Spruch:
Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit S 9.872,24 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 31. Jänner 1984 verstarb Maria O*** im Alter von 60 Jahren. Im vorliegenden Erbrechtsstreit geht es um die Frage, ob das Erbrecht den neun Klägern auf Grund des Gesetzes zu den in der Klage zutreffend angeführten Erbquoten oder aber der Beklagten als Alleinerbin auf Grund eines eigenhändig geschriebenen Testamentes vom 30. Jänner 1984 zusteht.
Die Kläger, denen im Verlassenschaftsverfahren diese Rolle zugewiesen wurde, stellten folgende Klagebegehren:
1.) Das ...... Testament vom ...... ist ungültig.
2.) Es wird festgestellt, daß den Klägern das Erbrecht zum
Nachlaß der ...... auf Grund des Gesetzes ...... (zu bestimmten
Anteilen) zusteht.
Sie machten geltend, daß die Erblasserin das Testament nicht zur Gänze selbst geschrieben habe. Infolge ihres körperlichen und geistigen Zustandes habe ihr aber vor allem die Testierfähigkeit gefehlt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren voll statt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes im Ausspruch über die Ungültigkeit des Testaments, wies aber das Mehrbegehren auf Feststellung des Erbrechtes der Kläger ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes für jede klagende Partei bei der Abänderung S 15.000,--, bei der Bestätigung S 60.000,-- und insgesamt jeweil S 300.000,-- übersteigt. Die Vorinstanzen gingen kurz zusammengefaßt von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Maria O*** erlitt am 28. Jänner 1984 einen lebensbedrohenden Herzinfarkt und wurde in das Krankenhaus Schärding eingeliefert und in die Intensivstation aufgenommen.
Schon vor dieser Erkrankung litt sie an einer Entscheidungsschwäche und verlor im Jänner 1984 an Überlegtheit, sodaß emotionale Entscheidungen überhand nahmen. Sie führte ein nach normalen Maßstäben sehr verwahrlostes Leben. Immer wieder machte sie sich auch Gedanken, wem ihr beachtliches Vermögen zufallen solle, wobei sie immer wieder bestimmte Verwandte oder Nachbarn verdächtigte, es auf dieses Vermögen abgesehen zu haben, andererseits aber immer wieder ihr zum Teil gar nicht besonders nahestehenden Personen ihren Besitz antrug, so z.B. ihrem Hausarzt, aber auch anderen Personen. Am 8. Jänner 1984 verfaßte sie ein Testament, in dem sie Richard L*** zum Alleinerben einsetzte, der ihr nur insofern nahestand, als er von ihr schon längere Zeit ein Haus kaufen wollte. Richard L*** hat hieraus keinen Erbanspruch geltend gemacht.
Die Beklagte ist die Frau eines Notars, den Maria O*** wiederholt in Anspruch nahm. Bei diesen Gelegenheiten sprach sie öfters auch mit der Beklagten, ohne daß darüber hinausgehende private Kontakte bestanden hätten.
Bei der Einlieferung ins Krankenhaus bestand Todesgefahr verbunden mit entsprechenden Schmerzen und Ängsten, die sich auch auf den physischen und psychischen Zustand der Maria O*** auswirkten. Dieser Zustand verschärfte sich ab Mittag des 30. Jänner 1984 durch Stauungsbildungen in der Lunge und mutmaßlicherweise auch im Gehirn, das auch mangelhaft mit Sauerstoff versorgt wurde, was eine röhrenförmige Eingrenzung des Bewußtseins mit sich brachte. Das verbleibende Bewußtsein wurde durch Medikamente weiter zurückgedrängt bzw. gedämpft. Zur Zeit der Testamentserrichtung gegen 17 Uhr lag eine wesentliche Einschränkung der Besonnenheit und ein überaus großer Grad von Willensbeeinträchtigung und insgesamt eine erhebliche Abschwächung der geistigen Fähigkeiten vor. Sie war nur mehr zu emotionalen Reflexen im Stande.
Zur Testamentserrichtung selbst kam es dadurch, daß Maria O*** ihren Nachbarn Josef S*** zu sich rufen ließ, dem sie dann sagte, sie wolle übergeben. Als Josef S*** entweder seinen Anwalt oder den Ehemann der Beklagten nannte, entschied sie sich für diesen. Josef S*** traf in der Notariatskanzlei
Dr. Anzenberger die Beklagte an und teilte ihr mit, Maria O*** wolle ihre die ganze Sache übergeben. Schließlich suchten die Beklagte, ihr Mann und eine Notariatsbedienstete Maria O*** in der Intensivstation auf. Dort gab es zunächst größere Verwicklungen, weil ein Verwandter Karl L*** erschienen war, in dessen Gegenwart Maria O*** nicht mit dem Notar verhandeln wollte. L*** hatte Sparbücher mitgebracht, die Maria O*** der Beklagten in Verwahrung gab, so daß sie in der Folge von Karl L*** nicht mehr vorgefunden wurden; das führte sogar zur Beiziehung von Gendarmeriebeamten, die mit Maria O*** den Sachverhalt soweit aufklären konnten, daß kein Diebstahl vorliege. Als dann endlich Maria O*** mit dem Ehemann der Beklagten allein war, beantwortete sie dessen Frage, sie habe ihn rufen lassen, um die Beklagte als Erbin einzusetzen, etwa mit "ja, ja, das ist richtig". Als Dr. Anzenberger daraufhin sagte, unter diesen Umständen und auch im Hinblick auf die Schwierigkeiten mit den Sparbüchern könne er kein Testament verfassen, fragte ihn Maria O***, ob er denn mit seiner Frau zerstritten wäre, was er verneinte. Er erklärte ihr dann, daß sie ein eigenhändiges Testament schreiben müsse, damit seine Frau eine Bestätigung in Händen habe, und leistete ihr insoweit Hilfestellung, als er ihr die Adresse seiner Frau bekannt gab und Maria O*** aufforderte, das Datum unter das Testament zu setzen und über die Bestätigung das Wort "Testament" zu schreiben.
Maria O*** schrieb auf einem vom Notar mitgebrachten Din-A4-Blatt den Text: "Testament. Ich setze zu meiner Alleinerbin Frau Erna Anzenberger, Obernberg am Inn, Marktplatz 27, ein. Schärding, 30. Jänner 1984. Maria Ortner."
Das Schriftbild weist im Verhältnis zu dem früheren, schon erwähnten Testament zu Gunsten des Richard L*** und anderen Schriften auf eine enthemmtere Schreibsituation hin, so daß die Unterdrückung der gegebenen Steuerungsschwierigkeiten nicht mehr in dem Maße wie früher gegeben war.
Als Dr. Anzenberger Maria O*** fragte, ob nicht auch ihre Verwandten etwas bekommen sollten, begann sie auf ihre Verwandtschaft zu schimpfen.
Beide Vorinstanzen verneinten auf Grund der getroffenen Tatsachenfeststellung die Testierfähigkeit an sich, waren aber darüber hinaus auch der Ansicht, daß bei der gegebenen Bewußtseinslage mit Rücksicht auf die Fragestellung des Ehemanns der Beklagten im Zusammenhalt mit seiner Unterstützung bei der Niederschrift die Testamentsurkunde nur mehr als bloße Bejahung eines Vorschlages zu werten sei, so daß keine gültige Testamentsform vorliege. - Das Berufungsgericht vertrat in formeller Hinsicht die Auffassung, daß die Erbrechtsklage nur auszusprechen habe, ob der Erbrechtstitel der beklagten Partei wirksam sei, weshalb das Mehrbegehren auf Feststellung des Erbrechtes der Kläger abgewiesen werden müsse.
1. Zur Revision der klagenden Parteien:
Rechtliche Beurteilung
Es ist richtig, daß das Gesetz nicht vorschreibt, wie das Klagebegehren der Erbrechtsklage zu formulieren ist. Nach älterer Auffassung wurde in der Erbrechtsklage im Sinne des Rechtsstandpunktes der Kläger auch eine positive Feststellungsklage erblickt, in der bei einem Streit zwischen den gesetzlichen Erben und dem beklagten Testamentserben nicht nur die Ungültigkeit des Testamentes, sondern auch die Feststellung der Erbberechtigung des ersteren ausgesprochen werden müsse (Stubenrauch, Komm. 8 I 1009, Weiß in Klang 2 III 1066, siehe auch noch das 1949 herausgegebene und 1952 ergänzte Formularienbuch von Stagel, Schriftsätze im Zivilprozeß 4 Muster Nr. 47). In neuerer Zeit (seit SZ 25/26) wird jedoch die Ansicht vertreten, daß der Gegenstand der Erbrechtsklage nur in der Feststellung besteht, ob der vom Beklagten in Anspruch genommene Erbrechtstitel wirksam ist oder nicht
(EvBl. 1983/99 = JBl. 1984/36; SZ 56/180 = NZ 1984, 104 ua). Auch die Lehre hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (Fasching, Komm. III 31; Koziol-Welser, Grundriß 7 II 359; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht, 331; Welser in Rummel, ABGB, Rz 24 zu §§ 799, 800). Die in der Revision angeführte Entscheidung EvBl. 1954/338 (nicht 339) = SZ 27/132 liegt auf derselben Linie; der gegenteiligen Entscheidung EvBl. 1947/449 ist aus den Gründen der herrschenden Ansicht nicht zu folgen.
Die grundsätzlich nicht auszuschließende Möglichkeit, zusätzlich zur Erbrechtsklage auch eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO über das Bestehen des gesetzlichen Erbrechtes zu erheben, kommt im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zum Tragen, weil die beklagten Partei für den Fall der Unwirksamkeit des Testaments keine Argumente gegen das gesetzliche Erbrecht der Kläger vorgebracht hat. Die Frage, wie das somit mit Recht abgewiesene Teilbegehren auf Feststellung des Erbrechtes der Kläger zu bewerten war, um die Kostenentscheidung nach § 43 Abs. 1 ZPO zu begründen, kann wegen des Rechtsmittelausschlusses (§ 528 Abs. 1 Z 2 ZPO) nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden.
2. Zur Revision der beklagten Partei:
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Bei der rechtlichen Beurteilung ist von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen und nicht von einem urteilsfremden, nicht festgestellten Sachverhalt auszugehen. Maßgebend ist nicht, welchen Eindruck seinerzeit verschiedene Personen vom Geisteszustand der Erblasserin hatten und was in den Beweismitteln hierüber bekundet wird, sondern zu prüfen ist nur, ob auf Grund der im einzelnen getroffenen Feststellungen die Testierfähigkeit zu bejahen ist. Sollten die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nicht ausreichen, die Rechtsfrage der Testierfähigkeit zu lösen, dann wären allerdings solche Feststellungsmängel unter dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO zu beachten.
Gemäß § 565 ABGB muß der Wille des Erblassers unter anderem im Zustande der vollen Besonnenheit erklärt werden. Daran fehlt es zwar nicht schon dann, wenn der Testator nicht mehr im vollen Besitz der geistigen Kräfte ist oder nicht mehr die volle Erkenntnis der Tragweite seiner letztwilligen Verfügung in allen Auswirkungen hat. Wohl aber mangelt es an der erforderlichen Besonnenheit, wenn die Beeinträchtigung des Geisteszustandes so weit geht, daß die normale Freiheit der Willensbildung aufgehoben ist (EvBl. 1968/191, SZ 51/8, SZ 52/111, SZ 52/173, SZ 56/180, NZ 1986, 203).
Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Tatsachenfeststellungen war bei Maria O*** im Zeitpunkt der Testamentserrichtung diese normale Freiheit der Willensbildung aufgehoben.Sie litt schon vor ihrer letzten Erkrankung an einer Entscheidungsschwäche. Nach ihrem Herzinfarkt wirkten sich die starken Schmerzen und Todesängste zusätzlich nachteilig auf ihren psychischen Zustand aus. Kurz vor der Testamentserrichtung verschärfte sich die Beeinträchtigung dahin, daß es zu einer röhrenförmigen Eingrenzung des Bewußtseins kam. Das verbleibende Bewußtsein wurde durch Medikamenteneinwirkung weiter zurückgedrängt. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung lagen eine wesentliche Einschränkung der Besonnenheit und ein überaus großer Grad von Willensbeeinträchtigung vor. Ihre geistigen Fähigkeiten waren erheblich eingeschränkt. Sie war nur mehr zu emotionalen Reflexen im Stande.
Dieser Geisteszustand erlaubt den zwingenden Schluß, daß bei Maria O*** im kritischen Zeitpunkt die normale Freiheit der Willensbildung aufgehoben war.
Damit steht nicht im Widerspruch, daß sie noch sinnvolle Handlungen und Äußerungen setzte, wie sie in der Revision nicht unzutreffend angeführt werden. Vordergründig "wollte" sie sicher noch schnell vor ihrem Tod ein Testament machen. Sie war in der Lage, zu diesem Zweck eine rechtskundige Person rufen zu lassen, und konnte die an sie gerichteten Fragen auch noch scheinbar sinnvoll beantworten. In Wahrheit konnte sie aber nicht mehr frei entscheiden, ob sie überhaupt eine letztwillige Verfügung errichten und wen sie als Erben einsetzen solle.
Es bedarf nicht der in der Revision gewünschten zusätzlichen Tatsachenfeststellungen: Bei der festgestellten Aufhebung der normalen Willensbildung kommt es nicht darauf an, daß Maria O*** möglicherweise auch schon kurz vor dem Eintreffen des Ehemanns der Beklagten diese als Erbin ausersehen hatte und diesbezüglich eine Bemerkung zum Zeugen S*** machte. Auch der volle sonstige konkrete Wortlaut ihres Gespräches mit diesem Zeugen ist unerheblich, weil dieses Gespräch (gegen 12.30 Uhr) erst nach dem Beginn der rapiden Verschlechterung des Gesundheitszustandes (ab 11 Uhr oder 11.30 Uhr) stattfand.
Richtig ist, daß aus dem früheren Testament zu Gunsten des Richard L***, auch wenn dieses ebenso wenig überdacht gewesen sein mag wie jenes zugunsten der Beklagten, keine zu weitreichenden Schlüsse für den Zeitpunkt dieses streitentscheidenden Testaments gezogen werden dürfen. Das ändert aber nichts an den Feststellungen der Vorinstanzen gerade über diesen Zeitpunkt.
Zutreffend sind zwar die Ausführungen der Revision über die Beweislast. Die Kläger haben aber auf Grund der als erwiesen angenommenen Tatsachen den Beweis der Testierunfähigkeit erbracht. Der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt steht nicht nur mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit fest, was allerdings nicht ausreichen würde (vgl. SZ 52/173), sondern die entsprechenden Feststellungen wurden ohne Einschränkung getroffen, wovon bei der rechtlichen Beurteilung auszugehen ist.
Auf die von den Vorinstanzen weiter behandelte Rechtsfrage, ob das Testament auch deshalb ungültig ist, weil Maria O*** nur auf Vorschläge geantwortet habe (wofür die Tatsachenfeststellungen nicht ausreichend sein könnten und was bei einem eigenhändig geschriebenen Testament auch noch rechtlich zu prüfen wäre), muß nicht eingegangen werden, weil es schon an der Testierfähigkeit im oben dargestellten Sinn fehlte.
Gemäß §§ 50, 41 ZPO hat jeder Teil dem anderen Teil die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, wobei die Bemessungsgrundlage wegen der jeweils nur zum Teil erfolgten Anfechtung mangels einer Bewertung iS des § 506 Abs. 1 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO durch die Parteien selbst im Verhältnis von 3:1, also für die Revision den Kläger mit S 125.000,-- und für die Revision der Beklagten mit S 375.000,-- angesetzt wurde, was den Differenzbetrag zugunsten der Kläger wie im Spruch ergibt.
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