OGH 5Ob550/86

OGH5Ob550/8611.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ruhender Nachlaß nach der am 5.1.1977 verstorbenen Irene L***, zuletzt wohnhaft gewesen in Graz, Burenstraße 25, vertreten durch Oskar L***, Bundesbahnzentralinspektor i.R., Villach, Neubaugasse 12, dieser vertreten durch Dr.Werner Thurner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Aloisia S***, Angestellte, Graz, Defreggergasse 2, vertreten durch Dr.Othmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wegen Leistung (Streitwert 500.0000,-- S) infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 27.Mai 1986, GZ1 R 71/86-85, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 26.März 1986, GZ13 Cg 8/83-80, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Berufungsverfahrens sowie auf die Kosten der Revision der klagenden Partei und der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Die beklagte Partei wird mit ihrer Revision auf diese Entscheidung verwiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 15.874,65 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 1.443,15 S an USt.) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Irene L***, geboren am 5.1.1889, war Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 731 KG Baierdorf mit der Villa Graz, Burenstraße 25/Seidenhofgasse 29. Am 29.9.1976 unterfertigte sie in der Kanzlei des öffentlichen Notars Dr.Justus M*** in Graz einen mit "Schenkungsvertrag" überschriebenen Notariatsakt, laut welchem sie diese Liegenschaft samt allen freien Fahrnissen gegen Einräumung der Dienstbarkeit der Wohnung an einem Zimmer des Hauses und der Reallast näher bezeichneter Versorgungsrechte der Beklagten "schenkte". Dieser Vertrag wurde grundbücherlich durchgeführt. Irene L*** starb am 5.1.1977. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 20.11.1978, 18 A 22/77-8, wurde die bedingte Erbserklärung des erblasserischen Bruders Oskar L*** zum gesamten Nachlaß zu Gericht angenommen, Oskar L*** gemäß § 145 AußStrG, § 810 ABGB die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen und dieser zur gegenständlichen Klageführung ermächtigt.

Mit der am 30.4.1979 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der durch Oskar L*** vertretene ruhende Nachlaß nach Irene L*** 1.) die Feststellung, daß der zwischen Irene L*** und der Beklagten abgeschlossene Notariatsakt vom 29.9.1976 nichtig und rechtsunwirksam sei, und 2.) die Verurteilung der Beklagten, ausdrücklich in die Einverleibung des Eigentumsrechtes zugunsten der klagenden Partei bezüglich der Liegenschaft EZ 731 KG Baierdorf, Grundbuch des Bezirksgerichtes für ZRS Graz, einzuwilligen. Die klagende Partei brachte im wesentlichen vor, Irene L*** sei bereits lange vor dem 29.9.1976 und auch zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zufolge einer fortgeschrittenen sklerotischen Demenz geistig unorientiert und nicht mehr verpflichtungsfähig gewesen. Die Beklagte habe die Situation, in der sich Irene L*** damals befunden habe, ausgenützt, um an die Liegenschaft der Irene L*** zu kommen. Mangels Geschäftsfähigkeit der Irene L*** sei der Notariatsakt vom 29.9.1976 nichtig und die Beklagte daher verpflichtet, die Liegenschaft herauszugeben.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und wendete im wesentlichen ein: Irene L*** sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses völlig geschäftsfähig gewesen. Im übrigen habe sie (die Beklagte) redlicherweise Werterhöhungen an der Liegenschaft vorgenommen, indem sie das Haus generalrenoviert und darin überdies eine Heizung und ein Bad installiert habe. Die diesbezüglichen Aufwendungen betrügen 614.394,25 S. Eine Verurteilung könnte daher jedenfalls nur Zug um Zug gegen Bezahlung der angeführten Aufwendungen erfolgen.

Die klagende Partei erwiderte, daß allfällige Aufwendungen, deren Höhe im übrigen bestritten werde, nicht in diesem Verfahren zu klären seien. Überdies müsse sich die Beklagte während der Zeit der Bewohnung des Hauses eine angemessene Miete anrechnen lassen (AS 179 f.).

Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht der Klage im vollen Umfang statt (ON 34). Das Berufungsgericht bestätigte den Feststellungsausspruch des Erstgerichtes als Teilurteil und hob den Leistungsausspruch unter Rechtskraftvorbehalt auf (ON 43). Der Oberste Gerichtshof gab weder der gegen das Teilurteil erhobenen Revision der Beklagten noch dem gegen den Aufhebungsbeschluß gerichteten Rekurs der Beklagten Folge (ON 50). Er führte aus, das Berufungsgericht habe richtig erkannt, daß der Beklagten, wenn und soweit sie auf die gegenständliche Liegenschaft Aufwendungen tätigte, gemäß § 471 ABGB ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, das im Falle seiner - hier zu bejahenden - Geltendmachung in erster Instanz unabhängig vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses dazu führe, daß dem Herausgabebegehren der klagenden Partei nur Zug um Zug gegen Ersatz der auf die Sache gemachten Aufwendungen stattgegeben werden könne.

Im zweiten Rechtsgang beantragte die klagende Partei nach Vorliegen der Sachverständigengutachten über die Höhe der Aufwendungen der Beklagten auf die gegenständliche Liegenschaft (ON 57 und 66) die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Höhe der angemessenen Miete für die Zeit der Bewohnung des gegenständlichen Hauses durch die Beklagte von Oktober 1976 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung (AS 417). Die Beklagte wendete (gegen das noch offene Leistungsbegehren) Unmöglichkeit der Leistung mit der Begründung ein, daß sie das gegenständliche Haus am 28.10.1981 an Leopoldine P*** verkauft und in der Folge bücherlich an diese übergeben habe; die Käuferin sei gutgläubig gewesen. Die klagende Partei erwiderte, daß Leopoldine P*** durch den Realitätenvermittler Kurt F*** über den gegenständlichen Rechtsstreit informiert worden sei (AS 445 f.).

Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren nunmehr mit Endurteil ab. Es stellte fest:

Die Beklagte hat ab Herbst 1976 bis Herbst 1981 auf der streitgegenständlichen Liegenschaft Investitionen im Umfang von 512.549,73 S getätigt. Mit Kaufvertrag vom 28.10.1981 verkaufte sie diese Liegenschaft an Leopoldine P***. Der Kaufvertrag wurde grundbücherlich durchgeführt. Die Käuferin ist nicht bereit, die Liegenschaft herauszugeben.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß wegen der Veräußerung der streitgegenständlichen Liegenschaft und der mangelnden Bereitschaft der Erwerberin, diese herauszugeben, Unmöglichkeit der Leistung vorliege. Die Beklagte habe diese Erfüllungsvereitelung zwar zu vertreten (§ 920 ABGB), doch komme wegen der Weigerung der Erwerberin, die Liegenschaft herauszugeben, eine Verurteilung zur Leistung nicht in Betracht. Es bestehe ein berechtigter Grund zur Annahme, daß Leopoldine P*** die streitgegenständliche Liegenschaft gutgläubig erworben habe, sodaß ein stattgebendes Leistungsurteil gegen die Erwerberin nicht vollstreckt werden könnte. § 234 ZPO sei daher sowie deswegen, weil die Verurteilung nur Zug um Zug gegen den Ersatz der getätigten Aufwendungen erfolgen könnte, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, verurteilte die Beklagte in Abänderung des erstgerichtlichen Endurteils, Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages von 512.549,73 S in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der klagenden Partei ob der Liegenschaft EZ 731 KG Baierdorf, Grundbuch des Bezirksgerichtes für ZRS Graz, einzuwilligen, und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht führte aus:

Als Verfahrensmangel mache die Berufungswerberin die Unterlassung der Beiziehung eines Sachverständigen zur Feststellung des Mietwertes der streitgegenständlichen Liegenschaft samt darauf befindlichem Objekt und die Unterlassung der Vernehmung des Zeugen F*** zur Frage der Gutgläubigkeit der Leopoldine P*** beim Erwerb der streitgegenständlichen Liegenschaft geltend. Die Aufnahme der genannten, von der klagenden Partei beantragten Beweise sei aus rechtlichen Gründen entbehrlich gewesen, worauf noch bei der Behandlung der Rechtsrüge werde näher eingegangen werden. Relevante Verfahrensmängel lägen daher nicht vor.

Da der Frage der Gutgläubigkeit der Leopoldine P*** beim Erwerb der streitgegenständlichen Liegenschaft für die Lösung dieses Rechtsfalles keine rechtserhebliche Bedeutung zukomme, brauche auch auf die Frage, ob das Erstgericht eine solche Gutgläubigkeit festgestellt habe und ob bejahendenfalls eine solche Feststellung gerechtfertigt wäre, nicht weiter eingegangen zu werden. Ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 498 Abs 1 ZPO seiner Entscheidung zugrundezulegen habe, erweise sich aber die Rechtsrüge als berechtigt.

Auszugehen sei davon, daß der zwischen der verstorbenen Irene L*** und der Beklagten abgeschlossene Notariatsakt vom 29.9.1976 nichtig und unwirksam sei und die Beklagte daher grundsätzlich verpflichtet sei, die Liegenschaft EZ 731 KG Baierdorf der klagenden Partei rückzuübertragen.

Nach den Verfahrensergebnissen habe die Beklagte auf die streitgegenständliche Liegenschaft Aufwendungen in der Höhe von 512.549,73 S getätigt. Die Höhe dieser Aufwendungen sei seitens der klagenden Partei im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten worden, sodaß sich das Berufungsgericht mit der Frage der Höhe der auf die Liegenschaft gemachten Aufwendungen nicht mehr auseinanderzusetzen gehabt habe.

Wegen des angeführten Aufwandes für die streitgegenständliche Liegenschaft stehe der Beklagten, wie sich dies schon aus den Rechtsmittelentscheidungen des ersten Rechtsganges ergebe, ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB hinsichtlich der Liegenschaft zu, sodaß sie zur Herausgabe derselben nur Zug um Zug gegen Ersatz des festgestellten Aufwandes verurteilt werden könne. Was nun die Frage der von der klagenden Partei geforderten Anrechnung einer angemessenen Miete für die Zeit der Benützung der streitgegenständlichen Liegenschaft durch die Beklagte auf den von dieser gemachten Aufwand anlange, so sei auszuführen, daß es sich bei dem Anspruch der klagenden Partei auf Bezahlung eines Benützungsentgeltes (Miete) um eine selbständige Forderung aus dem Titel der Bereicherung handle und daß der Bestand einer solchen Forderung nicht von vornherein die Höhe des Anspruches der Beklagten auf Aufwandersatz mindere. Einen Schuldtilgungseinwand, der sich auf eine bereits erfolgte Aufrechnung stütze und zu einer entsprechenden Kürzung der Forderung auf Aufwandersatz hätte führen können, sei von der klagenden Partei nicht erhoben worden. Es wäre Sache der klagenden Partei gewesen, einen Benützungsentgeltanspruch gegen die Beklagte in der geeigneten Form geltend zu machen, wobei dies allerdings in der Form einer Gegenaufrechnungseinrede nicht möglich sei (siehe hiezu JBl1956,317). Der von der klagenden Partei in der vorliegenden Form erhobene Einwand habe jedenfalls nicht zielführend sein und daher auf die streitgegenständliche Entscheidung auch keinen Einfluß haben können. Es habe demnach in diesem Zusammenhang auch keiner weiteren Beweisaufnahmen bezüglich des Mietwertes des Objektes bedurft.

Was aber den Einwand der Unmöglichkeit der Leistung durch die Beklagte anlange, so sei dieser entgegen der Auffassung des Erstgerichtes nicht berechtigt.

Der Streitgegenstand sei vorliegendenfalls während des Prozesses veräußert worden. Dieser Umstand könne nach der herrschenden Rechtsprechung, die der Irrelevanztheorie folge, die Leistungsverurteilung nicht hindern (§ 234 ZPO). Das Leistungsurteil wirke in einem solchen Fall auch gegenüber dem Rechtsnachfolger und sei diesem gegenüber gemäß § 9 EO vollstreckbar (siehe Jud.63 neu = SZ 28/265 und SZ 40/36). Einwendungen, die der neue Erwerber gegen den Kläger habe, könne der Beklagte gegenüber dem Kläger nicht vorbringen (siehe hiezu Fasching, Zivilprozeßrecht 560 ff). Daraus folge aber weiter, daß die Frage der Gutgläubigkeit der Erwerberin der streitgegenständlichen Liegenschaft in diesem Verfahren nicht zu behandeln gewesen sei, weshalb sich auch Beweisaufnahmen und Feststellungen in dieser Richtung erübrigten. Richtig sei, daß die Ausdehnung der Rechtskraftwirkung durch das Vertrauen auf das Grundbuch beschränkt werde (SZ 40/36 ua). Doch sei es in einem solchen Falle Sache der durch Exekution in Anspruch genommenen Erwerberin einer Liegenschaft, geltend zu machen (§ 36 Abs 1 EO), daß die Voraussetzungen einer erweiterten Rechtskraftwirkung infolge gutgläubigen Eigentumserwerbes nicht gegeben seien. Selbst wenn man eine Anwendung des § 234 ZPO vorliegendenfalls verneinen und auf den materiellrechtlichen Einwand der Unmöglichkeit der Leistung eingehen wollte, wäre für die Beklagte nichts gewonnen. Grundsätzlich enthebe die Leistungsvereitelung nicht von der Leistungspflicht, soferne die primäre Leistungsverbindlichkeit für den Gläubiger noch einen Sinn habe. Dieser Sinn liege darin, im Exekutionsverfahren festzustellen, ob sich die Leistung noch realisieren lasse (siehe hiezu Reischauer in Rummel, ABGB, 1086 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die Beklagte beantragt, gestützt auf die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO, die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Endurteils. Die klagende Partei beantragt, gestützt auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO, die Beklagte zur Einwilligung in die Einverleibung zu verurteilen, ohne diese Einwilligungspflicht von einer Gegenleistung der klagenden Partei abhängig zu machen. Beide Streitteile stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag und beantragen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt, wohl aber jene der klagenden Partei.

1.) Zur Revision der Beklagten:

Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt die Beklagte darin, daß das Berufungsgericht die Frage der Gutgläubigkeit der Leopoldine P*** beim Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft nicht geklärt habe. Damit wird nicht eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, sondern ein Feststellungsmangel behauptet, dessen Vorliegen bei Behandlung der Rechtsrüge zu erörtern ist.

Mit der Rechtsrüge macht die Beklagte zusammengefaßt geltend:

§ 234 ZPO sei auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar, weil ihre Verurteilung zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der klagenden Partei Zug um Zug gegen den Ersatz ihrer Aufwendungen nicht gegen die Erwerberin der Liegenschaft wirken könnte. Selbst bei Anwendung dieser Vorschrift müßte es zur Abweisung der Klage wegen Unmöglichkeit der Leistung kommen, weil

§ 234 ZPO im Sinne der insbesondere von Fasching vertretenen Relevanztheorie auszulegen sei. Eine Verurteilung der Beklagten unter Anwendung des im Sinne der Irrelevanztheorie verstandenen

§ 234 ZPO könnte gegen Leopoldine P*** wegen deren Gutgläubigkeit niemals vollstreckt werden. Dem ist nachstehendes entgegenzuhalten:

§ 234 ZPO bestimmt, daß die Veräußerung einer im Streit verfangenen Sache oder Forderung auf den Prozeß keinen Einfluß hat. Diese Anordnung des Gesetzes wird vom Obersten Gerichtshof seit jeher im Sinne der sogenannten Irrelevanztheorie dahin ausgelegt, daß die Veräußerung des Streitgegenstandes - ebenso wie die Pfändung der eingeklagten Forderung und deren Überweisung zur Einziehung - für den Rechtsstreit sowohl hinsichtlich des Prozeßrechtsverhältnisses der Parteien als auch für die materiellrechtliche Beurteilung des zugrunde liegenden Anspruches bedeutungslos bleibt. An dieser Ansicht hält der Oberste Gerichtshof trotz der Bedenken Faschings (Kommentar III 98, Lehr- und Handbuch 563) fest (vgl.SZ 46/27; RZ 1977/104; JBl1985,752; 1 Ob 754/82 ua). Veräußert der Beklagte nach Streitanhängigkeit die streitverfangene Sache, dann ist das für den Prozeß unbeachtlich. Der Beklagte bleibt nicht nur weiterhin Partei, sondern ist auch (trotz materiellrechtlich wirksamer Veräußerung) zur Herausgabe der Sache zu verurteilen, weil er im Prozeß so zu behandeln ist, als ob er die Sache nicht veräußert hätte. Einwendungen, die der neue Erwerber gegen den Kläger hat, kann der Beklagte in diesem Prozeß nicht vorbringen. Bei der Irrelevanztheorie bleibt der Rechtsvorgänger also nicht nur prozessual Partei, sondern wird im Prozeß auch weiterhin als allein Sachlegitimierter angesehen, der auch ferner allein über den streitigen Ausspruch durch Anerkenntnis, Vergleich, Verzicht, Klagerücknahme oder Klageänderung disponieren darf. Er ist auch zu verurteilen, wenn die begehrte Leistung infolge des Rechtsüberganges unmöglich geworden ist (Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 1200).

Daraus folgt für den gegenständlichen Fall, daß die nach der Klagezustellung stattgefundene Veräußerung und grundbücherliche Übertragung der Liegenschaft an Leopoldine P*** der Verurteilung der Beklagten, Zug um Zug gegen den Ersatz ihrer Aufwendungen in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der klagenden Partei ob dieser Liegenschaft einzuwilligen, auch nicht wegen Unmöglichkeit der Leistung entgegensteht und es für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren auf die Gutgläubigkeit der Leopoldine P*** nicht ankommt. Die Vollstreckbarkeit des gegen die Beklagte ersiegten Urteils gegen Leopoldine P*** setzt allerdings nach der bisherigen Aktenlage eine erfolgreiche Prozeßführung der klagenden Partei gegen diese Einzelrechtsnachfolgerin nach § 10 EO voraus, in deren Verlauf die klagende Partei die mangelnde Gutgläubigkeit der Leopoldine P*** zu beweisen haben wird (SZ 34/29; vgl. auch SZ 34/166, SZ 40/36 und NZ 1986, 229 sowie Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 1526).

2.) Zur Revision der klagenden Partei:

Die klagende Partei bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, sie habe bisher einen Schuldtilgungseinwand nicht erhoben, und vertritt den Standpunkt, sie habe mit dem Vorbringen, ihr Benützungsentgeltanspruch gegen die Beklagte übersteige bei weitem den Aufwandersatzanspruch der Beklagten, eindeutig eine Aufrechnungserklärung abgegeben. (Die Frage, ob es sich andernfalls um eine nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - SZ 19/298 = JBl1937,522; JBl1956,317; 4 Ob 39/74 ua; vgl. dazu Rummel in Rummel, ABGB, Rz 17 und 18 zu § 1438 - aus prozessualen und materiellrechtlichen Gründen unzulässige Gegenaufrechnungseinrede handeln würde, kann demnach auf sich beruhen.) Dieser Argumentation ist insoweit beizupflichten, als es bisher der Vorschrift des § 182 Abs2 ZPO zuwider unterlassen wurde klarzustellen, ob die klagende Partei mit ihren im ersten und zweiten Rechtsgang abgegebenen Erklärungen unter Berücksichtigung der damaligen Beweislage in Anerkennung eines Aufwandersatzanspruches der Beklagten von 512.549,73 S gegen diesen Anspruch mit dem ihr zustehenden (zumindest gleich hohen) Benützungsentgeltanspruch materiellrechtlich aufrechnen wollte. Bejahendenfalls werden die zur Beurteilung eines solchen Anspruches der klagenden Partei, der dann den der Beklagten zustehenden Aufwandersatzanspruch mindern würde, erforderlichen Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen sein.

Es waren daher in Stattgebung der Revision der klagenden Partei die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben; die Rechtssache war zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die beklagte Partei war mit ihrer Revision auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO; die Entscheidung über die Kosten der Revision der Beklagten und der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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