OGH 1Ob16/82

OGH1Ob16/8215.9.1982

SZ 55/126

Normen

ABGB §26
ABGB §867
ABGB §26
ABGB §867

 

Spruch:

Öffentlich-rechtliche Körperschaften dürfen keine privatrechtlichen Verpflichtungen eingehen, denen von ihnen wahrzunehmende oder zu berücksichtigende öffentlichrechtliche Hindernisse entgegenstehen oder während der Vertragsdauer entgegenstehen werden

OGH 15. September 1982, 1 Ob 16/82 (OLG Innsbruck 1 R 261/81; LG Innsbruck 16 Cg 571/78)

Text

Im Frühjahr 1971 suchte die beklagte Gemeinde durch Annoncen in der "Tiroler Tageszeitung" Interessenten für den Abbau zweier Schottergruben, der sogenannten "B" und der "Alten Schottergrube". Mit Schreiben vom 19. 4. 1971 bewarb sich der Kläger um den Abschluß eines Abbauvertrages. Er wies darauf hin, daß er in T ein Bauunternehmen, ein Schotter- und ein Transportbetonwerk besitze. Er habe größtes Interesse an der Errichtung eines neuen Schotter- und Transportbetonwerkes und würde die neuesten Maschinen und modernsten Anlagen aufstellen, um die zur Verfügung gestellte Kubatur sehr rasch abbauen zu können. Mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Abbauvertrag vom 28. 3. bzw. 5. 4. 1972 überließ die beklagte Partei dem Kläger für die Zeit vom 1. 3. 1972 bis 31. 12. 1981 die auf dem Grundstück 731/1 KG V gelegene B und die vormals von Johann A betriebene ("alte") Schottergrube zum Zweck des Schotterabbaues. Die B hatte der Kläger bis Ende 1975 abzubauen. Der Kläger hatte beim Abbau alle einschlägigen behördlichen Vorschriften genau einzuhalten und die S-Straße (einzige Zufahrtsmöglichkeit) bis zur Einmundung in die Landesstraße auf eigene Kosten im ordentlichen Zustand zu erhalten und zu reinigen sowie den Sandfang je nach Erfordernissen zu räumen. Die Räumung sollte immer dann erfolgen, wenn Gefahr bestand, daß Sand in das Kanalnetz gelangen könnte. Der Kläger verpflichtete sich weiters, die zur Schottergrube führende Straße staubfrei zu halten. Die beklagte Partei verpflichtete sich ihrerseits, die für die S-Straße geltende Gewichtsbeschränkung von 6 t sofort aufzuheben. Der Kläger sollte berechtigt sein, den Abbauvertrag mit sechsmonatiger Frist vorzeitig zu lösen, sollte er aus gesundheitlichen Gründen den Betrieb liquidieren müssen oder die Schottergrube nicht mehr abbauwürdig sein. Eine vorzeitige Auflösung durch die beklagte Partei sollte nur dann in Betracht kommen, wenn der Kläger die Bestimmungen des Vertrages trotz eingeschriebener Mahnung und Nachfristsetzung von mindestens 14 Tagen verletze. Am 18. 4. 1972 und 3. 5. 1972 suchte der Kläger bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck um die gewerbebehördliche Genehmigung für den Schotterabbau der Schottergrube B und um die Errichtung einer Schottersortier- und Betonmischanlage auf diesem Grundstück an. Die damals zur mündlichen Verhandlung am 27. Juni 1972 erschienenen fünf Nachbarn erklärten sich grundsätzlich mit dem Abbau einverstanden, wenn dafür Sorge getragen werde, daß ihre Liegenschaften nicht durch abrollendes Material gefährdet werden. Mit Bescheid der BH Innsbruck vom 13. 7. 1972, Zl. I-2680/3, wurde dem Kläger die gewerbebehördliche Bewilligung zum Schotterabbau auf dem Grundstück 731/1 und zur Errichtung einer Schottersortierbetonmischanlage unter Einhaltung verschiedener Auflagen erteilt. Der Schotterabbau in der Schottergrube B wurde vom Kläger Ende 1975 beendet. Der Kläger stellte am 20. 11. 1975 an die BH Innsbruck den Antrag auf gewerbebehördliche Genehmigung des Abbauvorhabens der alten Schottergrube. Die beklagte Partei teilte am 19. 12. 1975 der BH Innsbruck mit, daß der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 11. 12. 1975 folgenden Beschluß gefaßt habe: "Auf Grund der ungünstigen Erfahrungen mit Schottergruben im Ortsbereich und der völligen veränderten Situation in V seit 1972 kann der Gemeinderat als Hoheitsträger die Eröffnung eines Schotterwerkes nicht mehr befürworten." In der mündlichen Verhandlung vom 17. 2. 1976, an der sich mehrere Anrainer wegen der zu erwartenden unzumutbaren Lärm- und Staubbelästigung gegen die Erteilung der Genehmigung ausgesprochen hatten, forderte der Verhandlungsleiter den Kläger auf, auch um eine Abbaugenehmigung für die Schottergrube selbst anzusuchen, weil seit dem 17. 6. 1970 ein Abbau von Material nicht stattgefunden hatte und durch die dreijährige Betriebsunterbrechung die gewerbebehördliche Abbaugenehmigung erloschen war. Dieses Ansuchen stellte der Kläger am 2. 2. 1977. Der Bürgermeister der beklagten Partei gab am 11. 2. 1977 der BH Innsbruck bekannt, daß die Abfuhr der Abbaumaterialien nur über die sogenannte S-Straße, die durch das Siedlungsgebiet am Fuße der beiden Schottergruben führt, erfolgen könne. Diese Straße sei Schulweg für die Hauptschüler und einen Teil der Kinder des Kindergartens. Es handle sich um eine 3.5 m breite Straße mit schmalem Gehsteig, auf der täglich etwa 150 bis 200 Schüler zur Schule gehen werden. Bei der am 29. 3. 1977 durchgeführten mündlichen Verhandlung waren zahlreiche Nachbarn erschienen, die sich wegen der Lärm- und Staubbelästigungen gegen die gewerbebehördliche Genehmigung aussprachen. Dipl.-Ing. Rudolf K gab namens der G-Wohnungsgesellschaft an, diese sei die Initiatorin der S-Siedlung gewesen. Bei Beginn der Verhandlungen über die Errichtung dieser Siedlung im Jahr 1965 sei der Gesellschaft von der beklagten Partei die Zusicherung gegeben worden, daß die Schottergrube geschlossen und kein weiterer Abbau erfolgen werde. Diese Zusage sei eine Vorbedingung für die gesamte Planung gewesen. Der Bürgermeister der beklagten Partei erklärte, die zum Abbau beantragte Fläche solle in dem in Ausarbeitung stehenden Flächenwidmungsplan als Erholungsfläche gewidmet werden. Als Vertreter des öffentlichen Interesses stellte er fest, daß die Verkehrssituation und die Belästigungen durch Lärm, Staub und Geruch nicht zumutbar seien und deshalb der Abbau der Schottergrube grundsätzlich abgelehnt werden müsse. Mit Bescheid vom 19. 4. 1977, Zl. 3-953/8, verweigerte die BH Innsbruck die beantragte Genehmigung zum Abbau von 400 000 m3 Schotter aus der alten Schottergrube und die Genehmigung zur Errichtung einer Schotter-, Sieb- und Dosieranlage zur Aufbereitung des Schotters wegen unzumutbarer Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigung der Nachbarn sowie wegen wesentlicher Beeinträchtigung der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs im Bereich der S-Straße. Berufungen des Klägers wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 8. 9. 1977, Zl. II a-8833/3, und des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie, Zl. 302 560/1- III-3/78, keine Folge gegeben. Nach den Bescheiden der Berufsinstanzen würden die Schallpegelwerte 76 dB bzw. 75 bis 80 dB bei den rund 2000 davon betroffenen Nachbarn erreichen. Durch den Betrieb der geplanten Betriebsanlagen seien jedenfalls Belästigungen der Nachbarn durch Lärm und Staub zu erwarten, die durch Vorschreibung bestimmter Auflagen nicht auf ein nach den Maßstäben eines gesunden und normal empfindenden Menschen zumutbares Maß beschränkt werden könnten. Auf die negative Stellungnahme der beklagten Partei wurde in den genannten Bescheiden nicht eingegangen. Die Entfernung des Aufgabetrichters der Schottergrube zum nächstgelegenen Wohnhaus beträgt 58 m, zu dessen Grundstücksgrenze 31 m. Nach dem mit Gemeinderatsbeschluß vom 10. 2. 1966 erlassenen Bebauungsplan "V S-Siedlung" gemäß § 7 der Tiroler Landesbauordnung genehmigt von der Tiroler Landesregierung am 3. 5. 1966, sollten auf einer rechteckigen Fläche von 600 : 300 m zahlreiche bis sieben Geschosse hohe Wohnhäuser in offener Bauweise errichtet werden. Etwa 1968 waren die Grundkäufe und Projektierungen diverser Wohnungsgesellschaften abgeschlossen. Zwischen März 1969 und Feber 1970 genehmigte die beklagte Partei als Baubehörde für eine Reihe von Wohnungsgesellschaften insgesamt 670 Wohneinheiten. Im Jahre 1969 fanden acht, im Jahr 1970 13, im Jahr 1972 eine, im Jahr 1974 fünf, im Jahr 1976 zwei, in den Jahren 1977 und 1978 je eine und im Jahre 1979 vier die S-Siedlung betreffende Bauverhandlung statt. Die Siedlung wurde zwar erst im wesentlichen 1977 fertiggestellt, schon ab 1969 und 1970 wurde aber laufend gebaut und Wohnungen in den einzelnen Objekten, die Mehrzahl allerdings erst 1974 bis 1976, bezogen. Im Jahr 1975 gelang es der beklagten Partei, in der Siedlung Grundstücke für die Errichtung einer Schule und eines Kindergartens zu erwerben. Die Genehmigung zur Errichtung von Schulen und Kindergartengebäude wurde im Jahr 1976 erteilt. In der Folge wurden diese Bauobjekte relativ rasch fertiggestellt.

Der Kläger begehrt den Zuspruch eines Betrages von 3 600 000 S samt Anhang. Die beklagte Partei habe im Abbauvertrag vom 28. 3. bzw. 5. 4. 1972 eine unbedingte vertragliche Verpflichtung übernommen, ohne Vorbehalte öffentlich-rechtlicher Natur zu machen. Die Parteien hätten bei Abschluß des Vertrages keine Zweifel daran gehabt, daß die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung erteilt werde. Beide Teile seien davon ausgegangen, daß der Abbau rechtlich möglich sein werde. Die beklagte Partei hätte bei Abschluß des Vertrages wissen müssen, daß nach den von ihr vorgenommenen Flächenwidmungen und seit 1969 erteilten Baugenehmigung im Einzugsbereich der Schottergrube eine größere Siedlung entstehen werde. Es hätte ihr auch bewußt sein müssen, daß die neu zuziehenden Siedler nicht mit einer Wiederaufnahme des Schotterabbaues einverstanden sein werden. Die Gemeinde habe die negative Stellungnahme eines großen Teiles der Nachbarn nicht nur vorhersehen müssen, sondern sie geradezu provoziert, daß sie dem Vertreter eines Wohnbauträgers im Jahre 1965 gegenüber erklärt habe, der Abbau der Schottergrube werde eingestellt werden. Die Erfüllungshaftung der beklagten Partei ergebe sich demnach aus der Vorhersehbarkeit einer allfälligen nachträglichen Unmöglichkeit. Darüber hinaus habe die beklagte Partei die Erfüllung aber auch schuldhaft vereitelt. Sie hätte nichts unternehmen dürfen, was die Erfüllung des Vertrages unmöglich machen könnte. Dagegen habe die beklagte Partei mehrfach verstoßen. Sie habe nach Vertragsabschluß die Siedlung erweitert, Baugenehmigungen erteilt, Hauptschule und Kindergarten errichtet und eine negative Stellungnahme im gewerbebehördlichen Verfahren abgegeben. Dadurch habe die beklagte Partei die Versagung der gewerbebehördlichen Genehmigung wesentlich mitverursacht. Diese Vertragshindernisse seien der Herrschafts- und Interessensphäre der beklagten Partei zuzurechnen, zumal sie ihre öffentlich-rechtlichen Befugnisse geradezu ausnützte, um den von ihr geschlossenen Vertrag zu Fall zu bringen; sie sei bei Abschluß des Vertrages verpflichtet gewesen zu überprüfen, ob sich Vertrag und öffentliches Interesse vereinbaren ließen. Hätte sie dies getan, hätte sie die Erfüllungshindernisse erkennen und von einem Vertragsabschluß Abstand nehmen müssen. Da sie dennoch eine unbeschränkte Leistungspflicht übernommen habe, habe sie den Kläger so zu stellen, wie er bei Erfüllung stunde.

Die beklagte Partei wendete ein, ein privat-rechtlicher Vertrag könne die Gemeinde in der Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Aufgaben nicht binden. Die beklagte Partei habe daher im Abbauvertrag keinerlei Vorbehalte hoheitsrechtlicher Natur zu erklären gehabt, weil Gemeinden hoheitsrechtliche Vorschriften und Bindungen überhaupt nicht in Vertragsform eingehen könnten. Durch hoheitsrechtliches Handeln der beklagten Partei könne daher dem Kläger schuldhaft ein Schaden nicht zugefügt worden sein. Allein schon die Einwendungen der Nachbarn im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren hätten bewirkt, daß es zur Verweigerung der erforderlichen Genehmigung gekommen sei. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, ein Projekt vorzulegen, das auf die Lärm- und Staubeinwirkungen so Einfluß genommen hätte, daß die daraus resultierenden Einwirkungen für die Nachbarn noch zumutbar wären. Nachbarn sei vor der Gewerbeordnung 1973 wegen Lärm- und Staubbelästigungen Parteistellung nicht zugekommen. Durch die Gewerbeordnung 1973 sei die Rechtsstellung der Nachbarn im gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren wesentlich erweitert worden. Personen, denen nach den neuen Vorschriften Parteistellung zukomme, seien auch bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhanden gewesen. Der Bürgermeister der beklagten Partei sei verpflichtet gewesen, ordnungsgemäße Bauansuchen zu bewilligen. Die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebene Flächenwidmung und die Verbauungsvorschriften seien öffentlich bekannt gewesen. Es wäre Verpflichtung des Klägers gewesen, sich hierüber entsprechend zu informieren. Dem Kläger sei auf jeden Fall im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Gestaltung des Baugebietes bekannt gewesen. Es läge eine nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung vor, die keiner der Vertragspartner zu verantworten habe. Die Baugenehmigungen seien größtenteils schon vor Vertragsabschluß erteilt gewesen. Der Kläger müsse den als Verordnung zu qualifizierenden Verbauungsplan der beklagten Partei vom 18. 2. 1966 für die S-Siedlung, der entsprechend kundgemacht worden sei -, gegen sich gelten lassen. Habe er es unterlassen, in diesen Verbauungsplan Einsicht zu nehmen, sei dies nicht der beklagten Partei anzulasten. Der Kläger sei zwar verpflichtet gewesen, zuerst die B und dann die alte Schottergrube abzubauen, dies hätte ihn aber nicht gehindert, für den gesamten Vertragsgegenstand zu Vertragsbeginn um die gewerbebehördliche Genehmigung anzusuchen. Daß der Kläger diese Vorgangsweise nicht gewählt habe, liege in seinem eigenen Verantwortungsbereich. Wenngleich man sich bei Abschluß des Abbauvertrages darauf verlassen habe, daß die Verwirklichung des Abbauvertrages von seiten der Gewerbebehörde nicht auf wesentliche Hindernisse stoßen werde, sollte durch die Bestimmung des Punktes IX des Vertrages, wonach der Kläger beim Abbau alle einschlägigen behördlichen Vorschriften genau einzuhalten habe, jeder Ausgang eines behördlichen Verfahrens als außerhalb des Verantwortungsbereiches eines der Vertragspartner gedeckt sein. Aus dieser Bestimmung ergebe sich auch, daß der Vertrag erst nach Vorliegen der nötigen gewerbebehördlichen Genehmigung wirksam werden konnte. Hätte der Kläger bei der Gewerbebehörde nur um den vereinbarten Schotterabbau angesucht, wäre eine gewerbebehördliche Genehmigung erteilt worden. Die Aufbereitungsanlage sei im Vertrag nicht vorgesehen gewesen.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß die beklagte Partei dem Kläger aus dem Abbauvertrag vom 28. 3. 1972 und 5. 4. 1972 für alle Schäden hafte, den er durch den unmöglich gewordenen, jedoch vertraglich zugesicherten Abbau in der alten Schottergrube in V erleide. Es stellte fest, schon vor 1968 habe der seinerzeitige Geschäftsführer der G-Wohnungsgesellschaft seinem späteren Nachfolger Dipl.-Ing Rudolf K mitgeteilt, er habe vom Bürgermeister der beklagten Partei die mündliche Zusicherung erhalten, daß die Schottergrube in absehbarer Zeit nicht abgebaut werde. Diese Zusage sei mündlich an einzelne Wohnungswerber weitergegeben worden. 1970 sei der Abbau in der alten Schottergrube durch die Firma A eingestellt worden. Bereits vorher habe es Beschwerden von Anrainern im nördlichen Bereich der Schottergrube und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der für den Abtransport zu schmalen S-Straße gegeben. Die verantwortlichen Herren der einzelnen Wohnungsgesellschaften hätten angenommen, daß allfällige Verträge der beklagten Partei mit Schotterabbauunternehmen auslaufen werden. Bei einer Vorstandssitzung der beklagten Partei am 18. 8. 1973 sei mit dem Kläger die Möglichkeit eines beschleunigten Abbaues in der Schottergrube B besprochen worden. Die beklagte Partei habe damals angeboten, den Abbau in der B mit einem niedrigerem Schüttmaterialzins zu verrechnen, wenn die B endgültig bis 31. 8. 1974 abgebaut werde. Dem Kläger sei zugesichert worden, daß parallel mit der B auch der Abbau in der alten Schottergrube aufgenommen werden könne, wenn der Kläger Geschäftsabschlüsse bei der Autobahn und beim Innverbau tätige. Aus verschiedenen Gründen seien dem Kläger aber derartige Vertragsabschlüsse nicht gelungen, weshalb es zu keiner schriftlichen Vertragsänderung oder Ergänzung gekommen sei.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß von Gebietskörperschaften abgeschlossene Verträge nach den Regeln des Privatrechts zu beurteilen seien und die nicht hoheitlich handelnde Gebietskörperschaft ebenso den Vorschriften des Privatrechtes unterliege wie ihr privater Vertragspartner. Es liege am Hoheitsträger zu prüfen, ob seine im hoheitlichen Bereich und im öffentlichen Interesse liegenden Planungen (Verbauungspläne usw.) sich mit den Pflichten im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Tätigkeit vereinbaren ließen. Der privatwirtschaftlich tätige Hoheitsträger habe daher auch schon beim Abschluß von längerfristigen Verträgen mit einem privaten Vertragspartner zu prüfen, ob sich auf Grund einer vorgesehenen Bautätigkeit in späterer Zeit dieser längerfristig abgeschlossene Vertrag einhalten lassen werde oder ob sich Schwierigkeiten ergeben werden. Selbst wenn der Kläger Einsicht in den Verbauungsplan genommen und erkannt hätte, daß es bei der Vertragsabwicklung zu Schwierigkeiten kommen könnte, selbst wenn ihn die Gemeinde V auf die vermutlichen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht hätte, hätte er auf deren Eintritt oder Nichteintritt keinen Einfluß gehabt. Allein die beklagte Partei sei in der Lage gewesen zu beurteilen, ob es zu Kollisionen zwischen Vertragsabwicklung und örtlicher Raumplanung bzw. ihren erkennbaren Konsequenzen kommen würde. Daher hätte sie schon bei Vertragsabschluß zu prüfen gehabt, ob es bei dem späteren Genehmigungsverfahren für die Schottergrube zu Einwendungen von Anrainern kommen würde. Auch schon unter der Geltung der Gewerbeordnung 1859 sei der Begriff Nachbar von der Rechtsprechung großzügig ausgelegt und bei Umweltbelästigungen Nachbarn Parteistellung nach § 8 AVG zuerkannt worden. Die geänderte Gesetzeslage habe die Einflußmöglichkeit der Gemeinde im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren nicht wesentlich geändert. Da der Kläger nach dem Vertrag verpflichtet gewesen sei, zuerst die B abzubauen und erst dann mit dem Abbau der alten Schottergrube zu beginnen, hätte ihm eine im Jahr 1972 erteilte Betriebsbewilligung für das ganze Gebiet auf Grund der Frist des § 80 GewO 1973, demzufolge die Betriebsbewilligung erlischt, sofern der Betrieb nicht innerhalb von drei Jahren nach erteilter Genehmigung begonnen werde, nichts genützt, hätte er doch frühestens Ende 1975 den Abbau der B beenden können und wäre dann erst in der Lage gewesen, mit dem Abbau der Schottergrube zu beginnen; zu diesem Zeitpunkt wäre die 1972 erteilte Betriebsbewilligung für das Abbaugebiet Schottergrube jedoch schon erloschen gewesen. Die beklagte Partei habe es unterlassen, bei Vertragsabschluß den Kläger aufmerksam zu machen, daß es im Laufe der Vertragsdauer zu Schwierigkeiten in der Abwicklung kommen könnte. Allein die beklagte Partei sei schon bei Vertragsabschluß in der Lage gewesen, die Vereinbarkeit von öffentlicher Planungs- und Bautätigkeit mit der Möglichkeit der privaten Vertragserfüllung zu überprüfen. Sie habe bei Vertragsabschluß offenbar keine Bedenken gehabt, den mit dem Kläger geschlossenen Abbauvertrag über die gesamte Vertragsdauer hin einhalten zu können, obwohl sie schon zu diesem Zeitpunkt gewußt habe, daß auf Grund der von ihr vorgenommenen Flächenwidmungen und der erteilten Baugenehmigungen in der Nähe der Schottergrube die S-Siedlung entstehen werde. Eine ursprüngliche Unmöglichkeit beim Abschluß dieses Abbauvertrages sei nicht vorgelegen. Die nachträgliche Unmöglichkeit habe die beklagte Partei durch ihre im hoheitlichen Bereich bewilligte Bautätigkeit zu vertreten. Das nachträgliche Vertragshindernis sei eindeutig nur der Herrschafts- und Interessenssphäre der beklagten Partei zuzurechnen. Der Kläger habe seinerseits mit der Änderung der Situation nichts zu tun gehabt. Da der von der beklagten Partei abgeschlossene Vertrag nach Vertragsabschluß objektiv unmöglich geworden und die geänderte Situation von der beklagten Partei zu vertreten sei, habe diese gemäß § 920 ABGB Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu leisten und dem Kläger das Erfüllungsinteresse zu ersetzen, weil sie diese Unmöglichkeit bei Vertragsabschluß gekannt habe bzw. vorhersehen hätte müssen, während dies für den Kläger nicht gelte, der auf die Herrschafts- und Interessensphäre der beklagten Partei keinerlei Einfluß habe. Die beklagte Partei habe das geforderte Erfüllungsinteresse zu ersetzen, weil sie in dem Abbauvertrag mit dem Kläger eine unbeschränkte und unbedingte Leistungspflicht übernommen habe. Eine Berücksichtigung der im Hoheitsbereich zu erwartenden Schwierigkeiten wäre in dem Vertrag durchaus denkbar und möglich gewesen. So aber habe die beklagte Partei trotz der zu erwartenden Unvereinbarkeit der Vertragserfüllung mit den öffentlichen Interessen eine unbeschränkte Leistungspflicht übernommen; sie habe daher den Vertragspartner so zu stellen, wie er bei Erfüllung des Vertrages stunde.

Der Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil nicht Folge. Es übernahm die vom Erstgericht auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen. Die Rechtsrüge hielt es für unberechtigt.

Über Revision der beklagten Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 74 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 und 4 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen, das sind örtlich gebundene Einrichtungen, die der regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt sind, nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen oder die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen. Ob Belästigungen der Nachbarn gemäß § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1973 zumutbar sind, ist nach den Maßstäben eines gesunden, normal empfindenden Menschen und auf Grund der örtlichen Verhältnisse zu beurteilen; hiebei sind auch die für die Widmung der Liegenschaft maßgebenden Vorschriften zu berücksichtigen (§ 77 Abs. 2 GewO 1973). Eine Betriebsanlage liegt auch beim Abbau eines Steinbruches oder einer Schottergrube vor (VwGH SlgNF 7528 A; Kobzina - Hrdlicka, Gewerbeordnung 1973, 198, Anm. 2 zu § 74, Heinl - Mayr, Das österreichische Gewerberecht 127, Anm. 1 zu § 74), weil eine örtlich gebundene Einrichtung keineswegs feste bauliche Anlagen voraussetzt (Duschanek in Rill, Gewerberecht 262 f.; Heinl - Mayr aaO; Kobzina - Hrdlicka aaO 199; vgl. für die frühere Rechtslage §§ 25, 27 Abs. 1 Z 43 GewO 1859).

Die vom Kläger beantragte Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlagen und Genehmigung zum Abbau von 400 000 m3 Schotter wurde ihm nach Ausschöpfung des ordentlichen Rechtsmittelzuges rechtskräftig verweigert. Daß, wie in der Revision vorgebracht wird, eine Genehmigung noch möglich wäre, weil der Kläger die Abbauanlagen so gestalten könnte, daß sie nicht mehr umweltbelästigend sind, wurde nicht festgestellt. Das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie ging in seinem Bescheid vom 19. 4. 1978, Zl. 302 560/1-III-3/78, vielmehr davon aus, daß jedenfalls Belästigungen der Nachbarn durch Lärm und Staub zu erwarten sind, die durch Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen nicht auf ein nach den Maßstäben eines gesunden, normal empfindenden Menschen zumutbares Maß beschränkt werden können. Dem Abbau steht also ein dauerndes rechtliches Hindernis entgegen.

Grundsätzlich fällt das Risiko der Erreichung einer gewerbebehördlichen Genehmigung in den Risikobereich desjenigen, der sie erreichen muß (MietSlg. 31 103; EvBl. 1978/137 ua.), im vorliegenden Fall also in den des Klägers. Eine Haftung für das Erfüllungsinteresse, das der Kläger begehrt, träfe die beklagte Partei nur dann, wenn die Versagung der gewerbebehördlichen Genehmigung aus einem Grund erfolgt wäre, den die beklagte Partei auf Grund ihres Verhaltens bei Vertragsabschluß in ihren Risikobereich übernommen gehabt hätte.

Gemäß Art. 116 Abs. 2 B-VG sind Gemeinden selbständige Wirtschaftskörper. Sie haben ua. das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen und wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben. Im Privatrechtsverkehr haben die Gemeinden die gleichen Rechte und Pflichten wie jede andere juristische Person (Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts 64, 297). Im rechtsgeschäftlichen Verkehr eines Hoheitsträgers gelten die Bestimmungen der Privatrechtsordnung daher genauso wie für jedes andere sich am Privatrechtsverkehr beteiligende Rechtssubjekt. Im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung sind daher Gemeinden in den Rechten und Pflichten allen anderen juristischen Personen des Privatrechts gleichgestellt (SZ 51/184 ua.; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht 231, 630). Da öffentlich-rechtliche Körperschaften aber in erster Linie ihre ihnen auf Grund der Verfassung zukommenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen haben, haben sie ihre privat-rechtliche Tätigkeit darauf abzustellen, daß sie nur solche Verpflichtungen auf sich nehmen, denen keine von ihnen wahrzunehmenden oder zu berücksichtigenden öffentlichrechtlichen Hindernisse entgegenstehen oder während einer Vertragsdauer entgegenstehen werden. Allenfalls haben sie Verträge unter einer Bedingung abzuschließen oder sich einen Rücktritt bzw. eine Vertragsauflösung oder Kündigung vorzubehalten. Gemeinden haften wie jedes andere Privatrechtssubjekt dafür, daß die Durchführung eines Vertrages nicht aus Gründen, die ihre Organe verschuldet bzw. die sie zu vertreten haben, nachträglich unmöglich wird.

Die beklagte Partei annoncierte die Abbaumöglichkeit in einer Tageszeitung. Sie trat mit dem Kläger in Vertragsverhandlungen und schloß mit ihm einen Abbauvertrag, ohne Vorbehalte dahin zu machen, daß ein Schotterabbau aus rechtlichen Gründen, die in ihrer Sphäre liegen, allenfalls unmöglich werden könnte. Insbesondere gab sie während der Vertragsverhandlungen nicht zu erkennen, daß solche Hindernisse durch die von ihr im öffentlich-rechtlichen Bereich genehmigten oder zu genehmigenden Bauführungen eintreten und zu einer Versagung der zum Abbau erforderlichen gewerbebehördlichen Genehmigung führen könnten. Die beklagte Partei unterließ es auch, diese Umstände zur Bedingung des Vertrages zu machen. Sie gab vielmehr zu erkennen, daß einem Abbau keine nur ihren Organen bekannten rechtlichen Hindernisse entgegenstehen werden, also auch nicht solche, die in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen entstehen könnten. Diesem Verhalten kann nur der Erklärungswert beigemessen werden, daß auf der Seite der beklagten Partei keine dem Kläger nach den Umständen nicht ohnehin schon bekannten Hindernisse für die Erfüllung des Vertrages entgegenstanden; dies hat zur Folge, daß sie dem Kläger für ein allfälliges Fehlschlagen seiner von der beklagten Partei durch ihr Verhalten erweckten, Vertragsinhalt gewordenen Erwartungen einzustehen hat. Die Vereitelung der Erfüllung aus diesen Gründen hat sie iS des § 920 ABGB zu vertreten (vgl. den den vorliegenden Fall behandelnden Aufsatz von Pernthaler - Purtscheller in JBl. 1979, 281 ff.).

Ob und inwieweit eine rechtsgeschäftliche Risikoübernahme durch die beklagte Partei in dem vom Kläger behaupteten Umfang eintrat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Das festgestellte Verhalten der beklagten Partei war nämlich nur insoweit von rechtlicher Relevanz, als dem Kläger nicht ohnehin die für eine Realisierung seines Vorhabens wesentlichen Hindernisse bekannt oder offenkundig waren. Darüber mußte die beklagte Partei keine positiven Erklärungen abgeben, sondern konnte davon ausgehen, daß er diese Umstände in seinen Risikobereich übernahm. Insoweit konnte auch keine vertragliche Risikoverschiebung auf sie eintreten.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist daher entscheidungswesentlich, in welchem Umfang dem Kläger auf Grund von Mitteilungen oder einer Offenkundigkeit die Sachlage bekannt war. Ein Zusammenhang zwischen einer Risikoübernahme durch die beklagte Partei und der späteren Unmöglichkeit des Abbaues und damit der Möglichkeit, im Rahmen des § 920 ABGB das Erfüllungsinteresse zu begehren, bestunde auch dann nicht, wenn der Kläger schon nach seinem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anzunehmenden eigenen Wissen über den Umfang des Siedlungs- und Wohngebietes in der Nähe der alten Schottergrube eine gewerbebehördliche Genehmigung nur deswegen nicht erhalten hätte, weil späterhin eine Änderung der Rechtslage oder eine Änderung der Anwendung gewerbebehördlicher Vorschriften eingetreten wäre. Eine Änderung der Rechtslage oder der Spruchpraxis würde insoweit nicht in den Risikobereich der beklagten Partei fallen und wäre daher von ihr nicht zu vertreten.

Sollte nach dem ergänzenden Verfahren das Risiko der gewerbebehördlichen Genehmigung beim Kläger verblieben sein, wäre eine Haftung der beklagten Partei auch auf Grund eines dem Vertragsabschluß nachfolgenden Verhaltens ihrer Organe zu verneinen, weil die Versagung der gewerbebehördlichen Genehmigung nicht auf Grund ihrer Erklärungen und Handlungen, sondern wegen unzumutbarer Belästigungen von Nachbarn gemäß §§ 74 Abs. 2 Z 2, 77 Abs. 2 GewO erfolgte.

Im fortgesetzten Verfahren werden gemäß den oben dargelegten Rechtsausführungen Feststellungen darüber zu treffen sein, welche Kenntnis der Kläger bei Abschluß des Vertrages über die geplante Siedlungstätigkeit hatte und ob bei Zugrundelegung dieses Wissensstandes des Klägers eine Betriebsanlagengenehmigung erteilt worden wäre. Nur in diesem Fall würde die beklagte Partei für die nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung einstehen müssen und sie zu vertreten haben.

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