OGH 10ObS112/87

OGH10ObS112/8715.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Joklik und Dr. Klenner in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann A***, Angesteller, 1120 Wien, Lichtensterngasse 3-21/20/2/7, vertreten durch Dr. Peter Windhopp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Juni 1987, GZ 32 Rs 90/87-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien in Wien vom 17. Dezember 1986, GZ 16 b C 96/86 -18 (16 b Cgs 96/86 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger ab 7. März 1986 eine Berufsunfähigkeitspension in gesetzlicher Höhe zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der (am 21. Februar 1936 geborene) Kläger war während der letzten 15 Jahre vor der Antragstellung überwiegend als Kontrolleur von Baustellenleuchten beschäftigt. Er hatte dabei mit einem Fahrzeug Baustellen aufzusuchen und das ordnungsgemäße Funktionieren der Baustellenleuchten zu überprüfen. Ab 1980 war er Warenhausdetektiv und Reisebürobote. Der Kläger leidet an einer Gynäkomastie auf beiden Seiten ohne tastbare Resistenzen sowie an beträchtlichen Fettansammlungen über beiden Schulterhöhen und über der gesamten Deltoideusregion bis in den halben Oberarm. Daraus ergibt sich jedoch keine wesentliche Behinderung und keine Störung des Muskelmantels. Er kann auf Grund seines körperlichen Zustandes leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen in normaler Arbeitszeit und mit den üblichen Pausen verrichten. Auf Grund dieses Leistungskalküls sind dem Kläger die näher beschriebenen Tätigkeiten eines Kraftfahrzeuglenkers, Warenhausdetektivs und Bürobotens weiterhin zumutbar. Außerdem entspricht diesem Kalkül die Tätigkeit von Hilfskräften (Verwendungsgruppe I des Industriekollektivvertrages) und qualifizierten Hilfskräften (Verwendungsgruppe II des Industriekollektivvertrages) in einem Büro, Betrieb, Lager oder Versand.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Kläger nicht berufsunfähig im Sinn des § 273 ASVG sei, weil er die von ihm während der letzten 15 Jahre überwiegend ausgeübten Berufstätigkeiten und außerdem eine Reihe von anderen Berufstätigkeiten, mit denen kein sozialer Abstieg verbunden sei, weiterhin ausüben könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Kläger sei nicht berufsunfähig, weil er die von ihm zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit weiterhin ausüben könne. Daher komme es auch nicht darauf an, ob er den Beruf eines Maschinenschlossers erlernte und den hiemit verbundenen Berufsschutz nicht verlor. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, in der die Revisionsgründe nicht bezeichnet werden und in der beantragt wird, das angefochtene Urteil im Sinn des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger bekämpft in der Revision in erster Linie die Richtigkeit der Feststellung des Erstgerichtes. Dies bildete jedoch keinen Revisionsgrund (siehe § 2 Abs 1 ASGG iVm § 503 Abs 1 ZPO) und bildete im übrigen zufolge des hier gemäß § 101 Abs 2 ASGG noch anzuwendenden § 400 ASVG auch keinen Berufungsgrund. Mit dem hiezu erstatteten Vorbringen verstößt der Kläger außerdem überwiegend gegen das Neuerungsverbot (siehe § 2 Abs 1 ASGG iVm § 504 Abs 2 ZPO); dasselbe gilt für die Vorlage der Bilder, die dem Erstgericht noch nicht zur Verfügung standen.

Mit den der Mängelrüge zuzuordnenden Ausführungen macht der Kläger geltend, daß dem Verfahren noch weitere Sachverständige hätten beigezogen werden müssen. Der Geltendmachung des darin allenfalls gelegenen Mangels in der Revision steht aber entgegen, daß der Kläger ihn nicht schon in der Berufung rügte (SZ 23/352 uva). Geht man von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, so kann der Kläger alle von ihm während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübten Berufstätigkeiten, also insbesondere auch die von ihm zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit, weiterhin ausüben. Verfügt aber der Versicherte noch über die Arbeitskraft, die ihn befähigt, den bisher ausgeübten Beruf ohne Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes weiterhin auszuüben, so kann seine Arbeitsfähigkeit nicht unter die Hälfte derjenigen eines zum Vergleich heranzuziehenden "gesunden" Versicherten gesunken&sein, weil auch dieser nur über eine solche Arbeitskraft verfügen muß (10 Ob S 78/87). Ein solches Herabsinken der Arbeitsfähigkeit ist aber Voraussetzung sowohl für die Annahme der Invalidität gemäß § 255 Abs 1 ASVG als auch für die Annahme der Berufsunfähigkeit nach § 273 Abs 1 ASVG, wobei sich diese beiden Bestimmungen nur dadurch unterscheiden, daß im ersten Fall jede während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag im Sinn des § 255 Abs 2 ASVG überwiegend ausgeübte Berufstätigkeit zu berücksichtigen ist, während es im zweiten Fall im allgemeinen nur auf die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit ankommt (vgl. Teschner in Tomandl, System

3. ErgLfg 368; Schrammel, Der pensionsversicherungsrechtliche Schutz im Falle geminderter Leistungsfähigkeit in Tomandl (Hrsg), Die Minderung der Leistungsfähigkeit im Recht der Sozialversicherung 73 f). Für den Kläger wäre das Ergebnis daher keinesfalls günstiger, wenn die Frage, ob ihm eine Pension wegen der geminderten Arbeitsfähigkeit zusteht; nach § 255 Abs 1 ASVG beurteilt würde, weil er alle während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübten Tätigkeiten weiterhin verrichten kann. Das Berufungsgericht sah es daher zutreffend als unerheblich an, ob er den Beruf eines Schlossers erlernte.

Ebensowenig kommt es dann, wenn der Versicherte die bisher ausgeübte Berufstätigkeit weiterhin ausüben kann, darauf an, ob er auf andere Berufstätigkeiten verwiesen werden darf. Die in diesem Zusammenhang in der Revision angestellten Überlegungen sind daher nicht zielführend. Dasselbe gilt schließlich für die Ausführungen zur Feststellung des Erstgerichtes, daß beim Kläger eine wesentliche Besserung des Zustands, der zur Zeit der Antragstellung bestand, zu erwarten sei. Abgesehen davon, daß es sich hiebei um einen Schreibfehler handelt, weil das Erstgericht offensichtlich das Gegenteil feststellen wollte (vgl. das Gutachten des Sachverständigen für Chirurgie), die erwähnte Feststellung nicht wesentlich; der Kläger gilt nämlich schon auf Grund des vom Erstgericht festgestellten Zustands weder als invalid noch als berufsunfähig.

Ohne Bedeutung für den Pensionsanspruch des Klägers ist es schließlich, ob er in der Lage ist, einen Arbeitsplatz für die ihm zumutbaren Berufstätigkeiten zu finden. Die Möglichkeit, einen konkreten Arbeitsplatz zu erlangen, gehört nämlich nicht zu den Tatbestandsmerkmalen der geminderten Arbeitsfähigkeit (in diesem Sinn schon 10 Ob S 21/87 und 10 Ob S 50/87).

Der Revision kann daher auch insoweit kein Erfolg beschieden sein, als damit der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgeführt wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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