OGH 8Ob30/86

OGH8Ob30/8623.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*** & Co. Tauch-, Bergungs- und Sprengunternehmen Gesellschaft m.b.H., Nikolsdorfer Gasse 31, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Hermann B***, Schiffskapitän, Dr. Exner-Platz 6, 2230 Gänserndorf, 2) E*** D***-D***-Gesellschaft, Handelskai 265, 1021 Wien, und

3) M*** U*** S***-AG, Budapest, die erst- und

zweitbeklagte Partei vertreten durch Dr. Arthur Brüller, Rechtsanwalt in Wien, die drittbeklagte Partei vertreten durch Dr. Fritz Hanacik, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 3,291.119,89 s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Jänner 1986, GZ. 2 R 258/85-119, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. August 1985, GZ. 52 C 1/84-108, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstbeklagte steuerte als Schiffsführer am 25. März 1981 gegen 2 Uhr das Motortankschiff (MTS) "Angern" mit dem beigekoppelten Tankboot T 9803 auf der Donau im Bereich der Wiener Nordbahnbrücke talwärts. Schiffseigner dieser Schiffe ist die Zweitbeklagte. Zur gleichen Zeit steuerte Josef O*** als Schiffsführer das Motorschiff (MS) "Vertes" mit den beiden im Schleppverband gezogenen Anhangfahrzeugen WB 771 MHRT und T-746 BL im gleichen Bereich stromaufwärts. Schiffseigner dieser Schiffe ist die Drittbeklagte (Außerstreitstellung ON 89 S 253). Die Klägerin war seit 7. Jänner 1981 im Auftrag der A*** Nordbahnbrücke (P***-U***) mit

Unterwasserpfeilersanierungsarbeiten an dieser Brücke beschäftigt. Die dadurch bedingten Beschränkungen des Schiffsverkehrs (Verengung der Durchfahrtsbreite um 17 m) war mit Kundmachung vom 23. Dezember 1980, Zl. 40042/67-1980 vom Amt für Schiffahrt den Schiffahrtstreibenden mitgeteilt worden. Am 25. März 1981 arbeitete die Klägerin im Zuge dieser Sanierungsarbeiten am linksufrigen zweiten Brückenpfeiler. Zu diesem Zweck hatte sie einen schwimmenden Geräteträger am Brückenpfeiler befestigt, an dem Arbeitsgeräte (Stromschutzschilde, Rohrausleger, Schwenkkran, Hub- und Ziehvorrichtung, Unterwasserseilführung, Werkzeugkasten, Umkleidecontainer) und andere Ausrüstungsgegenstände montiert waren. Diese Anlage war mit den nach § 3.27 Wasserstraßen-Verkehrsordnung (WVO) vorgeschriebenen Warnlichtern ordnungsgemäß beleuchtet und wurde zusätzlich durch eine Beleuchtung von der Nordbahnbrücke angestrahlt. Das als Geräteträger dienende Boot war ein von der Firma B*** aus Wallsee gemietetes Spezialboot ("Brandner I"). Bei den erwähnten Aufbauten und Ausrüstungsgegenständen handelte es sich um Eigentum der Klägerin.

Im Zuge der Begegnung der beiden eingangs erwähnten Schiffsverbände kollidierte das MTS "Angern" mit dem Trägerboot "Brandner I". Dabei wurden verschiedene auf diesem Trägerboot befindliche Arbeitsgeräte der Klägerin beschädigt.

Im vorliegenden Rechtsstreit stellte die Klägerin das Begehren, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr den durch die Beschädigung ihrer Arbeitsgeräte eingetretenen (im einzelnen aufgeschlüsselten) Schaden von S 3,291.119,89 s.A. zu bezahlen, und zwar die Zweitbeklagte bei sonstiger Exekution in das Tankboot T 9803 und dessen Fracht, die Drittbeklagte bei Exekution in das MS "Vertes" und die Anhangfahrzeuge WB 771 MHRT und T-746 BL und deren Fracht. Die Klägerin stützte dieses Begehren dem Grunde nach im wesentlichen auf die Behauptung, die eingetretene Havarie sei die Folge eines nautischen Verschuldens des Erstbeklagten und des Schiffsführers des Schleppzuges der Drittbeklagten. Das MS "Vertes" habe vorschriftswidrig nur ein weißes Topplicht, nicht aber das für Schleppverbände vorgeschriebene zweite Topplicht gesetzt gehabt. Bei Annäherung an die Brücke habe es seine Fahrtrichtung von rechts nach links geändert und dem entgegenkommenden Talfahrer signalisiert, daß es ihn steuerbordseitig vorbeilassen wolle. Der Erstbeklagte hätte noch ausreichend Platz gehabt, um ohne Kollision an der Anlage der Klägerin vorbeizusteuern. Bei Ansichtigwerden des entgegenkommenden Schleppverbandes der Drittbeklagten und Feststellung der unklaren Situation habe er noch die Möglichkeit gehabt, durch Wenden oberhalb der Nordbahnbrücke eine Gefahr zu vermeiden. Infolge Verschuldens der beiden beteiligten Schiffsführer, wobei sich ihre Anteile nicht mit Bestimmtheit abgrenzen ließen, hätten die Beklagten den der Klägerin zugefügten Schaden zur ungeteilten Hand zu ersetzen.

Der Erst- und die Zweitbeklagte wendeten ein, daß der Kapitän des Schiffes der Drittbeklagten den Unfall allein verschuldet habe. Dieses Schiff habe nur ein Topplicht geführt, sodaß der Erstbeklagte zunächst annehmen habe müssen, es handle sich um ein allein stromaufwärts fahrendes Schiff. Der Kapitän der "Vertes" habe bei Annäherung der "Angern" die Steuerbord-Steuerbord-Begegnung angezeigt und begonnen, zum rechten Ufer auszuweichen, habe dieses Ausweichmanöver aber zu spät eingeleitet. Die von der "Vertes" gezogenen Schleppkähne hätten nicht schnell genug nachfahren können und deshalb durch ihre Schräglage die Schiffahrtsrinne der "Angern" verstellt. Der der "Angern" beigekoppelte Tankkahn sei zwar entleert, aber nicht entgast und demzufolge in höchstem Maße explosionsgefährlich gewesen, sodaß der Erstbeklagte in erster Linie eine Kollision dieses Tankkahnes mit dem entgegenkommenden Schiffsverband vermeiden habe müssen. Der Erstbeklagte habe daher stark nach Backbord zum linken Ufer steuern müssen. Dabei habe er zwar eine Kollision mit dem entgegenkommenden Schiffsverband vermeiden können, nicht aber den Anstoß an dem am Brückenpfeiler befestigten Geräteträger. Der Kapitän der "Vertes" wäre als Bergfahrer verpflichtet gewesen, dem talwärts fahrenden Koppelverband der Zweitbeklagten einen geeigneten Weg freizulassen. Ein Fehlverhalten des Erstbeklagten liege nicht vor. Er habe nicht mehr genügend Raum gehabt, um zwischen dem am Brückenpfeiler befestigten Geräteträger und den ihm schräg den Weg versperrenden beiden Schleppkähnen der Drittbeklagten kollisionsfrei durchzukommen. Unabhängig von der Frage eines Verschuldens des Erstbeklagten hafte die Zweitbeklagte nicht für die Unfallsfolgen. Die Drittbeklagte wendete ein, daß der Erstbeklagte den Unfall allein verschuldet habe. An der "Vertes" seien die beiden vorgeschriebenen weißen Topplichter gesetzt gewesen. Der Erstbeklagte sei mit der "Angern" vorschriftswidrig außerhalb der Fahrtrinne nahe am linken Donauufer gefahren und habe bei seinem Versuch, in Annäherung an den Brückenpfeiler wieder zur Strommitte zu gelangen, offensichtlich den Schleppverband der Drittbeklagten übersehen. Die Positionslichter der "Angern" seien für entgegenkommende Schiffsführer dadurch unsichtbar geworden, daß der Mast des Schiffes, auf dem sich die Lichter befanden, wegen der Brückendurchfahrt umgelegt worden sei, sodaß die Lichter durch das an Steuerbord beigekoppelte Tankboot verdeckt worden seien. Die Positionslichter hätten richtigerweise auf dem beigekoppelten Tankboot gesetzt werden müssen; das hätte zur früheren Erkennbarkeit der "Angern" und zur Möglichkeit einer früheren Reaktion durch den Kapitän der "Vertes" geführt. Der Erstbeklagte hätte ausreichend Platz gehabt, um die Kollision zu vermeiden, wenn er entsprechend aufmerksam gefahren wäre.

Das Erstgericht entschied nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches mit Zwischenurteil, daß der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht besteht.

Es stellte - abgesehen von dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - im wesentlichen folgendes fest:

Zur Unfallszeit herrschte leichter Regen; dennoch war die normale Nachtsicht auf mehrere Kilometer Entfernung möglich. Der Pegelstand der Donau in Wien-Reichsbrücke betrug 366 cm, was einem Wasserstand von 1,2 m über Mittelwasser entspricht. Neben der bereits angeführten Verengung der Durchfahrtsbreite der von den unfallsbeteiligten Schiffsverbänden benützten Durchfahrtsöffnung der Nordbahnbrücke auf 63 m war im Rahmen der Unterwasserpfeilersanierungsarbeiten der Klägerin ab 7. Jänner 1981 auch die Sperre des rechtsufrigen Landjoches (die Seitenbezeichnungen sind jeweils flußabwärts gesehen zu verstehen) durch Schiffahrtszeichen erfolgt. Dieses rechte Landjoch der Nordbahnbrücke wurde ansonsten von Bergfahrern für die Brückendurchfahrt benützt. Im gesamten Wiener Bereich sind vom linken Ufer zur Strommitte hin Steindämme (Buhnen) angelegt. Zwischen diesen Buhnen gibt es Verwirbelungen und Untiefen, weil sich dort das Geschiebe absetzt. Diese Zwischenräume nennt man Buhnenfelder. Sie bilden den linken Fahrbahnrand der Schiffahrtsstraße im Wiener Bereich. Bei der Nordbahnbrücke reichen sie bis zu dem linken Brückenpfeiler der zum Unfallszeitpunkt allein zur Verfügung stehenden Durchfahrtsöffnung, an dessen rechter Seite der Geräteträger befestigt war. Auf Höhe dieses Brückenpfeilers lag somit der linke Fahrbahnrand der Schiffahrtsstraße. Zur Unfallszeit war die Durchfahrtsbreite der Brückenöffnung durch den Geräteträger nur um rund 14 m eingeengt, weil er in der Nacht teilweise vor dem Pfeiler verankert wurde. Dabei kam einer der an beiden Seiten des Geräteträgers angebrachten etwa 3 m breiten Stromschutzschilde vor dem Brückenpfeiler zu liegen. Die Stromschutzschilde waren in Ruhestellung aus dem Wasser gehoben und lagen nur leicht gegenüber der waagrechten Richtung verdreht links und rechts des Geräteträgers. Abgesehen von der Sperre des rechtsufrigen Landjoches bestanden zur Unfallszeit im Bereich der Nordbahnbrücke keine Beschränkungen für den Schiffsverkehr.

Der Erstbeklagte fuhr am 24. März 1981 um 16 Uhr mit dem Schiffsverband der Zweitbeklagten (MTS "Angern" mit beigekoppeltem Tankboot T 9803) aus Linz ab. Das Tankboot war zwar entleert, aber nicht entgast worden. Es war dem Erstbeklagten bekannt, daß dadurch im Fall einer Kollision das Tankboot besonders explosionsgefährlich war. In der Zeit zwischen 16 und 22 Uhr wurde der Erstbeklagte zweimal abgelöst; die genaue Dauer seiner Ruhezeiten kann nicht mehr festgestellt werden. Ab 22 Uhr bis zum Kollisionszeitpunkt (ca. 2 Uhr früh) fuhr er selbst. Vor Einfahrt in den Wiener Bereich hielt er eine Geschwindigkeit von rund 25 km/h ein. Schon bei der Nordbrücke verminderte er seine Geschwindigkeit bis auf 15 km/h und vor der Nordbahnbrücke verlangsamte er den Verband wegen des am Brückenpfeiler befestigten Geräteträgers weiter. Ab einer Entfernung von 4 km vor der Nordbrücke (unter anderem auch bei der Signalstelle Nußdorf) gab der Erstbeklagte mehrmals Lichtsignale, indem er den Lichtkegel des Bugscheinwerfers über die ganze Breite der Donau schwenkte. Zuletzt setzte er dieses Lichtsignal etwa 400 m vor der Nordbahnbrücke zu einem Zeitpunkt, als er sich selbst im Bereich der Floridsdorfer Brücke befand und das bergfahrende MS "Vertes" erstmals bemerkte, ohne jedoch die beigekoppelten Kähne wahrzunehmen. Da an der "Vertes" nur ein weißes Topplicht gesetzt war, ging der Erstbeklagte davon aus, daß ihm ein alleinfahrendes Schiff entgegenkomme.

Der vom Erstbeklagten gesteuerte Schiffsverband führte ein weißes Topplicht am Mast, der wegen der Brückendurchfahrt umgelegt war, ein grünes Positionslicht am Tankkahn, ein rotes Positionslicht an der "Angern" sowie ein blaues Rundumlicht am achteren Aufbau der "Angern" und des Tankkahnes. Trotz des umgelegten Mastes und des beigekoppelten Tankkahnes war kein Licht verdeckt, wobei jedoch zu bemerken ist, daß die beiden Seitenlichter nur dann zugleich gesehen werden können, wenn das entgegenkommende Schiff genau auf den Beobachter zufährt. Im Fall einer Drehung des Schiffes nach Steuerbord ist das grüne Licht nicht sichtbar. Analoges gilt für das rote Licht auf der Backbordseite bei einer Drehung nach Backbord. Dies wird dadurch erreicht, daß die Lichter von der Seite her ab einem bestimmten Winkel abgedeckt sind; es hat den Sinn, einem Beobachter bei Nacht zu ermöglichen, die Richtung des entgegenkommenden Schiffes zu bestimmen.

Der vom Erstbeklagten gesteuerte Koppelverband bestand aus dem leeren Motortankschiff und einem an Steuerbord beigekoppelten leeren, nicht entgasten Tanker. Diese Verbandsführung ist auf der Donau übliche Praxis. Da bei einem derartigen Verband sowohl der Schiffsantrieb als auch die Steuerung außerhalb der Verbandsmitte liegen, wird - insbesondere bei langsamer Fahrt - die Steuerbarkeit des Koppelverbandes negativ beeinflußt. Es ergibt sich eine Tendenz des Verbandes, nach Steuerbord zu fahren, der durch entsprechende Fahrmanöver entgegengewirkt werden muß.

Der Erstbeklagte mußte diese Gegensteuerung nach Backbord, also zum linken Donauufer hin und die daraus resultierende Winkelstellung des Verbandes gegenüber der Fahrtrichtung nach Passieren der Floridsdorfer Brücke - noch bevor er bemerkte, daß die entgegenkommende "Vertes" Anhangkähne führte - forcieren, weil er wegen des Geräteträgers am Brückenpfeiler seine Geschwindigkeit zu reduzieren hatte. Er war dabei mit dem Bedienen von Steuer und Maschinentelegraph sowie der Hydraulikpumpe für das Ruder (wegen der geringen Geschwindigkeit und der dadurch träge werdenden Steuerung) so stark beschäftigt, daß er nicht einmal die steuerbordseitigen Blinksignale der "Vertes", die als Reaktion auf das Signal vom Bugscheinwerfer der "Angern" die Steuerbordbegegnung anzeigte, erwiderte. Dazu kam noch, daß er etwa 150 m vor der Nordbahnbrücke plötzlich die von der "Vertes" gezogenen beiden Anhangkähne bemerkte, die ihm die Fahrrinne verstellten. Der Erstbeklagte geriet in der Folge mit seinem Schiff so weit nach Backbord, daß sich die Längsachse seines Verbandes etwa in der Verlängerung der rechtsseitigen Bordwand des Geräteträgers oder sogar mittschiffs des Geräteträgers befand. Deshalb mußte er das Ruder hart nach Steuerbord einschlagen, um mit dem Bug am Geräteträger vorbeizukommen. Der Abstand zum Geräteträger wurde dabei jedoch zu gering und das Heck der "Angern" schlug auf den Bug des gegen die Stromrichtung verankerten Geräteträgers auf. Anschließend steuerte der Erstbeklagte hart nach Backbord, um das Heck der "Angern" vom Geräteträger wegzudrehen. Dabei kam es zu einem Streifschaden (Kontakt mit dem Stromschutzschild) etwa ab Mitte der Backbord-Seitenwand der "Angern".

Mittlerweile war Kapitän O*** mit der "Vertes" zum rechten Brückenpfeiler der Durchfahrtsöffnung ausgewichen und unmittelbar hinter diesem stehengeblieben. Durch die Anhangboote der "Vertes" wurde die Fahrrinne des vom Erstbeklagten gesteuerten Verbandes im Bereich von 150 m bis etwa 230 m nach der Brücke trichterförmig eingeengt. Die ungefähre Position der beteiligten Schiffsverbände wurde in einer dem Urteil angeschlossenen Skizze festgehalten. Durch die schräge Kollision mit dem Geräteträger war es zu einer Beschleunigung des talfahrenden Verbandes gekommen, weshalb der Erstbeklagte die Maschinenkraft forcieren mußte, um die "Angern" steuern zu können. Wegen der in seiner Fahrlinie befindlichen Anhangboote steuerte der Erstbeklagte hart nach Backbord unter voller Maschinenkraft. Um nicht in die linksseitigen Buhnenfelder zu geraten, wurde das Ruder anschließend zuerst auf Geradeaus gerichtet und die Maschinenkraft gedrosselt, um den Vortrieb zu reduzieren. Sodann wurde das Ruder auf hart Steuerbord genommen und volle Kraft gegeben, um das Heck des Verbandes an dem zweiten Anhangkahn des Bergfahrers vorbeizumanövrieren (ohne in die Buhnenfelder zu geraten) und eine Kollision zwischen den Tankkahn und dem Anhangboot zu vermeiden. Auch die ungefähre Position der beteiligten Schiffsverbände in dieser Situation wurde gleichfalls in einer dem Urteil angeschlossenen Skizze festgehalten. Es gelang dem Erstbeklagten hiedurch, den bergfahrenden Verband in einem Seitenabstand von wenigen Metern zum zweiten Anhangkahn kollisionsfrei zu passieren. Die Kollision mit dem Geräteträger war allerdings trotz des Ausweichmanövers nicht unabdingbar notwendig. Es war nämlich nicht erforderlich, frontal auf den Ponton zuzufahren. Der Erstbeklagte hätte vielmehr von der Mitte der Schiffahrtsstraße her in einer Linkskurve in die Brücke einfahren können, womit kein Anstoß am Geräteträger erfolgt wäre. Ein Wenden des von ihm geführten Schiffsverbandes wäre dem Erstbeklagten im Zeitpunkt des Erkennens der Anhangfahrzeuge der "Vertes" nicht mehr möglich gewesen.

Der bergfahrende Schleppverband der Drittbeklagten bestand aus dem MS "Vertes", das zwei Anhangfahrzeuge mitführte, und zwar den Tankkahn T 746 und das Warenboot WB 771, die beide beladen waren. Die Gesamtlänge des Verbandes betrug ca. 240 bis 250 m, wobei der Schlepper zum ersten Kahn einen Abstand von 50 bis 60 m hatte und der Abstand zwischen den Kähnen etwa 1 m betrug. Die Lichterführung an der "Vertes" war insofern nicht in Ordnung, als nur ein weißes Topplicht gesetzt war, sodaß für entgegenkommende Schiffe der Eindruck entstand, es handle sich um ein alleinfahrendes Schiff. Ob das blaue Vorauslicht gesetzt war, kann nicht festgestellt werden. Zum Zeitpunkt der Begegnung fand auf der "Vertes" gerade die Wachablösung statt, die im allgemeinen etwa 10 Minuten dauerte. Die abgelöste Mannschaft war zum Teil noch auf dem Steuerplatz. Die "Vertes" näherte sich mit rund 5 km/h Geschwindigkeit der Nordbrücke. Kapitän O*** beschäftigte sich mit der Vorbereitung der Brückendurchfahrt und hatte die Fahrlinie des Verbandes bereits von der - in seiner Fahrtrichtung gesehen - linken Seite der Fahrbahn zur Mitte hin geändert. Aus einer Entfernung von ca. 60 m zur Nordbahnbrücke nahm er ein Streiflicht (Signal des Bugscheinwerfers des Talfahrers) im Lichtergewirr der Wiener Brücken wahr. Er setzte daraufhin die Ausstecklaterne (Blinklicht) an Steuerbord, um Steuerbordbegegnung zu signalisieren und leitete ein Ausweichmanöver zum rechten Ufer hin ein. Wegen des gesperrten rechtsufrigen Landjochs mußte er ein sofortiges Stopmanöver durchführen, wobei die "Vertes" knapp (weniger als 10 m) hinter dem talwärts gesehen rechten Brückenpfeiler durch Durchfahrtsöffnung zum Stehen kam. Durch die erzwungene Kursänderung um beinahe 45 Grad (seitliche Versetzung rund 50 m), um in die Position hinter dem Brückenpfeiler zu gelangen, entstand für den Anhang erst einmal eine Schleuderbewegung in die entgegengesetzte Richtung, also zur Strommitte hin. Erst nach dem Abbau des Vorwärtstriebes der Anhangkähne durch die Strömung der Donau (ca. 8 km/h) kamen die Schleppseile wieder auf Zug und reihten sich die Anhangfahrzeuge entsprechend der Fließgeschwindigkeit des Stromes hinter dem schleppenden Fahrzeug ein. Die Schrägstellung der Anhangkähne kam durch das überraschende Ausweich- und Anhaltemanöver der "Vertes" zustande. Bei längerer Vorbereitung bzw. früherer Wahrnehmung der vom Talfahrer abgegebenen Lichtsignale wäre es zu keiner Schrägstellung der Anhangboote gekommen, da kein gänzliches Anhaltemanöver hätte durchgeführt werden müssen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, das hier zur Anwendung gelangende Übereinkommen zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen, BGBl. 1966/204 (in der Folge als Übereinkommen bezeichnet) gelte einerseits nach seinem Art. 1 Abs. 1 für den Ersatz des Schadens, der durch den Zusammenstoß von Binnenschiffen in den Gewässern einer der Vertragsparteien den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen zugefügt werde, andererseits nach Art. 1 Abs. 2 auch für den Ersatz jenes Schadens, den ein Binnenschiff in den Gewässern einer der Vertragsparteien, ohne daß ein Zusammenstoß stattgefunden hat, durch Ausführung oder Unterlassung eines Manövers oder durch Nichtbeachtung von Vorschriften anderen Binnenschiffen oder den an Bord solcher Schiffe befindlichen Personen oder Sachen zugefügt habe, wobei den Schiffen nach Art. 1 Abs. 4 lit. b auch alle schwimmenden Anlagen und Geräte ähnlicher Art gleichstünden. Dieses Übereinkommen finde auch auf den Verband des MS "Vertes", der nicht an der Kollision beteiligt gewesen sei, und den Geräteträger als schwimmende Anlage Anwendung. Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens bestimme, daß dann, wenn zwei oder mehrere Schiffe durch ihr Verschulden bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hätten, sie als Gesamtschuldner für Personenschäden sowie für den Schaden, der den schuldlosen Schiffen und den an Bord dieser Schiffe befindlichen Sachen zugefügt worden sei, hafteten; anteilsmäßig hafteten sie für den den anderen Schiffen und den an Bord dieser Schiffe befindlichen Sachen zugefügten Schaden. Der Geräteträger der Klägerin stelle ein "schuldloses Schiff" dar. Ein Verschulden der Klägerin habe niemand behauptet; vielmehr sei die vorschriftsmäßige Beleuchtung ihres Geräteträgers außer Streit gestellt worden. Ein Verschulden der beiden beteiligten Schiffe sei hingegen zu bejahen, weil sich beide Schiffsführer nicht richtig verhalten hätten. Der Erstbeklagte habe durch seinen frontal auf den Geräteträger gerichteten Kurs zuletzt nicht rechtzeitig ausweichen können und habe somit den Unfall in Übertretung des § 1.04 WVO verschuldet. Er könne sich zu seiner Entlastung nicht auf das Fehlverhalten des Schiffsführers der Drittbeklagten berufen, weil ihm im Bereich der Kollision eine ausreichend breite Fahrrinne von 76 m zur Verfügung gestanden sei. Der Umstand, daß er seinen Verband in der Folge mit besonderer Geschicklichkeit an dem zweiten Anhangfahrzeug des Bergfahrers vorbeimanövriert habe, ändere nichts daran, daß er die vorangegangene Kollision mitverschuldet habe. Der Schiffsführer der "Vertes" habe seinen Schleppverband entgegen der Bestimmung des § 3.09 WVO nicht ordnungsgemäß beleuchtet und überdies als nach § 6.04 Z 1 WVO wartepflichtiger Bergfahrer verspätet auf die vom Talfahrer bereits durch längere Zeit abgegebenen Lichtsignale (Bugscheinwerfer) reagiert. Außerdem hätten es beide Schiffsführer unterlassen, die nach § 4.02 WVO bei Gefahr einer Kollision vorgesehenen Schallzeichen abzugeben. Wenn auch das Verschulden des Schiffsführers der Drittbeklagten überwiege, könne doch nicht gesagt werden, daß sein Fehlverhalten das Mitverschulden des Erstbeklagten derart übersteige, daß letzteres als nicht meßbar unberücksichtigt zu bleiben habe. Dem Bergfahrer könne es nicht zum Vorwurf gemacht werden, die durch Schiffahrtszeichen gesperrte Durchfahrtsöffnung der Schnellbahnbrücke nicht zum Ausweichen benützt zu haben, um angesichts der drohenden Gefahr im Sinne des § 1.05 WVO alle möglichen Maßnahmen, einschließlich der Übertretung dieser Verkehrsordnung, zu ergreifen. Denn aus dem Durchfahrtsverbot sei nicht zu entnehmen gewesen, weshalb es verordnet worden sei und ob nicht etwa im Wasser befindliche Hindernisse - für den Bergfahrer unsichtbar - eine Gefahr für den Schiffsverband dargestellt hätten. Die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens seien somit voll erfüllt. Daß nach dieser Bestimmung die "Schiffe" hafteten, bedeute nur, daß die Schiffseigner mit Schiff und Fracht hafteten, wie dies auch im § 4 Abs. 1 Z 3 BinnSchG vorgesehen sei. Zu Recht habe die Klägerin die Zweit- und Drittbeklagte nur bei Exekution in die betreffenden Schiffe samt Fracht in Anspruch genommen. Die solidarische Haftung des Erstbeklagten sei ebenso zu bejahen, weil nach § 1302 zweiter Fall ABGB auch voneinander unabhängig Handelnde, die beide fahrlässig gewesen seien, solidarisch hafteten, wenn sich die einzelnen Anteile an der angeführten Beschädigung nicht bestimmen ließen. Gerade dies sei hier der Fall, weil sich an dem eingetretenen Schaden keine bestimmten Anteile dem Erstbeklagten oder dem Schiffsführer der Drittbeklagten zuordnen ließen. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil den gegen diese Entscheidung gerichteten Berufungen der Beklagten keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Ein Verschulden des Erstbeklagten sei zu bejahen, weil er im Zuge seines Ausweichmanövers an das von der Klägerin eingesetzte Geräteboot angestoßen sei, obgleich dies nicht unabwendbar gewesen sei. Er hätte bei gehöriger Sorgfalt unter Anwendung seiner Fachkenntnisse als Kapitän sein Fahrzeug so steuern können, daß die Klägerin keinen Schaden erlitten hätte. Der Schaden sei somit durch Vernachlässigung der - durch § 1.04 WVO besonders hervorgehobenen - Verpflichtung entstanden, die Beschädigung Dritter hintanzuhalten. Umstände, die es dem Erstbeklagten unmöglich gemacht hätten, dieser Pflicht nachzukommen, habe er weder behauptet noch seien solche im Beweisverfahren hervorgekommen. Bei - zumindest sinngemäßer - Anwendung der Bestimmung des § 1298 ABGB sei somit ein Verschulden des Erstbeklagten zu bejahen.

Darauf, ob ihm auch die Unterlassung eines Schallzeichens vorgeworfen werden könne, komme es nicht an. Auf eine durch ein Überraschungsmanöver des Schiffsverbandes der Drittbeklagten ausgelöste schreckbedingte Überreaktion könne sich der Erstbeklagte nicht mit Erfolg berufen.

Der Unfall wäre dann nicht zustandegekommen, wenn der Schleppverband der Drittbeklagten ordnungsgemäß beleuchtet gewesen wäre und sein Ausweichmanöver nicht zu spät eingeleitet worden wäre. Den Kapitän der Drittbeklagten treffe sogar das überwiegende Verschulden an dem eingetretenen Schaden. Es sei daher auch die Schadenersatzpflicht der Drittbeklagten zu bejahen (Art. 2 Z 1 des Übereinkommens).

Nach Art. 4 Z 1 des Übereinkommens hafteten mehrere Schiffe, die durch ihr Verschulden bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt haben, für den Schaden, der den schuldlosen Schiffen zugefügt worden ist, als Gesamtschuldner. Die Bestimmung des Art. 4 Z 3 des Übereinkommens betreffe den Rückersatzanspruch der Gesamtschuldner untereinander. Es sei daher nicht ein Betrag, den jeder einzelne Beklagte der Klägerin zu zahlen habe, festzusetzen, weil dies mit dem Begriff der Gesamtschuld im Widerspruch stehe.

Der Drittbeklagten könne auch nicht darin beigepflichtet werden, daß sie nicht bei Exekution auch in die Anhangfahrzeuge und deren Fracht hafte, weil diese Schiffe kein Verschulden treffe (Art. 2 Z 3 des Übereinkommens). Dieser Auffassung liege ein rechtliches Mißverständnis zugrunde:

Das Übereinkommen finde Anwendung, weil es für den Ersatz des Schadens gelte, der durch den Zusammenstoß von Binnenschiffen in den Gewässern einer der Vertragsparteien den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen zugefügt werde (Art. 1 Z 1 des Übereinkommens). Gegenstand des Rechtsstreites sei ein solcher Zusammenstoß von Binnenschiffen, und zwar eines Schiffes der Erstbeklagten mit einem Schiff der Klägerin (Art. 1 Z 4 lit. b des Übereinkommens), der in den Gewässern eines Vertragsstaates, nämlich der Republik Österreich, stattgefunden habe. Soweit die Regelungen des Übereinkommens von jenen im Binnenschiffahrtsgesetz abwichen, wirke es gesetzesändernd. Das Übereinkommen weiche vom Binnenschiffahrtsgesetz, das die zivilrechtlichen Folgen von Zusammenstößen in der Binnenschiffahrt entweder unmittelbar oder durch Verweisung auf Bestimmungen des 4. Buches des HGB regle, in einigen Belangen, insbesondere in der Frage der gesamtschuldnerischen Haftung, ab. Manche Fragen würden im Übereinkommen überhaupt nicht geregelt und damit weiterhin dem nationalen Recht überlassen. So spreche das Übereinkommen mehrfach vom Verschulden eines Schiffes und nicht vom Verschulden oder der Haftung bestimmter Personen. Diese Terminologie sei im internationalen Seerecht seit langem eingebürgert. Die Frage, welche Person für ihr eigenes Verschulden oder für das Verschulden anderer zur Haftung herangezogen werden könne, sei folglich weiterhin nach österreichischem Recht zu beurteilen. Danach kämen als ersatzpflichtige Personen diejenigen in Betracht, die durch ihr eigenes Verschulden den Schaden herbeigeführt hätten (§ 1295 ABGB) sowie, wenn es sich um das Verschulden eines Besatzungsmitgliedes handle, der Schiffseigner (§ 92 BinnSchG in Verbindung mit § 735 HGB).

Die Bestimmung des Art. 2 Z 3 des Übereinkommens, wonach ein zu einem Schleppzug gehörendes Schiff nur hafte, wenn es selbst ein Verschulden treffe, besage sohin nur, daß die für dieses Schiff verantwortliche Person (der Schiffseigner) schadenersatzpflichtig sei, regle aber nicht die Haftungsbegrenzung auf bestimmte Sachen. Diese Regelung finde sich im § 4 BinnSchG, welches diesbezüglich keine Abänderung durch das Übereinkommen erfahren habe. Nach § 4 Abs. 1 Z 3 BinnSchG hafte der Schiffseigner nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht, wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung gegründet werde, wie es hier der Fall sei. Seien mehrere Schiffe in einem Schleppzug vereinigt, erstrecke sich nach § 4 Abs. 3 BinnSchG die Haftung nur auf dasjenige Schiff, welches den Schaden verursacht habe und auf die Fracht dieses Schiffes. Folgerichtig habe die Klägerin die Erstbeklagte nur in Anspruch genommen bei Exekution in das Tankboot, die Drittbeklagte aber bei Exekution in alle Fahrzeuge des Schleppzuges, hätten doch alle diese Schiffe, also auch die Anhangfahrzeuge, den umstrittenen Schaden dadurch (mit-)verursacht, daß sie dem Erstbeklagten zu einem bestimmten Zeitpunkt die Fahrrinne verstellt und ihn dadurch zu einem Ausweichmanöver veranlaßt hätten, das zu dem Zusammenstoß mit dem Geräteboot der Klägerin geführt habe.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Beklagten. Der Erst- und die Zweitbeklagte bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückzuverweisen; hilfsweise beantragen sie die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, "daß der gegen die erst- und zweitbeklagten Parteien geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht zu Recht bestehe". Die Drittbeklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise beantragt sie die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, daß das Klagebegehren gegenüber der Drittbeklagten abgewiesen werde.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, den Revisionen der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht berechtigt.

Der in beiden Revisionen geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der in der Revision des Erst- und der Zweitbeklagten geltend gemachte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Im übrigen versuchen der Erst- und die Zweitbeklagte in der in ihrer Revision erhobenen Rechtsrüge darzutun, daß dem Erstbeklagten kein Verschulden an dem eingetretenen Schaden der Klägerin anzulasten sei; dem gegenüber stellt sich die Drittbeklagte in ihrer Rechtsrüge auf den Standpunkt, daß dieser Schaden allein vom Erstbeklagten verschuldet worden sei.

Beidem kann, geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, die durchaus hinreichen, um eine erschöpfende rechtliche Beurteilung zu gewährleisten, nicht gefolgt werden. Vorauszuschicken ist, daß im Sinne des § 7 Abs. 1 BinnSchG der Schiffsführer verpflichtet ist, bei seiner Tätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden. Es ist an das Verhalten des Erstbeklagten und des Schiffsführers der "Vertes" der im § 1299 ABGB normierte strenge Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Denn diese Bestimmung gilt für alle Berufe und Geschäfte, die eine besondere Sachkenntnis und Anstrengung erfordern (Wolff in Klang 2 VI 48); es soll jedermann darauf vertrauen können, daß Personen, die Berufe ausüben, die besondere Fähigkeiten erfordern, diese auch tatsächlich besitzen (Koziol, Haftpflichtrecht 2 II 183). Wenn der Erstbeklagte und der Schiffsführer der Drittbeklagten die Führung der ihnen anvertrauten Schiffsverbände übernahmen, sind von ihnen die zur Ausübung dieser Tätigkeit objektiverweise erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vorauszusetzen; ihren Mangel haben sie zu vertreten (vgl. ZVR 1984/246).

Was zunächst den Erstbeklagten betrifft, so war er gemäß § 1.04 WVO verpflichtet, alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, welche die Rücksicht auf die Sicherheit der Schiffahrt und die berufliche Übung gebieten, um unter anderem die Beschädigung anderer Fahrzeuge und von Anlagen jeder Art in der Wasserstraße zu vermeiden. Diesem Gebot ist der Erstbeklagte, wie die eingetretene Kollision mit dem Trägerboot im Bereich des Brückenpfeilers zeigt, objektiv nicht nachgekommen.

Umstände, die diesen Verstoß des Erstbeklagten entschuldbar erscheinen ließen, liegen in Wahrheit nicht vor.

Nach den Feststellungen bestand bei dem vom Erstbeklagten geführten Koppelverband die Tendenz, nach Steuerbord zu fahren, der durch entsprechende Fahrmanöver entgegengewirkt werden mußte. Diese Tendenz des von ihm geführten Schiffsverbandes hatte der Erstbeklagte bei der Wahl seiner Fahrlinie entsprechend zu berücksichtigen. Wenn er nach den Feststellungen der Vorinstanzen etwa 150 m vor der Nordbahnbrücke plötzlich die von der "Vertes" gezogenen beiden Schleppkähne bemerkte, die ihm die Fahrlinie verstellten und daraufhin sein Schiff so weit nach Backbord steuerte, daß sich die Längsachse seines Verbandes etwa in der Verlängerung der rechtsseitigen Bordwand des Geräteträgers oder sogar mittschiffs des Geräteträgers befand, so war diese Fahrlinie gewiß durch die Wahrnehmung der eine Behinderung der Weiterfahrt bildenden Schleppkähne der "Vertes", denen der Erstbeklagte ausweichen wollte und mußte, beeinflußt, trotzdem aber aus nautischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Denn der Erstbeklagte, dem nach den Feststellungen der Vorinstanzen eine Durchfahrtsöffnung der Nordbahnbrücke von 63 m, die ja im unmittelbaren Brückenbereich durch den entgegenkommenden Schiffsverband nicht beeinträchtigt war, zur Verfügung stand, war nach diesen Feststellungen bei Durchführung des erforderlichen Ausweichmanövers keinesfalls genötigt, frontal auf den Geräteträger zuzufahren, sondern hätte ohne weiteres unter Einhaltung eines entsprechenden Sicherheitsabstandes von diesem Geräteträger in einem Linkskurs in die Brückendurchfahrt einfahren und trotzdem das erforderliche Ausweichmanöver gegenüber dem ihm entgegenkommenden Schiffsverband durchführen können. Ein derartiges Fahrmanöver war dem Erstbeklagten nach den auf dem Gutachten der beigezogenen Sachverständigen basierenden Feststellungen der Vorinstanzen möglich; daß dieses Gutachten auf der Verletzung von Denkgesetzen beruhte, wird in den vorliegenden Rechtsmitteln nicht aufgezeigt. Es trifft durchaus zu, daß in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu Straßenverkehrsunfällen wiederholt ausgeführt wurde, daß einem Verkehrsteilnehmer, der bei einer plötzlich auftretenden Gefahr zu schnellem Handeln gezwungen wird und der unter dem Eindruck dieser Gefahr eine - rückschauend betrachtet - unrichtige Maßnahme trifft, dies nicht als Verschulden angerechnet werden kann (ZVR 1983/326; ZVR 1984/209 uva.). Allein davon, daß in diesem Sinne der Erstbeklagte von einer gefährlichen Situation überrascht worden wäre, kann im vorliegenden Fall schon deswegen keine Rede sein, weil er nach den Feststellungen der Vorinstanzen bereits im Bereich der Floridsdorfer Brücke die entgegenkommende "Vertes" bemerkte, sodaß er sich bereits ab diesem Zeitpunkt - unabhängig davon, ob er erkannte, daß dieses Schiff im Anhang Schleppkähne führte oder nicht - auf die bevorstehende Begegnung einstellen mußte. Aber selbst dann, als er die beiden von der "Vertes" gezogenen Schleppkähne erkannte, war der Erstbeklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen noch etwa 150 m von der Nordbahnbrücke entfernt; für die Zurücklegung dieser Strecke benötigte er selbst bei einer Geschwindigkeit von 15 km/h mehr als eine halbe Minute. Unter diesen Umständen kann aber keine Rede davon sein, daß der Erstbeklagte von einer plötzlich auftauchenden Gefahr in einer solchen Weise überrascht worden wäre, daß ihm sein in der aufgetretenen Gefahrensituation gesetztes Fehlverhalten nicht als Verschulden angerechnet werden könnte. Der Erstbeklagte mußte vielmehr bei Anlegung des im § 1299 ABGB normierten Sorgfaltsmaßstabes als Schiffsführer in der Lage sein, auch unter den durch die Fahrweise des entgegenkommenden Schiffsverbandes der Drittbeklagten bedingten erschwerten Umständen das erforderliche Begegnungsmanöver im Sinne des § 1.04 WVO so durchzuführen, daß damit auch eine Kollision mit dem im Bereich des Brückenpfeilers verankerten Trägerboot vermieden wurde.

Dem Schiffsführer des Schiffsverbandes der Drittbeklagten ist anzulasten, daß er entgegen der Vorschrift des § 3.09 Z 2 lit. a WVO auf dem Zugschiff kein zweites weißes Licht führte und daß er entgegen der Bestimmung des § 6.04 Z 1 WVO dem entgegenkommenden Schiffsverband der Zweitbeklagten keinen geeigneten Weg freiließ. Die Übertretung der erstgenannten Vorschrift war insoweit kausal für den eingetretenen Schaden, als damit dem Erstbeklagten die Erkenntnis, daß ihm ein Schiffsverband mit Schleppkähnen entgegenkam, erst zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht und ihm damit die Möglichkeit, sich bereits frühzeitig auf diesen Umstand einzustellen, genommen wurde. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erkannte der Kapitän der "Vertes" den entgegenkommenden Schiffsverband der Zweitbeklagten erst, als er sich rund 60 m vor der Nordbahnbrücke befand (diese Entfernung wird bei einer Geschwindigkeit von 5 km/h in weniger als 45 Sekunden durchfahren), obwohl nach diesen Feststellungen normale Nachtsicht auf mehrere Kilometer Entfernung möglich war und der Erstbeklagte schon aus einer Entfernung von 4 km vor der Nordbrücke mehrmals deutlich sichtbare Lichtsignale mit dem Bugscheinwerfer der "Angern" gegeben hatte. Es oblag dem Kapitän der "Vertes", in geeigneter Weise dafür Sorge zu tragen, daß im Sinne des § 6.04 Z 1 WVO dem entgegenkommenden Talfahrer ein geeigneter Weg freigelassen wurde. Dieser Verpflichtung kam er nicht nach, wenn die von der "Vertes" gezogenen Schleppkähne infolge des überhasteten Anhaltemanövers des Zugschiffes die zur Verfügung stehende Fahrrinne in der von den Vorinstanzen festgestellten Weise einengten. Bei Anlegung des im § 1299 ABGB normierten Sorgfaltsmaßstabes auch auf den Schiffsführer des Schleppverbandes der Drittbeklagten wäre auch von ihm zu verlangen gewesen, durch rechtzeitige Reaktion auf den talwärts fahrenden Koppelverband der Zweitbeklagten seiner im § 6.04 Z 1 WVO normierten Verpflichtung nachzukommen. Daß auch das Fehlverhalten des Schiffsführers der "Vertes" für den eingetretenen Schaden kausal war, weil es den Erstbeklagten zu einem riskanten Ausweichmanöver zwang, bedarf keiner weiteren Begründung.

Es haben somit beide Schiffsführer durch die Übertretung von Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB zum Eintritt des der Klägerin entstandenen Schadens beigetragen. Den Nachweis, daß der Schaden in gleicher Weise auch ohne Verstoß gegen die erwähnten Schutznormen eingetreten wäre (SZ 45/32; SZ 51/109; SZ 51/188 uva.), hat keiner der Beklagten erbracht.

Es haben daher, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, der Erstbeklagte im Sinne der §§ 1295 ff. ABGB und die Zweit- und die Drittbeklagte im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Z 3 BinnSchG für den der Klägerin entstandenen Schaden einzustehen. Die Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand ergibt sich aus Art. 4 Z 1 des Übereinkommens und aus § 1302 ABGB.

Zur Begrenzung der Haftung der Zweit- und der Drittbeklagten auf bestimmte Vermögensgegenstände wird in den vorliegenden Revisionen nichts ausgeführt, sodaß dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen darauf verwehrt ist.

Den Revisionen mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 393 Abs. 4 (§ 52 Abs. 2) ZPO (SZ 23/243 ua.).

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