OGH 2Ob554/86

OGH2Ob554/8628.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith S***, 6020 Innsbruck, Egger-Lienz-Straße 94, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ö*** G***, p.A.6020 Innsbruck,

Südtirolerplatz 14-16/IV, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Zahlung von S 115.924,--, Rente und Feststellung (Gesamtstreitwert S 424.474,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20.Jänner 1986, GZ 6 R 315/85-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.Juni 1985, GZ 11 Cg 380/83-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin war seit 16.4.1968 bei der Firma E***

K*** in Innsbruck (Inhaberin Maria R*** geborene K***) als kaufmännische Angestellte tätig. Am 30.12.1982

wurde sie von ihrem Dienstgeber gekündigt.

In der Klage machte die Klägerin geltend, sie habe diese aus unerklärlichen Gründen ausgesprochene Kündigung als sozial ungerechtfertigt erachtet, da sie nahezu 15 Jahre in diesem Betrieb gearbeitet habe, finanziell auf sich allein gestellt sei, ihre Arbeit zur vollen Zufriedenheit der Dienstgeberin ausgeführt habe und sie als Angestellte nur schwer auf einem anderen Arbeitsplatz unterkommen könne, da sie am 1.2.1983 52 Jahre alt werde. Die Klägerin sei erst relativ spät in den Arbeitsprozeß eingetreten und habe mit Wissen ihres Arbeitgebers die Möglichkeit genützt, durch monatliche Ratenzahlungen Pensionsversicherungsjahre einzukaufen. Von ihrem Arbeitgeber sei auch bereits eine andere Arbeitskraft für ihre Tätigkeit aufgenommen worden. Die Klägerin habe aus diesen Gründen am 3.1.1983 die beklagte Partei aufgesucht und mitgeteilt, daß sie die Kündigung anzufechten beabsichtige. Sie habe der beklagten Partei Vollmacht erteilt und diese habe den Auftrag angenommen. Anstatt die Anfechtung der Kündigung fristgerecht beim Einigungsamt einzubringen, habe die beklagte Partei am 7.1.1983 nur ein Schreiben an die Dienstgeberin gerichtet und darin ersucht, die Kündigung noch einmal zu überdenken. Erst am 13.1.1983, sohin nach Ablauf der im § 105 ArbVG (richtig wohl § 107) normierten Frist, habe die beklagte Partei eine Anfechtung der Kündigung beim Einigungsamt eingebracht, habe diese aber bei der ersten Verhandlung zurückziehen müssen. Wäre die Frist nicht versäumt worden, hätte die Anfechtung wegen sozialer Härte zweifelsohne Erfolg gehabt. Der Klägerin seien dadurch die Gehälter für April bis Juli 1983 einschließlich anteiliger Sonderzahlungen entgangen. Ab 1.8.1983 sei die Klägerin zwar wieder beschäftigt, erhalte allerdings nur mehr ein Gehalt von monatlich S 11.000,--, sodaß sie einen monatlichen Verdienstentgang von S 5.050,-- erleide. Bis Juni 1984 habe die Klägerin einen - im einzelnen aufgegliederten - Schaden von S 115.124,-- erlitten.

Die Zahlung dieses Betrages sowie von monatlich S 5.050,-- ab 1.7.1984 (15-mal jährlich), in eventu die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für den Schaden der Klägerin durch Auszahlung eines um S 5.050,-- geringeren monatlichen Gehaltes ab Oktober 1983 begehrte die Klägerin mit der am 1.7.1983 beim Erstgericht eingebrachten Klage nach wiederholter Ausdehnung und Einschränkung des Klagebegehrens. Weiters wurde das mit S 82.100,-- bewertete Feststellungsbegehren gestellt, daß die beklagte Partei der Klägerin für sämtliche weiteren Schäden hafte, die diese durch die Versäumung der Anfechtungsfrist gegen die Kündigung vom 30.12.1982 erleide, insbesondere für einen dadurch verursachten Pensionsentgang. Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wendete ein, die Klägerin habe die verspätete Überreichung der Kündigungsanfechtung durch Erteilung unzureichender Informationen bei der Besprechung am 3.1.1983 selbst verschuldet. Insbesonders habe die Klägerin keine Information über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Betriebsrates erteilen können. Die Klägerin vermöge auch nicht anzugeben, weshalb die Kündigungsanfechtung zum Erfolg geführt hätte. Die Klägerin sei gekündigt worden, weil organisatorische Änderungen und technische Neuerungen ihren Arbeitsplatz entbehrlich gemacht hätten. Es sei ein Computer angeschafft worden, den die Klägerin nicht bedienen könne. Eine Umschulung habe die Klägerin auf Grund ihres Alters verweigert. Die Tätigkeit der Klägerin habe in der Fakturierung und im Empfang bestanden. Die Fakturierung werde nun über den Computer durchgeführt, während den Empfang die Inhaberin des Betriebes selbst besorge. Da somit der Arbeitsplatz der Klägerin wegen betrieblicher Umschichtungen entbehrlich sei, könne auf geltend gemachte soziale Anfechtungsgründe keine Rücksicht genommen werde. Selbst bei positiver Erledigung der Anfechtung der Kündigung vom 30.12.1982 wäre es dem Dienstgeber unbenommen geblieben, die Kündigung zum nächsten Termin, also zum 3o.6.1983, auszusprechen. Als Schadenersatz könnten daher maximal die drei Monate bis zum Erreichen des nächsten Kündigungstermines geltend gemacht werden. Die Klagsforderung sei auch aus anderen Gründen überhöht. Insbesondere müsse sich die Klägerin alles einrechnen lassen, was ihr auf Grund der Beendigung des Dienstverhältnisses zugekommen sei, was sie sich infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart habe und was sie durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe. Die künftig fällig werdenden Beträge könnten mangels Fälligkeit nicht eingeklagt werden. Die Klägerin bestritt ein Mitverschulden an der Fristversäumung und erwiderte, die beklagte Partei habe die Vollmacht angenommen und die Klägerin im Glauben gelassen, sie werde das Nötige veranlassen. Die beklagte Partei hätte die Klägerin daher zumindest auf den möglichen Fristablauf hinweisen müssen. Auch eine zum 30.6.1983 wiederum mögliche Kündigung hätte mit Erfolg angefochten werden können. Diese Möglichkeit sei der Klägerin durch die Fristversäumung jedoch genommen worden. Eine Umstellung auf eine EDV-Anlage sei nicht erfolgt; die Klägerin habe auch die Vornahme einer Umschulung nie verweigert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab, wobei es im

wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Die Tätigkeit der Klägerin bei der Firma E***

K*** bestand darin, daß sie den Empfang der Kunden besorgte, die Kasse führte, die Korrespondenz erledigte sowie die Post bearbeitete und verteilte. Sie besaß weder Stenografie- noch Buchhaltungskenntnisse. Aus dieser Tätigkeit bezog die Klägerin zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von S 16.050,-- 14-mal jährlich. Am 30.12.1982 wurde die Klägerin von ihrer Dienstgeberin gekündigt, weil sie ihre Arbeit zwar gewissenhaft, jedoch sehr mühsam ausführte und nicht gewillt war, sich weiterzubilden. Die Klägerin war von ihrem Dienstgeber mehrfach erfolglos ersucht worden, Stenografie- und Buchhaltungskurse zu besuchen. Zudem war für die Firma K*** eine Weiterbeschäftigung der Klägerin aus Kostengründen nicht mehr möglich. Im Dezember 1982 wurde ein Kleincomputer angeschafft, der Teile der Arbeit der Klägerin erledigt. Auf Grund schlechten Geschäftserfolges in den Jahren 1980 bis 1982 war die Firma K*** gezwungen, Personalkosten einzusparen, und es war beabsichtigt, den Arbeitsbereich der Klägerin auf die übrigen Angestellten aufzuteilen und von einer Neueinstellung abzusehen. Die Klägerin wollte sich mit der Kündigung nicht abfinden und wandte sich am 3.1.1983 an die beklagte Partei. Deren Sekretär Gabor B*** empfahl der Klägerin, die Kündigung beim Einigungsamt anzufechten. Am selben Tag erteilte die Klägerin dem genannten Sekretär Vollmacht und beauftragte ihn, die Anfechtung der Kündigung beim Einigungsamt einzubringen. In der Folge machte die Klägerin Gabor B*** mit der Sachlage vertraut und teilte diesem mit, daß in der Firma K*** kein Betriebsrat

installiert sei. Am 13.1.1983 verfaßte Gabor B*** die Anfechtung der Kündigung und führte darin im wesentlichen aus, daß diese sozial nicht gerechtfertigt sei, weil die 52-jährige Klägerin nur schwer eine Angestelltenstelle finden könne und sie mit Wissen ihres Arbeitgebers die Möglichkeit genützt habe, Pensionsversicherungsjahre einzukaufen, wobei Ratenzahlungen auch jetzt noch fällig seien und sie noch keine Pensionsansprüche habe. Bevor Gabor B*** die Anfechtung beim Einigungsamt einbrachte, versuchte er, die Kündigung außergerichtlich rückgängig zu machen, und richtete am 7.1.1983 ein diesbezügliches Schreiben an die Inhaberin der Firma K***. Darin ersuchte er diese, bis zum 13.1.1983 eine Stellungnahme abzugeben. Am 13.1.1983 brachte die beklagte Partei die Anfechtung beim Einigungsamt ein, zog diese aber in der Folge wieder zurück, da die in § 107 ArbVG normierte Frist versäumt worden war. Nachdem die Kündigung rechtswirksam war, beendete die Klägerin mit 31.3.1983 ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma K***. Vom 1.8.1983 bis zum 30.9.1984 arbeitete die Klägerin bei der Firma N***, wo sie wiederum vom Arbeitgeber gekündigt wurde. Diese Kündigung wurde von der Klägerin nicht angefochten. Ihr monatliches Bruttoeinkommen aus dieser Tätigkeit betrug S 12.305,--. Seit 1.10.1984 ist die Klägerin arbeitslos und bezog vom 1.10.1984 bis 31.12.1984 Arbeitslosenunterstützung in der Höhe von monatlich S 7.024,--. 1984 wurde von der Firma K*** ein Absolvent der Handelsakademie eingestellt, der neben der von der Klägerin verrichteten Tätigkeit auch die Buchhaltung erledigt, wodurch die Firma K*** monatlich mindestens S 4.500,-- an Buchhaltungskosten einspart. Zudem wird dieser Angestellte von der Firma K*** um S 4.000,-- monatlich geringer als seinerzeit die Klägerin entlohnt.

In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß zwischen den Streitteilen ein Bevollmächtigungsvertrag bestanden habe und eine Vertragsverletzung seitens der beklagten Partei vorliege, weil diese die Anfechtung der Kündigung nicht rechtzeitig beim Einigungsamt eingebracht habe. Es könne auch davon ausgegangen werden, daß die Klägerin durch diese Pflichtverletzung Schaden erlitten habe, auf dessen Höhe jedoch nicht eingegangen werden müsse. Die Klägerin treffe nämlich auch die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und erlittenem Schaden, weshalb zu prüfen sei, ob eine fristgerechte Anfechtung der Kündigung erfolgreich gewesen wäre. Nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, auf dessen Tatbestand die Kündigungsanfechtung allein gestützt werden hätte können, sei eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtige, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringe den Nachweis, daß die Kündigung durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen seien und die betrieblichen Interessen nachteilig berührten oder durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, begründet sei. Das Beweisverfahren habe ergeben, daß sowohl die angeführten Umstände in der Person der Klägerin gegeben gewesen seien, weil sich diese geweigert habe, sich im Interesse des Betriebes weiterzubilden, als auch die angeführten betrieblichen Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegengestanden seien, weil die Firma K*** auf Grund schlechten Geschäftserfolges zu Sparmaßnahmen gezwungen gewesen sei. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen gewesen.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte im Ergebnis auch dessen rechtliche Beurteilung.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung der Entscheidung und Rückverweisung an die zweite Instanz; hilfsweise wird Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung beantragt.

Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt. Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die beklagte Partei wäre auf Grund des mit der Klägerin abgeschlossenen Bevollmächtigungsvertrages verpflichtet gewesen, die vom Arbeitgeber der Klägerin ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses beim Einigungsamt anzufechten. Die rechtzeitige Einbringung dieser zweifellos erfolgreichen Anfechtung sei durch Verschulden der beklagten Partei unterblieben, sodaß diese für den der Klägerin durch diese Unterlassung verursachten Schaden zu haften habe. Die Anfechtung der Kündigung beim Einigungsamt hätte schon deshalb Erfolg gehabt, weil der Arbeitgeber den Nachweis nicht habe erbringen können, daß die Kündigung durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, oder durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, begründet sei.

Hiezu ist folgendes auszuführen:

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß zwischen den Streitteilen ein rechtswirksamer Bevollmächtigungsvertrag im Sinne der §§ 1002 ff.ABGB zustandegekommen ist, auf Grund dessen die beklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, die Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin rechtzeitig beim Einigungsamt anzufechten. Es ist auch richtig, daß die rechtzeitige Einbringung der Anfechtung beim Einigungsamt durch schuldhafte Vernachlässigung der im § 1009 ABGB normierten Sorgfaltspflicht des Gewalthabers, also der beklagten Partei, unterblieben ist. Diese hat daher der Klägerin grundsätzlich für einen durch diese Unterlassung verursachten Schaden zu haften.

Wie der Oberste Gerichtshof in der die Haftung eines Rechtsanwaltes wegen Unterlassung der gehörigen Fortsetzung eines Verfahrens zur Vermeidung der Verjährung betreffenden Entscheidung SZ 56/181 ausgesprochen hat, trifft indes auch bei erwiesenem Verschulden des Bevollmächtigten den Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Schaden (SZ 54/179; SZ 52/15; ZfRV 1977, 301;

EvBl 1957/171 ua.; Koziol, Österreichisches

Haftpflichtrecht 2 , I 333), auch wenn es sich um eine Unterlassung handelte (NZ 1980, 73; RZ 1977/27; EvBl 1957/171;

Baumgärtl-Wittmann, Handbuch der Beweislast im Privatrecht I Rdz 13 zu § 823 IBGB; Rosenberg, Die Beweislast 5 , 155; inhaltlich auch SZ 39/186, worauf Koziol aaO 333 FN 65 zutreffend hinweist). Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme eines bestimmten und möglichen aktiven Handelns das Eintreten des Erfolges verhindert hätte. Keine Kausalität läge vor, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (ZBl.1927/249; SZ 7/94; Koziol aaO 60, 163 f.). Bei einer Beweisführung über die Kausalität einer Unterlassung kommt allerdings, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, in der Regel nur eine Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges in Betracht. Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden. Die Gegenpartei kann dann den typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen, indem sie einen anderen Tatsachenzusammenhang gleich wahrscheinlich macht oder eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufs aufzeigt (EvBl 1983/120; RZ 1982/49; NZ 1980/73; ZVR 1977/231 ua; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht 2 , I 325 mwN; Fasching III 235; 280; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht 2 251; Rosenberg aaO 184). Liegt das Verschulden des Bevollmächtigten in der Versäumung der für einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel gesetzlich vorgesehenen Frist, so ist das Verfahren über diesen Rechtsbehelf oder dieses Rechtsmittel hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie dieses mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte (vgl.SZ 56/181, NZ 1980, 73 ua.).

Da die Klägerin vorgebracht hat, daß eine rechtzeitige Anfechtung ihrer Kündigung wegen sozialer Härte zweifelsohne Erfolg gehabt hätte, trifft sie die Beweislast für die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Anfechtung der Kündigung. Wie oben dargelegt, ist daher das Verfahren beim Einigungsamt über die Anfechtung der Kündigung hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte.

Gemäß § 107 ArbVG kann in Betrieben, in denen Betriebsräte zu errichten sind, solche aber nicht bestehen, der betroffene Arbeitnehmer binnen einer Woche nach Zugang der Kündigung diese beim Einigungsamt anfechten. Da die beklagte Partei das Vorliegen der Voraussetuzungen des § 107 ArbVG - betriebsratspflichtiger Betrieb (§ 40 Abs 1 ArbVG), Nichtbestehen eines Betriebsrates - im Verfahren erster Instanz nicht bestritten hat, kann derzeit mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden, daß diese Voraussetzungen gegeben sind. Für die Anfechtung der Kündigung beim Einigungsamt wäre im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG in Betracht gekommen. Nach dieser Bestimmung kann die Kündigung angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist und der gekündigte Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist. "Sozial ungerechtfertigt" ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, daß die Kündigung a) durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, oder b) durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, begründet ist. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß bei Bedachtnahme auf das Alter der Klägerin und die vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Betrieb des E*** K*** durch die Kündigung wesentliche

Interessen der Klägerin beeinträchtigt wurden. Die Klägerin war durch die Kündigung der Gefahr einer längeren Arbeitslosigkeit ausgesetzt und mußte auch bei Erlangung einer neuen Arbeitsstelle mit einer empfindlichen Verdiensteinbuße rechnen, wie diese auch tatsächlich eingetreten ist. Eine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Arbeitnehmers ist aber bereits gegeben, wenn durch die Kündigung eine bloß finanzielle Schlechterstellung verursacht wird; es muß die Kündigung nicht mehr die Existenzgrundlage durch dauernde Arbeitslosigkeit gefährden. Erbringt aber der Betriebsinhaber den Nachweis, daß die Kündigung durch einen der im § 105 Abs 3 Z 2 lit a oder b ArbVG angeführten Umstände begründet ist, so ist die Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Arbeitnehmers nicht mehr zu untersuchen und es kann von einer sozial ungerechtfertigten Kündigung nicht mehr gesprochen werden (vgl.Arb 9599 ua.).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann aber im vorliegenden Fall auf Grund der vorhandenen Feststellungen noch nicht beurteilt werden, ob dem Betriebsinhaber der Nachweis, daß die Kündigung durch einen der in § 105 Abs 3 Z 2 lit a oder b ArbVG genannten Umstände begründet ist, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gelungen wäre oder nicht. Hiezu hat das Berufungsgericht zunächst richtig darauf verwiesen, daß bei der Beurteilung, ob die Kündigung durch betriebliche Erfordernisse begründet ist, von dem Sachverhalt ausgegangen werden muß, der im Zeitpunkt der Anfechtung der Kündigung gegeben gewesen wäre (Arb 5637 ua.). Als betriebliche Verhältnisse kommen wirtschaftliche, technische und organisatorische Belange in Betracht (Arb 5637 ua.); auch die Ertragslage des Unternehmens ist wesentlich mitzuberücksichtigen (Arb 6930 ua.). Der Anfechtungsgrund nach § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG ist dem des § 25 Abs 4 des ehemaligen Betriebsrätegesetzes sehr ähnlich. Es muß einerseits eine wesentliche Beeinträchtigung der Interessen auf der Arbeitnehmerseite vorliegen, andererseits dürfen durch eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus betriebliche Interessen nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden. Das Vorliegen eines derartigen betrieblichen Interesses, das in der Person des Arbeitnehmers gelegen ist, hat der Arbeitgeber zu beweisen (siehe zB Floretta-Strasser, Kommentar zum ArbVG, 636 f. zu §§ 105 bis 107). Hiefür kommen Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis in Betracht, wie Arbeitsversäumnis, Arbeitsverweigerung, erhebliche Minderleistung, oftmalige Unpünktlichkeit, ungenügender Fleiß, Unverträglichkeit gegenüber den Mitarbeitern, wobei ein Verschulden auf seiten des Arbeitnehmers nicht erforderlich ist (siehe Arb 9453 sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.1.1953, Zl.1224/52, Slg.NF Nr.2830/A vom 20.1.1955, Zl.950/54, Slg.NFNR..3629/A vom 25.6.1963, Zl.240/63, Arb 7787 vom 2.6.1964, Zl.1455/86 und vom 23.4.1974, /1. 1005/73, sowie Floretta-Strasser, aaO, 643, zu §§ 105 bis 107, Mayr aaO, 251 zu § 105, 9). Wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG können wirtschaftlicher Art im engeren Sinne, technischer, organisatorischer oder sonstiger wirtschaftlicher Art sein (vgl.Arb 5637; Arb 7330); so können mangelnde Aufträge, Rückgang des Absatzes, Wettbewerbsrücksichten, geringe Ertragslage, veraltete Betriebsanlagen (entweder unmittelbar oder im Wege der Umgestaltung des Betriebes durch Rationalisierung oder bessere Technisierung) den Anlaß zur Kündigung geben. Weiters kommen in Betracht Mängel in der Rohstoff- und Materialbelieferung, Kreditschwierigkeiten und Ausfall von Maschinen, Gas oder Strom (vgl.Arb 5637). Es darf sich dabei nicht um kurzfristige Störungen handeln. Andererseits muß auch nicht bei Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses der Zusammenbruch des Betriebes zu erwarten sein (vgl.Floretta-Strasser a.a.O. 638, VwGH.Z.1161/57 ua.).

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, reichen die bisherigen Feststellungen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob dem Betriebsinhaber der Nachweis der in § 105 Abs 3 Z 2 lit a oder b genannten Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gelungen wäre oder nicht. Insbesondere das Vorliegen der wirtschaftlichen Gründe im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG bedarf ergänzender Feststellungen in der oben aufgezeigten Richtung. So ist beispielsweise die Feststellung, "daß die Firma K*** auf Grund schlechten Geschäftserfolges in den Jahren 1980 bis 1982 gezwungen war, Personalkosten einzusparen", jedenfalls zu wenig konkret, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG abschließend beurteilen zu können. Hiezu wird es der erforderlichen eingehenderen Feststellungen über die Wirtschaftslage des Betriebes, über den Geschäftserfolg, das Ausmaß und die Ursachen eines allfälligen ungünstigen Erfolges usw. bedürfen. Die Kündigung ist nämlich nur dann in den Betriebsverhältnissen gerechtfertigt, wenn im gesamten Betrieb gerade für den betroffenen Arbeitnehmer kein Bedarf mehr gegeben ist und schließlich dem Arbeitgeber auch durch keine andere soziale Maßnahme die Erhaltung des Arbeitsplatzes zuzumuten ist (Floretta-Strasser aaO 638). Wohl kommt dem Betriebsinhaber grundsätzlich das freie Entscheidungsrecht darüber zu, ob er den Betrieb einschränken oder rationalisieren will (vgl.Arb 5637 ua.). Auf Grund des freien Entscheidungsrechtes des Arbeitgebers kann das Einigungsamt auch nicht prüfen, ob die Stillegung oder Einschränkung des Betriebes oder die Anschaffung einer neuen arbeitskräftesparenden Maschine vom wirtschaftlichen oder technischen Standpunkt aus zweckmäßig ist. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Führung des Betriebes hat also der Betriebsinhaber uneingeschränkte Freiheit, es trifft ihn durch den § 105 ArbVG keine wirtschaftliche, insbesondere produktionstechnische Gestaltungspflicht im Betrieb. Wohl aber trifft den Arbeitgeber eine Gestaltungspflicht, soweit dies soziale Gesichtspunkte der Arbeitnehmer des Betriebes verlangen. Soziale Interessen der Arbeitnehmer sind zu berücksichtigen. So hat der Betriebsinhaber trotz Einschränkung des Betriebes oder Stillegung einer Betriebsabteilung oder trotz Rationalisierungsmaßnahmen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, seine bisherigen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Der Arbeitgeber kann daher nicht Arbeitnehmer kündigen und dafür neue einstellen (vgl.Arb 5255; Arb 6579); dafür müßte ein triftiger Anlaß gegeben sein. Auch bei Einführung neuer Maschinen und neuer Arbeitsmethoden im Zuge der Rationalisierung hat der Arbeitgeber vorerst die schon im Betrieb befindlichen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, wenn sie nach der Einarbeitungszeit zumindest eine Durchschnittsleistung erbringen. Bei Kündigungen muß die weitere Verwendungsmöglichkeit der betroffenen Arbeitnehmer auf den Gesamtbetrieb hin überprüft werden. Kann der betroffene Arbeitnehmer in einer anderen Abteilung in Verwendung genommen werden, ist die Kündigung nicht betriebsbedingt (vgl.Arb 5255;

Arb 5846; SozM II B S 223; Arb 5981). Bei Prüfung dieser Frage ist ein strenger Maßstab anzulegen, ganz besonders bei älteren und im Betrieb lange beschäftigten Arbeitnehmern (vgl.Arb 7559; Arb 6883;

SozM II B S 529, Floretta-Strasser a.a.O., S 639). Ist eine schlechte finanzielle Lage des Betriebes die Ursache für Personaleinschränkungen, ist, da § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG den Betriebsinhaber verpflichtet, Maßnahmen auch nach sozialen Gesichtspunkten abzustimmen, zu prüfen, ob es nicht dem Arbeitgeber, wenn der Auftragsstand genügend ist, rechtlich und auch vom betrieblichen Standpunkt aus möglich ist, eine erforderliche Kostensenkung, z.B. durch Einschränkung besonders hoher Gehälter oder durch Ausschüttung geringerer Dividenden, herbeizuführen. Es können alllerdings solche Maßnahmen dem Betriebsinhaber nicht vorgeschrieben werden; nur wenn er sie nicht beachtet, wird dies bei der Prüfung der Betriebsbedingtheit der Kündigung zu Buche schlagen. Grundsätzlich ist eine Kündigung in den Betriebsverhältnissen nur dann begründet, wenn sie im Interesse des Betriebes wirklich notwendig ist. Dabei ist aber zu fordern, daß der Betriebsinhaber seine Maßnahmen auch nach sozialen Gesichtspunkten ausrichtet (vgl.Floretta-Strasser a.a.O. S 641).

Was die Gründe in der Person des Arbeitnehmers anlangt (§ 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG), können als solche insbesondere in Betracht kommen: Mangelnde körperliche oder geistige Eignung, die zwar den Arbeitnehmer nicht schlechthin arbeitsunfähig macht, aber eine ins Gewicht fallende Minderleistung verursacht (vgl.SozM II B S 529). Eine Berufung auf Minderleistungen ist ausgeschlossen, wenn es der Arbeitgeber verabsäumt, die erforderlichen Weisungen und die für die Erbringung einer einwandfreien Arbeitsleistung notwendigen Informationen zu geben, oder wenn dem Arbeitnehmer Tätigkeiten zugeteilt werden, die seinen Fähigkeiten nicht entsprechen und daraus unterdurchschnittliche Leistungen resultieren (vgl.Floretta-Strasser a.a.O. S 642). Die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Alter sind überhaupt besonders zu berücksichtigen, desgleichen, ob der Arbeitnehmer die beschränkte Leistungsfähigkeit selbst verschuldet hat. Vor allem aber haben ältere und im Betrieb lang beschäftigte Arbeitnehmer Anspruch auf Schonung (vgl.Arb 7559; Arb 6883; Arb 6897; SozM II B 529). Der Arbeitgeber wird daher versuchen müssen, diese Arbeitnehmer auf einem ihren geminderten Kräften entsprechenden Arbeitsplatz zu verwenden (vgl.Arb 6883; Arb 6897; Arb 7185).

Unter Anwendung dieser Grundsätze wird daher im fortgesetzten Verfahren ins Einzelne gehend festzustellen sein, für welche Tätigkeiten die Klägerin von der Firma E*** K***

angestellt worden war und ob für diese Tätigkeiten Kenntnisse in Stenografie- und Buchhaltung überhaupt erforderlich waren, die sie nach den bisherigen Feststellungen nicht besaß und weshalb nunmehr diese Kenntnisse erforderlich gewesen sein sollten. Auch darauf wird bei Beurteilung der Frage, ob die Weigerung der Klägerin, Fortbildungskurse zu besuchen, auf Grund ihres Alters und ihrer bisherigen Tätigkeit geeignet gewesen wäre, eine Kündigung im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG zu rechtfertigen, Bedacht zu nehmen sein.

Da es somit zur abschließenden Beurteilung der Berechtigung des Klagsanspruches schon dem Grunde nach einer Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage in der aufgezeigten Richtung bedarf, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen, weshalb eine Stellungnahme zur Anspruchshöhe im derzeitigen Verfahrensstadium verfrüht wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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