OGH 6Ob532/87

OGH6Ob532/8726.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Johann K***, Kraftfahrer, Kraftgasse 3, 3105 Oberradlberg, und

2.) Leopoldine K***, Haushalt, ebenda wohnhaft, beide vertreten durch Dr. Alfred Lukesch, Dr. Eduard Pranz, Dr. Oswin Lukesch, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagten Parteien

1.) Ludwig B***, Landwirt, Unterwinden 10, 3130 Herzogenburg, und 2.) Maria B***, Landwirtin, ebenda wohnhaft, beide vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Räumung (Streitwert S 24.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 11. April 1986, GZ R 23/86-14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Herzogenburg vom 21. Oktober 1985, GZ C 231/85 -5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Notariatsakt vom 19. April 1984 übergab Ludmilla S*** den Klägern neben anderen Grundstücken auch das Grundstück 86 Baufläche, Preßhaus samt Keller, vorgetragen in der EZ 25 KG Einöd. Das Gesuch der Kläger um Verbücherung dieses Vertrages langte am 30. April 1985 beim Bezirksgericht Herzogenburg ein, der Vollzug der Einverleibung erfolgte am 11. Juni 1985.

Die Kläger begehrten die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Räumung und Übergabe des von eigener Fahrhabe geräumten Grundstückes 86 Baufläche, Keller samt Preßhaus (EZ 25 KG Einöd). Sie brachte hiezu vor, sie hätten den Keller im Vertrauen auf dem Grundbuchsstand erworben, und es sei ihnen nicht bekannt gewesen, daß die Beklagten den Keller benützten oder gar Eigentums- oder sonstige Rechte auf diesen erhöben. Die beklagten Parteien wendeten ein, sie hätten den Keller gekauft und benützten ihn seit 1968 unangefochten. Auch im Rahmen eines Kommassierungsverfahrens seien sie als Eigentümer behandelt worden. Die Kläger seien beim Erwerb des Kellers nicht gutgläubig gewesen, zumal sie die Benützung des Kellers durch die Beklagten jederzeit hätten wahrnehmen können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es nahm nicht als erwiesen an, daß die Beklagten den Keller gekauft hätten, und schloß daraus, daß sie ihn daher titellos benützten.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 15.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision zulässig sei. Es traf nach Beweiswiederholung nachstehende Feststellungen:

Mit Vertrag vom 17. August 1966 verkaufte Ludmilla S*** den Beklagten die Grundstücke 400/1 und 400/2 (KG Einöd) um S 5.000,--. Im Punkt V. dieses Vertrages ist festgehalten, daß sich unter den verkauften Grundstücken der Keller Baufläche 86 befindet und die Käufer die Dampflöcher für die Dauer seines Bestandes sowie das Betreten der Grundstücke zwecks deren Instandsetzung zu dulden haben. Die Verbücherung dieses Rechtes verlangte die Verkäuferin indessen nicht. Etwa ein Jahr später bot Ludmilla S*** dem Erstbeklagten den Keller zum Kauf an. Es kam zu Vertragsgesprächen, in deren Verlauf der Erstbeklagte den Keller um S 8.000,-- kaufte. Nach Ausfolgung des Kaufpreises händigte die Verkäuferin dem Erstbeklagten den Schlüssel zum Keller aus. Dieser räumte das Preßhaus von den von Ludmilla S*** darin verwahrten Sachen und benützte seither Keller und Preßhaus für seine Zwecke. Bei Errichtung des Notariatsaktes vom 19. April 1984 waren sich die Kläger nicht im klaren, welcher Liegenschaftsbesitz Gegenstand des Übergabsvertrages war. Ihnen waren lediglich das Einfamilienhaus und der dazu gehörige Garten geläufig. Der Notar händigte ihnen die Vertragsurkunde erst etwa ein Jahr später aus. Erst jetzt versuchten die Kläger, sich anhand der Grundbuchsdaten und mit Hilfe der Grundbuchsmappe über ihren neuen Besitz näher zu informieren. Sie waren selbst überrascht, daß "unter dem Liegenschaftsbesitz Keller samt Preßhaus darunter war". In der Folge suchten sie den Keller auf, mußten aber feststellen, daß dieser - in völlig verwahrlostem Zustand - vom Erstbeklagten benützt wurde. Der Erstkläger setzte diesen vom Kauf in Kenntnis, doch erklärt der Erstbeklagte, der Keller gehöre ihm und er werde diesen nicht herausgeben, weil er ihn gekauft habe.

In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht zweiter Instanz aus, bei einem Doppelverkauf müsse der Eintragungsgrundsatz dem Publizitätsprinzip insoweit weichen, als der "außerbücherliche Erwerber" seine Rechte gegen den bücherlichen Einzelrechtsnachfolger dann durchsetzen könne, wenn diesem bei gehöriger Aufmerksamkeit der frühere Erwerb hätte bekannt sein müssen. Die Kläger hätten keinerlei Erhebungen über die Besitzverhältnisse am Keller angestellt, ja es sei ihnen bei Vertragsabschluß gar nicht bewußt gewesen, daß sie auch einen Keller erworben hätten. Die Kläger seien demnach nicht gutgläubig gewesen, weil ihnen der Keller nicht "förmlich" übergeben worden sei. Eine solche Übergabe wäre auch gar nicht möglich gewesen, weil die Verkäuferin den Schlüssel bereits vorher dem Erstbeklagten ausgefolgt habe. Überdies sei im Dorf allgemein bekannt gewesen, daß der Erstbeklagte den Keller bereits gekauft habe.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Klägern erhobene Revision ist nicht zulässig. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt, weil die Frage der Doppelveräußerung in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich gelöst werde. Entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz hat nur die ältere Rechtsprechung (zB JBl. 1972, 429; JBl. 1954, 68; so auch Klang in seinem Kommentar 2 II 358 ff) bei Doppelveräußerung jenem Käufer, dem das Grundstück physisch übergeben wurde, ein "außerbücherliches Eigentum" zugebilligt und dies damit begründet, ein späterer bücherlicher Erwerber könne danach bloß auf Grund des Vertrauensprinzips erwerben und damit nur dann, wenn er von der wirklichen Übergabe an den anderen Käufer weder gewußt habe noch habe wissen müssen. Nach der neueren, auch von der Lehre gebilligten Rechtsprechung (SZ 56/125 und 140; SZ 52/12; SZ 48/104 u.v.a.;

zuletzt wieder 5 Ob 547/85; Bydlinski in Klang 2 IV/2 118 ff;

Koziol-Welser, Grundriß 7 II 66 mwN; Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 11 zu § 431; Schilcher-Holzer, Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerungen von Liegenschaften, JBl. 1974, 445 ff, 512 ff) bewirkt, soweit - wie hier - der Eintragungsgrundsatz (§ 431 ABGB) eingreift, die bloße Übergabe eines Grundstückes selbst bei Vorliegen eines zur Eigentumseinverleibung tauglichen Titels nicht den Eigentumsübergang. Doch steht dem ersten Käufer einer Liegenschaft gegen den Zweiterwerber gemäß § 1323 ABGB ein Schadenersatzanspruch mit dem Ziel auf Übergabe der Liegenschaft zu, sofern das durch den Besitz verstärkte Forderungsrecht des Ersterwerbers für seinen Gegner deutlich erkennbar war. Es genügt dann, daß sein Gegner seine schuldrechtliche Position kannte oder doch bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen mußte. Wer sieht, daß ein Grundstück, das er zu kaufen gedenkt, von einem anderen bewohnt oder benützt wird, muß sich fragen, ob das Wohnen oder Benützen auch einen rechtlichen Hintergrund hat. Andernfalls bleibt es beim Grundsatz des § 440 ABGB, daß derjenige Eigentümer wird und bleibt, der früher um die Einverleibung angesucht hat. Die vom Berufungsgericht als nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO erheblich angesehene Frage ist durch nunmehr einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und in diesem Sinne auch vom Berufungsgericht richtig gelöst, sodaß ihr die von der genannten Gesetzesstelle geforderte erhebliche Bedeutung nicht zukommt.

Die Kläger haben jedoch in Wahrheit nicht die vom Berufungsgericht bezeichnete Rechtsfrage zum Gegenstand ihrer Revisionsausführungen gemacht, sondern die rechtliche Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz insofern bekämpft, als dieses sie beim Erwerb des Kellers nicht als gutgläubig gehalten hat. Es bleibt zwar dem Revisionswerber unbenommen, noch andere im Zulassungsbereich nach den §§ 502 Abs. 4 Z 1, 503 Abs. 2 ZPO beachtliche Rechtsfragen zur Beurteilung an den Obersten Gerichtshof heranzutragen, doch ist auch der von den Klägern aufgezeigten Rechtsfrage keine erhebliche Bedeutung im Sinne der genannten Gesetzesstelle zuzubilligen. Lehre und Rechtsprechung lasten dem zweiten Käufer den bücherlichen Erwerb in Unkenntnis der mit dem Besitz verknüpften obligatorischen Position des ersten Käufers jedenfalls dann als Schadenersatzansprüche des letzteren auslösenden Eingriff in dessen Rechtstellung an, wenn er das Grundstück vor Vertragsabschluß nicht besichtigt, um sich über die Besitzverhältnisse zu informieren (SZ 56/125; Schilcher-Holzer aaO 513). Die Kläger haben sich selbst noch bei Vertragsabschluß nicht darum gekümmert, welche weiteren Grundstücke - außer dem Einfamilienhaus samt Garten - zum gekauften Liegenschaftsbesitz der Ludmilla S*** gehörten, und sie waren überrascht, als sie nach Zusendung einer Vertragsausfertigung ein Jahr danach (!) feststellten, daß auch ein Preßhaus samt Keller Vertragsgegenstand war. Auch den zur Übernahme des Kellers unerläßlichen Schlüssel hatte ihnen die Verkäuferin nicht ausgefolgt; sie wäre hiezu auch gar nicht in der Lage gewesen, hatte sie ihn doch schon viele Jahre vorher dem Erstbeklagten überlassen. Hätten die Kläger den Keller rechtzeitig besichtigt, hätte ihnen auffallen müssen, daß er von jemand anderem benützt wird. Erkundigungen bei diesem hätten ergeben, daß er den Keller auf Grund eines früheren Kaufvertrages in Anspruch nimmt. Die Unkenntnis der Kläger ist demnach geradezu auf auffallende Sorglosigkeit zurückzuführen. Das Berufungsgericht hat auch bei der Lösung dieser Rechtsfrage die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beachtet und die Frage in deren Sinn richtig gelöst. Da die Kläger keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigten, war die Revision trotz des Ausspruches des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508 a Abs. 1 ZPO), als unzulässig zurückzuweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen. Für diesen Schriftsatz konnten daher keine Kosten zuerkannt werden.

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