Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 17. Jänner 1982 kam es um ca. 15.45 Uhr auf der präparierten Piste Nr. 2 im Bereich des Gaislachliftes im Gemeindegebiet von Sölden zu einem Schiunfall zwischen Siegfried W*** und Gotthard G***, bei dem Siegfried W*** tödliche Verletzungen erlitt. Der beim Unfall ebenfalls schwer verletzte Gotthard G*** war Liftangestellter der beklagten Partei. Er wurde wegen dieses Unfalls wegen Vergehens der fahrlässigen Tötung rechtskräftig verurteilt. Ihm wurde angelastet, daß er als Schifahrer infolge überhöhter Geschwindigkeit und mangelnder Aufmerksamkeit beim Befahren einer unübersichtlichen Geländestelle Siegfried W*** angefahren und dadurch fahrlässig dessen Tod herbeigeführt habe.
Die beklagte Partei betrieb den Gaislachlift. Ihr oblag auch die Präparierung der zur Talstation dieses Liftes führenden Piste Nr. 2. Siegfried W*** war zum Unfallszeitpunkt bei der klagenden Partei pflichtversichert.
Die klagende Partei begehrt den Ersatz des Schillinggegenwertes von DM 49.721,12 sA und die Feststellung, daß die beklagte Partei für alle Leistungen zu haften habe, welche die klagende Partei auf Grund des tödlichen Unfalls vom 17. Jänner 1982 für die Witwe des Getöteten und dessen Kinder Dirk und Heike künftig zu erbringen habe. Die klagende Partei brachte vor, Siegfried W*** habe die Piste Nr. 2 etwa 300 m oberhalb der Talstation des Gaislachliftes aus Richtung Gaislachalm kommend etwa 15 m unterhalb eines dort befindlichen Geländerückens überqueren wollen. Er habe dabei den vom Gasthof Gaislachalm in Richtung Talstation (Gaislachlift) führenden Weg benützt, an dem der Wegweiser mit der Aufschrift "Sölden" angebracht gewesen sei. Es habe sich hiebei um einen entsprechend angelegten und gekennzeichneten Schiweg gehandelt. Der Liftangestellte Gotthard G*** sei um diese Zeit mit seinen Schiern auf der Piste Nr. 2 in Schußfahrt talwärts unterwegs gewesen. Die durch die Geländeformation beeinträchtigte Sicht hätte G*** entsprechend berücksichtigen und die beklagte Partei zur Aufstellung entsprechender Warntafeln veranlassen müssen. G***
sei aber mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Geländerücken zugefahren und habe offensichtlich den darunter befindlichen Weg überspringen wollen. Siegfried W*** habe keine Möglichkeit gehabt, eine Kollision zu vermeiden. Das Alleinverschulden an dem Unfall treffe Gotthard G***. Dieser habe sich zum Unfallszeitpunkt im Dienst befunden, weshalb die beklagte Partei gegenüber Siegfried W*** als ihrem Kunden und der klagenden Partei für Gotthard G*** als Erfüllungsgehilfen hafte. Die klagende Partei habe sowohl für die Ehefrau des Getöteten wie auch für dessen Kinder als Pflichtversicherer Renten und Krankenversicherungsbeiträge geleistet, die bis zum Klagetag die Klageforderung ergäben. Es bestehe auch für die Zukunft ein gesetzlicher Anspruch der Witwe und der Waisen auf entsprechende Leistungen, deren Umfang allerdings noch nicht abgesehen werden könne. Gemäß § 1542 RVO seien die Ersatzansprüche der Hinterbliebenen gegen die beklagte Partei auf die klagende Partei übergegangen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Den beim Schiunfall getöteten Siegfried W*** treffe am Zustandekommen des Unfalls ein Mitverschulden von 50 %. Gotthard G*** sei vor dem Unfall mit dem Gaislachlift bergwärts gefahren und habe als Angestellter der beklagten Partei die Schleppliftspur kontrolliert. Nach dieser Tätigkeit sei Gotthard G*** auf der Piste Nr. 2 talwärts gefahren. Da diese Fahrt bereits kurz vor Betriebsschluß des Schleppliftes durchgeführt worden sei, sei er allein auf der Piste gewesen. Er sei deshalb relativ schnell auf der im Bereich der späteren Unfallsstelle nicht besonders steilen Abfahrt gefahren. Gotthard G*** habe plötzlich unmittelbar unter einem Geländerücken Siegfried W*** von rechts nach links die Piste überqueren gesehen; er habe noch versucht, den Unfall zu verhindern, doch sei es für eine wirksame Abwehrhandlung bereits zu spät gewesen. Daß Siegfried W*** die - bestens präparierte - Piste Nr. 2 unterhalb eines Geländerückens, einer schmalen Schispur folgend, habe überqueren wollen, stelle einen Verstoß gegen die FIS-Regel Nr. 5 dar, wonach ein Schiläufer nur dann in eine Abfahrtsstrecke einfahren bzw. ein Schigelände queren dürfe, wenn er sich nach oben entsprechend vergewissert habe. Es wäre Siegfried W*** bei entsprechender Aufmerksamkeit frühzeitig möglich gewesen, Gotthard G*** wahrzunehmen. Die beklagte Partei bestritt den geltend gemachten Schaden und das Feststellungsbegehren. Der beklagten Partei sei nicht bekannt, inwieweit die Klägerin aktiv klagslegitimiert sei. Die beklagte Partei bestritt auch ihre Passivlegitimation. Dirk W*** sei selbsterhaltungsfähig. Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen (die Klagsausdehnung AS 15 wurde nicht beachtet) ab und traf folgende Feststellungen:
Die Unfallsstelle liegt im Schigebiet von Sölden auf der mittelschweren Piste Nr. 2, der Abfahrt von der Bergstation des Gaislachliftes, die ein 1 m breiter Weg kreuzt. Von diesem Weg aus kann man einen Schifahrer, der von der Schiabfahrt 2 kommt, erst erkennen, wenn er an der Kante ist. Der Höhenunterschied vom Weg bis zur Kante beträgt 15 m. Auf das Gelände oberhalb der Kante hat man, wenn man den beschriebenen Weg benützt, überhaupt keine Sicht. Das Ehepaar Siegfried und Dietlinde W*** trat zusammen mit dem befreundeten Ehepaar Hans Edgar und Gerda F*** am 16. Jänner 1982 einen Schiurlaub im Raum Sölden an; sie hielten sich zum ersten Mal in diesem Gebiet auf. Am Unfallstag erwarben beide Ehepaare Schipässe, fuhren Schi und kehrten gegen 15 Uhr in der Gaststätte auf dem Gaislachkogel ein, wo sie Kleinigkeiten zu sich nahmen und gegen 15.30 Uhr gemeinsam auf einem markierten Weg in Richtung Sölden abfuhren. Die Schispur auf dem Weg, der sie folgten, war von anderen Schiläufern, jedoch nicht von der beklagten Partei angelegt worden. Ein Wegweiser mit der Aufschrift "Sölden", der sich etwa 400 m von der Unfallsstelle entfernt befindet, ist vom Besitzer des Gasthofes Gaislachalm angebracht worden. Der Weg kreuzt die Piste in waagrechter Weise. Bei Annäherung an die Piste Nr. 2 bewegten sich die vier Schiläufer hintereinander, und zwar in der Reihenfolge Hans Edgar F***, Siegfried W***, Gerda F*** und Dietlinde W***. Als Edgar F*** die Piste Nr. 2 bereits überquert hatte, begann Siegfried W*** mit deren Überquerung. Gotthard G***, der zum Unfallszeitpunkt bei der beklagten Partei beschäftigt war, hatte mit einem Hobel die Spur des Gaislachalmschiliftes ausgebessert und sodann eine Kontrollfahrt mit dem Lift durchgeführt, um die Spur zu überprüfen. Er befand sich auf der Abfahrt von der Bergstation des Lifts und wollte zur Einstiegstelle zurückkehren, um dort wieder seine Arbeit als Einstiegshilfe aufzunehmen.
Als Siegfried W*** mit dem Überqueren der Piste begonnen hatte, näherte sich Gotthard G*** in Schußfahrt dieser Stelle, zog kurz vor dem Geländerücken nach rechts und stieß, als er den Geländerücken mit angezogenen Beinen übersprang, mit Siegfried W*** zusammen. Dieser erlitt dadurch eine schwere Kopfverletzung, der er auf dem Transport ins Krankenhaus erlag. Er hinterließ seine Ehefrau Dietlinde und zwei Kinder, Dirk, geboren am 5. Februar 1966, und Heike, geboren am 22. September 1970, für welche die klagende Partei Witwen- und Waisenrenten sowie die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung auf Grund entsprechender gesetzlicher Grundlagen leistet.
Eine weitere Möglichkeit für die Ehepaare W*** und F***, nach Sölden abzufahren, hätte darin bestanden, den Gaislachalmlift zu benützen. Zum Unfallszeitpunkt waren im Unfallsbereich weitere Schiläufer nicht vorhanden, doch war der Schilift noch in Betrieb. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Aktivlegitimation der klagenden Partei, weil die im § 1542 RVO normierte Legalzession durch Art. 43 des Abkommens vom 22. Dezember 1966 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die soziale Sicherheit samt Schlußprotokoll in der Fassung des ersten Zusatzabkommens vom 10. April 1969, BGBl. Nr. 382/69, und des zweiten Zusatzabkommens vom 29. März 1974, BGBl. Nr. 280/75, anerkannt sei. Die Haftung für einen Erfüllungsgehilfen gemäß § 1313 a ABGB bestehe nicht nur dann, wenn zur Erfüllung der Hauptpflicht ein Gehilfe tätig werde, sondern auch, wenn die Erfüllung der mit einem Schuldverhältnis verknüpften Schutz- und Sorgfaltspflichten einem anderen übertragen werde.
Wesentlich für die rechtliche Beurteilung des Streitfalles sei jedoch, daß sich Siegfried W*** zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem von der beklagten Partei für ihre Kunden bereitgestellten Schigelände befunden habe, sondern einem von anderen Schifahrern angelegten Schiweg gefolgt sei. Siegfried W*** habe zwar einen gültigen Schipaß gehabt, zum Unfallszeitpunkt die Piste aber nur zufällig und ohne dabei Kunde der beklagten Partei zu sein überquert. Der Unfall sei damit in keinem wie immer gearteten Zusammenhang mit der Vertragsbeziehung zwischen Siegfried W*** und der beklagten Partei gestanden.
Behauptungen in Richtung einer Haftung der beklagten Partei nach § 1315 ABGB habe die klagende Partei nicht aufgestellt. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000 übersteige. Die Auffassung des Erstgerichtes, der Unfall könne nicht in einem Zusammenhang mit der auf Grund des Schipasses bestehenden Vertragsbeziehung zwischen Siegfried W*** und der beklagten Partei gebracht werden, halte einer Überprüfung nicht stand. Die beklagte Partei sei auf Grund des von Siegfried W*** gelösten Schipasses zwar primär zur Beförderung des Genannten auf ihren Liftanlagen verpflichtet gewesen. Diese Beförderung sei jedoch gerade zu dem Zweck erfolgt, die Benützung der Schipisten zu ermöglichen. Deren Sicherung stelle daher eine vertragliche Nebenpflicht dar. Gotthard G*** sei als Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei tätig gewesen. Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen nach § 1313 a ABGB greife immer dann Platz, wenn der Gehilfe mit Willen des Schuldners im Rahmen der diesem obliegenden Verbindlichkeit tätig werde und wenn es sich um einen Schaden handle, der durch den Gehilfen bei der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen zugefügt werde. Der Geschäftsherr hafte zwar nicht für Schäden, die ohne inneren sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllungshandlung bloß gelegentlich derselben vom Gehilfen verursacht werden. Die Bestimmung des § 1313 a ABGB sei aber nicht nur anwendbar, wenn ein Gehilfe zur Erfüllung der Hauptleistungspflicht herangezogen werde, sondern auch, wenn die Erfüllung der mit einem Schuldverhältnis verknüpften Schutz- und Sorgfaltspflichten einem anderen übertragen werde. Auch vorsätzliche unerlaubte Handlungen in Erfüllung einer vertraglichen Pflicht könnten vom Erfüllungsgehilfen in einer dem Schuldner zurechenbaren Weise begangen werden. Hiefür werde jedoch ein innerer Zusammenhang der schädigenden Handlung des Erfüllungsgehilfen mit der Vertragserfüllung gefordert und jene Schädigung ausgeschlossen, die der Gehilfe dem Gläubiger nur gelegentlich der Erfüllung zufüge und die einer selbständigen unerlaubten Handlung entspringe. Gotthard G*** habe sich zum Unfallszeitpunkt im Dienst befunden und eine Tätigkeit besorgt, die innerhalb des von der beklagten Partei übernommenen Pflichtenkreises gelegen sei. Die Vertragsbeziehung zwischen Siegfried W*** und der beklagten Partei sei nicht dadurch aufgehoben worden, daß er die Piste Nr. 2 nur gequert habe. Die vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten eines Liftunternehmers dauerten solange an, als sich ein Kunde im Gefahrenbereich der Liftanlage und der dazugehörigen Abfahrtsstrecken befinde. Das Verschulden des Liftangestellten Gotthard G*** stehe auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilung fest. Es sei besonders erschwerend, daß Gotthard G*** dem elementaren Gebot des Fahrens auf Sicht zuwidergehandelt habe. Siegfried W*** könne ein unfallkausales Verschulden nicht zum Vorwurf gemacht werden. Zwar habe er beim Einfahren in die Piste den Vorrang der sie benützenden Schifahrer zu wahren gehabt. Mangels einer über die Geländekante hinausreichenden Sicht sei ihm aber nichts anderes übrig geblieben, als die Piste unterhalb der Geländekante langsam zu queren. Da entsprechend ausgefahrene und mit Wegweisern versehene Schispuren vorhanden gewesen seien, habe für W*** kein hinreichender Anlaß bestanden, eine andere Route zu wählen. Bei Fortsetzung des Verfahrens werde das Erstgericht Feststellungen zur Höhe des geltend gemachten Schadens zu treffen haben.
Die beklagte Partei bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragt, ihn aufzuheben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Die beklagte Partei macht geltend, Siegfried W*** sei nach der Einkehr in einem nicht der beklagten Partei zuzuordnenden Gasthaus außerhalb der von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Pisten auf einem vom Gasthausbesitzer zur Verfügung gestellten unbedeutenden Schiweg nach Sölden unterwegs gewesen. Er habe dabei Leistungen der beklagten Partei nicht mehr in Anspruch nehmen wollen und auch nicht mehr in Anspruch genommen. Ein Zusammenhang mit einer Leistungsverpflichtung der beklagten Partei sei daher nicht gegeben. Es sei Zufall, daß der am Unfall mitbeteiligte Schifahrer Gotthard G*** Bediensteter der beklagten Partei gewesen sei; der Unfall hätte sich in gleicher Weise zugetragen, wäre Gotthard G*** nicht bei der beklagten Partei angestellt gewesen. Der Unfall sei ohne inneren sachlichen Zusammenhang mit einer die beklagte Partei treffenden Erfüllungshandlung geschehen. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe für die beklagte Partei gegenüber dem die Piste querenden Siegfried W*** keine Verpflichtung zu einer bestimmten Leistung bestanden. Das Revisionsgericht pflichtet diesen Ausführungen nicht bei. Die beklagte Partei stellt nicht in Frage, daß sie durch den mit Siegfried W*** abgeschlossenen Beförderungsvertrag nicht nur die vertragliche Nebenverpflichtung übernommen hatte, ihn vor Schäden an der körperlichen Unversehrtheit während der Beförderung zu bewahren, sondern auch die weitere Verpflichtung, den von ihr organisierten Schiraum, das sind die ausdrücklich oder schlüssig gewidmeten Schipisten, dieser Qualifikation entsprechend zu sichern (EvBl. 1979/1, SZ 54/183). Es trifft nicht zu, daß Siegfried W*** die Leistungen der beklagten Partei - die Zurverfügungstellung einer sicheren Abfahrtsstrecke - zur Zeit des Unfalls nicht mehr in Anspruch genommen habe. Bei Benützung des von ihm gewählten Weges nach Sölden war die Querung der "Piste Nr. 2" nicht zu vermeiden. Bei dieser Querung aber befand sich Siegfried W*** im Bereich einer von der Schutzpflicht der beklagten Partei erfaßten Abfahrtsstrecke. Es kann keinen Unterschied machen, ob er die Piste auf einem längeren oder kürzeren Abschnitt benützt hat.
Rechtliche Beurteilung
In zutreffender Weise hat das Berufungsgericht die Ansicht vertreten, Gotthard G*** sei zum Unfallszeitpunkt als Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei im Sinne des § 1313 a ABGB tätig gewesen. Gotthard G*** hatte den Auftrag, die Spur des Schleppliftes zu kontrollieren und auszubessern und sodann wieder den Liftbenützern beim Einsteigen in den Lift behilflich zu sein. Seine Abfahrt von der Berg- zur Talstation war erforderlich, um nach Durchführung der einen Aufgabe seinen weiteren Pflichten nachkommen zu können. Gewiß haftet der Geschäftsherr nicht für beliebige Akte seines Gehilfen, sondern nur für Schädigungen, die in Ausführung der Leistung entstehen und nicht bloß gelegentlich der Erfüllung zugefügt werden (SZ 51/108). Die Haftung des Geschäftsherrn ist damit zu rechtfertigen, daß jener, der durch die Einschaltung von Gehilfen seinen geschäftlichen Aktionsradius erweitert und somit Vorteile hat, auch in vollem Umfang das damit verbundene Risiko tragen muß. Der Gläubiger darf nicht dadurch schlechter gestellt werden, daß der Schuldner nicht selbst erfüllt, sondern die Leistung durch einen Gehilfen erbringen läßt (Koziol-Welser, Grundriß I7, 416 f). Die Haftung des Geschäftsherrn für Delikte des Gehilfen ist zu bejahen, wenn das Delikt nicht außerhalb des vom Geschäftsherrn übernommenen Pflichtenkreises liegt und eine typisch nachteilige Folge darstellt, mit der beim Einsatz eines Gehilfen im allgemeinen gerechnet werden muß (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 345; SZ 32/153; SZ 51/55; JBl. 1986, 793). Die beklagte Partei hatte dem Liftangestellten die Aufgabe übertragen, die Schleifliftspur zu kontrollieren und dann zur Einstiegstelle zurückzukehren. Zu seinem Dienst gehörte demnach auch die Zufahrt dorthin über die Piste Nr. 2. Da dort auch mit anderen Schifahrern gerechnet werden mußte, gehörte auch die Beachtung deren Sicherheit zu den Aufgaben des Angestellten, so wie die beklagte Partei auch bei eigener Besorgung dieser Aufgabe die gleiche Sorgfaltspflicht zu erfüllen gehabt hätte. Die beklagte Partei haftet daher für das Verhalten ihres Beschäftigten auf dieser Fahrt.
Ein Verschulden des Gotthard G*** an dem Unfall steht bereits durch das Strafurteil fest. Der zweiten Instanz kann aber nicht darin gefolgt werden, daß Siegfried W*** kein Mitverschulden treffe. Von verschiedenen Institutionen und Autoren wurden Verhaltensvorschriften für Schifahrer ausgearbeitet, wie etwa die Bestimmungen des vom Österreichischen Kuratorium für Sicherheit vor Berggefahren erarbeiteten Pistenordnungsentwurfs (POE-Regeln) oder die FIS-Regeln. Es handelt sich hiebei zwar nicht um gültige Rechtsnormen, insbesondere auch nicht um Gewohnheitsrecht; doch kommt ihnen als sachkundige Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schilaufes im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind, und bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, daß sich jeder so verhalten muß, daß er keinen anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zu (JBl. 1983, 258). Nach der FIS-Regel 3 hat der von hinten kommende Schifahrer seine Fahrspur so zu wählen, daß er vor ihm fahrende Schifahrer nicht gefährdet. In gleicher Weise statuiert § 8 des POE, daß der hintere, schnellere Schifahrer seine Fahrweise dem vorderen, langsameren Schifahrer anzupassen und daß dieser Vorrang gegenüber dem hinteren Fahrer hat.
Nach der FIS-Regel 5 muß sich jeder Schifahrer, der in eine Abfahrtsstrecke einfahren oder ein Schigelände queren will, nach oben und unten vergewissern, daß er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann; dasselbe gilt nach jedem Anhalten. Der POE unterscheidet: Nach § 4 POE trifft den anfahrenden oder in einer Schipiste einfahrenden Schifahrer gegenüber den abfahrenden Schifahrern die Beobachtungs- und Wartepflicht; er hat sich auch davon zu überzeugen, daß er ohne Gefährdung Nachkommenden den Lauf beginnen oder fortsetzen kann. Von dem die Piste querenden Schiläufer fordert der zweite Satz des § 8 POE dagegen nur, daß er auch nach oben beobachtet und auf von oben kommende Läufer Rücksicht nimmt.
Während § 4 POE die Pflicht des in eine Piste einfahrenden und des auf einer Piste losfahrenden Schifahrers übereinstimmend mit dem diesbezüglichen Inhalt der FIS-Regel 5 als Vorrangregel formuliert, ist demnach in § 8 POE die Sorgfaltspflicht des Querenden im Rahmen der Grundregel vom Vorrang des vorderen, langsameren Schifahrers gegenüber dem nachkommenden, schnelleren Schifahrer als Pflicht zur besonderen Aufmerksamkeit und Rücksicht ohne Umkehrung des allgemeinen Vorranggrundsatzes entworfen.
Es trifft zu, daß der Oberste Gerichtshof mehrmals ausgesprochen hat, daß (nicht nur der in die Piste einfahrende, sondern auch) der die Piste querende Schifahrer den Vorrang der die Abfahrtspiste benützenden Schifahrer respektieren müsse, und daß letztere sich darauf verlassen können (SZ 44/178; JBl. 1983, 258; zuletzt ZVR 1986/135 im Fall einer Pistenkreuzung). Mit Recht weisen aber Pichler-Holzer, Handbuch des österreichischen Schirechts, 172 ff bes. 174 darauf hin, daß sich diese Auffassung zwar auf den Wortlaut der FIS-Regel 5, nicht aber auf § 8 POE stützen könne und daß mit dem im § 8 POE an den querenden Schifahrer gerichteten Sorgfaltsgebot nicht ausgedrückt werde, daß die von oben kommenden Schifahrer diesem gegenüber Vorrang hätten. Ihren ausführlichen Erwägungen, daß durch dieses Sorgfaltsgebot an der allgemeinen Grundregel, wonach der von oben kommende Schifahrer seine Fahrweise auf die vor ihm befindlichen Personen einzustellen hat, nicht gerüttelt werden sollte, und daß ein Vorrang des die Abfahrtspiste benützenden Schifahrers gegenüber einem die Piste querenden Schifahrer den faktischen Gegebenheiten beim Pistenschilauf nicht entspreche, da im Fall einer Vorrangumkehrung bei den querenden wie bei den abfahrenden Schifahrern nicht ungefährliche Unklarheiten auftreten würden, zumal es für den abfahrenden Läufer durchaus nicht immer erkennbar sei, ob der untere die Piste quere oder sich in einer flachen Schrägfahrt zwischen zwei Schwüngen bewege (Pichler-Holzer aaO 176), schließt sich der erkennende Senat an. Er vertritt die Ansicht, daß bei einem Kollisionsunfall, wie vorliegendenfalls auf Seiten des Querenden keine Vorrangverletzung, sondern nur die Verletzung einer besonderen Beobachtungs- und Vorsichtspflicht in Betracht kommt ((Pichler-Holzer aaO 177; vgl. auch JBl. 1984, 673). Nach den Feststellungen hatte Siegfried W***, als Gotthard G*** sich der späteren Unfallstelle näherte, mit dem Überqueren der Piste begonnen. Auch im Rekurs wird davon ausgegangen, daß W*** beim Überqueren der Piste (und nicht etwa erst beim Einfahren in diese) war. Die beklagte Partei hat im übrigen weder behauptet, noch bewiesen, daß Siegfried W*** sich erst beim Einfahren in die Piste befunden hätte.
Hier kommt als wesentlicher Umstand hinzu, daß durch die festgestellte, sichtbehindernde Geländekante oberhalb der Querungsstelle sowohl die Sicht von oben auf jenes Geländestück, das Siegfried W*** durchfuhr, als auch von unten auf die von oben kommenden Schiläufer vollständig genommen war. Auf diesen Umstand hätten beide Schiläufer Bedacht zu nehmen gehabt. Nach § 5 POE (im wesentlichen gleich mit FIS-Regel 2) hat der Schifahrer so kontrolliert zu fahren, daß er jedem Hindernis ausweichen oder vor diesem anhalten kann und insbesondere die Fahrgeschwindigkeit seinem Können, dem Gelände, der Schneebeschaffenheit und dem Vorhandensein anderer Personen anzupassen; nach § 6 POE hat der Schifahrer während der Fahrt das Gelände und die anderen Personen vor sich ständig zu beobachten, alle möglichen Hindernisse zu berücksichtigen und auf Sicht zu fahren - eine Regelung, die so selbstverständlich ist, daß ihre Festlegung fast überflüssig erscheint (Pichler-Holzer aaO 165); geht es doch hiebei um eine der wichtigsten Anforderungen an das Verhalten beim Pistenschilauf. An unübersichtlichen Stellen der Piste darf sich andererseits ein Schifahrer nach der FIS-Regel 6 und § 11 POE nicht ohne Not aufhalten. Da diese Regel der besonderen Gefahr begegnen soll, die ein Hindernis an solchen neuralgischen Punkten einer Piste darstellt, ist auch das Queren der Piste an unübersichtlichen Stellen zu unterlassen.
Diese Gebote wurden von beiden Schifahrern nicht beachtet:
Gotthard G*** übersprang in Schußfahrt eine Geländekante, die ihm die Sicht auf die dahinterliegende Senke verwehrte, und nahm sich so die Möglichkeit, einem dort befindlichen Hindernis auszuweichen; Siegfried W*** querte die Piste, nachdem er von einer Nicht-Piste in diese eingefahren war, an einer Stelle, an der er von oben kommende Schifahrer nicht sehen und daher auf diese auch nicht Rücksicht nehmen konnte. Es ist auch nicht richtig, daß er, wie die zweite Instanz meint, keine andere Möglichkeit hatte, als die Piste an der Unfallstelle zu queren. Er hätte der gefährlichen Stelle ohne Schwierigkeit sowohl nach unten als auch besonders nach oben ausweichen und sich damit ausreichende Sichtverhältnisse verschaffen können.
Bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens wiegt jenes des Gotthard G*** deutlich schwerer, da sein krasser Verstoß gegen das Gebot des kontrollierten Fahrens und des Fahrens auf Sicht zur Folge hatte, daß er den Vorrang des die Piste querenden Siegfried W*** nicht beachten konnte. Das Mitverschulden des Siegfried W***, das darin liegt, daß er zum Queren der Piste eine Strecke wählte, auf der er nicht die Möglichkeit hatte, von oben kommende Schiläufer zu sehen, sodaß er auch nicht auf sie Rücksicht nehmen konnte, wie von ihm zu verlangen gewesen wäre, ist dem gegenüber geringer zu beurteilen. Eine Aufteilung des Verschuldens im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten des Liftangestellten und damit zu Lasten der beklagten Partei erscheint angemessen.
Die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung erweist sich auch in diesem Fall aus den im Aufhebungsbeschluß angeführten Gründen als notwendig.
Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.
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