OGH 1Ob709/86

OGH1Ob709/8628.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Hubert S***, Pensionist, Rosental Nr. 2, Stockenboi, infolge Revisionsrekurses des Sachwalters Rosa S***, Klagenfurt, Radetzkystraße 14, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 23.Oktober 1986, GZ 2 R 460/86-108, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 3.September 1986, GZ 3 SW 6/85-101, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Hubert S*** wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 7. Oktober 1983, L 64/83-6, gemäß § 1 Abs. 2 EntmO wegen Geisteskrankheit beschränkt entmündigt. Mit Beschluß vom 28.März 1984 (ON 12) übernahm das Bezirksgericht Spittal an der Drau gemäß § 111 JN die Weiterführung der Pflegschaftssache. Es bestellte mit Beschluß vom 20.November 1985 (ON 70) Rosa S*** vom Verein für Sachwalterschaft, Geschäftsstelle Klagenfurt, zum Sachwalter des Hubert S***. Die Sachwalterschaftssache wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 2.Dezember 1985 (ON 71) von diesem Gericht zur Weiterführung übernommen. Am 2.April 1986 wurde Hubert S*** auf Grund eines amtsärztlichen Parere wegen endogener Psychose in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Kärnten in Klagenfurt aufgenommen (ON 77, 78, 86). Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16.April 1986 (ON 79) wurde die Anhaltung des Hubert S*** in der geschlossenen Abteilung für die Dauer eines Jahres, das ist bis zum 2.April 1987, pflegschaftsgerichtlich genehmigt; die frühere Entlassung wurde dem pflichtgemäßen Ermessen der behandelnden Ärzte im Einvernehmen mit dem Sachwalter überlassen. Das Landesgericht Klagenfurt hob diesen Beschluß über Rekurs des Sachwalters mit Beschluß vom 22.Mai 1986 (ON 82) auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Am 30.Juni 1986 wurde Hubert S*** aus der geschlossenen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt entlassen (ON 91 a).

Mit dem Beschluß vom 3.September 1986 (ON 101) genehmigte das Erstgericht die Anhaltung des Hubert S*** in der geschlossenen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt in der Zeit vom 2.April 1986 bis zum 30.Juni 1986 sowie die Entlassung am 30.Juni 1986. Es stellte fest, Hubert S*** leide an einer paranoiden Schizophrenie, die im Laufe der Jahre zu einem ausgeprägten Persönlichkeitsdefekt geführt habe. Es sei zur Ausgliederung des Betroffenen aus dem Erwerbsleben gekommen; er habe eine unstete, durch Phasen von Wandertrieb gekennzeichnete Existenz geführt. In der Zeit vom 30.Oktober 1973 bis 30.Juni 1986 sei Hubert S*** insgesamt 15mal in der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt in Behandlung gestanden. Die Aufnahme sei wegen aggressiver Tendenzen, Gemein- und Selbstgefährlichkeit erfolgt. Hubert S*** habe insbesondere gegen seine nächsten Angehörigen eine paranoid aggressive Einstellung entwickelt, wie sie für Schizophrene kennzeichnend sei; dies habe eine latente Gefährdung der Angehörigen dargestellt. Die Einweisung am 2.April 1986 sei wegen paranoid motivierter Aggressionshandlungen gegen Angehörige und wegen der gegebenen Allgemeingefährdung erforderlich gewesen. Die zwangsweise Unterbringung sei aber auch im Interesse des Betroffenen selbst zur Besserung seines Zustandes erforderlich gewesen. Im Krankenhaus sei mittels einer psychopharmakologischen Therapie und durch ergotherapeutische Maßnahmen eune Besserung des Leidenszustandes erzielt worden. Nach Besserung des Zustandes und Abbau der manifesten Aggressionsneigung sei die Entlassung aus der Anstalt erfolgt. Die potentielle Gefahrensituation könne nur durch eine langdauernde Behandlung mit Depot-Neuroleptika ausgeschaltet werden. In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, gemäß § 282 ABGB sei das Pflegschaftsgericht zur Genehmigung der Anhaltung des Betroffenen in einer geschlossenen Anstalt zuständig. Die Anhaltung sei zu genehmigen, wenn der Zustand des Betroffenen die Unterbringung in einer solchen Anstalt erfordere. Dies sei im vorliegenden Fall im Interesse des Betroffenen selbst wie auch zum Schutze anderer vor Gefährdung notwendig gewesen. Im Zeitpunkt der Einweisung sei eine akute Gemeingefährdung vorgelegen. Die Unterbringung sei aber auch im eigenen Interesse des Betroffenen gelegen gewesen, weil durch die Behandlung in der geschlossenen Abteilung sein Zustand gebessert worden sei. Im Hinblick auf die Besserung des Zustandes sei die Entlassung am 30.Juni 1986 gerechtfertigt gewesen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs des Sachwalters nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs des Sachwalters ist unzulässig.

Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, daß der Betroffene vor der Beschlußfassung des Erstrichters über die Zulässigkeit seiner Anhaltung aus der geschlossenen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt entlassen wurde. Der Anhaltungsbeschluß berührt nämlich das Grundrecht des Menschen auf persönliche Freiheit (Art. 5 Abs. 1 lit. e MRK), so daß der Rechtsmittelwerber auch nach seiner Entlassung ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, ob die Anhaltung zu Recht erfolgte (1 Ob 776/82; SZ 39/83).

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt die Rechtsmittelwerberin darin, daß dem angefochtenen Beschluß jegliche gesetzliche Grundlage mangle; es liege auch ein Verstoß gegen Art. 5 MRK vor, weil § 282 ABGB, auf den die Vorinstanzen die Beschlußfassung über die Zulässigkeit der Anhaltung gründeten, eine Ermächtigung zur zwangsweisen Unterbringung behinderter Personen nicht entnommen werden könne. Aus dem auch für die Gerichtsbarkeit geltenden Determinierungsgebot ergebe sich, daß hoheitliche Maßnahmen im Gesetz in ausreichend präziser Weise vorausbestimmt sein müßten, was insbesondere bei Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit zu gelten habe. Wollte man § 282 ABGB eine Ermächtigung zur Unterbringung eines Betroffenen in einer geschlossenen Anstalt entnehmen, müßte die Unterbringung durch den Sachwalter veranlaßt werden; in keinem Fall sei das Gericht berechtigt, anstelle des Sachwalters Maßnahmen der Personensorge zu setzen.

Art. 5 Abs. 1 MRK ermächtigt ungeachtet der unmittelbaren Anwendbarkeit der Menschenrechtskonvention im österreichischen Rechtsbereich staatliche Organe noch nicht zur Anordnung von Freiheitsbeschränkungen; diese Beschränkungen müssen vielmehr durch das innerstaatliche Recht gedeckt sein (SZ 54/108;

Funk/Gimpel-Hinteregger, Der Schutz der persönlichen Freiheit in Österreich, EuGRZ 1985, 6; Herzog, Das Grundrecht auf Freiheit, AöR 86, 210). Der Freiheitsentzug nach innerstaatlichem Recht darf nur "auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg" erfolgen und über die in Art. 5 Abs. 1 MRK normierten materiell-rechtlichen Voraussetzungen nicht hinausgehen (SZ 54/108). Eine Verwahrung von gefährlichen oder gefährdeten Personen in Haft ist gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. e MRK zulässig, wenn der Betreffende eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheit bildet oder weil er geisteskrank, Alkoholiker, rauschgiftsüchtig oder Landstreicher ist. Eine gerichtliche Haftverfügung wird in diesen Fällen von der Menschenrechtskonvention nicht gefordert; Art. 5 Abs. 1 MRK verweist vielmehr auf das innerstaatliche Recht (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR, EuGRZ 1979, 650, 654). Die Zuordnung entsprechender Ermächtigungen zum Justiz- oder Verwaltungsrecht bleibt der staatlichen Rechtsordnung überlassen. Geht die Freiheitsbeschränkung von einem Verwaltungsorgan aus, hat der Betroffene gemäß Art. 5 Abs. 4 MRK das Recht, deren Rechtmäßigkeit durch ein Gericht überprüfen zu lassen, das unverzüglich zu entscheiden hat (EGMR EuGRZ 1986, 8, 11; EGMR EuGRZ 1985, 642, 645; EGMR EuGRZ 1984, 6, 9; EGMR EuGRZ 1982, 101, 104; EGMR EuGRZ 1979, 650, 655). Aufgabe des Gerichtes ist es dann festzustellen, ob die gesetzliche Voraussetzung für die Anhaltung, die Geisteskrankheit, noch vorliegt und die Fortdauer der Unterbringung rechtfertigt oder aber die Entlassung zu verfügen ist (Europäische Kommission für Menschenrechte - EKMR EuGRZ 1978, 398, 400). Dabei ist den nationalen Behörden ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzuerkennen, wenn sie die Einweisung einer Person als geisteskrank verfügen, weil sie dabei in erster Linie Beweise zu bewerten haben. Es müssen aber drei Minimalvoraussetzungen für die Einweisung gegeben sein; die Geisteskrankheit muß überzeugend dargelegt worden sein, sie muß von ihrer Art und ihrem Schweregrad her die Einweisung rechtfertigen und die Einweisung darf nicht länger ausgedehnt werden, als die Geisteskrankheit besteht (EGMR EuGRZ 1986, 8, 9; EGMR EuGRZ 1985, 642, 644; EGMR EuGRZ 1979, 650, 654).

Im vorliegenden Fall erfolgte die Einweisung des Hubert S*** auf Grund eines amtsärztlichen Pareres. Rechtsgrundlage der Einweisung (iS des Art. 5 Abs. 1 MRK) ist § 49 Abs. 1 KAG. Danach dürfen in eine Krankenanstalt für Geisteskranke zwangsweise nur solche Personen aufgenommen werden, für die eine Bescheinigung (Parere) beigebracht wird, wonach anzunehmen ist, daß die aufzunehmende Person infolge einer Geisteskrankheit ihre oder die Sicherheit anderer Personen gefährdet. Eine solche Bescheinigung muß vom Amtsarzt der für den Aufenthaltsort der aufzunehmenden Person zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeibehörde ausgestellt sein. Sie darf nicht älter als eine Woche sein. Die Aufnahme des Hubert S*** in die geschlossene Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt erfolgte daher nicht auf Grund einer Verfügung des Pflegschaftsgerichtes, aber dennoch auf eine gesetzlich vorgeschriebene Weise, wie es Art. 5 Abs. 1 MRK anordnet. Eine solche Anordnung hat allerdings nur vorläufige Bedeutung. Dies ergibt sich insbesondere aus § 16 EntmO, wonach der Leiter der Anstalt längstens binnen achtundvierzig Stunden dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Anstalt liegt, die Aufnahme eines jeden Geisteskranken anzuzeigen hat; dies gilt auch für die Aufnahme aufgrund eines amtsärztlichen Pareres. Sofern die Aufnahme nicht durch ein Gericht verfügt wurde, hat das Gericht das Verfahren über die Zulässigkeit der Anhaltung einzuleiten (§ 17 EntmO). Der Beschluß über die Zulässigkeit der Anhaltung steht nur einer anderen Anordnung des Pflegschaftsgerichtes nicht entgegen (§ 23 Abs. 1 EntmO), das auch die weitere Unterbringung in der Anstalt veranlassen kann (§ 23 Abs. 3 EntmO). Aus diesen Bestimmungen geht eindeutig hervor, daß eine längerdauernde Anhaltung einer Person in einer geschlossenen Anstalt ohne gerichtliche Entscheidung über deren Zulässigkeit ausgeschlossen ist; es bedarf hiezu der Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes oder, wenn ein solches (noch) nicht zuständig ist, des Anhaltungsgerichtes; wie immer aber letzteres entscheidet, geht eine vorangehende oder auch eine nachfolgende Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes vor. Da § 23 EntmO keine Bestimmung für das Pflegschaftsverfahren ist, sondern nur das Anhaltungsverfahren vom dort nicht geregelten Pflegschaftsverfahren abgrenzt, kann daraus allein noch keine Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichtes abgeleitet werden. Die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes hat die Rechtslage auch stets dahin verstanden, daß dann, wenn bereits ein Pflegschaftsverfahren geführt wurde, die Vorschriften der Entmündigungsordnung über die Anhaltung in einer geschlossenen Anstalt nicht anzuwenden sind, die Anordnung der Anhaltung in einer geschlossenen Anstalt aber doch vom Pflegschaftsgericht getroffen werden kann. Diese Auffassung wurde vom Obersten Gerichtshof zunächst nicht näher begründet (SZ 25/177), dann berief er sich auf die Mitteilung des Justizministeriums im JMVBl. 1916, 438 (abgedruckt bei Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen 799 und 806) und die darin zitierten Bestimmungen der §§ 282 und 233 ABGB (alter Fassung vor dem BGBl. 1977/403) und des § 23 Abs. 1, 3 und 4 EntmO (SZ 25/284; SZ 27/130; in diesem Sinne auch SZ 40/83 und EvBl. 1974/87). Die Entscheidung SZ 27/99 sprach aus, daß das Pflegschaftsgericht alles zu unternehmen habe, was für den Entmündigten von Nutzen sei; dieses Recht und diese Pflicht ergebe sich nicht aus der Entmündigungsordnung, sondern aus den §§ 216 und 233 ABGB (§ 282 ABGB, § 4 Abs. 3 EntmO). In der Entscheidung RZ 1961, 124 wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, daß die Anhaltung ein Eingriff in die persönliche Freiheit sei und daher nur aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet werden dürfe; ob das Interesse des Kranken oder das öffentliche Interesse die Anhaltung als ratsam oder nötig erscheinen lasse, falle in die Beurteilung der Verwaltungsbehörde oder, falls eine Pflegschaft bestehe, des Pflegschaftsgerichtes. Davon, daß die Aufnahme in eine Krankenanstalt für Geisteskranke auch vom Pflegschaftsgericht angeordnet werden kann, geht auch die Bestimmung des § 52 Abs. 2 KAG aus, wonach dann ein Pflegling nur mit Zustimmung des Gerichtes aus der Krankenanstalt entlassen werden darf. Wentzel-Piegler in Klang 2 I 2, 539 meinten, daß die im § 216 ABGB (alter Fassung) erwähnten Akte der "in wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten" einzuholenden Genehmigungen und Vorschriften dem Pflegschaftsgericht zukämen; eine solche Angelegenheit sei die Unterbringung oder Belassung eines Pflegebefohlenen in einer Anstalt wider seinen Willen. Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 163, führte aus, das Pflegschaftsgericht habe gemäß § 23 Abs. 1 und 3 EntmO, §§ 216, 233 ABGB (alter Fassung) die Möglichkeit und, falls der Kurator oder Beistand seiner Pflicht nicht nachkomme, die Pflicht, die Anhaltung eines Entmündigten zu verfügen, wenn Anhaltungsbedürftigkeit vorliege; wenn das Pflegschaftsgericht nicht entscheide, sei das Anhaltungsverfahren durchzuführen (165). Der Hinweis auf den durch BGBl. 1977/403 (KindG) aufgehobenen § 233 ABGB war möglicherweise immer verfehlt (aM Wentzel-Piegler aaO 412), weil diese Bestimmung wohl nur die Vermögensverwaltung betraf. Zutreffend war aber die Bezugnahme auf § 216 ABGB in der vor BGBl. 1977/403 geltenden Fassung, der zwar nur die Rechte und Pflichten des Vormundes (und gemäß § 282 ABGB des Kurators) behandelte, dem Pflegschaftsgericht aber auch "Vorschriften" überließ; es konnte dann nicht nur dem Vormund (Kurator) Weisungen erteilen, sondern je nach der Intensität seiner Fürsorgetätigkeit (Wentzel-Piegler aaO 370) auch selbst Anordnungen treffen. In der nunmehrigen Fassung der §§ 216, 282 ABGB scheint nur mehr von den Rechten und Pflichten des Vormundes und des Sachwalters (Kurators) die Rede zu sein. Insbesondere ist es richtig, daß § 216 Abs. 2 (in Verbindung mit § 282 Satz 1) ABGB, wenn überhaupt, nur die pflegschaftsbehördliche Genehmigung einer vom Sachwalter veranlaßten Unterbringung der behinderten Person in einer Krankenanstalt für Geisteskranke ermöglicht (Kremzow, Österreichisches Sachwalterrecht 133 in FN 318). Immerhin heißt es nun aber im § 282 Satz 2 ABGB, daß der Sachwalter einer behinderten Person die erforderliche Personenfürsorge, zu der auch die allfällige Unterbringung der behinderten Person in einer Krankenanstalt für Geisteskranke gehören muß, sicherzustellen hat, "soweit das Gericht nicht anderes bestimmt". Diese Regelung kann dahin verstanden werden, daß das Pflegschaftsgericht in Angelegenheiten der Personenfürsorge auch selbst, entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses auch ohne Antrag oder Zustimmung des Sachwalters, "anderes bestimmen", also auch die Unterbringung in einer Krankenanstalt für Geisteskranke anordnen und dann, wenn sie zunächst gemäß § 49 Abs. 1 KAG angeordnet worden war, genehmigen kann (so auch Kremzow aaO 132 und in FN 318). Daß der Gesetzgeber jedenfalls mit der Rechtsprechung der Auffassung war, daß das Pflegschaftsgericht die Anhaltung einer behinderten Person in einer Krankenanstalt für Geisteskranke anordnen konnte und darüber hinaus die Absicht hatte, dies auch nach Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes weitergelten zu lassen, ergibt sich aus der Regierungsvorlage zum Sachwaltergesetz, 742 BlgNR

15. GP (abgedruckt bei Ent-Hopf, Sachwalterrecht 33), in der referiert wird, daß bei einem Entmündigten die Entscheidung über die Unterbringung in einer Anstalt nicht dem Anhaltungsgericht, sondern dem Pflegschaftsgericht obliege, das dabei nicht das in den §§ 16 ff EntmO geregelte Verfahren anwenden muß. Bezug genommen wird allerdings allein auf § 23 EntmO. Nicht diese, aber doch die Bestimmung des § 282 Satz 2 ABGB am Ende muß die entsprechende Bestimmung für die Rechtslage, die die §§ 17 und 23 EntmO sowie § 52 Abs. 2 KAG weiterhin als selbstverständlich voraussetzen, sein. Wenn geltende gesetzliche Bestimmungen eine konkrete Gesetzeslage als gegeben ansehen, erfordert es schon die Einheit der Rechtsordnung, eine andere gesetzliche Bestimmung, die nach ihrem Wortlaut durchaus die rechtliche Basis für die von anderen gesetzlichen Bestimmungen angenommene Rechtslage sein kann, nicht gerade so auszulegen, daß Widersprüche oder gar eine Diskrepanz zur verfassungsrechtlichen Lage (Art. 5 Abs. 4 MRK) entstehen. Die sprachliche Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung muß auch den Zusammenhang mit anderen Worten des Gesetzes und manchmal auch mit anderen Gesetzen berücksichtigten (VwGH SlgNF 5795 A; vgl. auch SZ 54/135; EvBl. 1978/182; EvBl. 1976/53); eine Gesetzesbestimmung ist jedenfalls in dem Sinne auszulegen, der im Hinblick auf die übrige Rechtsordnung und, damit verbunden, auch auf die Zweckmäßigkeit sinnvoller erscheint (7 Ob 768/76). Die Regeln, welche für wichtige Geschäfte eines Minderjährigen oder einer behinderten Person auch gerichtliche Prüfung und Genehmigung fordern, lassen sich nur aus dem Schutzgedanken erklären; warum dieser, von § 21 ABGB ganz abgesehen, nicht auch bei einer gestellten Auslegungsfrage durchgreifen sollte, wäre unerfindlich (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz 21 zu § 6). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind zudem Gesetze verfassungskonform, daher auch konform mit Art. 5 Abs. 4 MRK, auszulegen. Es wäre ein unhaltbarer Wertungswiderspruch anzunehmen, daß zwar grundsätzlich immer Gerichte dazu berufen sind, abschließend über die Rechtmäßigkeit der Haft durch Anhaltung zu entscheiden, hiezu aber nach Bestellung eines Sachwalters nicht mehr berechtigt sein sollten, sondern die Entscheidung hierüber zunächst dem Sachwalter überlassen müßten und diese nur genehmigen oder ablehnen könnten. Aus § 23 Abs. 1 und 3 EntmO ergibt sich vielmehr, daß die Entscheidung über eine Anhaltung in einer Krankenanstalt für Geisteskranke primär dem Pflegschaftsgericht und nur subsidiär dem Anhaltungsgericht zukommt. Wenn schon dem Anhaltungsgericht das Recht zukommt, die Aufrechterhaltung einer von einer Verwaltungsstelle angeordneten Anhaltung auch ohne Zustimmung des Sachwalters anzuordnen, muß auch dem Pflegschaftsgericht diese Möglichkeit zustehen. Bei Bedachtnahme darauf ist der Eingriffstatbestand des § 282 Satz 2 ABGB, jedenfalls für die im vorliegenden Fall allein maßgebliche Aufrechterhaltung der bereits gesetzmäßig mit Parere angeordneten Anhaltung, in dem dem Gericht nur eine Überprüfungspflicht oblag, so deutlich umschrieben, daß auch der (beratene) Rechtsunterworfene in der Lage ist, die Rechtslage mit dem den Umständen entsprechenden Grad an Gewißheit zu erkennen (VfGH EuGRZ 1986, 190). Der Oberste Gerichtshof pflichtet damit der Auffassung des Revisionsrekurses, für die Entscheidung des Rekursgerichtes habe keine gesetzliche, dem Art. 5 Abs. 4 MRK entsprechende Grundlage bestanden, nicht bei, so sehr es auch gerade im Hinblick auf die neueste Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu wünschen gewesen wäre, der Gesetzgeber hätte seine Intention noch deutlicher und keiner besonderen Auslegung bedürftig ausgedrückt. Nach den getroffenen Feststellungen, die sich auf das Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen gründen, leidet Hubert S*** an einer paranoiden Schizophrenie. Die Unterbringung in der geschlossenen Anstalt war sowohl in seinem Interesse zum Zwecke der Heilbehandlung, als auch wegen der aufgetretenen Gemeingefährlichkeit erforderlich. Die Anhaltung ging auch nach der Aktenlage nicht über das zur Behandlung notwendige Ausmaß hinaus. Damit entsprach die Anhaltung des Hubert S*** in der geschlossenen Anstalt den gesetzlichen Bestimmungen. Demzufolge ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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