Spruch:
Die Wirkung der Rechtskraft eines Urteiles erstreckt sich - mit der Beschränkung durch das Vertrauen auf das Grundbuch - auch auf den Singularsukzessor. Bei Mangel an Urkunden gemäß § 9 EO. kann gegen ihn nur eine Klage nach § 10 EO., nicht aber eine neuerliche Leistungsklage erhoben werden.
Entscheidung vom 15. November 1961, 5 Ob 322/61.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. September 1959, 4 Cg 386/57-40, wurde die Firma I., Generalvertretungen, Großhandelsgesellschaft m. b. H. in W., als Alleineigentümerin eines Hauses in W. verurteilt, die in der Feuermauer des Quertraktes dieses Hauses gegen den Hofraum des benachbarten, den Klägern gehörigen Hauses ausgebrochenen Fenster binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution durch einen hiezu befugten Gewerbetreibenden zu vermauern. Das Urteil grundete sich auf eine im Grundbuch eingetragene, der Verpflichtung entsprechende Reallast. Das Urteil wurde vom Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 10. Dezember 1959 bestätigt. Der dagegen eingebrachten Revision der Firma I. wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 17. Februar 1960, 5 Ob 55/60, nicht Folge gegeben. Die Firma I. war dem Klagebegehren u. a. auch mit der Behauptung entgegengetreten, daß seitens der Kläger eine schikanöse Rechtsausübung vorliege. Demgegenüber vertrat der Oberste Gerichtshof den Standpunkt, daß Schikane nicht vorliege, weil nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen fallweise Gegenstände aus dem Fenster gefallen sind, daher den Klägern ein begrundetes Interesse an der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruches zugebilligt werden müsse. Von einer gegen die guten Sitten verstoßenden, mißbräuchlichen Rechtsausübung könne nur dann gesprochen werden, wenn demjenigen, der ein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden müsse als das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen.
Auf Grund des Kaufvertrages vom 19. Februar 1958 und der Aufsandungserklärung vom 30. Oktober 1959 wurde der Beklagte am 21. Dezember 1959 grundbücherlicher Eigentümer des früher der Firma I. gehörenden Hauses. Nun erhoben die Kläger gegen den Beklagten dasselbe Klagebegehren wie seinerzeit in der Sache 4 Cg 386/57 gegen die Firma I. Dem Klagebegehren wurde vom Beklagten mit der Behauptung begegnet, er beabsichtige, auf seiner Liegenschaft, die derzeit völlig unbenützt und unbewohnt, sei, ein Wohnhaus zu errichten. Im Zuge des geplanten Umbaues würden die fraglichen Fenster ohnehin verschwinden. Es wäre wirtschaftlich völlig unzumutbar, bei einem Haus, das in naher Zukunft völlig umgestaltet werden solle und bei welchem, im Zuge der Umgestaltung ohnehin dem Begehren der Kläger Rechnung getragen werde, nunmehr vor der teilweisen Abtragung des Hauses noch die Fenster zumauern zu wollen. Das gegenständliche Haus sei seit drei Jahren völlig unbenützt; die Fenster, welche zur Liegenschaft der Kläger zeigten, seien unöffenbar verschlossen; das Begehren der Kläger auf Zumauerung dieser Fenster stelle sich als bloße Schikane dar.
Das Erstgericht erkannte nach dem Klagebegehren.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes, wobei er dessen Spruch dahingehend neu faßte, daß das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. September 1959, 4 Cg 386/57-40, mit Ausnahme der Kostenentscheidung gegen den Beklagten vollstreckbar sei.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß JB. Nr. 63 neu = SZ. XXVIII 265 erstreckt sich die Rechtskraft eines Urteils auch auf die Singularsukzessoren der Prozeßparteien. Dies gilt auch dann, wenn die Singularsukzession schon während des Rechtsstreites eingetreten ist (JBl. 1958 S. 75). Im vorliegenden Fall ist der Beklagte, da er die mit der Reallast der Verpflichtung zur Vermauerung der Fenster belastete Liegenschaft erworben hat, Einzelrechtsnachfolger der im Verfahren 4 Cg 386/57 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien verurteilten Firma I. Die Ausdehnung der Rechtskraftwirkung ist allerdings durch das Vertrauen auf das Grundbuch beschränkt (3 Ob 38/61). Eine Berufung auf das Vertrauen auf das Grundbuch kommt aber hier nicht in Frage, weil die Verpflichtung zur Vermauerung der Fenster im Grundbuch als Reallast eingetragen ist. Der Beklagte könnte sich höchstens darauf berufen, er habe nicht gewußt, daß die für das Existentwerden der Verpflichtung zur Vermauerung der Fenster im Grundbuch eingetragenen Voraussetzungen bereits gegeben sind. Darauf hat er sich aber nicht berufen, und es wurde überdies von den Untergerichten festgestellt, daß dem Beklagten, als er die Liegenschaft erwarb, der von den Klägern schon damals geltend gemachte Anspruch bekannt war, und daß er durch seinen Erwerb der Liegenschaft die Durchsetzung des von den Klägern erfochtenen Klageanspruches vereitelt hat.
Da somit über den eingeklagten Anspruch bereits rechtskräftig auch mit Wirkung gegenüber dem Beklagten erkannt wurde, fehlt jede Grundlage für die Erhebung einer neuerlichen Leistungsklage, und es kommt nur die Erhebung einer Klage nach § 10 EO. in Frage. Der Umstand, daß die erhobene Klage dem Wesen der Klage nach § 10 EO. nicht entspricht, steht der meritorischen Behandlung der Klage nicht im Weg, weil aus dem Vorbringen der Kläger hervorgeht, daß es ihnen nur darum zu tun ist, die Durchsetzung des im Vorprozeß erstrittenen Anspruches zu erwirken. Sie wollten daher einen Erfolg erreichen, der dem Wesen der Klage des § 10 EO. entspricht. Die gegenständliche Klage ist daher als Klage nach § 10 EO. zu behandeln und nur das Klagebegehren im Urteil entsprechend zu modifizieren (JB. Nr. 63 neu, 3 Ob 38/61 u. a.).
Die Klage nach § 10 EO. wäre allerdings abzuweisen, wenn auf Grund der Urkunden eine Exekutionsführung nach § 9 EO. möglich wäre. Aber abgesehen davon, daß der Beklagte gar nicht behauptet hat, daß es den Klägern möglich gewesen wäre, auf Grund des Urteiles im Vorprozeß und des Grundbuchsauszuges Exekution gegen ihn zu erwirken, ist es auch fraglich, ob die Kläger auf Grund dieser Urkunden das Urteil gegenüber dem Beklagten exekutiv durchsetzen könnten, weil vom Exekutionsrichter gefordert werden könnte, daß zum Nachweis dafür, daß nicht nur die Liegenschaft, sondern auch die Judikatschuld aus dem Vorprozeß auf den Beklagten übergegangen ist, der Nachweis, daß dem Beklagten beim Erwerb der Liegenschaft die frühere Prozeßführung bekannt war, erbracht werden müßte. Dieser Nachweis kann aber nur im Prozeßweg erbracht werden.
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