Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz als gesetzlicher Amtskurator beantragte die Anordnung der gerichtlichen Erziehungshilfe der Minderjährigen. Das Erstgericht gab diesem Antrag auf der Grundlage nachstehender Feststellungen statt:
Der Vater der Kinder arbeitete von September bis November 1985 bei der Firma J*** in Schruns. Er mußte das Arbeitsverhältnis wegen einer schon seit längerem bestehenden Verletzung am Rücken wieder auflösen. Die Eltern haben Schulden im Ausmaß von rund S 130.000,--. Die im April 1985 mit den Eltern zur Hintanhaltung einer bereits früher beantragten Erziehungshilfe getroffene Vereinbarung auf Teilnahme an der Erziehungs- und Eheberatung wurde von ihnen nicht eingehalten. In den folgenden 8 Monaten wurde nur ein einziger Termin besucht, obwohl auch der Vater aufgrund seiner Arbeitslosigkeit in dieser Zeit die Möglichkeit gehabt hätte, an den Beratungsgesprächen teilzunehmen.
Die familiäre Situation stellt sich so dar, daß die beiden Kinder Sabine und Markus auf Grund des Verhaltens ihres Vaters verängstigt sind, was sich in Aggressivität, nächtlichem Weinen, Bettnässen usw. äußert. Die triste Situation der Kinder erklärt sich vor allem daraus, daß der Autorität des Vaters eine zu geringe Durchsetzungsfähigkeit der Mutter gegenübersteht. Gegen Günther W*** hatte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz Strafanzeige wegen gröblicher Verletzung seiner Unterhaltspflicht nach § 198 StGB erstattet. Er hatte in der Zeit von November 1982 bis Mai 1986 nur 6 kurzfristige Dienstverhältnisse mit zusammen 193 Tagen Beschäftigungszeit, weil er entweder durch Nichterscheinen am Arbeitsplatz das Dienstverhältnis beendete oder in Aussicht gestellte Arbeiten nicht antrat.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß ein Erziehungsnotstand vorliege, dem nicht anders als durch Unterbringung der Kinder auf einem Pflegeplatz außerhalb der Familie abgeholfen werden könne.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Elten der Minderjährigen nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es verwies auf die psychologische Stellungnahme des Institutes für Sozialdienste in Bludenz, wonach die Eltern zu einer Erziehung ihrer Kinder nicht fähig sind. Besonders fällt auf, daß sich die Kinder vor ihrem Vater fürchten. Dazu kommt, daß er schon längere Zeit keiner geregelten Beschäftigung mehr nachgeht und Arbeitsstellen, die ihm angeboten werden, nicht antritt, sodaß auch der Unterhalt der Familie ohne Hilfe der öffentlichen Hand nicht gewährleistet wäre.
Erziehungshilfe im Sinne des § 9 JWG sei dann einem Minderjährigen zu gewähren, wenn es an der nötigen Erziehung fehlt, ohne daß die Voraussetzungen für die Erziehungsaufsicht oder die Fürsorgeerziehung vorliegen. Gerichtliche Erziehungshilfe sei gegenüber der Fürsorgeerziehung, also der Unterbringung in einem Fürsorgeheim, das gelindere Mittel. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten könne Erziehungshilfe nur dann angeordnet werden, wenn die Erziehungsberechtigten die Erziehungsgewalt mißbrauchen oder die damit verbundenen Pflichten nicht erfüllen. Voraussetzung für die Gewährung der Erziehungshilfe sei das Vorliegen eines sogenannten Erziehungsnotstandes, der u.a. dann gegeben ist, wenn die elterliche Fürsorge so unzulänglich ist, daß das Wohl des Kindes gefährdet erscheint. Eine Nichterfüllung der mit der Erziehungsgewalt verbundenen Pflichten sei auch dann anzunehmen, wenn die Erziehungsberechtigten dazu nicht geeignet oder nicht imstande sind, dem Kind die erforderlich scheinende Hilfe zu gewähren. Ein solcher Erziehungsnotstand liege vor. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der ao. Revisionsrekurs der beiden Eltern, in welchem sie beantragen, von der angeordneten Unterbringung der Kinder in einem SOS-Kinderdorf Abstand zu nehmen. Gemäß § 16 Abs.1 AußStrG findet jedoch gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt.
Rechtliche Beurteilung
Keiner dieser Rechtsmittelgründe wird im Revisionsrekurs aufgezeigt. Der allenfalls in Betracht gezogene Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz so ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg.44.642 uva). Derartiges zeigen die Rechtsmittelwerber nicht auf. Welche tatsächlichen Umstände im konkreten Einzelfall die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Maßnahme nach § 26 JWG rechtfertigen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt; die Entscheidung darüber ist vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes anheimgestellt (EFSlg.44.672, 44.673; 8 Ob 502/86 uva.). Wenn im vorliegenden Fall die Vorinstanzen auf Grund des von ihnen festgestellten Sachverhaltes zu dem Ergebnis kamen, daß die Lebensverhältnisse der Eltern nicht hinlänglich konsolidiert seien, um auf Maßnahmen im Rahmen der Erziehungshilfe verzichten zu können, kann darin eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne obiger Ausführungen und insbesondere ein Ermessensmißbrauch im Sinne einer Mißachtung des Grundprinzipes des Wohles der Kinder (vgl. SZ 44/180; EFSlg.32.647, 8 Ob 502/86 ua.) nicht erblickt werden. Im übrigen kann mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs im Sinne des § 16 Abs.1 AußStrG weder die Richtigkeit der Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft werden (EFSlg.37.362, 39.783; 8 Ob 583/85 uva.) noch sind in einem derartigen Rechtsmittel Neuerungen zulässig (EFSlg.35.039, 37.358; 8 Ob 583/85 uva.).
Mangels Geltendmachung eines im § 16 Abs.1 AußStrG normierten Rechtsmittelgrundes war daher der vorliegende Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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