OGH 10ObS41/87

OGH10ObS41/8722.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Redl sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede W***, 1020 Wien, Leithastraße 22/1/1, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Hilflosenzuschuß, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 1987, GZ 32 Rs 3/87-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien in Wien vom 22. Oktober 1986, GZ 20 C 112/85-31 (20 Cgs 112/85 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 7. August 1985 wies die Beklagte den Antrag der am 16. Oktober 1922 geborenen Klägerin vom 25. April 1985 auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses zur Alterspension mit der Begründung ab, daß bei ihr eine Hilflosigkeit im Sinne des § 105 a ASVG nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 8. Oktober 1985 Klage mit dem Begehren, die Beklagte zur Leistung eines Hilflosenzuschusses im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten. Sie leide an schlechter Beweglichkeit, könne nur äußerst schwer gehen und keine Stiegen steigen oder Lasten tragen; weiters leide sie an Bluthochdruck, an einer Schrumpfniere sowie an den Folgen einer Beinoperation. Sie sei auf Grund ihres Leidenszustandes nicht mehr in der Lage, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens alleine auszuführen und wäre ohne fremde Unterstützung dem Verkommen ausgesetzt.

Die Beklagte hielt dem entgegen, daß nach den im Anstaltsverfahren eingeholten Facharztbefunden die Klägerin zwar unter Hochdruck, Hochdruckherz ohne greifbare Ausgleichsstörung der Herzkammern, fallweisen Anfällen von Brustenge und einem Zustand nach Unterschenkelamputation links sowie an Alterszucker leide, aber trotz dieser Leidenszustände nicht derart hilflos sei, daß sie ständig der Wartung und Hilfe bedürfte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es seiner Entscheidung folgende Tatsachenfeststellungen zugrundelegte:

Die Klägerin leidet an Bluthochdruck und coronarer Herzkrankheit. Urologisch besteht ausreichende Globalfunktion ohne Harninfekt, psychiatrischerseits eine depressive Verstimmung sowie Pseudoneurastenie bei Hochdruck. Chirurgisch besteht ein Zustand nach operativer Korrektur einer Spitzfußstellung im Jahre 1943 mit restierender Beweglichkeitseinschränkung ohne wesentliche Gangstörung sowie ein Zustand nach Unterschenkelamputation links im Jahre 1942. Schließlich leidet die Klägerin an Fettleber und Schrumpfniere, mitunter treten deshalb Schmerzen auf, die allenfalls einen vorübergehenden Spitalsaufenthalt bedingen könnten. Zusammenfassend ist unter Berücksichtigung sämtlicher Leidenszustände die Klägerin in der Lage, sich alleine an- und auszukleiden, die Notdurft zu verrichten, die Körperpflege zu besorgen, die kleine Leibwäsche zu reinigen, oberflächlich aufzuräumen, die Betten zu richten. Sie kann kleine Speisen, wie Eierspeisen, Würstl etc. zubereiten und vorbereitete Speisen wärmen, ausgeschlossen ist lediglich das aufwendige Kochen, mit dem die Klägerin längere Zeit, wie etwa einen halben Tag, beschäftigt ist. Die Ofenwartung ist der Klägerin möglich, ausgeschlossen ist lediglich das Entfernen der Asche aus der Wohnung. Die Klägerin ist nicht in der Lage, alleine Stiegen zu steigen, die Straße zu betreten und einzukaufen, das Verlassen der Wohnung alleine ist der Klägerin nicht möglich. All dies bezieht sich auf den Zeitpunkt der Antragstellung, die Erschwerung der Durchführung der alltäglichen Verrichtungen aus chirurgischer Sicht allein besteht seit der Unterschenkelamputation links im Jahre 1942.

Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß die Klägerin zwar insoferne eingeschränkt sei, als sie die Wohnung alleine nicht verlassen könne, im übrigen könne sie aber alle lebensnotwendigen Verrichtungen durchführen; sie sei somit nicht hilflos im Sinne des § 105 a ASVG, da sie nicht der ständigen Wartung und Hilfe bedürfe. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß ein Hilflosenzuschuß nur dann gebühre, wenn beide Kriterien des § 105 a ASVG, nämlich Wartung und Hilfe, zutreffen. Dies sei bei der Klägerin aber nicht der Fall. Sie könne die zur Aufrechterhaltung ihrer Existenz bedeutsamen ständig anfallenden Verrichtungen des täglichen Lebens zumindest im persönlichen Bereich unter zumutbaren Bedingungen selbst leisten. Zwar bedürfe sie zeitweiliger Hilfe, um die Wohnung zu verlassen, auf die Straße zu gehen und Lebensmittel einzukaufen, aber noch nicht einer ständigen Wartung. Sie könne einfache Speisen selbst zubereiten und vorbereitete Speisen wärmen, also für die Aufrechterhaltung des Gesundheitszustandes eine gewisse Abwechslung in der Speisenfolge einhalten. Für die Klägerin sei nur ein aufwendiges Kochen ausgeschlossen. Der Abtransport der Asche aus der Wohnung gehöre zum Bereich der Hilfe und nicht zu jenem der ständigen Wartung.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung, hilfsweise auf Urteilsaufhebung.

Die Beklagte stellt in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 105 a Abs 1 ASVG gebührt Beziehern einer Pension aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme der Knappschaftspension, die derart hilflos sind, daß sie ständig der Wartung und Hilfe bedürfen, zu der Pension ein Hilflosenzuschuß.

Die Mehrdeutigkeit der vom Gesetzgeber zur Umschreibung des Begriffes der Hilflosigkeit verwendeten Wörter führte zu erheblichen Auslegungsschwierigkeiten und zu einem Meinungsstreit in der Rechtsprechung und in der Lehre (vgl. die vor allem in der SVSlg und in der SSV dokumentierte Rechtsprechung und die in MGA ASVG

31. ErgLfg 606 f angeführte umfangreiche Literatur). In der Rechtsprechung vertrat das Oberlandesgericht Wien als das bis zum 31. Dezember 1986 zuständige Höchstgericht seit seinem Gutachten vom 23. November 1967 (SozM V G 1308) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Ausdrücke "Wartung" und "Hilfe" seien nicht gleichzusetzen, sondern stellten Begriffe mit gesondertem Inhalt dar. Es genüge daher nicht, daß nur eine dieser Voraussetzungen, etwa Wartung oder Hilfe, erforderlich sei, sondern es müßten Wartung und Hilfe für die Verrichtung lebenswichtiger Funktionen notwendig sein. Der Begriff "ständig" bedeute, daß Wartung und Hilfe zwar nicht täglich, aber immerhin in sich wiederholenden kürzeren Zeitabständen während eines nicht abgrenzbaren Zeitraumes notwendig sein müßten. Unter dem Begriff "Wartung" seien alle jene Handreichungen und Verrichtungen dritter Personen zu verstehen, die unbedingt erforderlich seien, um den Pensionisten vor dem sonst drohenden Untergang zu bewahren. Hiezu gehörten alle Verrichtungen, die unmittelbar die Person betreffen und nicht unterbleiben dürfen, soll nicht seine Existenz unmittelbar bedroht sein, also etwa die Hilfeleistungen beim An- und Auskleiden, bei der Körperreinigung und -pflege, beim Essen, bei der Verrichtung der Notdurft, aber auch bei der Zubereitung des Essens und der Beheizung des Wohnraums. Demgegenüber stelle sich der Begriff der "Hilfe" als der weitere dar. Es seien dies alle Verrichtungen, die mehr den sachlichen Lebensbereich betreffen, wie etwa die Besorgung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Heizmaterial, die gründliche Reinigung der Wohnung, das Waschen der Leib- und Bettwäsche und ähnliches. Die bisherige Rechtsprechung vertrat ferner die Auffassung, für die Beurteilung der Hilflosigkeit genüge eine abstrakte Betrachtungsweise. Hilflosigkeit sei ein klinischer Zustand, wobei es auf die konkreten übrigen Lebensumstände des Versicherten nicht ankomme (SVSlg 24.126, 28.818, 28.820 ua). Diese Rechtsprechung ist in der Lehre auf Kritik gestoßen. Vor allem Tomandl (Probleme des Hilflosenzuschusses ZAS 1979, 130 und Der sozialversicherungsrechtliche Schutz bei Hilflosigkeit in Die Minderung der Leistungsfähigkeit im Recht der Sozialversicherung 109 f) und Kuderna (Der Begriff der Hilflosigkeit im ASVG RdA 1968, 188 f und Entscheidungsbesprechung in RdA 1969, 169 f) wendeten sich gegen die Aufspaltung der Wortfolge "Wartung und Hilfe", wobei es nach Kuderna genügt, wenn ein Pensionsbezieher auch nur eine der lebensnotwendigen Verrichtungen infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht allein verrichten kann, während Tomandl zwar gleichfalls eine Trennung in unmittelbare und mittelbare Hilfsdienste ablehnt, aus der Höhe des Hilflosenzuschusses aber folgert, daß ein solcher dann nicht gebühre, wenn der erforderliche Betreuungsaufwand die vom Gesetzgeber eingeführte Mindestgrenze nicht erreiche. Zur Frage der konkreten oder abstrakten Betrachtungsweise meint Tomandl, dahinter stehe das Problem, bis zu welchem Ausmaß vom Hilflosen Eigenaufwendungen zu verlangen seien, um durch den Einsatz technischer Hilfsmittel seine Hilflosigkeit zu überwinden. Hiebei sei jedem Versicherten jenes Maß an Eigenvorsorge zuzumuten, das üblicherweise in seinem Lebenskreis eingesetzt wird. Kuderna meint, die Unfähigkeit zur Vornahme lebensnotwendiger Verrichtungen sei nach den konkreten Lebensumständen zu prüfen. Gegen die herrschende Zuerkennungspraxis wurden überdies schon in den Regierungsvorlagen zur 29. und 32. ASVG-Novelle Bedenken erhoben, ohne daß dies allerdings zu einer Gesetzesänderung geführt hätte. Vielmehr wurde der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Versicherungsträger ihre Zuerkennungspraxis überprüfen und geeignete Maßnahmen ergreifen würden (vgl. 404 BlgNR 13.GP 83 und 181 BlgNR 14. GP 65 f).

Die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger gemäß § 31 Abs 3 Z 20 ASVG für die Koordinierung der Beurteilung der Hilflosigkeit im Sinne unter anderem des § 105 a Abs 1 ASVG aufgestellten Richtlinien sind rein verwaltungsinterne Normen, an die nur die Träger der Pensionsversicherung, nicht aber die Gerichte gebunden sind (vgl. Tomandl, Probleme des Hilflosenzuschusses aaO 134).

Der erstmals mit diesen Fragen befaßte erkennende Senat hat zur Auslegung des § 105 a ASVG erwogen:

Nach dem grundsätzlich analog auch im Sozialrecht anwendbaren § 6 ABGB (Bydlinski in Rummel ABGB Rz 2 zu § 6) darf dem § 105 a Abs 1 ASVG in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.

Demnach ist mit der wörtlichen Auslegung zu beginnen. In den einschlägigen Wörterbüchern (Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch; Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache; Großer Duden, Sinn- und sachverwandte Wörter; Duden, Bedeutungswörterbuch2) wird das Wort "Hilfe" unter anderem mit Beistand, Unterstützung, Förderung, Stütze, Handreichung und Assistenz und das Wort "hilflos" unter anderem mit machtlos, ratlos, sich nicht zu helfen wissend, auf Hilfe angewiesen sein umschrieben. Unter "Wartung" wird unter anderem Pflege und Instandhalten und unter "warten" unter anderem jemanden pflegen, für ihn sorgen, auf etwas achten, sich um jemanden kümmern, jemanden betreuen, verstanden.

Die wörtliche Auslegung der Wortfolge "Wartung und Hilfe" trägt daher wenig zur Klärung der Frage bei, ob der Gesetzgeber damit Begriffe mit verschiedenen, klar umrissenen Inhalten verwenden wollte.

Ähnlich verhält es sich mit der historischen Auslegung:

Der durch die dritte Novelle vom 21. August 1917, RGBl. Nr. 363, eingefügte § 6 Abs 10 des Unfallversicherungsgesetzes vom 28. Dezember 1887, RGBl. Nr. 1/1888, in dem eine dem Hilflosenzuschuß entsprechende Regelung zum ersten Mal im österreichischen Recht aufscheint, lautete nämlich: "So lange der Verletzte.... derart hilflos ist, daß er fremder Pflege und Wartung bedarf..." Den Gesetzesmaterialien sind keine wesentlichen Hinweise auf die Überlegungen des Gesetzgebers zu entnehmen. Übrigens formulierten die vor dem 1. Jänner 1939 geltenden österreichischen Sozialversicherungsgesetze die Voraussetzungen der Hilflosigkeit im wesentlichen gleich wie § 105 a Abs 1 ASVG, wobei es allerdings nicht nur "Wartung und Hilfe", sondern auch "Hilfe und Wartung" hieß. Auch verwandte Regelungen des Versorgungs- und Sozialhilferechtes zeigen, daß es sich bei dem Wortpaar "Wartung und Hilfe" nicht um voneinander streng abzugrenzende Begriffe handelt. Nach § 18 Abs 1 KOVG 1957 wird zur Beschädigtenrente eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung so hilflos ist, daß er für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle ist die Höhe der Pflegezulage unter anderem nach dem für die Pflege und Wartung erforderlichen Aufwand abgestuft. Hier werden also die Wörter "Pflege und Wartung" als nähere Umschreibung des übergeordneten Begriffs der Hilfe verwendet, wie dies schon § 6 Abs 10 des Unfallversicherungsgesetzes aus 1887 getan hat.

§ 33 des nö. Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-5, wiederum bezeichnet als "pflegebedürftig", wer auf Grund eines Leidens oder Gebrechens derart hilflos ist, daß er dauernd der Wartung und Hilfe bedarf (Abs 2). Hier wird wiederum der Begriff der "Pflegebedürftigkeit" mit dem Erfordernis dauernder Wartung und Hilfe umschrieben.

Für die von der bisherigen Rechtsprechung getroffene Zuordnung der einzelnen Leistungen zu den Begriffen der Wartung und Hilfe ist daher aus dem Gesetz selbst wenig abzuleiten.

Mit Recht wurde in der Lehre auch darauf verwiesen, daß die Zuordnung der verschiedenen Leistungen zu den beiden getrennt behandelten Bereichen teilweise willkürlich war.

Anders als das Oberlandesgericht Wien hat der Verwaltungsgerichtshof zum ebenfalls verwandten, dem Versorgungsrecht angehörenden § 27 Pensionsgesetz 1965 ausgesprochen, daß zu den wesentlichen Verrichtungen nicht nur das Essen und Trinken, das An- und Auskleiden, die Körperreinigung und die Verrichtung der Notdurft gehören, sondern auch jene Tätigkeiten, welche die unmittelbaren Voraussetzungen für die Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse schaffen, also das Einkaufen der lebenswichtigen Gegenstände, welches das Erreichen der nächsten Einkaufsquelle einschließt, das Zubereiten wenigstens einfacher Speisen und Getränke und das Zurechtmachen einer Schlafstätte und daß derjenige hilflos ist, der dazu der Hilfe einer anderen Person bedarf (VwGH 25. Jänner 1973, Zl. 1427/72; VwGH 25. Jänner 1973, Zl. 1731/72, beide abgedruckt bei Gebetsroiter-Grüner, Pensionsgesetz 19652 E 288 und 289 zu § 27).

Der Oberste Gerichtshof vertritt daher die Ansicht, daß bei der Auslegung des § 105 a ASVG im Sinne der Ausführungen Kudernas (RdA 1968, 188 f) von den übergeordneten Wörtern "derart hilflos" in Verbindung mit dem Zweck des Hilflosenzuschusses auszugehen ist und die Wortfolge "Wartung und Hilfe" diesen Begriff nur näher umschreiben soll. Zweck des Hilflosenzuschusses ist es, dem Rentner oder Pensionisten, der infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht in der Lage ist, die lebensnotwendigen Verrichtungen selbst zu besorgen, den durch die Inanspruchnahme anderer Personen entstehenden Mehraufwand wenigstens teilweise zu ersetzen. Aus den beiden Wörtern "derart hilflos" ergibt sich, daß nicht jede Hilflosigkeit, sondern nur ein besonderes Maß des sich nicht helfen könnens, das mit dem Bedarf nach ständiger Wartung und Hilfe umschrieben wird, Anspruch auf Hilflosenzuschuß gibt. Deshalb ist es folgerichtig, daß Beziehern der Knappschaftspension, die dazu bestimmt ist, Einbußen am Arbeitsverdienst infolge leichter Minderung der Arbeitsfähigkeit auszugleichen, kein Hilflosenzuschuß gebührt, und daß nur Beziehern einer Vollrente aus der Unfallversicherung, also Versehrten, die völlig erwerbsunfähig sind (§ 205 Abs 1 Z 1 ASVG), ein Hilflosenzuschuß zusteht.

Daß ein Hilflosenzuschuß nur bei einem besonderen Maß von Hilflosigkeit gebührt, zeigt sich auch an seiner Höhe. Es handelt sich nämlich nicht wie etwa bei der Zusatzrente für Schwerversehrte, die nach § 205 a Abs 1 ASVG lediglich 20 v.H. der Versehrtenrente bzw. der Summe der Versehrtenrenten beträgt, um einen geringen Zuschuß zur Pension bzw. zur Vollrente, sondern um einen Zuschuß grundsätzlich im halben Ausmaß der Pension bzw. im Ausmaß der halben monatlichen Vollrente, falls nicht bestimmte Mindest- und Höchstbeträge unter- bzw. überschritten werden. Dazu sei bemerkt, daß auch die Mindesthöhe des Hilflosenzuschusses im Jahre 1987 noch 2.434 S beträgt, also den halben Richtsatz für Pensionsberechtigte, die nicht mit dem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt leben (§ 293 Abs 1 lit a, bb ASVG).

Daß es sich dabei um lebensnotwendige Verrichtungen handeln muß, ergibt sich einerseits aus den Wörtern "derart hilflos" und "ständig", andererseits aus dem Vergleich mit Regelungen auf verwandten Rechtsgebieten, wie dem § 18 KOVG 1957 und dem § 33 des nö. Sozialhilfegesetzes, wo jeweils ausdrücklich auf die lebenswichtigen Verrichtungen verwiesen wird.

Daraus ergibt sich, daß Hilflosigkeit im Sinne des § 105 a ASVG immer dann vorliegt, wenn der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage ist, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Dabei kommen jedoch jeweils nur jene Verrichtungen in Frage, die nicht allgemein von dritten Personen besorgt werden, sondern die auch nicht eingeschränkte Personen gewöhnlich selbst erledigen. Dazu zählen insbesondere die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Körperreinigung und Körperpflege, der Versorgung mit Speisen, Getränken und Medikamenten (Besorgung, Zubereitung und Verabreichung), dem Harnlassen und dem Stuhlgang, dem An- und Auskleiden, der Reinigung von Geschirr, Leib- und Bettwäsche, allenfalls auch der Kleidung, dem Aufräumen sowie der Belüftung und Beheizung des Aufenthaltsraumes, die Unterstützung beim Wechsel der Körperhaltung und bei der Fortbewegung sowie die Beaufsichtigung. Daß einige dieser Dienstleistungen sich unmittelbar auf den Körper und die Gesundheit des Rentners oder Pensionisten beziehen, andere nur mittelbar, ändert nichts daran, daß alle zum einheitlichen Begriff der Wartung und Hilfe des Behinderten gehören, der schon beim Ausfallen einer der notwendigen Leistungen in absehbarer Zeit sterben oder verkommen würde (ähnlich insbesondere Kuderna aaO).

Aus der Höhe und dem oben erwähnten Zweck des Hilflosenzuschusses folgt allerdings, daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann angenommen werden kann, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (vgl. § 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch sind wie der begehrte Hilflosenzuschuß. Denn es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, daß er einem Rentner oder Pensionsbezieher durch die Gewährung des Hilflosenzuschusses mehr geben will, als für diese notwendigen Dienstleistungen erforderlich ist. Der Hilflosenzuschuß soll ja nicht zu einer Erhöhung der Rente oder Pension führen, sondern nur den erwähnten Mehraufwand wenigstens teilweise abdecken.

Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen handelt, müssen die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden. Da jedoch auch von einem Hilflosen erwartet werden muß, daß er einen Standard hält, der unter nichthilflosen Beziehern gleich hoher Einkommen im selben Lebenskreis üblich ist (vgl. Tomandl, Probleme des Hilflosenzuschusses ZAS 1979, 138), ist bei der Schätzung des notwendigen Dienstleistungsaufwandes mindestens dieser Standard zugrunde zu legen. Nur so können lebensfremde Ergebnisse vermieden werden, etwa die Zuerkennung eines Hilflosenzuschusses an den Bewohner einer Wohnung mit Zentralheizung mit der Begründung, er könne keinen Kohleofen mehr bedienen. Andererseits wird durch die Bezugnahme auf den Lebenskreis verhindert, daß Hilflosigkeit durch Nichtausnützen zur Verfügung stehender oder im Lebenskreis üblicher Hilfsmittel künstlich geschaffen wird.

Da der Hilflosenzuschuß nach § 105 a ASVG keine Abstufungen nach dem Grad der Hilflosigkeit kennt, werden die Kosten einer nicht ständigen Wartung und Hilfe ebensowenig abgegolten, wie die den Hilflosenzuschuß übersteigenden Kosten einer außergewöhnlichen Wartung und Hilfe. Andererseits gebührt der Hilflosenzuschuß, wenn die Hilflosigkeit das im § 105 a Abs 1 ASVG umschriebene Ausmaß erreicht hat, auch dann, wenn die Kosten der ständigen Wartung und Hilfe im konkreten Fall nur deshalb geringer sind als der Hilflosenzuschuß, weil die Pflegeperson für die notwendigen Dienstleistungen nichts oder weniger als üblich verlangt, wie das zum Beispiel bei nahen Angehörigen häufig vorkommt. Der Umstand, daß Angehörige zur Betreuung vorhanden sind ist nämlich für die Gewährung des Hilflosenzuschusses ohne Bedeutung (Tomandl, Der sozialversicherungsrechtliche Schutz bei Hilflosigkeit aaO 131 mwN). Daß die im 20. Wiener Gemeindebezirk in großstädtischen Verhältnissen lebende Klägerin für die (wegen der heute üblichen Ausstattung der Haushalte mit einem Kühlschrank nicht mehr täglich erforderliche) Besorgung der Nahrungsmittel, für die nur in größeren Abständen anfallenden schweren Hausarbeiten sowie das nur in der Heizperiode anfallende Entfernen der Asche aus der Wohnung im Monatsdurchschnitt auch nur annähernd rund S 2.840 aufwenden müßte (so hoch wäre der derzeitige monatliche Durchschnitt des Mindesthilflosenzuschusses), ist auszuschließen. Ihr gebührt daher kein Hilflosenzuschuß zur Alterspension, weshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren mit Recht abgewiesen haben.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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