OGH 4Ob175/85

OGH4Ob175/8516.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Stefan Seper und Dr. Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul M***, Kaufmann in Innsbruck, Klammstraße 46, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ö***

S***-A*** in Wien 1., Dr. Karl Lueger-Ring 14,

vertreten durch Dr. Rudolf Wieser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 31.000,-) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 18. September 1985, GZ. 2a Cg 17/85-81, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil, richtig Teilurteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 8. März 1985, GZ. 2 Cr 256/83-74, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit Dezember 1972 bei der beklagten Partei als Croupier, zuletzt im Spielcasino Seefeld, beschäftigt. Das - seit 1975 auf unbestimmte Zeit

abgeschlossene - Arbeitsverhältnis wurde von der beklagten Partei zum 30.9.1977 aufgekündigt.

Mit der am 11.8.1977 überreichten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß sein Arbeitsverhältnis zur beklagten Partei trotz der am 22.6.1977 ausgesprochenen Kündigung über den 30.9.1977 hinaus weiterhin unbefristet aufrecht fortbestehe. Die Kündigung sei "rechtsunwirksam bzw. nichtig", weil

a) dem Kläger als gemäß § 75 Abs. 1 ArbVG gewähltem Rechnungsprüfer kraft Gesetzesanalogie zu §§ 120 bis 122 ArbVG ein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz zugebilligt werden müsse,

b) die Rechtsfolge der gesetzwidrigen Benachteiligung des Klägers im Sinne des § 37 Abs. 1 und des § 115 Abs. 3 ArbVG die zivilrechtliche Nichtigkeit nach § 879 ABGB sei,

c) der Kläger hilfsweise seine Kündigung gemäß § 105 Abs. 3 Z 1 lit. b und Z 2 ArbVG beim Einigungsamt anfechten werde, sobald das in § 105 Abs. 3 ArbVG normierte "Sperrecht" des Betriebsrates nach Art. 6 der Menschenrechtskonvention und Art. 7 B-VG als verfassungswidrig feststehe.

Da die Stellung und die Funktion der Rechnungsprüfer jener der in §§ 120 bis 122 ArbVG angeführten Organe vergleichbar sei, müsse ihnen auch der gleiche Kündigungs- und Entlassungsschutz zukommen; andernfalls würde ihre Unabhängigkeit vom Betriebsrat einerseits und vom Inhaber des Betriebes andererseits so erheblich eingeengt, daß sie - wie dies beim Kläger hier der Fall gewesen sei - der Gefahr ausgesetzt wären, bei einer dem Arbeitsverfassungsgesetz widersprechenden, aber mit dem Betriebsinhaber abgesprochenen Vorgangsweise des Betriebsrates "Opfer des rechtswidrigen Verhaltens der im Betriebsrat herrschenden Gruppe" zu werden. In seiner Eigenschaft als gewählter Rechnungsprüfer habe der Kläger bei der monatlichen Kontrolle des Betriebsratsfonds gravierende Rechtsverletzungen festgestellt, dafür aber weder beim Betriebsrat und beim Zentralbetriebsrat noch bei der beklagten Partei selbst das notwendige Verständnis gefunden. Der Betriebsratsobmann Fritz M*** habe sich mit dem Zentralbetriebsrat solidarisiert und sich geweigert, aufgedeckte Mängel zu beseitigen; dem Kläger sei vielmehr zu verstehen gegeben worden, daß er im Fall der Aufrechterhaltung seiner Bemängelungen mit dienstrechtlichen Konsequenzen seitens der beklagten Partei zu rechnen habe. Als der Kläger wegen verschiedener Unstimmigkeiten und im Zusammenhang mit der für den Herbst und den Winter 1977 kursierenden Versetzungsvorschlagsliste eine außerordentliche Gruppenversammlung initiiert habe, sei er von der beklagten Partei am 22.6.1977 mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrates gekündigt und zugleich mit sofortiger Wirkung außer Dienst gestellt worden, ohne daß ihm hiefür triftige Gründe bekanntgegeben worden wären. Die Rechtsfolge einer gesetzwidrigen Benachteiligung sei zivilrechtliche Nichtigkeit gemäß § 879 ABGB, die für die Kündigung ausschlaggebenden gesetz- und sittenwidrigen Motive machten diese Maßnahme ungültig. Das in § 105 Abs. 3 ArbVG normierte "Sperrecht" des Betriebsrates sei verfassungswidrig, weil es die Rechte der Arbeitnehmer in unbegründbarer Weise beeinträchtige und überdies auch insoweit dem Gleichheitssatz widerspreche, als in jenen Betrieben, in denen keine Betriebsvertretung besteht, das Anfechtungsrecht dem betroffenen Arbeitnehmer verbleibe.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Kündigung des Klägers sei in dessen Leistung begründet gewesen; sie hänge nicht mit der von ihm als Rechnungsprüfer geäußerten Kritik zusammen. Von einer gesetz- oder sittenwidrigen Benachteiligung, wie sie der Kläger jetzt behaupte, könne keine Rede sein. In allfällige Differenzen zwischen dem Betriebsrat und den Rechnungsprüfern mische sich die Geschäftsleitung nicht ein.

Mit Bescheid vom 28.10.1979 wies das Einigungsamt Innsbruck die Anträge des Klägers

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Kläger trat am 25.12.1972 als Rouletteschüler bei der beklagten Partein ein; sein Dienstverhältnis (Saisonvertrag) dauerte bis zum 24.3.1973. Daran schlossen sich in der Folge weitere Saison-Dienstverhältnisse für die Zeit vom 25.3.1973 bis 30.6.1973, 1.7.1973 bis 14.12.1973, 21.12.1973 bis 28.4.1974 und 29.4.1974 bis 30.9.1974. Der Kläger war in dieser Zeit im Casino Seefeld und während des letztgenannten Zeitraums in Badgastein eingesetzt. Vom 25.12.1974 bis 30.9.1977 war der Kläger sodann durchgehend bei der beklagten Partei beschäftigt, wobei er rückwirkend in ein ganzjähriges Arbeitsverhältnis übernommen wurde. Zuvor war er als sogenannter Saisonier im Sinne der Arbeitsordnung beschäftigt gewesen.

Vom 25.12.1974 bis 31.3.1975 war der Kläger auf eigenen Wunsch dem Casino Klein-Walsertal zugeteilt. Vom 1.5.1976 bis 2.7.1976 war er auf Grund einer Versetzung im Casino Bregenz tätig. Vom 17.5. bis 11.6.1976 befand sich der Kläger im Krankenstand. Im übrigen arbeitete er nach seiner Aufnahme als ständiger Angestellter immer im Casino Seefeld. Geplante weitere Versetzungen des Klägers im Rahmen seiner Zugehörigkeit zur beklagten Partei sind nicht feststellbar.

Der Kläger wurde folgendermaßen beurteilt:

Seine Tätigkeit im Casino Klein-Walsertal wurde hinsichtlich der technischen Arbeit mit gut beurteilt, sein Verhalten gegenüber Gästen als höflich und gegenüber Vorgesetzten als höflich und korrekt bezeichnet. Gegenüber Kollegen war der Kläger freundlich und kameradschaftlich. Er wurde als charakterlich ausgeglichen und ohne Tadel beschrieben, verrichtete korrekte Arbeit und wies eine gute Einstellung zum Beruf auf. Vom Inspektor wurde der Kläger als intelligenter, arbeitswilliger und höflicher, sehr guter Croupier beschrieben. Nach Abbau gewisser intellektueller Allüren sei er ein wertvoller Mitarbeiter. Der Kläger wurde von der Direktion des Casinos Klein-Walsertal für einen Jahresvertrag empfohlen, und es wurde ihm eine gute und ausgeglichene Leistung bestätigt.

Am 18.9.1975 wurde der Kläger wie folgt beschrieben:

Technische Arbeit gut, Verhalten gegenüber Gästen und Vorgesetzten höflich und korrekt. Sucht wenig Kontakte zu Kollegen, Eignung und Anlagen gut, charakterlich in Ordnung, Ambition sollte noch etwas intensiviert werden. Verhalten gegenüber Gästen und Vorgesetzten korrekt, Arbeitsleistung zufriedenstellend, eine Steigerung ist bei der Begabung des Klägers durchaus möglich. Empfehlung für einen Jahresvertrag.

Die folgende - und zugleich die letzte - Beurteilung des Klägers vom 6.12.1976 im Casino Seefeld lautete:

Technische Arbeit gut bis sehr gut; Verhalten gegenüber Gästen korrekt und höflich, gegenüber Vorgesetzten freundlich, gegenüber Kollegen gut, vielleicht etwas eigenwillig. Der Roulettechef S*** bescheinigte dem Kläger eine wesentliche Verbesserung seit der letzten Beschreibung aus dem Jahr 1973. Er wisse viel, arbeite klar und ordnungsgemäß und sei sehr aufmerksam. Die Betriebskonferenz beurteilte die technische Arbeit des Klägers als sehr gut, sein Verhalten als höflich, korrekt gegenüber Gästen, tadellos gegenüber Vorgesetzten und kameradschaftlich gegenüber Kollegen. Der Kläger erwecke bei sehr guten technischen Anlagen und vielseitiger Verwendbarkeit den Eindruck zunehmender Arbeitsfreude. Im Mai 1976 beschloß der Betriebsrat des Casinos Seefeld wegen interner Schwierigkeiten zurückzutreten. Diesem Rücktritt waren Beschwerden der Belegschaft über den im Herbst 1975 gewählten Betriebsratsobmann Fritz M*** in der Richtung vorangegangen, daß M*** schwarze Listen führe, daß die Betriebsratsumlage nicht stimme und daß M*** Versetzungen von Mitarbeitern in einem Sinn beeinflussen könne; er führe Betriebsratssitzungen nur in Gegenwart der Betriebsleitung durch und habe sich auch einer Einschüchterung seiner Betriebsratskollegen schuldig gemacht. Bei der Betriebsratswahl im Juni 1976 erzielte die Liste M*** zwei Mandate, die Liste L*** ein Mandat. Der Kläger reklamierte bei dieser Betriebsratswahl sein Wahlrecht und stellte auch eine Anfechtung der Wahl in Aussicht, setzte diese Absicht dann aber nicht in die Tat um. Im Juni 1976 fand in Wien eine Tagung der Rechtsschutzsekretäre statt, bei welcher Peter M*** - ein Bruder des Klägers - vom Leitenden Sekretär F*** der Sektion Handel der Gewerkschaft der Privatangestellten angesprochen wurde. F*** erklärte, daß es in Seefeld Unruhe gebe; der Zentralbetriebsrat der beklagten Partei habe bei ihm interveniert. Daraufhin führte Peter M*** mit Zentralbetriebsratsobmann H*** der beklagten Partei ein Gespräch. H*** sagte zu, daß die Versetzungsdauer des Klägers verkürzt werde; andererseits erklärte sich Peter M*** bereit, die Einsprüche des Klägers zurückzuziehen und keine Wahlanfechtung durchzuführen. Der Kläger hatte unter anderem geltend gemacht, daß er durch die Versetzung nach Bregenz in seinem Wahlrecht beeinträchtigt werde und daß der Casinodirektor als leitender Angestellter bei der Betriebsratswahl nicht mitwählen dürfe. Fritz M*** wurde von Peter M*** auch ersucht, für ein besseres Verhältnis zur Belegschaft zu sorgen. Daß die Versetzung des Klägers nach Bregenz von der beklagten Partei ausschließlich deshalb verfügt worden wäre, um den Kläger in seinem Wahlrecht zu behindern und ihn bei der Betriebsratswahl auszuschalten, konnte nicht festgestellt werden.

Im Herbst 1976 ergab sich ein konkreter Anstand mit dem Kläger, und zwar in der Richtung, daß sich ein Spielgast verärgert vom Tisch erhoben hatte, weil sich der Kläger zu intensiv zwei anderen Spielgästen (Italienerinnen) gewidmet habe. Die Beschwerde dieses Gastes wurde an Inspektor B*** weitergeleitet; dieser berichtete seinerseits dem Inspektor D***. Daß dieser den Kläger tatsächlich ermahnt hätte, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen; jedenfalls wurde auch Casinodirektor Dr. F*** mit der Beschwerde befaßt. Nichtsdestoweniger wurde dem Kläger die bereits genannte, durchaus positive Beschreibung durch die beklagte Partei zuteil. Bei einem nachträglichen Gespräch im Februar 1977 erklärte der Zeuge M***, in dessen Equipe der Kläger arbeitete, daß dieser Vorfall hochgespielt worden sei.

Ein Teil der Mitarbeiter des Casinos Seefeld fühlte sich auch weiterhin von Betriebsratsobmann M*** schlecht vertreten. Anfang 1977 wurden abermals Mitarbeiter des Casinos Seefeld bei Peter M*** vorstellig und beschwerten sich über M***; ihre Beschwerden betrafen vor allem die Gebarung des Betriebsratsfonds. In einer Gruppenversammlung vom 5.2.1977 wurde nach Behandlung anderer Punkte beschlossen, daß die Arbeiterkammer Tirol eine Revision des Betriebsratsfonds durchführen sollte; zugleich wurde der Termin für eine neue Versammlung am 12.2.1977 festgelegt. Die Revision wurde am 9.2.1977 von einem Angestellten der Tiroler Arbeiterkammer namens Hans A*** vorgenommen. Dieser stellte die Kassengebarung fest und gab diverse Empfehlungen; er brachte auch Beanstandungen hinsichtlich der Führung der Kassenunterlagen vor. Am 10.2.1977 fand ein Gespräch zwischen Peter M***, dem Kläger sowie M*** und M*** in Innsbruck statt; dabei wurde der Kläger bewogen, als Rechnungsprüfer zu kandidieren. Bei diesem Anlaß bagatellisierte M*** den Vorfall vom Herbst des Jahres 1976. Tatsächlich wurde der Kläger in der Versammlung vom 12.2.1977 von den Angestellten des Casinos Seefeld gemeinsam mit Karl K*** zum Rechnungsprüfer gewählt. M*** führte bis zu diesen beiden Versammlungen kein Protokoll über Gruppenversammlungen der Angestellten; Peter B*** nahm den Verlauf der beiden Versammlungen mit Genehmigung der Versammlung auf ein Tonband auf. Ab diesem Zeitpunkt wurde auch in Seefeld von M*** ein Protokoll geführt.

Bei einer Sitzung des Betriebsrates vom 21.2.1977 wurde berichtet, daß die Bemühungen um eine Verbesserung der Lüftung bisher keinen Erfolg gebracht hatten und daß daher neue Initiativen notwendig wären. In dieser Sitzung wurde der Kläger beauftragt, einen Ausschuß zu bilden, mit der Arbeiterkammer Innsbruck Kontakt aufzunehmen und vorerst einen Test der Luft und der Temperatur im Spielsaal zu veranlassen. Maßnahmen sollten nach Vorliegen des Testergebnisses ergriffen werden. Tatsächlich leitete der Kläger in der Folge eine Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat Innsbruck ein. Das Ergebnis wurde Direktor R***, welcher zu

Jahresbeginn 1977 die Nachfolge von Dr. F*** als Casinodirektor in Seefeld angetreten hatte, überbracht. R*** beauftragte die Firma D***, Verbesserungsvorschläge zu erstatten. Schließlich wurde eine grundlegende Sanierung auch dieser beanstandeten Arbeitsbedingungen durch einen Umbau des Casinos Seefeld realisiert. Daß der Kläger wegen dieser Aktivität beim Vorstand der beklagten Partei schlecht angeschrieben gewesen wäre und daß diese Tätigkeit ausschlaggebend für seine Kündigung gewesen wäre, läßt sich nicht feststellen.

Der Kläger und Karl K*** prüften als Rechnungsprüfer in weiterer Folge monatlich den Betriebsratsfonds und stellten in den Protokollen vom 6.3, 10.4. und 14.6.1977 verschiedene Mängel in der Verwaltung dieses Fonds fest. Im Zusammenhang mit ihrer Prüfungstätigkeit richteten der Kläger und Klemenc ein Schreiben an die beklagte Partei, in welchem sie verschiedene Aufklärungen erbaten. Dieses Schreiben wurde von der Buchhaltung der beklagten Partei am 7.4.1977 beantwortet; eine Durchschrift wurde dem Zentralbetriebsrat übermittelt. In einem Schreiben vom 20.4.1977 machten die beiden Rechnungsprüfer beim Zentralbetriebsrat geltend, daß die Betriebsratsumlage nicht direkt an die einzelnen Betriebe, sondern über ein zentrales Konto überwiesen werde, daß Zinsenverluste entstünden und daß keine Trennung nach Arbeiter- und Angestelltenumlage durchgeführt werde. Auch wurde bemängelt, daß die Zentralbetriebsratsumlage zu hoch bemessen sei und in zu hohem Ausmaß einbehalten werde. Der Zentralbetriebsrat wurde aufgefordert, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten und die angeführten Mängel zu beseitigen. Er antwortete mit Schreiben vom 29.4.1977, daß auf Grund der Überweisung der Löhne die Betriebsratsumlage zentral überwiesen und erst dann verteilt werde, daß zufolge eines Beschlusses der Betriebsrätekonferenz aus dem Jahr 1976 die bisherigen Sätze beibehalten würden und daß auch keine Trennung in Arbeiter- und Angestelltenumlage erfolgen werde.

Die vom Kläger und von K*** vorgebrachte Kritik führte schließlich zu Beschlüssen des Betriebsrates, mit denen die Differenzen und Unzukömmlichkeiten beseitigt wurden. Das war allerdings erst nach dem Ausscheiden des Klägers der Fall. Gewerkschaftssekretär E***, welcher auch mit dieser Sache befaßt war, hatte im Jahr 1977 mit dem Leitenden Sekretär F*** Kontakt. F*** ersuchte E***, darauf hinzuwirken, daß die Differenzen wegen der Handhabung der Betriebsratsumlage beigelegt würden. E*** sagte zu, er werde sich in dieser Richtung verwenden. Fritz M***, welcher von E*** auf die Geschäftsführung des Betriebsratsfonds angesprochen wurde, erklärte, daß eine Reihe traditioneller Gepflogenheiten bestünden, welche beibehalten werden sollten. Gleichfalls in dieser Richtung, insbesondere über die Aufteilung der Betriebsratsumlage und die Einbehaltung der Zentralbetriebsratsumlage, äußerte sich M*** auch gegenüber den Rechnungsprüfern und der Belegschaft. Der Zentralbetriebsrat beabsichtigte, in der Zeit zwischen Juli und Dezember 1977 nach Innsbruck (Seefeld) zu fahren, um die dargestellten Differenzen, welche die Rechnungsprüfer aufgezeigt hatten, zu klären. Daß mit Ausnahme des bereits erwähnten Schreibens die Unternehmensleitung der beklagten Partei in diese Zwistigkeiten eingeschaltet und der Kläger aus diesem Grund gekündigt worden wäre, läßt sich nicht feststellen. Der Betriebsrat war allerdings nicht gut auf den Kläger zu sprechen und durch dessen Rechnungsprüfertätigkeit verärgert. Gleichfalls läßt sich nicht feststellen, daß von der Unternehmensleitung dem Kläger oder seinem damaligen Vertreter Peter M*** angedeutet worden wäre, der Kläger habe wegen seiner bisherigen Aktivitäten mit dienstrechtlichen Sanktionen zu rechnen. Eine Verbindung oder auch nur eine Kontaktaufnahme zwischen der Unternehmensleitung einerseits und dem Betriebsrat S*** beziehungsweise dem Zentralbetriebsrat andererseits im Hinblick auf personelle Maßnahmen betreffend den Kläger ist zu diesem Zeitpunkt nicht feststellbar.

Am 7.6.1977 wurde der Croupier Hansjörg G*** von der beklagten Partei fristlos entlassen. Dem Genannten wurde vom Kläger die Möglichkeit aufgezeigt, die Entlassung beim Einigungsamt anzufechten. G*** wurde auch im Rahmen seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit von Peter M*** vertreten. Dieser brachte am 15.6.1977 einen Anfechtungsantrag beim Einigungsamt Innsbruck ein. Dieser Antrag wurde am 20.6.1977 der beklagten Partei zugestellt. Die Möglichkeit der Anfechtung der Kündigung hatte G*** aber auch schon vor der Mitteilung des Klägers gekannt. Im Zuge einer am 4.7.1977 getroffenen außergerichtlichen Einigung wurde die Anfechtung in der Folge von G*** wieder zurückgezogen. Festzuhalten ist allerdings, daß Betriebsratsobmann M*** wegen dieser Entlassung bei der beklagten Partei intervenierte und aus diesem Grund auch nach Wien fuhr.

Im Juni 1977 initiierte der Kläger eine Unterschriftenliste zur Einberufung einer außerordentlichen Betriebsversammlung, bei der die für Herbst 1977 geplanten Versetzungen besprochen werden sollten. Der Kläger erhielt die notwendige Anzahl von Unterschriften seiner Arbeitskollegen. Ein Großteil dieser Unterschriften wurde aber wieder zurückgezogen, nachdem Betriebsratsobmann M*** den Mitarbeitern zur Kenntnis gebracht hatte, daß nach einem bereits gefaßten Betriebsratsbeschluß ohnehin eine Gruppenversammlung der Angestellten zur Besprechung dieses Themas geplant sei. Diese Besprechung war für die Zeit nach der Rückkehr M*** von der Versetzungslistenbesprechung in Wien vorgesehen; sie fand auch tatsächlich statt.

Am 20.6.1977 wurde M*** fernmündlich von der Absicht der beklagten Partei informiert, das Arbeitsverhältnis des Kläger durch Kündigung aufzulösen. Am 21.6.1977 wollte der Kläger ein weiteres Protokoll über die Rechnungsprüfung übergeben; M*** verweigerte aber die Annahme dieses Protokolls. Als Gründe, welche M*** von der beklagten Partei für die Kündigung des Klägers genannt worden waren, lassen sich feststellen, daß der Kläger eigenwillig gewesen sei, daß er vieles in Frage gestellt habe und sich in früheren Jahren keine Freunde gemacht habe. Zwar lagen damals keine gravierenden Gründe vor, doch waren gewisse Beanstandungen des Klägers vorhanden.

Der Betriebsrat stimmte der Kündigung des Klägers am 22.6.1977 in einer relativ kurzen Sitzung zu. Gegenüber E*** erklärte M*** diese Zustimmung damit, daß die Auseinandersetzungen des Betriebsrates mit dem Kläger zu einem unerträglichen Verhältnis geführt hätten. Weitere Feststellungen konnten nicht getroffen werden, auch nicht in der Richtung, daß die Kündigung des Klägers von der beklagten Partei als Reaktion auf seine Tätigkeit als Rechnungsprüfer oder in der Absicht oder zu dem Zweck ausgesprochen worden wäre, den Kläger in irgendwelchen Rechten nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zu verkürzen.

Nach dem Ausspruch der Kündigung des Klägers fand unter den Arbeitskollegen eine Unterschriftenaktion mit dem Ziel statt, seine Wiedereinstellung zu erreichen. Auch Gewerkschaftssekretär E*** intervenierte beim Vorstand der beklagten Partei Dr. W*** für den Kläger. Dr. W*** erklärte sich bereit, die Kündigung zu überprüfen, wenn der Zentralbetriebsrat in Wien und der Betriebsrat in Seefeld entsprechende Anträge stellten. Dazu fanden sich aber diese beiden Körperschaften nicht bereit; sie wollten vom Kläger nichts mehr wissen. An dieser negativen Haltung scheiterten schließlich auch Vergleichsgespräche mit der beklagten Partei. Zugleich mit dem Ausspruch der Kündigung wurde der Kläger dienstfrei gestellt und auf seine Mitarbeit verzichtet. Der Kläger hatte am 10.6.1977 ein Ansuchen um Gewährung eines Gehaltsvorschusses gestellt. Mit Schreiben vom 16.6.1977 wurde ihm mitgeteilt, daß dieses Ansuchen in Evidenz gehalten werde; nach dem Einlangen entsprechender Rückzahlungsraten anderer Arbeitnehmer werde der gewünschte Betrag ausgezahlt werden. Daß bei derartigen Ansuchen auch die dienstliche Leistung des betreffenden Arbeitnehmers zur Prüfung und Beurteilung herangezogen wird, ist nicht feststellbar.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß die Rechnungsprüfer in § 120 ArbVG nicht genannt seien und sich daher auch nicht auf den besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz nach §§ 120 bis 122 ArbVG berufen könnten. Anders als die in § 105 Abs. 3 Z 1 und § 120 ArbVG genannten Personen, welche sich im Interesse der gesamten Arbeitnehmerschaft exponierten und damit in einem Interessenkonflikt mit dem Arbeitgeber stünden, welcher diesem gegenüber einen besonderen Schutz erfordere, sei der Rechnungsprüfer nur ein Kontrollorgan des Betriebsrates bei der Verwaltung des Betriebsratsfonds. Es sei daher unzulässig, aus diesem in keiner Weise vergleichbaren Interessengegensatz im Wege der Auslegung einen Schutz des Rechnungsprüfers analog demjenigen des Betriebsratsmitgliedes ableiten zu wollen.

Das Benachteiligungsverbot des § 115 Abs. 3 ArbVG sei auf Mitglieder des Betriebsrates beschränkt und deshalb auf den Kläger nicht anwendbar. Dennoch könne eine Kündigung zwar nicht nach ihrem Inhalt, wohl aber nach den ihr zugrunde liegenden Motiven gegen die guten Sitten verstoßen und deshalb gemäß § 879 Abs. 1 ABGB nichtig sein. Sittenwidrige Motive dieser Art seien zunächst die schon im Gesetz genannten Beweggründe nach § 105 Abs. 3 Z 1 bzw. § 130 Abs. 4 ArbVG. Darüber hinaus sei jedoch auch vorstellbar, daß eine Kündigung als Vergeltung oder zur Ausübung rechtswidrigen Drucks auf den Arbeitnehmer ausgesprochen werde; nach § 37 ArbVG sei es überdies untersagt, den Arbeitnehmer in der Ausübung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse zu beschränken und ihn deshalb zu benachteiligen. Daß die Kündigung aus einem solchen sittenwidrigen Motiv ausgesprochen wurde, habe der Arbeitnehmer zu beweisen. Dem Kläger sei ein solcher Nachweis hier nicht gelungen.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Ersturteil; davon ausgehend, billigte es auch die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts durch das Prozeßgericht erster Instanz. Daß die Kündigung des Klägers eine Straf- oder Disziplinierungsmaßnahme gewesen wäre, könne nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht gesagt werden. Schon die Tatsache, daß der Kläger nach dem Abschluß seines Dauervertrages nur ein einziges Mal gegen seinen Wunsch versetzt wurde, zeige, daß von einer möglichen Benachteiligung gegenüber anderen Arbeitnehmern keine Rede sei; noch weniger könne aber von einer bewußten Behinderung oder Benachteiligung des Klägers im Zusammenspiel zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung gesprochen werden. Auch in der Berufung könne der Kläger auf keine konkreten Beweisergebnisse verweisen, wonach die beklagte Partei im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat und dem Zentralbetriebsrat den Kläger wegen seiner Tätigkeit als Rechnungsprüfer und wegen seiner Verbindung zur Gewerkschaft gekündigt hätte. Es sei durchaus möglich, daß die zunehmenden Streitigkeiten des Klägers mit dem Betriebsrat, insbesondere seine persönlichen Differenzen mit dem Betriebsratsobmann M*** und seine in diesem Zusammenhang entwickelten Aktivitäten, zu Unruhe innerhalb der Belegschaft geführt hätten, was die beklagte Partei schließlich zur Kündigung des Klägers bewogen haben könnte. Daß der Betriebsrat dieser Kündigung zugestimmt hat, rechtfertige aber noch nicht die Annahme, daß bei der beklagten Partei ein Zusammenspiel zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat mit dem Ziel einer Beschneidung der Arbeitnehmerrechte des Klägers bestanden hätte. Es liege auf der Hand, daß immer dann, wenn der Betriebsrat einer beabsichtigten Kündigung zustimmt, der Verdacht eines derartigen Zusammenspiels besteht; in einem solchen Fall habe jedoch der gekündigte Arbeitnehmer nachzuweisen, daß die Kündigung aus einem sittenwidrigen Motiv ausgesprochen wurde. Dieser Beweis sei dem Kläger hier nicht gelungen. Daß aber der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz der §§ 120 bis 122 ArbVG dem Kläger in seiner Eigenschaft als Rechnungsprüfer nicht zugute komme, habe schon das Erstgericht zutreffend erkannt.

Das Urteil des Berufungsgerichtes, nach dessen Ausspruch der Wert des Streitgegenstandes S 30.000,- übersteigt, wird vom Kläger seinem ganzen Inhalt nach mit Revision aus dem Grund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Feststellungsbegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger hält auch in dritter Instanz daran fest, daß er in seiner Eigenschaft als gewählter Rechnungsprüfer im Sinne des § 75 Abs. 1 ArbVG gleich den Betriebsratsmitgliedern den besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz nach §§ 120 bis 122 ArbVG genießen müsse. Demgegenüber hat aber schon das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß die gemäß § 75 Abs. 1 ArbVG von der Betriebs- oder Gruppenversammlung zu wählenden, mit der Überprüfung der Verwaltung und Gebarung des Betriebsratsfonds betrauten Rechnungsprüfer nicht zu jenen Personen zählen, die nach der taxativen Aufzählung des § 120 ArbVG unter dem besonderen Schutz der angeführten Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes stehen. Der Kläger war weder Mitglied (§ 120 Abs. 1 und Abs. 4 Z 3 ArbVG) oder Ersatzmitglied (§ 120 Abs. 4 Z 1 ArbVG) des Betriebsrates noch Mitglied eines Wahlvorstandes oder Wahlwerber

(§ 120 Abs. 4 Z 2 ArbVG). Gegen die von ihm angestrebte Gleichstellung mit diesem Personenkreis spricht auch die unterschiedliche Funktion der Betriebsratsmitglieder einerseits und der Rechnungsprüfer andererseits: Während der Betriebsrat als Organ der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer deren Belange wahrzunehmen und über die Einhaltung aller in Betracht kommender Rechtsvorschriften zu wachen hat, hiedurch in einem natürlichen Interessengegensatz zum Arbeitgeber steht und deshalb eines besonderen Schutzes bedarf - wie er ua in den Kündigungs- und Entlassungsschutzbestimmungen der §§ 120 ff ArbVG zum Ausdruck kommt - , umfaßt der Aufgabenbereich der Rechnungsprüfer vor allem eine Kontrolle der finanziellen Gestion des Betriebsrates; sie haben die Verwaltung und Gebarung des Betriebsratsfonds regelmäßig zu überprüfen (§ 29 der Betriebsratsfonds-Verordnung BGBl. 1974/524), über festgestellte Mängel unverzüglich dem Betriebsrat und erforderlichenfalls der zuständigen Arbeiterkammer zu berichten (§ 30 Abs. 2 und 3 der genannten Verordnung) und schließlich auch die Ergebnisse ihrer Prüfungstätigkeit zum Gegenstand eines Berichtes an die nächste Betriebs- oder Gruppenversammlung zu machen (§ 42 Abs. 1 Z 1 ArbVG; § 30 Abs. 1 Betriebsratsfonds-Verordnung). Zwar gilt naturgemäß auch für Rechnungsprüfer das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot des § 37 Abs. 1 ArbVG (Strasser in Floretta-Strasser, ArbVG 422 § 75 Anm. 5); ihr auf die Kontrolle der Gebarung des Betriebsratsfonds beschränkter, mit den vielfältigen Aufgaben eines Betriebsratsmitgliedes in keiner Weise vergleichbarer Tätigkeitsbereich läßt aber eine analoge Anwendung auch des besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes nach §§ 120 ff ArbVG weder geboten noch zulässig erscheinen. Daran kann auch die in § 74 Abs. 5 ArbVG nur für den Fall des vorübergehenden Fehlens eines ordentlichen Vertretungs- und Verwaltungsorgans vorgesehene, mit höchstens sechs Monaten befristete Befugnis des ältesten Rechnungsprüfers zur Vertretung und Verwaltung des Betriebsratsfonds nichts ändern; daß aber entgegen der Meinung des Klägers weder aus dieser noch aus einer anderen Bestimmung des Gesetzes eine "grundsätzliche Gleichstellung beziehungsweise Integrierung des Rechnungsprüfers in den Betriebsrat" abgeleitet werden kann, zeigt schon der zweite Satz des § 75 Abs. 1 ArbVG, wonach die von der Betriebs- oder Gruppenversammlung gewählten Rechnungsprüfer dem Betriebsrat nicht angehören dürfen.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang abermals die in § 105 Abs. 3 ArbVG vorgesehene, gewöhnlich als "Sperrecht" bezeichnete Möglichkeit einer ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers als verfassungswidrig bezeichnet, ist er auf die in RdA 1985, 283 ff. veröffentlichten, von Floretta (aaO 287 ff) zustimmend besprochenen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 5.12.1984, B 370/83, und vom 23.2.1985, B 517/84 zu verweisen, nach welchen § 105 Abs. 3 ArbVG verfassungsrechtlich unbedenklich ist und insbesondere weder gegen den im Verfassungsrang stehenden Art. 6 Abs. 1 der Menschenrechtskonvention noch gegen den verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitssatz (Art. 2 StGG; Art. 7 Abs. 1 B-VG) verstößt. Unter diesen Umständen sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, im Sinne der Anregung des Klägers ein neuerliches Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof einzuleiten.

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang neben dem allgemeinen Kündigungsschutz des Betriebsverfassungsrechtes (§§ 105, 107 ArbVG) noch Raum für die Annahme einer sich aus den Motiven des Kündigenden ergebenden Sittenwidrigkeit der Kündigung nach § 879 Abs. 1 ABGB bleibt, wird in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet (für eine solche Anfechtungsmöglichkeit insbesondere Floretta in Floretta-Strasser, ArbVG 653 ff §§ 105 bis 107 Anm. 5.1 bis 5.3; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht 2 I 197 f; Krejci in Rummel, Komm. zum ABGB I 903 f Rz 5 zu § 879; Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht 115; Floretta-Die sittenwidrige Kündigung im Arbeitsrecht, JBl. 1954, 525 ff und 558 ff; Strasser, Sittenwidrige Kündigung und Kündigungsschutz nach § 25 BRG, RdA 1958, 64 ff; dagegen der Oberste Gerichtshof in den - vor dem Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes ergangenen - Entscheidungen Arb. 6901 = SozM II B 431, Arb. 7284 = JBl. 1961, 292 = SozM II B 503 und Arb. 8088 = EvBl. 1965/426 = SozM II B 767; im gleichen Sinn Tomandl, Die sittenwidrige Kündigung im Lichte der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, ÖJZ 1959, 33 f). Diese Frage kann aber hier schon deshalb auf sich beruhen, weil dem Kläger der Nachweis des von ihm behaupteten "sittenwidrigen Zusammenspiels" des Betriebsrates mit der Unternehmensleitung der beklagten Partei nicht gelungen ist. Daß dieser Beweis schon durch die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrates zu seiner Kündigung erbracht wäre, kann angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 105 Abs. 3 ArbVG, in welcher die kollektivrechtliche, nicht nur die Interessen des einzelnen, sondern auch diejenigen aller anderen Arbeitnehmer des Betriebes berücksichtigende Konstruktion des allgemeinen Kündigungsschutzes zum Ausdruck kommt (Floretta in Floretta-Strasser, ArbVG 619 ff §§ 105 bis 107 Anm. 1.2), nicht gesagt werden. Sonstige Umstände, aus denen eine sittenwidrige Vorgangsweise der beklagten Partei gegenüber dem Kläger abzuleiten wäre, sind aber nicht erwiesen: Daß der Kläger wegen seiner Beanstandungen der Arbeitsbedingungen im Casino Seefeld bei der beklagten Partei "schlecht angeschrieben" und diese Aktivität für seine Kündigung ausschlaggebend gewesen wäre, konnte von den Vorinstanzen nicht festgestellt werden, ebensowenig, daß - mit einer einzigen Ausnahme - die Unternehmensleitung der beklagten Partei in die Zwistigkeiten zwischen dem Kläger und dem Betriebsrat eingeschaltet und daß die Kündigung des Klägers aus diesem Grund oder überhaupt als Reaktion auf seine Tätigkeit als Rechnungsprüfer ausgesprochen worden wäre oder daß die beklagte Partei mit dieser Maßnahme die Absicht verfolgt hätte, den Kläger in seinen Rechten nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zu verkürzen.

Dem Kläger kann aber auch insoweit nicht gefolgt werden, als er unter Hinweis auf seine guten Dienstbeschreibungen, die zunehmenden Streitigkeiten mit dem Betriebsrat und dessen Zustimmung zu seiner Kündigung die Auffassung vertritt, er habe zumindest den Anscheinsbeweis für ein sittenwidriges Zusammenspiel des Betriebsrates mit der Unternehmensleitung erbracht: Wesentliches Erfordernis des sogenannten "Anscheinsbeweises" ("primafacie-Beweises") ist das Bestehen einer typischen formelhaften Verknüpfung zwischen der bewiesenen Tatsache und dem vom Gesetz geforderten Tatbestandselement, mit anderen Worten: ein typischer Geschehensablauf im Sinne eines - nach dem neuesten Stand der Erfahrung zu beurteilenden - gleichmäßigen, sich immer wiederholenden Herganges (Fasching, Lehrbuch 426 ff RN 893 ff;

SZ 57/20 = EvBl. 1984/129 = JBl. 1985, 36 mwN; ebenso RZ 1983/14;

EvBl. 1983/120 uva). Daß aber die in der Revision aufgezeigten Tatumstände - nämlich die zunehmenden Differenzen mit dem Betriebsrat, insbesondere mit dem Betriebsratsobmann M***, wegen der vom Kläger als Rechnungsprüfer entwickelten Tätigkeit, sowie die Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung des Klägers - im Sinne eines typischen Kausalablaufes nach der Lebenserfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein sittenwidriges Zusammenwirken des Betriebsrates und der beklagten Partei zum Nachteil des Klägers schließen ließen, kann - sofern man nicht mit der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung (siehe dazu EvBl. 1983/120 mwN; ebenso Fasching, LB Rz 897) in der Frage, ob der Anscheinsbeweis im konkreten Fall gelungen ist, eine in dritter Instanz nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigungsfrage sieht - nach Ansicht des erkennenden Senates nicht gesagt werden. Für die vom Kläger angestrebte Verschiebung der Beweislast auf die beklagte Partei ist unter diesen Umständen kein Raum.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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