OGH 2Ob623/86

OGH2Ob623/869.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der am 7. Dezember 1907 geborenen Stephanie G***, infolge Rekurses des Dr. Sepp Z***, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, 1180 Wien, Wielemanngasse 18-22/4/4, und Amtsrekurses des Erstrichters, Vorsteher des Bezirksgerichtes Hietzing Dr. Lieselotte D***-Ö***, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 17.April 1986, GZ 47 R 2170/86-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 18.Februar 1986, GZ 1 Sw 68/85-24, aufgehoben und der Rekurs des Dr. Sepp Z*** zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Amtsrekurs wird zurückgewiesen; dem Rekurs des Dr. Z*** wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 30. Oktober 1985 war Rechtsanwalt Dr. Renate P*** im Sinne des § 273 Abs. 3 ABGB zum Sachwalter zur Verwaltung von Einkommen und Vermögen der im Pflegeheim der Stadt Wien, Lainz, befindlichen Stephanie G*** sowie zu deren Vertretung vor Gerichten und Behörden bestellt worden. Das Erstgericht wies den Antrag des Neffen der Betroffenen, Dr. Sepp Z***, ihn anstelle von Dr. P*** zum Sachwalter zu bestellen, ab. Zur Begründung führte es an, innerhalb der Familie der Betroffenen bestünden finanzielle Streitigkeiten, weshalb sich sowohl der Ehegatte der Betroffenen als auch diese selbst anläßlich ihrer ersten Anhörung vom 8.Mai 1985 gegen eine Bestellung eines ihrer Söhne zum Sachwalter ausgesprochen hätten. Da auch der Ehemann auf Grund seines Alters nicht mehr in der Lage sei, das Amt als Sachwalter zu übernehmen, sei Dr. P*** zum Sachwalter bestellt worden. Durch die Bestellung eines Familienmitgliedes zum Sachwalter wäre die Wahrung der Interessen der Betroffenen innerhalb und außerhalb der Familie ernsthaft gefährdet.

Das Gericht zweiter Instanz wies den von Dr. Z*** gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs zurück; hingegen gab es dem Rekurs der Betroffenen Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Zum Rekurs des Dr. Z*** meinte das Rekursgericht, § 281 Abs. 1 ABGB, wonach für eine behinderte Person, wenn ihr Wohl nichts anderes erfordere, eine geeignete ihr nahestehende Person zum Sachwalter zu bestellen sei, räume dem Neffen der Betroffenen kein subjektives Recht auf das Amt des Sachwalters ein.

Zum Rekurs der Betroffenen führte das Rekursgericht aus, daß deren Rekurslegitimation im Sinn der §§ 249 Abs. 2, 251 AußStrG zu bejahen sei. Nach der Aktenlage habe die Betroffene bei ihrer Anhörung am 8.Mai 1985 selbst erklärt, sie wolle nicht, daß einer ihrer Söhne zum Sachwalter bestellt werde. Auch ihr Ehegatte habe "dringend ersucht", den Sohn Helmut G*** nicht zum Sachwalter zu bestellen, da zwischen ihm und diesem Sohn langjährige Auseinandersetzungen beständen. Anhaltspunkte dafür, daß zwischen Dr. Z*** (einem Sohn der Schwester der Betroffenen) und der Betroffenen bzw. deren Familie irgendwelche Streitigkeiten bestünden, seien aus der derzeitigen Aktenlage nicht ersichtlich. Im Gegenteil bringe die Betroffene im Rekurs vor, daß sie sich immer im besten Einvernehmen mit ihrem Neffen befunden habe und dieser ihr Vertrauen genieße. Des weiteren werde im Rekurs vorgebracht, daß der bestellte Sachwalter Dr. P*** den bis 28.Februar 1986 fälligen Pachtschilling für den von der Betroffenen gepachteten Kleingarten nicht eingezahlt habe, obwohl genügend Geldreserven vorhanden sein müßten. Das Erstgericht werde daher im ergänzenden Verfahren das Vorbringen der Betroffenen zu prüfen und nach geeigneten Erhebungen (wie Einvernahme des Ehegatten der Betroffenen sowie Dr. Z***) die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Amtsrekurs des Vorstehers des Bezirksgerichtes Hietzing Dr. Lieselotte D***-Ö*** mit dem Antrag auf

Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes. Den Beschluß, mit dem sein Rekurs zurückgewiesen wurde, bekämpft Dr. Z*** mit Rekurs und stellt den Antrag, entweder dem Rekursgericht eine Sachentscheidung aufzutragen, oder ihn anstelle von Dr. P*** zum Sachwalter der Betroffenen zu bestellen.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zum Amtsrekurs:

Der Erstrichter führt aus, ein wirksames Rechtsmittel der Betroffenen gegen den Beschluß des Erstgerichtes sei nicht erhoben worden, weil diese nicht in der Lage gewesen sei, ein Schriftstück zu unterfertigen. Ihr Ehemann habe selbst angegeben, der Betroffenen beim Unterschreiben des Rekurses die Hand geführt zu haben. Im Hinblick auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Otto-Michel L***, wonach Stephanie G*** nur zum Teil orientiert sei und bei ihr ein schwerer cerebraler Abbauprozeß im Sinne einer senilen Demenz vorliege, könne von einer eigenen prozessualen Erklärung nicht gesprochen werden. Die willenlose Betroffene sei zur Unterschriftsleistung mißbraucht worden. Allein diese offenkundige Manipulation lasse begründete Bedenken dagegen aufkommen, daß die Belange der Betroffenen durch einen ihrem Familienkreis angehörigen Sachwalter gewahrt werden könnten. Der Erstrichter befürchtet daher, daß der Betroffenen durch die Entscheidung des Rekursgerichtes ein unwiederbringlicher Nachteil im Sinne des § 15 AußStrG erwachse, zumal sie durch einen objektiven, außerhalb der Familie stehenden Sachwalter dringend geschützt werden müsse.

Hiezu ist folgendes auszuführen:

Die Vorschrift des § 249 AußStrG, die gemäß § 251 AußStrG auch auf die Beendigung der Sachwalterschaft entsprechend anzuwenden ist, regelt nicht das Rechtsmittelverfahren in Sachwalterschaftssachen im Sinne des 5. Hauptstückes des Außerstreitgesetzes abschließend, sondern normiert nur einzelne in Sachwalterschaftssachen geltende Ausnahmen von der allgemeinen Regelung des Rechtsmittelverfahrens in den §§ 9 bis 16 AußStrG, welche Vorschriften sie aber im übrigen unberührt läßt (vgl. Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis 150 f.). Auch in Sachwalterschaftssachen kann daher im Sinne des § 15 Abs. 1 AußStrG der Erstrichter gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes den Rekurs ergreifen, wenn er von dieser Entscheidung für Personen, die sich selbst zu vertreten unfähig sind, unwiederbringlichen Nachteil besorgt. Dieses Rekursrecht des Erstrichters geht nicht weiter als das der zu schützenden Person (SZ 37/116; RZ 1981/17; EFSlg. 44.627 u.a.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes muß jedoch der Erstrichter in seinem Rechtsmittel konkrete Umstände anführen, auf die er seine Besorgnis im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 AußStrG gründet und die - objektiv gesehen - einen unwiederbringlichen Nachteil für die betroffenen Personen bewirken könnten (EFSlg. 28.427; SZ 44/55; SZ 43/48). Kommt den vom Erstrichter behaupteten Umständen diese Eignung nicht zu, fehlt es auch an seiner Rekurslegitimation. Sein Rekurs ist dann als unzulässig zurückzuweisen (EFSlg. 28.427; SZ 43/48). Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, dann kann in der Bejahung der Rechtsmittellegitimation der Betroffenen gegen den Beschluß des Erstgerichtes durch das Rekursgericht, also in der Eröffnung eines Rechtsmittelzuges und damit der Gewährung der Möglichkeit der Überprüfung des erstgerichtlichen Beschlusses durch die Rechtsmittelinstanz, jedenfalls keine Verfügung erblickt werden, die einen unwiederbringlichen Nachteil für die Betroffene bewirken könnte. Dasselbe gilt auch für die vom Erstrichter allgemein geäußerten Bedenken, daß die Belange der Betroffenen durch einen ihrem Familienkreis angehörenden Sachwalter nicht entsprechend gewahrt werden könnten und sie vielmehr des Schutzes eines außerhalb der Familie stehenden Sachwalters bedürfe. Gerade zur Überprüfung der Eignung des Neffen der Betroffenen, Dr. Z***, zur Bestellung als Sachwalter hat ja das Rekursgericht ergänzende Erhebungen darüber aufgetragen, ob tatsächlich ein Naheverhältnis zwischen der Betroffenen und Dr. Z*** besteht, bzw. keine Streitigkeiten welcher Art auch immer zwischen der Betroffenen und Dr. Z*** vorliegen. Nur wenn nach dem Ergebnis der ergänzenden Erhebungen die Betroffene ein größeres Vertrauensverhältnis zu ihrem Neffen Dr. Z*** als zur derzeitigen Sachwalterin Dr. P*** habe, werde Dr. Z*** zum neuen Sachwalter für die Betroffene zu bestellen sein. Unabhängig davon werde jedoch auch zu prüfen sein, ob der bestellte Sachwalter Dr. P*** tatsächlich die Einzahlung des Pachtschillings für den Kleingarten der Betroffenen unterlassen habe, um zwecks Vermeidung von allfälligen Verlusten der Betroffenen sofort alle nötigen Schritte einleiten zu können. Angesichts dieser Ergänzungsaufträge des Rekursgerichtes kann aber eine objektiv begründete Besorgnis eines unwiederbringlichen Nachteils für die Betroffene durch die Verfügung der zweiten Instanz nicht als gegeben erachtet werden.

Der Amtsrekurs war daher zurückzuweisen.

2. Zum Rekurs des Dr. Z***:

Der Rechtsmittelwerber versucht darzulegen, daß aus den Vorschriften über die Sachwalterschaft, insbesondere aus § 281 Abs. 1 ABGB abzuleiten sei, daß die Bestellung einer nahestehenden Person zum Sachwalter dem Willen des Gesetzgebers entspreche und diesem Pesonenkreis daher eine Antrags- und Rechtsmittellegitimation im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters zugebilligt werden müsse.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Bei der Beurteilung der Rechtsmittellegitimation des Rekurswerbers ist davon auszugehen, daß es sich bei dem Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person um ein amtswegiges Rechtsfürsorgeverfahren handelt. Der § 236 AußStrG sieht zwar ein Antragsrecht des Betroffenen selbst vor, darüber hinaus ist jedoch das Gericht zum amtswegigen Vorgehen verpflichtet, wenn begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters vorliegen, gleichgültig, woher diese Anhaltspunkte kommen. Solche Anhaltspunkte können sich aus der beispielsweise im Gesetz erwähnten Mitteilung über die Schutzbedürftigkeit einer behinderten Person ergeben. Neben der Mitteilung von Krankenanstalten, Pflegeheimen oder des Gerichtes kommen dabei besonders auch Hinweise naher Angehöriger des Behinderten in Betracht. Dritte Personen haben jedoch kein Antragsrecht und auch keinen Anspruch auf Bestellung eines Sachwalters (2 Ob 604/85; 742 Blg.Nr. 15. GP 24; Ent-Hopf, Sachwalterrecht, 84; Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis, 109). Diese Personen haben auch keinen Anspruch auf eine Entscheidung des Gerichtes (Maurer aaO 110). Dieser Stellung dritter Personen im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters entspricht die Sonderregelung der Rechtsmittelzulässigkeit des § 249 AußStrG gegen einen Beschluß über die Bestellung des Sachwalters, die das Rechtsmittel des Rekurses dem Betroffenen, seinem Vertreter und dem bestellten Sachwalter einräumt. Zutreffend hat daher das Rekursgericht die Rechtsmittellegitimation Dr. Z*** verneint und seinen Rekurs zurückgewiesen. Seinem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

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