OGH 7Ob719/87

OGH7Ob719/8726.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Angst und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Dr.Georg S***, vertreten durch Dr.Gerhard Nothegger, Notarsubstitut, Wels, Ringstraße 33, als Verlassenschaftskurator, dieser vertreten durch Dr.Walter Simma, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagten Parteien 2.Elvira M***, Hausfrau, Dornbirn, Hatlerstraße 71, und

5. Ivo R***, Dienstnehmer, Triesen, Untereld 606 B, Fürstentum Liechtenstein, beide vertreten durch Dr.Bertram Grass, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 500.000,--, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 29.Mai 1987, GZ 2 R 116, 117 und 118/87-50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 29.Dezember 1986, GZ 6 Cg 154/86-42, abgeändert, sowie infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 29.Mai 1987, GZ 2 R 116, 117 und 118/87-50/I, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 29.Dezember 1986, GZ 6 Cg 154/86-42/A, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.

2. Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Mit der am 17.Februar 1984 gegen fünf Beklagte überreichten Klage stellte der am 22.Mai 1987 verstorbene Dr.Georg S*** als Kläger den Antrag, auf Grund des Wechsels vom 10.Februar 1979 den Beklagten als Akzeptanten (und Aussteller) zur ungeteilten Hand aufzutragen, ihm die eingeklagte Wechselsumme von S 500.000,-- samt 6 % Zinsen seit 10.September 1983 ... zu bezahlen .... Die Beklagten hätten sich durch die Annahme des Wechsels vom 10.Dezember 1979 verpflichtet, die Wechselsumme von S 500.000,-- am 10.September 1983 zu bezahlen, seien dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen. Der Wechselzahlungsauftrag wurde antragsgemäß erlassen. Die Zweitund der Fünftbeklagte erhoben Einwendungen und beantragten die Aufhebung des Wechselzahlungsauftrages. Sie behaupteten, sie stünden zu Dr.S*** in keinerlei Rechtsbeziehungen. Es liege offenbar eine betrügerische Aktion des Dr.Herbert P*** vor. Der Wechsel sei vereinbarungswidrig ausgefüllt worden. Die Zweitbeklagte habe Dr.Erich B*** - der als Viertbeklagter keine Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag erhoben hat - zur Besicherung seiner Forderungen einmal einen Wechsel gegeben; doch habe Dr.B*** von der Zweitbeklagten nichts mehr zu fordern. Der Fünftbeklagte habe den Wechsel nur aus Gefälligkeit gegenüber seinem Freund Anton L***, der mit Dr.P*** hin und wieder Geschäfte gemacht habe, unterfertigt. Die Vorderseite des Wechsels sei zu siesem Zeitpunkt noch nicht ausgefüllt gewesen. Dr.S*** habe den Wechsel in bösem Glauben erworben; er habe zumindest grobe Fahrlässigkeit beim Erwerb des Wechsels zu vertreten. Es sei davon auszugehen, daß Dr.S*** den Wechsel selbst ausgefüllt habe.

Dr.S*** behauptete dementgegen, er sei gutgläubiger Wechselerwerber und habe sich nie in bösem Glauben befunden. Dr.B*** habe in seinem Offenbarungseid angegeben, er habe ein Vielfaches des eingeklagten Betrages vom Erst-, der Zweitund dem Drittbeklagten zu fordern.

In der Tagsatzung vom 17.September 1986 berichtete der Vertreter des Dr.S*** das Klagevorbringen, daß die Erstbis

Drittbeklagten als Wechselannehmer und Wechselbezogene, der Viertbeklagte als Wechselaussteller und der Fünftbeklagte als Indossant wechselmäßig haften, und den Wortlaut des begehrten Wechselzahlungsauftrages, auf Grund des Wechsels vom 10. Dezember 1979 wurde dem Erst-, der Zweitund dem Drittbeklagten als Akzeptanten, dem Viertbeklagten als Aussteller und dem Fünftbeklagten als Indossanten zur ungeteilten Hand aufgetragen, dem Kläger die eingeklagte Wechselsumme von S 500.000,-- samt 6 % Zinsen seit 10.September 1983 ... zu bezahlen...

Die Zweitund der Fünftbeklagte bestritten auch dieses weitere Vorbringen des Dr.S*** und wendeten ein, eine Berichtigung des Vorbringens in der Wechselklage und des Wechselzahlungsauftrages sei nicht möglich.

Das Erstgericht wies mit einem in die Entscheidung über die Hauptsache aufgenommenen Beschluß die in der Tagsatzung vom 17. September 1986 vorgenommene Klageänderung als unzulässig zurück; in seiner Entscheidung über die Hauptsache hob es den Wechselzahlungsauftrag hinsichtlich der Zweitund des Fünftbeklagten auf und wies das Klagebegehren hinsichtlich dieser Beklagten ab. Das Erstgericht traf folgende Feststellungen:

Sowohl Dr.S*** als auch Dr.Erich B*** standen in den letzten Jahren in geschäftlichen Beziehungen zu Dr.Herbert G***. Dr.Erich B*** war im Rahmen seiner früheren Tätigkeit als Rechtsanwalt in den Jahren 1978/1979 sowohl für die Erstbis Drittbeklagten (Erstbeklagter war der verstorbene Mann der Zweitbeklagten, Drittbeklagter ihr Sohn, der unbekannten Aufenthaltes ist) persönlich auch für die Einzelfirma "M*** C***" tätig. Anläßlich der Errichtung eines Einfamilienhauses in Fuchsach entstanden Verbindlichkeiten des Drittbeklagten gegenüber der Baufirma I & R S***. Über Vermittlung des Dr.Herbert P*** erbrachte Helmut S*** im Jahre 1979 mehrere Teillieferungen im Gesamtwert von S 233.545,36 an die Firma I & R S***. Der Gegenwert dieser Holzlieferungen wurde dem Drittbeklagten hinsichtlich seiner Verpflichtungen aus der Errichtung des Einfamilienhauses in Fuchsach bei der Firma I & R S*** gutgeschrieben. Zwischen dem Erstbeklagten, der Zweitbeklagten und dem Fünftbeklagten einerseits und Helmut S*** andererseits bestanden keine Geschäftsverbindungen. Nach dieser Holzlieferung verlangte Dr.P*** von Dr.B***, der von der Erstbis Drittbeklagten auch mit der Beschaffung von Krediten beauftragt war, wiederholt die Sicherstellung durch einen Wechsel.

Dr.Erich B*** hat in den Jahren 1978/1979 einen von den Erstbis Drittbeklagten als Annehmern unterfertigten Blankowechsel erhalten, der als Sicherheit für eine von ihm vorzunehmende Kreditbeschaffung bei einer Bank dienen sollte. Er stand offensichtlich mit Dr.P*** wegen der beabsichtigten Kreditaufnahme in Kontakt. Tatsächlich kam es jedoch in der Folge nicht zu einer solchen Kreditaufnahme zugunsten der Erstbis Drittbeklagten oder der Firma M***-C***.

Der Blankowechsel, der lediglich als Sicherheit für eine solche Kreditbeschaffung bei einer Bank dienen sollte, hätte somit an die Annehmer zurückgestellt werden müssen, weil er seine Funktion als Sicherheit für einen zu beschaffenden Kredit verloren hatte. Tatsächlich behielt Dr.P*** den ihm im Wege des Dr.B*** zugekommenen Blanko-Wechsel und vervollständigte ihn mit Wechseldatum 10.Dezember 1979 in der Weise, daß er die Wechselsumme von S 500.000,-- einsetzte. Bei diesem Blankowechsel handelt es sich um den der vorliegenden Wechselklage zugrundeliegenden Wechsel, den der Viertbeklagte Dr.B*** als Aussteller und der Fünftbeklagte als Indossant noch blanko zuvor unterfertigt hatten. Zwischen den in der vorliegenden Wechselklage angeführten Personen einerseits und Dr.P*** bzw. Dr.S***

andererseits bestehen keine Vereinbarungen oder Verpflichtungen, die die Geltendmachung einer Forderung gegen die Beklagten rechtfertigen. Es besteht insbesondere kein Grundgeschäft, auf Grund dessen Dr.S*** oder ein sonstiger berechtigter

Wechselinhaber die gegenständliche Wechselsumme gegenüber den Beklagten geltend machen könnte.

Dr.Herbert P*** war noch im Februar 1984 in der damaligen Kanzlei des Dr.S*** in Lambach tätig und an der Verfassung der gegenständigen Wechselklage maßgeblich beteiligt. Auf welcher Grundlage Dr.S*** in den Besitz des Wechsels mit Datum 10. Dezember 1979 gelangte und ob, sowie welches Grundgeschäft einem Wechselerwerb des Dr.S*** von Dr.P*** und der

gegenständlichen Geltendmachung des Wechsels in diesem Verfahren durch Dr.S*** zugrunde liegt, kann nicht festgestellt werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, ob sich der Kläger beim Erwerb und bei der Geltendmachung dieses Wechsels bewußt war und über die entsprechenden Informationen verfügte, daß der eingeklagten Wechselsumme von S 500.000,-- s.A. kein Grundgeschäft zugrunde liegt. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Grundlagen eines antragsgemäß erlassenen Wechselzahlungsauftrages könnten von der klagenden Partei nicht einseitig zu Lasten der Beklagten abgeändert werden. Ein Wechsel vom 10. Februar 1979 aber, wie er im Wechselzahlungsauftrag genannt werde, existiere nicht; auch sei der Fünftbeklagte nicht Akzeptant (und Aussteller), sondern Indossant gewesen. Der Wechselzahlungsauftrag sei daher hinsichtlich der Zweitund des Fünftbeklagten aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen gewesen. Die Prüfung der Frage der Bösgläubigkeit des Klägers beim Erwerb des Wechsels im Sinne des Art. 10 WG erübrige sich damit. Die zweite Instanz hob den Beschluß, mit dem die Klageänderung zurückgewiesen worden war, ersatzlos auf und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache dahin ab, daß der Wechselzahlungsauftrag - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens, dessen Abweisung unbekämpft geblieben ist aufrechterhalten wird. Die Richtigstellung des Ausstellungsdatums des Wechsels vom 10. Februar 1979 auf 10.Dezember 1979 in der Fassung des Begehrens bedeute nur die Richtigstellung eines offensichtlichen Schreibfehlers. Der als Kageänderung zu wertenden Änderung des Haftungsgrundes hinsichtlich des Fünftbeklagten hätten die Beklagten dadurch stillschweigend zugestimmt, daß sie durch Bestreitung des geänderten Vorbringens darüber verhandelten. - Es liege ein formal gültiger Wechsel vor. Dr.S*** habe die Wechselforderung als Indossatar auf Grund der materiellen Wechselstrenge losgelöst vom Grundgeschäft erworben. Der von der Beklagten erhobene Einwand der abredewidrigen Ausfüllung des unvollständigen Wechsels nach Art. 10 WG könne gegen Dr.S*** nur durchschlagen, wenn dieser den Wechsel bösgläubig oder grob fahrlässig erworben habe, wenn er also entweder die vereinbarungswidrige Ausfüllung des Wechsels gekannt oder trotz vorhandener Bedenken die Einziehung von Erkundungen bei den Unterzeichnern der Blankoerklärung unterlassen habe. Das Erstgericht habe nicht feststellen können, ob sich der Kläger beim Erwerb (oder bei der Geltendmachung) des Wechsels bewußt gewesen sei, daß diesem kein Grundgeschäft zugrunde liege und somit vereinbarungswidrig ausgefüllt worden sei. Auch die Annahme eines nur fahrlässigen Verhaltens setze aber zumindest Anhaltspunkte voraus, auf Grund derer dann bei nötiger Sorgfalt die vereinbarungswidrige Ausfüllung des Blankowechsels erkannt werden müßte.

Mit ihren Ausführungen unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wenden sich die Beklagten inhaltlich zum Teil gegen den Beschluß der zweiten Instanz, mit dem der Beschluß des Erstgerichtes auf Zurückweisung der Klageänderung ersatzlos aufgehoben wurde.

Dies zu Unrecht.

Rechtliche Beurteilung

Eine Klageänderung im Sinne des § 235 ZPO liegt nur vor, wenn der Streitgegenstand geändert, also zum Beispiel eine inhaltliche Änderung des Begehrens vorgenommen wird. Es bildet dagegen keine Änderung des Streitgegenstandes, wenn die Angaben in der Klage berichtigt werden. Als Berichtigung ist es anzusehen, wenn Ergänzungen und Richtigstellungen erfolgen, die das Wesen der bereits geltend gemachten rechtserzeugenden Tatsachen nicht berühren, oder wenn offenbare Irrtümer in der Fassung des Klagebegehrens richtiggestellt werden (SZ 54/156, Fasching III, 105 ff, insbesondere 107). Darauf, daß die Anführung des im Wechselzahlungsauftrag genannten Datums 10.Februar 1979 (statt 10. Dezember 1979) auf einem offensichtlichen Versehen beruht, hat bereits die zweite Instanz zutreffend hingewiesen. Aber auch der Umstand, daß in der Tagsatzung vom 17.9.1986 vorgebracht wurde, der Fünftbeklagte hafte als Indossant (nicht als Akzeptant oder Aussteller), stellt eine Klageänderung nicht dar. Zwar wurde der Vordruck des Wechselklageformulars ("Akzeptant, Aussteller") hinsichtlich des Fünftbeklagten nicht entsprechend verbessert. Doch geht aus dem der Klage beigelegten Wechsel unmißverständlich hervor, daß die wechselrechtliche Verpflichtung des Fünftbeklagten auf Grund eines Indossamentes in Anspruch genommen wird, und der Fünftbeklagte hat sich darüber nach dem Inhalt der erhobenen Einwendungen auch nicht im Zweifel befunden, hat er doch lediglich vorgebracht, er habe den Wechsel nur aus Gefälligkeit und - wie aus dem Zusammenhang hervorgeht - auf der Rückseite, also als Indossant, unterschrieben (und nicht, er sei weder Aussteller noch Annehmer des Wechsels gewesen). Es liegt auch hier die Berichtigung eines offensichtlichen Versehens vor. Wesentlich ist im übrigen, daß der Fünftbeklagte auf Grund einer wechselseitigen Verpflichtung in Anspruch genommen wurde; diese rechtserzeugende Tatsache wurde durch das Vorbringen in der Tagsatzung vom 17.September 1986 nicht verändert (vgl. SZ 54/156).

Es bedarf unter diesen Umständen keiner weiteren Ausführung darüber, ob die Beklagten der "Klageänderung" durch Bestreitung des ergänzenden Vorbringens der klagenden Partei zugestimmt haben und ob die "Klageänderung" gemäß § 235 Abs. 3 ZPO ungeachtet der Einwendungen der Beklagten zuzulassen gewesen wäre. Dagegen ist die im übrigen wegen § 503 Abs. 1 Zif. 2 bis 4 ZPO von den Beklagten erhobene Revision im Ergebnis berechtigt. Unter Bezug auf einen Hinweis der zweiten Instanz, die - in erster Instanz siegreichen - Beklagten könnten die von ihnen im Berufungsverfahren unterlassene Bekämpfung von für sie ungünstigen Feststellungen nachholen (der Hinweis entspricht der herrschenden Rechtsprechung seit der Entscheidung SZ 26/262), machen die Beklagten geltend, die Feststellung des Erstgerichtes, Dr.P*** habe den ihm im Wege des Dr.B*** zugekommenen Blankowechsel vervollständigt, sei - da dies niemand behauptet habe - unverständlich und überdies aktenwidrig.

Die bekämpfte Feststellung ist - neben anderen Feststellungen, wie noch ausgeführt werden wird - für die Entscheidung des Rechtsstreites von wesentlicher Bedeutung.

Da der Wechsel, der Gegenstand des Rechtsstreites ist, bei der Begebung unvollständig war, ist die Stellung des Klägers nach Art. 10 WG zu beurteilen.

Nach Art. 10 WG kann die vereinbarungswidrige Ausfüllung eines Blankowechsels dessen Inhaber nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß er den Wechsel in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.

Art. 10 WG kommt sowohl zur Anwendung, wenn der Inhaber den ursprünglich unvollständig begebenen Wechsel bereits von einem Vormann ausgefüllt erworben hat, als auch dann, wenn der Inhaber den Blankowechsel erwirbt und selbst ausfüllt (JBl. 1982, 541; SZ 52/184; Baumbach-Hefermehl, Wechselund Scheckgesetz15, 140). Bösgläubig ist der Inhaber des Wechselblanketts dann, wenn er beim Erwerb des Papiers wußte, daß das Blankett abredewidrig ausgefüllt wurde oder wenn er selbst, obwohl er beim Erwerb in Kenntnis bestehender Vereinbarungen war, das Blankett vereinbarungswidrig ausfüllt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Wechselinhaber davon wissen mußte, daß der Blankowechsel vereinbarungswidrig ausgefüllt wurde oder wird. Das trifft dann zu, wenn der Inhaber des Blanketts die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem Branchenangehörigen hätte einleuchten müssen (RdW 1987, 258). Von grober Fahrlässigkeit des Blanketterwerbers kann nur dann gesprochen werden, wenn auf die Fragwürdigkeit des Blankettnehmers hinweisende Umstände in einem solchen Maße erkennbar gewesen sind, daß sie jedem Angehörigen des betreffenden Erwerbszweiges aufgefallen wären, von ihm aber trotzdem außer Acht gelassen wurden (SZ 52/164, RdW 1987, 258). Im allgemeinen ist der Erwerber nicht verpflichtet, Erkundigungen einzuziehen (SZ 45/6), RdW, 258). Voraussetzung für das grob fahrlässige Unterlassen der Prüfung eines Wechsels auf allfällige Verdachtsmomente ist, daß dem Wechselinhaber bewußt sein mußte, er könnte zu einer solchen Prüfung allenfalls verpflichtet sein. Würde es sich um einen Vollwechsel handeln, so wäre eine Prüfung auf Verdachtsmomente entbehrlich, weil in diesem Fall dem Wechselinhaber gemäß Art. 17 WG nur dann Einwendungen aus den unmittelbaren Beziehungen zwischen dem Aussteller und einem früheren Inhaber entgegengesetzt werden könnten, wenn der Inhaber beim Erwerb des Wechsels bewußt zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat. Der Erwerber eines Wechsels handelt dann "bewußt zum Nachteil des Schuldners" im Sinne dieser Bestimmung, wenn er beim Erwerb des Papiers die Beziehungen des Schuldners kennt oder aber die dem Schuldner entstehenden Nachteile erwogen hat und in Kauf nimmt. Fahrlässigkeit reicht dagegen nicht aus. Wenn daher der Inhaber des Wechsels beim Erwerb des bereits ausgefüllten ehemaligen Blankowechsels nicht wußte oder wissen mußte, daß es sich um einen Blankowechsel gehandelt hat, kann das Unterlassen von Erwägungen betreffend Verdachtsmomenten keine grobe Fahrlässigkeit begründen, weil sich solche Erwägungen im Falle des Erwerbs eines Vollwechsels erübrigen würden (RdW 1987, 258).

Den Inhaber, der weiß, daß der Vormann das Akzept vervollständigt hat, trifft grobe Fahrlässigkeit, wenn besondere Umstände Anlaß zu - nicht aufgeklärten Zweifeln geben müßten; hier kommen insbesondere die Höhe der Wechselforderung und die Bonität, die Vertrauenswürdigkeit des Vormannes in Betracht (JBl. 1982, 541; BaumbachHefermehl aaO, 141).

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes wurde der Blankowechsel von Dr.P*** vervollständigt; nicht festzustellen vermochte das Erstgericht, ob sich Dr.S*** beim Erwerb des Wechsels bewußt war, daß der eingeklagten Wechselsumme kein Grundgeschäft zugrunde liegt. Die Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, ob sich Dr.S*** beim Erwerb des Wechsels bewußt war, daß der eingeklagten Wechselsumme kein Grundgeschäft zugrunde liegt, ist von den Beklagten auch im Revisionsverfahren unangefochten geblieben. Bösgläubiger Wechselerwerb kann Dr.S*** daher keinesfalls vorgeworfen werden.

Die genannte Negativfeststellung reicht jedoch noch nicht hin, um auch grobe Fahrlässigkeit des Dr.S*** beim Wechselerwerb auszuschließen. Wie dargelegt wurde, ist es für die Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit gegeben ist, von wesentlicher Bedeutung, ob beim Erwerb des Wechsels besondere Umstände auf die Notwendigkeit einer Prüfung des Wechsels auf Verdachtsmomente hingewiesen haben; dabei muß der Person des Vormannes besonderes Gewicht beigemessen werden.

Nicht zu verlangen war von Dr.S*** eine Prüfung des Wechsels auf allfällige Verdachtsmomente wenn er den Wechsel bereits ausgefüllt erworben hat, ohne zu wissen oder wissen zu müssen, daß es sich um einen ehemaligen Blankowechsel handelt. Wußte Dr.S*** dagegen beim Erwerb des Wechsels, daß dieser bei der Begebung unvollständig gewesen war oder mußte er dies wissen, wäre ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn ihn besondere Umstände, wie etwa Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit seines Vormannes Dr.P***, zu einer Prüfung des Wechsels hätten veranlassen müssen und diese Zweifel nicht aufgeklärt worden wären. In gleicher Weise fiele Dr.S*** grobe Fahrlässigkeit zur Last, hätte er - entsprechend den Behauptungen der Beklagten das erworbene Blankett ungeachtet derartiger Zweifel erst selbst ausgefüllt.

Die Beklagten, die die Beweispflicht für eine abredewidrige Ausfüllung, bösen Glauben oder grobe Fahrlässigkeit trifft (Baumbach-Hefermehl aaO 140), haben hiezu behauptet, Dr.S*** sei "kein unbeschriebenes Blatt", es seien gegen ihn Strafverfahren anhängig (gewesen); es liege eine "betrügerische Aktion" des "berüchtigten Dr.P***" vor, der Dr.S*** den Wechsel "zugespielt" habe. Dr.S*** habe den Wechsel selbst ausgefüllt.

Sie machen damit vor allem bösen Glauben des Dr.S*** geltend - der nicht bewiesen wurde -, aber auch Umstände, die Dr.S*** beim Erwerb des Wechsels zu besonderen

Nachforschungen im Hinblick auf eine mangelnde Vertrauenswürdigkeit seines Vormannes hätten veranlassen müssen - und zwar sowohl beim Erwerb eines bereits ausgefüllten ehemaligen Blankowechsels, als auch bei einem noch unausgefüllten Papier.

Die von den Beklagten bekämpfte Feststellung, Dr.P*** habe den Blankowechsel vervollständigt, wird deshalb vom Berufungsgericht zu prüfen sein. Darüber hinaus bedarf es jedoch im Sinne der vorstehenden Ausführungen weiterer Feststellungen, um beurteilen zu können, ob Dr.S*** beim Erwerb des Papiers grobe

Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

Der Revision war deshalb Folge zu geben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte