Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Hermine S*** starb am 23.1.1983 unter Hinterlassung eines Testamentes vom 16.11.1981, in dem sie ihren Neffen Meinhard L*** und ihre Nichte Ulrike B*** zu gleichen Teilen zu Erben einsetzte. Nach dem Inventar (ON 11) betragen die Nachlaßaktiven S 877.448,01 und die Nachlaßpassiven S 87.131,40, sodaß sich ein Reinnachlaß von S 790.316,61 ergibt. Die Nachlaßaktiven bestehen im wesentlichen aus einem halben Anteil an der Liegenschaft EZ 139 KG Stein im Werte von S 582.000 und einem Sparguthaben von rund S 277.000. Der erblasserische Witwer Martin S*** war mit Beschluß des Bezirksgerichtes Krems/Donau vom 30.8.1978 wegen Geisteskrankheit und Alkoholmißbrauches beschränkt entmündigt worden. Sein Pflichtteil beträgt aufgrund des Inventars S 256.716,87 und wurde an seinen Sachwalter bereits bezahlt.
Der erblasserische Witwer beantragte die Nachlaßseparation mit der Begründung, daß ihm nach § 796 ABGB ein Unterhaltsanspruch gegen die Erben zustehe. Dieser Anspruch sei gefährdet, weil Meinhard L*** Student und Ulrike B*** Hausfrau sei und beide über kein Einkommen verfügten. Da beide in Graz wohnhaft seien, hätten sie ein Interesse an der Verwertung der in den Nachlaß fallenden Liegenschaftshälfte. Es habe bereits eine Besichtigung mit Kaufinteressenten stattgefunden, sodaß Kaufanbote zu erwarten seien.
Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Separationsantrag statt. Er nahm an, daß die Erben interessiert seien, die in den Nachlaß fallende Liegenschaftshälfte zu verwerten, sodaß ein künftiger Unterhaltsanspruch des erblasserischen Witwers gefährdet sei. Mit einem solchen Unterhaltsanspruch müsse nach den Einkommensund Vermögensverhältnissen des erblasserischen Witwers gerechnet werden.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne einer Abweisung des Separationsantrages im wesentlichen mit der Begründung ab, daß allfällige künftige Unterhaltsforderungen dem erblasserischen Witwer nicht die Stellung eines Unterhaltsgläubigers verschafften.
Der Oberste Gerichtshof hob mit seiner Entscheidung vom 13.6.1985 (ON 39) die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Oberste Gerichtshof teilte die Auffassung der Vorinstanzen, daß die subjektiven Voraussetzungen für eine Nachlaßabsonderung gegeben seien. Abweichend von der Rechtsansicht des Rekursgerichtes vertrat er jedoch den Standpunkt, daß eine Nachlaßabsonderung auch für erst künftig fällig werdende Unterhaltsforderungen bewilligt werden könne. Nach dem Zweck der Regelung des § 796 ABGB bildet der reine Nachlaß ein Sondervermögen, auf dem die Unterhaltsschuld laste und das zur Bestreitung auch des künftigen, erst später fällig werdenden Unterhaltes der Unterhaltsberechtigten bestimmt sei. Der Regelungszweck erfordere es, daß dieses Sondervermögen im Rahmen des erbrechtlichen Sicherungsrechtes auch für noch nicht fällige Unterhaltsforderungen reserviert werden könne (vgl. Zemen, Unterhaltsschuld des Erben und Pflichteilsansprüche in JBl. 1984, 346 f; Welser in Rummel ABGB Rdz 12 zu § 812; NZ 1918, 249).
Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang den Separationsantrag ab. Nach seinen Feststellungen bezieht Martin S*** aus Vermietung und Verpachtung ein jährliches Einkommen von S 150.982,67, seine Invaliditätspension beträgt S 20.889,40 jährlich. Seit 1.2.1983 erhält er eine Witwerpension von monatlich netto S 1.492,10. Er ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 142 KG Weinzierl, eines 1/5-Anteiles an der Liegenschaft EZ 2166 KG Krems und der Liegenschaft EZ 9 KG Weinzierl mit dem zur Gänze vermieteten Haus Hafnerstraße 61. Bei der Liegenschaft EZ 142 handelt es sich um einen geringwertigen und unverkäuflichen Acker. Der Schätzwert des Miteigentumsanteiles an der Liegenschaft EZ 2166 beträgt S 52.170. Die Liegenschaft EZ 9 hat ohne Berücksichtigung der noch zu bildenden Mietzinsreserve von S 1,000.000 einen Verkehrswert von S 3,375.000. Auf dieser Liegenschaft haftet ein Pfandrecht für eine Forderung von S 136.263,69, die bis etwa 1988 getilgt sein wird. Eine weitere Liegenschaft des erblasserischen Witwers (EZ 2099 der KG Krems) ist am 19.10.1984 um S 325.000 verkauft worden.
Martin S*** ist im N*** L***
M*** untergebracht. Er ist arbeitsunfähig und bedarf ständiger Anstaltspflege. Die täglichen Pflegegebühren betragen S 831,60. Zur Deckung der Pflegegebühren wurden, abgesehen vom Pflichtteil, fast die gesamten Barmittel aufgebraucht. Eine anderweitige Unterbringung des erblasserischen Witwers ist nicht möglich. Ein gemeinsamer Haushalt hat zwischen den Ehegatten infolge des langjährigen Heimaufenthaltes des Ehemannes nicht mehr bestanden. Die Erblasserin hat für ihren Ehemann auch keinen Unterhalt geleistet. Sie war seit Jänner 1980 nicht mehr in der Lage, ihre Erwerbstätigkeit als Gemischtwarenhändlerin auszuüben. Sie bezog bis zu ihrem Ableben eine Erwerbsunfähigkeitspension von monatlich netto S 4.077,50. Nach der Auffassung des Erstgerichtes seien künftig fällig werdene Unterhaltsforderungen des Antragssteller nicht bescheinigt. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung des 55jährigen Antragstellers von 18,55 Jahren sei sein Unterhalt voraussichtlich durch maximal 11 Jahre nicht gedeckt. Da sich die Höhe des Anspruches nach § 796 ABGB nach der konkreten Situation der Eheleute im Falle des Fortlebens der Erblasserin zu richten habe, ergebe sich, daß die ebenfalls kranke Erblasserin einen erhöhten Bedarf gehabt hätte, der mit den Kosten eines einfachen Pflegeheimaufenthaltes von S 128.000 jährlich anzunehmen sei. Zur Abdeckung dieses fiktiven Bedarfes hätten aber die Pensionseinkünfte der Erblasserin nicht ausgereicht, sodaß sie zur Deckung ihres Lebensunterhaltes ebenfalls zur Heranziehung ihres Vermögens gezwungen gewesen wäre. Dieses Vermögen wäre gleichfalls im Jahre 1994 nahezu erschöpft gewesen, sodaß der erblasserische Witwer ab dem Jahre 1994 keinen seinen Pflichtteil übersteigenden Unterhaltanspruch haben würde.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne einer Bewilligung der Nachlaßseparation ab. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes, daß der Unterhalt des erblasserischen Witwers nach seiner Lebenserwartung auch bei Heranziehung seines Vermögens nicht zur Gänze gedeckt sei. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes habe aber die hypothetische Entwicklung der eigenen Bedürfnisse des verstorbenen Ehegatten bei Beurteilung des Anspruches des überlebenden Ehegatten nach § 796 ABGB außer Betracht zu bleiben. Durch die Verweisung auf § 94 ABGB in § 796 ABGB solle nur sichergestellt werden, daß der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten den Lebensverhältnissen entspreche, in denen die Ehegatten bis zum Tod des einen von ihnen gelebt hätten.
Keinesfalls könne diese Verweisung dazu führen, daß auch unter Berücksichtigung der theoretischen Lebenserwartung des verstorbenen Ehegatten und der Entwicklung allfälliger Krankheiten ein fiktiver Unterhaltsbetrag kapitalisiert und dem Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten gegenübergestellt werde. Der Verweis auf § 94 ABGB solle nur der Klärung der Frage dienen, ob nach dem Zuschnitt der Lebensverhältnisse der Ehegatten im Zeitpunkt des Todes eines von ihnen ein Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten bestehe. Der Verweis solle ferner sicherstellen, daß dem überlebenden Ehegatten nicht bloß der anständige Unterhalt zu leisten sei. Nach der Auffassung des Rekursgerichtes sei nach diesen Grundsätzen ein künftiger Unterhaltsanspruch des erblichen Witwers bescheinigt. Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz gerichtete Revisionsrekurs der erbserklärten Erben ist nicht berechtigt. Die Rechtsmittelwerber wenden sich gegen die Rechtsansicht der zweiten Instanz, daß bei Beurteilung künftiger Unterhaltsforderungen des überlebenden Ehegatten auf Seiten des Unterhaltspflichtigen ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes abzustellen und die hypothetische Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Verstorbenen nicht zu berücksichtigen sei. Der Verweis auf § 94 ABGB im § 796 ABGB könne nur bedeuten, daß der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten unter der Annahme des Fortlebens des Verstorbenen zu bestimmen und daher die fiktive Entwicklung der Verhältnisse auf Seiten des verstorbenen Ehegatten zu berücksichtigen sei. Andernfalls wäre der überlebende Ehegatte besser gestellt als beim Fortleben des anderen Ehegatten. Dem Standpunkt der Rechtsmittelwerber kann nicht gefolgt werden.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 796 ABGB aF hatte ein Ehegatte zwar kein Recht auf einen Pflichtteil. Es gebührte ihm aber, solange er nicht zur zweiten Ehe schreitet, der mangelnde anständige Unterhalt, soweit dieser nicht durch seinen gesetzlichen Erbteil oder eine für den Fall des Überlebens bedungene oder letztwillig zugewendete Versorgung gedeckt war. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten nur durch die im Gesetz genannten Umstände nicht aber auch durch die voraussichtliche Dauer der Leistungsfähigkeit oder durch die voraussichtliche Lebensdauer des verstorbenen Ehegatten beschränkt sei (SZ 41/1). Mit dem Eherechtsänderungsgesetz BGBl. 280/1978 erhielt der § 796 ABGB eine neue Fassung. Hinsichtlich des Maßstabes für den Umfang des Unterhaltsanspruches trat an die Stelle des auch in der alten Fassung des § 91 ABGB verwendeten Begriffes des anständigen Unterhalts die Anordnung, daß die Grundsätze des (neuen) § 94 ABGB sinngemäß anzuwenden sind. Dadurch sollte sichergestellt werden, daß der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten den Lebensverhältnissen entspricht, in denen die früheren Ehegatten bis zum Tod des einen gelebt haben (136 BlgNR 14. GP 19). Nach der aus den Materialien ersichtlichen Absicht des Gesetzgeber sollte durch den Verweis auf § 94 ABGB somit lediglich der Maßstab für den Unterhalt den neuen Grundsätzen des § 94 ABGB angepaßt, nicht aber auch eine sonstige Beschränkung geschaffen werden. Es ist daher an der bereits zur alten Fassung des § 796 ABGB ausgesprochenen Rechtsansicht festzuhalten, daß der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten nicht durch die hypothetische Entwicklung der Leistungsfähigkeit des verstorbenen Ehegatten oder durch dessen voraussichtliche Lebensdauer beschränkt ist. Für diese Auslegung spricht auch der Zweck des § 796 ABGB, den Nachlaß als Sondervermögen zur Deckung der Versorgung des überlebenden Ehegatten heranzuziehen. Nichts anderes kann auch für die Beurteilung künftiger Unterhaltsforderungen des überlebenden Ehegatten gelten. Das Argument der Rechtsmittelwerber, daß der überlebende Ehegatte besser gestellt würde als er es bei Fortleben des anderen Ehegatten wäre, ist schon deshalb verfehlt, weil es nur die eine der möglichen Entwicklungen, nämlich die Verschlechterung der Verhältnisse berücksichtigt. Insoweit sich die Rechtsmittelwerber auf die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes im Aufhebungsbeschluß vom 13.6.1985 berufen, haben sie offensichtlich die zitierte Belegstelle (Ehrenzweig-Schwind, Familienrecht 99) mißverstanden, die jedoch auch nur im Sinne der obigen Darlegung aufzufassen ist. Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
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