OGH 7Ob693/86

OGH7Ob693/8626.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** I***, vertreten durch Dr.Georg Santer,

Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gabriel H***, Vieh- und Fleischhändler, Fieberbrunn, vertreten durch Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 23.Mai 1986, GZ.2 a R 268/86-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 3.März 1986, GZ.17 C 687/85-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 2.719,20 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 247,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt die Räumung eines dem Beklagten nach der Fleischmarktordnung der Landeshauptstadt Innsbruck überlassenen Verkaufsplatzes in der Fleischgroßmarkthalle Innsbruck mit der Behauptung, die Überlassung sei nach § 4 der Fleischmarktordnung widerrufen worden, weshalb der Beklagten diesen Verkaufsplatz ohne Rechtstitel benütze.

Das Erstgericht hat die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

Das Rekursgericht hat den Zurückweisungsbeschluß aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Es hat die Rechtsansicht vertreten, daß der Widerruf des Benützungsrechtes im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Klägerin erfolgt sei, weshalb der Räumungsanspruch auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden müsse.

Das Rekursgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Es hat "die Revision" für zulässig erklärt (ON 13).

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt.

Richtig ist, daß bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges von den Klagsbehauptungen ausgegangen werden muß, wobei maßgebend die Natur des erhobenen Anspruches ist (SZ 48/3, SZ 47/108 u. a.). Ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist. Es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (SZ 44/165, SZ 45/139 u.a.).

Im vorliegenden Fall wird ein Räumungsanspruch geltend gemacht, der im allgemeinen auf den Rechtsweg gehört. Allerdings führt die Klage auch aus, daß dieser Räumungsanspruch auf § 4 der Fleischmarktordnung der Landeshauptstadt Innsbruck gestützt wird. Bei der Beurteilung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges muß daher auch geprüft werden, ob aus der erwähnten Bestimmung abgeleitete Räumungsansprüche ebenfalls auf den Rechtsweg gehören oder ob die genannte Fleischmarktordnung Bestimmungen enthält, aus denen sich ergibt, daß die aus ihr abgeleiteten Ansprüche in das Gebiet der Hoheitsverwaltung fallen und daher auf dem Verwaltungsweg durchgesetzt werden müssen.

Privatrechtliche Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, daß sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte setzen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist. Zum öffentlichen Recht gehören aber auch Ansprüche, denen zwar das Charakteristikum der einseitigen Rechtsunterworfenheit fehlt, die aber mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen in so untrennbarem Zusammenhang stehen, daß auch sie dem öffentlichen Recht zugewiesen werden müssen. Im Einzelfall wird die Zuweisung zum Bereich des öffentlichen oder Privatrechtes in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches oder privates Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörde oder die Gerichte zum Ausdruck bringen (SZ 51/161, SZ 53/179, SZ 56/33 u.a.). Grundsätzlich fällt in den Bereich der Hoheitsverwaltung jede Tätigkeit eines Rechtsträgers, die an sich mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet ist; die sonstige Tätigkeit fällt in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Der Ausdruck "Privatwirtschaftsverwaltung" ist allerdings insoferne irreführend, als er zu der unrichtigen Auffassung verleitet, Privatwirtschaftsverwaltung sei nur dann gegeben, wenn sich der Rechtsträger in jeder Beziehung wie ein Privatrechtssubjekt verhält, also nur dann, wenn er als ein Erwerbsunternehmer auftritt. Die Feststellung, daß ein Verwaltungsorgan einen Akt wirtschaftlicher Daseinsvorsorge vollzieht, schließt die Qualifizierung seiner Tätigkeit als Privatwirtschaftsverwaltung nicht aus. Für die Abgrenzung des Gebietes der Privatwirtschaftsverwaltung von dem der Hoheitsverwaltung kommt es auf die Motive und den Zweck der Verwaltungstätigkeit nicht an. Entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereit hält (SZ 51/184, SZ 55/126 u.a.). Es ist nicht ausgeschlossen, daß aus ein und demselben Sachverhalt privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Ansprüche abgeleitet werden, über die einerseits die Gerichte, andererseits die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben (SZ 51/41). Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist immer dann gegeben, wenn es sich um einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch handelt und die Entscheidung darüber nicht durch Gesetz ausdrücklich an eine andere Behörde verwiesen wurde (JBl.1985,240 u.370 u.a.). Soweit der Gemeinde durch Gesetz nicht ein hoheitliches Handeln aufgetragen ist, führt sie ihre wirtschaftliche Tätigkeit im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung auf Grund der Bestimmungen des Privatrechtes durch (SZ 55/126, SZ 51/184 u.a.). Fehlt es also an einer gegenteiligen gesetzlichen Bestimmung und handelt es sich nicht um Ansprüche, die ihrer Art nach nicht zweifelsfrei in das Gebiet des öffentlichen Rechtes fallen, so ist im Zweifelsfall über derartige Ansprüche auf dem Rechtsweg zu entscheiden (VfGSlg.5355/1966, 3262/1957 u.a.).

Die Fleischmarktordnung der Landeshauptstadt Innsbruck wurde seinerzeit auf Grund des § 70 der Gewerbeordnung und des § 15 Abs.1 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. Nr.40/1949 (wiederverlautbart mit LGBl. Nr.53/1975), erlassen. Im Hinblick auf die Regelung des § 375 Abs.1 Z 73 der Gewerbeordnung 1973 kommt ihr nunmehr der Rang eines Bundesgesetzes zu. § 330 der Gewerbeordnung sieht die privatrechtliche Vergabe und Einhebung des Entgeltes für einen Marktplatz vor, letztere jedoch nur, wenn hiefür keine öffentliche Abgabe eingehoben wird. Aus § 331 Abs.1 der Gewerbeordnung ergibt sich, daß die Gemeinde hinsichtlich des Marktes oder der Märkte ihres Gebietes eine Marktordnung zu erlassen hat, die (Punkt 6.) die Regelung des Verlustes (Widerrufes) von Marktplätzen und Markteinrichtungen bei der Vergabe durch Bescheid und die Untersagung der weiteren Ausübung der Markttätigkeit bei zivilrechtlicher Vergabe zu enthalten hat. Aus dieser Formulierung ergibt sich, daß die Gewerbeordnung sowohl die Vergabe und den Widerruf der Vergabe durch öffentlichen rechtlichen Akt als auch eine solche Vergabe und demnach ihre Rückgängigmachung durch zivilrechtliche Schritte vorsieht. Ferner ist die Einhebung eines zivilrechtlichen Entgeltes unter der Voraussetzung gestattet, daß eine öffentlich-rechtliche Abgabe nicht eingehoben wird. Die Gewerbeordnung zieht daher sowohl ein zivilrechtliches Entgelt als auch eine öffentlich-rechtliche Abgabe in Betracht. Die erwähnte Fleischmarktordnung macht von der Möglichkeit einer zivilrechtlichen Vergabe insoferne Gebrauch, als ihr § 4 ausspricht, daß die Schlachthofleitung gewerbeberechtigten Händlern und Kommissionären in der Fleischgroßmarkthalle ständige Verkaufsplätze auf jederzeitigen Widerruf gegen eine Anerkennungsgebühr zuweisen kann. Eine Vergabe durch Bescheid ist nicht vorgesehen. Daß die Erlassung der Fleischmarktordnung auf Grund der Bestimmungen des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck erfolgte (§ 15) besagt nichts endgültiges über die Beurteilung der Zuweisung als öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Akt. Die erwähnte Bestimmung führt nämlich lediglich die marktpolizeilichen Angelegenheiten unter den Angelegenheiten der Organe der Stadt an. Aus § 6 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck ergibt sich aber, daß in diesem Gesetz sowohl der eigene Wirkungsbereich als auch der vom Bund oder vom Land übertragene Wirkungsbereich geregelt ist. Das Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck führt allgemein die Organe der Stadt an. Diese haben aber nicht nur die hoheitsrechtlichen Angelegenheiten der Stadt, sondern auch ihre privatrechtlichen Befugnisse wahrzunehmen. Demnach kann der Umstand, daß Organe der Stadt die Leitung des Schlachthofes betreiben und in dieser Eigenschaft Marktplätze vergeben, nicht zu dem zwingenden Schluß führen, daß die Vergabe von Marktplätzen im Rahmen der Hoheitsverwaltung erfolgt.

Die Tatsache, daß ein bestimmtes Unternehmen eine Monopolstellung in einem Gebiet hat, bewirkt nicht, daß die Führung dieses Unternehmens durch eine Körperschaft öffentlichen Rechtes zur Hoheitsverwaltung wird. Auch wenn eine solche Körperschaft ein käufmännisches Unternehmen als Monopolbetrieb führt (vgl.beispielsweise die Post) handelt sie bei dieser Tätigkeit nicht als Hoheitsträger.

Das entscheidende Kriterium für die Hoheitsverwaltung, nämlich das Vorliegen einer Über- und Unterordnung verbunden mit einer Befehlsgewalt fehlt im vorliegenden Fall überhaupt. Die Tatsache, daß sich bestimmte Berufsgruppen an im Interesse der Volksgesundheit erlassene Vorschriften zu halten haben, begründet nicht die Annahme, daß sämtliche Verhältnisse zwischen den Angehörigen dieser Berufsgruppe und einer Gebietskörperschaft in das Gebiet der Hoheitsverwaltung fallen. Ein hoheitsrechtlicher Akt ist die Erteilung der Gewerbeberechtigung. Die Überlassung eines Platzes zur Ausübung der Gewerbeberechtigung in einem Schlachthof ist jedoch nicht ein typischer Akt der Hoheitsverwaltung.

Daß der Gesetzgeber den Handel mit geschlachteten Tieren und den Großhandel mit Fleisch (Fleischgroßmarkt) ausschließlich einer bestimmten Institution zuweist und daß eine Gebietskörperschaft diese Institution selbst führt, ist kein Kriterium dafür, daß die Führung dieser Institution selbst in Ausübung der Hoheitsverwaltung erfolgt.

Die Hoheitsverwaltung umfaßt zwar nicht nur solche Verwaltungstätigkeiten, bei denen Hoheitsakte gesetzt werden, sondern auch alle jene Verwaltungstätigkeiten, bei denen Erwerbs- und Gewinnstreben als bestimmende Faktoren des Handelns ausscheiden (SZ 41/2, SZ 43/10 u.a.), doch ist das nur dann der Fall, wenn jedes Gewinnstreben nach der Art der Tätigkeit grundsätzlich ausgeschlossen ist. Es kommt nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Gewinn erzielt wird.

Im vorliegenden Fall läßt schon die oben aufgezeigte Bestimmung der Gewerbeordnung die privatrechtliche Vergabe von Marktplätzen gegen ein Entgelt zu. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin bezüglich des Platzes des Beklagten auch Gebrauch gemacht. Zusammenfassend ergibt sich sohin, daß es sich bei jenem Rechtsverhältnis, das die Klägerin zur Auflösung bringen will, um ein solches handelt, das seiner Art nach zu den privatrechtlichen Rechtsverhältnissen gehört. Die Umstände des Einzelfalles sind nicht so, daß im vorliegenden Fall ausnahmsweise von einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis ausgegangen werden könnte. Eine gesetzliche Vorschrift, derzufolge dieses Rechtsverhältnis in das Gebiet des öffentlichen Rechtes verwiesen würde, fehlt. Das führt aber, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, zu dem Ergebnis, daß die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über das Räumungsbegehren der Klägerin berufen sind, weil im Zweifelsfall Rechtssachen, die ihrer Art nach in das Gebiet des Privatrechtes fallen, von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden sind. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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