Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes über das Feststellungsbegehren wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es zu lauten hat:
"Zwischen den Parteien wird festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei nach Vorliegen der Steuerbescheide die auf das Rentenlegat für die Zeit von Juni 1982 bis Oktober 1986 entfallende Einkommensteuer zu bezahlen hat; die Höhe dieses Betrages ist nach dem Einkommensteuertarif so zu berechnen, als wären die jährlich zu leistenden Rentenbeträge die alleinige Einkommensteuerbemessungsgrundlage."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 21.207,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.600,65 S Umsatzsteuer und 3.600 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 5. Februar 1978 verstorbene Eugen S***-S*** setzte mit Testament vom 28. März 1973 seinen Adoptivsohn Dr. Friedrich S***-S*** zum Universalerben ein. Der Klägerin, seiner Ehegattin, vermachte er mit nachstehender Anordnung ein Rentenlegat:
"Meiner lieben Gattin Elisabeth geb. Baronin R*** vermache ich
ein Kapital von S 700.000 und eine Lebensrente in Höhe von S 20.000
pro Monat zuzüglich jener Summe, die meine Gattin an Einkommensteuer
für ein der ihr zugedachten Rente jeweils entsprechendes Einkommen
zu entrichten hätte. ..... Die in diesem Testament angeordneten
Kapital- und Rentenlegate sind wertgesichert ...... Sollten sich bei
Auslegung oder Durchführung dieses Testamentes Zweifelsfragen ergeben, bitte ich meinen Universalerben und die Testamentsvollstrecker ausdrücklich, die Bestimmungen meines Testamentes großzügig im Sinne der Empfänger auszulegen und durchzuführen."
Dr. Friedrich S***-S*** erbrachte bis zu seinem am 24. Mai 1982 erfolgten Tod die angeordneten Rentenleistungen an die Klägerin. Dkfm. Helmut F***, der sowohl Dr. Friedrich S***-S*** als auch die Klägerin steuerlich vertrat, errechnete fiktiv die auf das Legat entfallende Einkommensteuer laut Tarif und überwies die Einkommensteuer nach Vorliegen des Steuerbescheides an die Klägerin. Die Klägerin bezog und bezieht auch derzeit eine Firmenpension vom Bankhaus S***. Bei der Errechnung der Steuervergütung wurde so vorgegangen, als ob die Klägerin keine weiteren Bezüge hätte. Diese Berechnungsform wurde auf Wunsch des Dr. Friedrich S***-S*** angewandt und letztlich von der Klägerin akzeptiert. Die auf Grund des Testamentes vom 19. Mai 1982 je zu einem Viertel der beklagten Verlassenschaft abgegebenen Erbserklärungen der vier Töchter wurden mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. März 1984, 8 A 406/82-38, zu Gericht angenommen; die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft wurde ihnen überlassen.
Die Klägerin begehrt von der beklagten Verlassenschaft die Bezahlung der wertgesicherten Rentenbeträge für die Zeit vom Juni 1982 bis Oktober 1986 in der Höhe von S 2,344.670 samt Anhang und die Feststellung, daß die auf diese Beträge entfallende Einkommensteuer von der beklagten Partei der klagenden Partei zu ersetzen sei; dies gelte jedoch nicht hinsichtlich der Zinsen. Entsprechend dem klaren Wortlaut der Anordnung und der ihm folgenden mehrjährigen Praxis sei der Klägerin jene Summe zu vergüten, die sie an Einkommensteuer zu entrichten hätte, wenn ihr Jahreseinkommen in der Höhe der geleisteten Renten läge. Dies folge daraus, daß die Legatsanordnung an dieser Stelle im Konjunktiv gehalten sei. Die tatsächliche Einkommensteuerbelastung der Klägerin sei wegen ihrer anderweitigen Einkünfte immer höher gewesen. Auch die auf die Erhöhungsbeträge entfallende Einkommensteuer habe die Klägerin bisher immer selbst getragen.
Die beklagte Partei wendete ein, Zuschläge zur Rente in der Höhe der Einkommensteuerbeträge würden neuerlich eine Einkommensteuerbelastung nach sich ziehen und dadurch eine unendliche Reihe auslösen. Die Höhe der Einkommensteuervergütung sei daher konkret nicht berechenbar. Die Klägerin lege zwar ihrem Begehren eine abstrakte Berechnung zugrunde, der Erblasser habe sie aber von der tatsächlichen Einkommensteuerbelastung befreien wollen. In der bisherigen Abwicklung des Rentenlegates sei ein Anerkenntnis nicht zu erblicken.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren und dem Feststellungsbegehren statt. Ein Verbot der privatautonomen Überwälzung von Steuern auf andere Rechtssubjekte sei aus den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht abzuleiten. Auch nach § 1325 ABGB zu gewährende Renten seien dem Verletzten in der Form zu leisten, daß ihm der Betrag wie bei Fortsetzung der Werktätigkeit netto zur Verfügung stehe, ihm seien daher auch die Steuern und Abgaben für den Schadenersatzbetrag zu entrichten. Der Erblasser habe die offenkundige Absicht gehabt, die Klägerin von der Einkommensteuer frei zu halten, er habe ihr den Legatsbetrag netto zukommen lassen wollen. Es erscheine keineswegs unmöglich, diesen Willen des Erblassers zu verwirklichen. Die vom Erben angewendete abstrakte Berechnung entspreche dem vom Erblasser angestrebten Zweck.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Das Feststellungsbegehren bestätigte es mit der Maßgabe, daß es zu lauten habe: "Zwischen den Parteien wird festgestellt, daß die auf diese Beträge (mit Ausnahme der Zinsen) entfallende Einkommensteuer von der beklagten Partei der klagenden Partei zu ersetzen ist, wobei der zu ersetzende Betrag die für die Jahre 1978 bis 1980 abstrakt vom Rentennominale zuzüglich der Wertsicherung zu berechnen ist." Sowohl eine abstrakte als auch eine konkrete Berechnungsmethode der Einkommensteuervergütung sei denkbar. Nach dem Wortlaut der Legatsanordnung allein könne weder die eine noch die andere Methode ausgeschlossen werden. Die im Konjunktiv stehende Formulierung könne auch bedeuten, daß die Klägerin die Steuer eben nicht selbst tragen solle. Die abstrakte Berechnung der zu ersetzenden Einkommensteuer nur vom Renteneinkommen sei aber aus dem Zweck dieser Bestimmung ableitbar. Der Bestimmung des Rentenlegates zugunsten der Klägerin in der letztwilligen Verfügung vom 28. März 1973 liege erkennbar die Absicht des Testators zugrunde, die Versorgung seiner Frau sicherzustellen und ihr deshalb jedenfalls den monatlichen Rentenbetrag ungeschmälert zukommen zu lassen. Der Betrag sollte durch die Last der Einkommensteuer nicht verringert werden. Aus diesem Grunde sei die Legatsanordnung um den Betrag der Einkommensteuer erweitert worden. Ausgehend von dem Gedanken, daß der Klägerin zumindest der Rentenbetrag ungeschmälert zukommen solle, erscheine es angezeigt, die Einkommensteuer nur von der Rente zu berechnen, d.h. ohne Berücksichtigung anderer Einkommen. Wenn die Klägerin nur das Renteneinkommen beziehe, sei durch diese Berechnungsmethode jedenfalls sichergestellt, daß sie die Rente ungeschmälert erhalte. Die Klägerin begehre nicht jenen Betrag ersetzt, um den sich die Steuer durch die Hinzurechnung der Rente zu den anderen Einkünften erhöhe. Die durch die Steuerprogression bedingte Erhöhung der Steuer trage somit die Klägerin. Dieses Ergebnis sei mit dem Willen des Erblassers vereinbar, weil die anderen Einkünfte die Versorgung der Klägerin bewirkten. Durch diese Berechnungsmethode sei aber gesichert, daß die Klägerin dann, wenn sie keine anderen Einkünfte habe, die Rente ungeschmälert erhalte. Diese Methode sei auch deshalb naheliegend, weil es zweifellos dem Willen des Erblassers entspreche, eine leicht handhabbare Methode zur Berechnung des Steuersatzes zu bestimmen und nicht die komplizierte konkrete Berechnungsmethode, bei der auf die jährlich wechselnden anderen Einkünfte unter Berücksichtigung aller einkommensteuerrechtlich relevanten Faktoren abgestellt werden müßte. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses werde durch die zwischen den Erben und der Klägerin jahrelang praktizierte Übung bestätigt. Das Erstgericht habe unbekämpft festgestellt, daß die abstrakte Berechnungsform auf Wunsch des Erben angewendet und von der Klägerin akzeptiert worden sei. Es liege somit in dieser Frage eine zumindest schlüssige Willenseinigung zwischen Gläubiger und Schuldner der Legatsverpflichtung vor, durch die allenfalls mögliche Probleme bei der Auslegung des letzten Willens beseitigt worden seien. Die von der Berufung aufgezeigte Möglichkeit, daß es auch bei der abstrakten Berechnung vorkommen könne, daß die beklagte Partei einen höheren Betrag als die tatsächliche Einkommensteuer ersetzen müsse, sei zwar vorhanden, doch zeige ein kurzer Blick in die Einkommensteuerbescheide der Klägerin, daß eine konkrete Gefahr in dieser Richtung nicht bestehe. Die bloße Möglichkeit, daß unter besonderen Verhältnissen die abstrakte Berechnungsmethode sich für den Erben nachteilig auswirken könne, rechtfertige nicht das von der beklagten Partei gewünschte Ergebnis, daß die Legatsanordnung zur Gänze oder doch zumindest für den Einkommensteuerersatz unwirksam sein solle. Durch die abstrakte Berechnungsmethode werde auch den berechtigten Interessen des Erben in ausreichendem Maße Rechnung getragen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Die Interpretation einer Vermächtnisanordnung hat sich wie die jeder letztwilligen Verfügung am zu erforschenden subjektiven Willen des Erblassers zu orientieren (NZ 1986, 85; MietSlg 34.064;
SZ 50/19; JBl 1977, 602; SZ 38/221; SZ 38/144 uva; Welser in Rummel, ABGB, Rz 7 zu §§ 552, 553; Weiß in Klang2 III 530;
Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3 122; Gschnitzer-Faistenberger, Erbrecht2 32). Eine letztwillige Anordnung ist immer so auszulegen, daß der vom Erblasser erstrebte Erfolg eintritt (NZ 1986, 85;
SZ 46/34; Weiß aaO 226). Der Erblasser gab nun im letzten Absatz
seines Testamentes selbst eine Auslegungsregel: Die Bestimmungen
seines Testamentes sollten großzügig im Sinne der Empfänger
ausgelegt und durchgeführt werden. Die Verfügung des Erblassers, daß neben dem wertgesicherten Nominalbetrag zuzüglich jene Summe zu bezahlen sei, "die meine Gattin an Einkommensteuer für ein der ihr zugedachten Rente jeweils entsprechndes Einkommen zu entrichten hätte", verweist unmißverständlich auf eine fiktiv zu entrichtende Einkommensteuer und nicht auf die tatsächlich zu entrichtende. Dies läßt den Schluß auf die Absicht des Erblassers zu, daß die Höhe des zu bezahlenden weiteren Rentenbetrages unabhängig von der tatsächlich zu bezahlenden Einkommensteuer (oder der auf das Legat verhältnismäßig entfallenden Einkommensteuer) so zu berechnen ist, als wäre das Rentenlegat - ohne Bedachtnahme auf
Sonderausgaben - ident mit dem zu versteuernden Einkommen. Mit einer solchen Berechnungsart war auch die Klägerin über Wunsch des Erben einverstanden. Diese der Anordnung des Erblassers Rechnung tragende Berechnungsmethode ist auch von der beklagten Partei als Rechtsnachfolgerin des Erben anzuerkennen. Der Befolgung dieser Anordnung stehen keine von der Revision auch nicht näher ausgeführten steuerrechtlichen Erwägungen entgegen. Es mag zwar sein, daß wegen anderer Einkünfte unter Berücksichtigung von bei diesen allenfalls aufgetretenen Verlusten (§ 2 Abs 2 EStG 1972) in einzelnen Jahren die tatsächliche Steuerbelastung geringer als die bloß auf die Rente entfallende Einkommensteuer sein könnte. Abgesehen davon, daß bis jetzt ein solcher Fall nicht eingetreten ist, sondern die bezahlten Beträge nicht ausreichten, die auf das Rentenlegat tatsächlich entfallende Einkommensteuer zu bezahlen, ist nicht erkennbar, daß der Erblasser darauf Bedacht nehmen wollte. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor. Der Revision ist nicht Folge zu geben. Der Spruch des Feststellungsbegehrens ist insoweit klarer zu fassen, als aus dem Spruch allein ohne Hinweis auf eine bisher geübte Praxis die Art der Berechnung zu entnehmen sein muß.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)