das Erstgericht ohnehin von der Anstaltsleitung verständigt werden, wenn der Gesundheitszustand der Behinderten eine Betreuung in der geschlossenen Anstalt innerhalb der Zeitspanne bis 27. September 1988 erforderte.
Da die Beschwer bei Erhebung des Rechtsmittels vorhanden seien und noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel fortbestehen müsse, sei der Rekurs der Sachwalterin mangels Beschwer zurückzuweisen gewesen. Dieses Rechtsmittel habe sich nicht gegen die erfolgte Anhaltung, sondern lediglich gegen die Zulässigerklärung der Anhaltung ohne Verfahren im Sinne der §§ 16 ff EntmO gerichtet; der Ausspruch nach Punkt 1.) sei durch die Punkte 2.) und 3.) so weit abgeschwächt, daß der Betroffenen auch bei wiederholter Aufnahme während dieser einjährigen Frist kein Nachteil erwachsen könne.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Rekurs der Sachwalterin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Unterinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Der Rechtsmittelwerberin ist darin beizupflichten, daß das Gericht zweiter Instanz ihren Rekurs zu Unrecht zurückgewiesen hat. Es trifft zwar zu, daß nach ständiger Rechtsprechung die Beschwer eine Voraussetzung für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels ist (JBl 1963, 432; ÖBl 1987, 51 uva). Ein solches rechtliches Interesse ist aber hier zu bejahen, wenngleich die Betroffene zur Zeit der Entscheidung des Rekursgerichtes bereits aus dem Landes-Sonderkrankenhaus Graz entlassen war: Der Beschluß, mit dem die Anhaltung für zulässig erklärt wird (§ 22 EntmO), berührt nämlich das Grundrecht eines Menschen auf persönliche Freiheit (Art. 5 Abs 1 lit e MRK), so daß auch nach der Entlassung ein rechtliches Interesse des Angehaltenen an der Feststellung besteht, ob die Anhaltung zu Recht erfolgt ist (SZ 39/83; 1 Ob 709/86). Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein Anhaltungsgericht die Anhaltung für zulässig erklärt oder - wie hier - ein Pflegschaftsgericht die Unterbringung in der Anstalt im Sinne der § 282 ABGB, § 23 Abs 1 und 3 EntmO pflegschaftsbehördlich genehmigt hat (1 Ob 709/86). Das Anfechtungsinteresse ist nicht nur dem Angehaltenen selbst zuzubilligen (SZ 39/83), sondern auch seinem Sachwalter (1 Ob 709/86), dessen Aufgabe ja darin besteht, die Interessen des Betroffenen zu wahren. An der Beschwer kann im vorliegenden Fall auch schon deshalb nicht gezweifelt werden, weil auf Grund des erstrichterlichen Beschlusses eine neuerliche Anhaltung der Betroffenen innerhalb der Jahresfrist im voraus für zulässig erklärt wurde, so daß bei einer neuerlichen Einlieferung der mittlerweile Entlassenen das Anhaltungs-(Genehmigungs-)Verfahren nicht zu wiederholen wäre (vgl. die Mitteilung des JM im JMVBl 1918, 146). Aus diesen Erwägungen war dem Rekurs Folge zu geben und der angefochtene Beschluß aufzuheben. Das Gericht zweiter Instanz wird vom Zurückweisungsgrund der mangelnden Beschwer Abstand zu nehmen und den Rekurs gegen den erstrichterlichen Beschluß neuerlich zu behandeln haben.
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