Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 257,25 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Vermögen der Helmut S*** Gesellschaft mbH, Weiz, wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26.2.1985, 20 S 17/85-2, der Konkurs eröffnet; der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt. Der Konkurs ist noch nicht aufgehoben. Die Beklagte ist als Zweigniederlassung der in Wien bestehenden Hauptniederlassung im Handelsregister des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz protokolliert.
Zum Massevermögen gehören unter anderem zwei Lastkraftwagen, von denen einer bei der gerichtlichen Versteigerung vom 26.6.1985 bereits einen Käufer gefunden hat. Die Typenscheine dieser Lastkraftwagen befinden sich in der Gewahrsame der Beklagten. Aus von der Beklagten der Helmut S*** Gesellschaft mbH gewährten Krediten haftet auch derzeit noch ein offener Betrag, der den Wert des Streitgegenstandes übersteigt, aus. Den Kreditverträgen liegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen zugrunde.
Der oben genannte Ersteher hat den Kläger zur Herausgabe des Typenscheines aufgefordert.
Der Kläger stellt das Begehren, die Beklagte sei schuldig, ihm die in ihrer Verwahrung befindlichen Typenscheine zweier näher bezeichneter LKW herauszugeben. Die Beklagte könne sich auf keinen Rechtstitel stützen, der sie berechtige, die Typenscheine zurückzubehalten. Die Zurückbehaltung stelle eine schikanöse Rechtsausübung im Sinne des § 1295 Abs.2 ABGB dar.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, die Typenscheine seien von der Helmut S*** Gesellschaft mbH durch rechtsgeschäftlichen Akt in die Gewahrsame der Beklagten übergeben worden. Anläßlich der Übergabe sei mündlich vereinbart worden, daß die Typenscheine als Sicherheit für gewährte Kredite zu dienen hätten, indem daran ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten bestehe, und zwar solange, als die Forderungen der Beklagten nicht zur Gänze getilgt seien. Die Forderung hafte mit einem Betrag von etwa S 580.000,- aus. Nach den dem Kreditvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen in der Fassung vom 1.10.1979 sei überdies gemäß Punkt III/23 vereinbart, daß die Beklagte zur Zurückbehaltung sämtlicher als Sicherheit dienlicher Sachen und Rechte berechtigt sei. Den Kläger treffe im übrigen keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung, dem Ersteher den Typenschein zu verschaffen. Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:
Im Jahr 1981 wurde zwischen der Beklagten und der Helmut S*** Gesellschaft mbH ein Kreditvertrag abgeschlossen, wobei die Vorbesprechungen zwischen Helmut S***, dem gewerberechtlichen Geschäftsführer der Gesellschaft, und Siegfried S***, dem Leiter der Beklagten, geführt wurden. Es wurde besprochen, daß der Kredit einerseits hypothekarisch abgesichert werde und daß andererseits die Typenscheine jener LKW, die die Helmut S*** Gesellschaft mbH zu kaufen beabsichtigte, der Beklagten übergeben werden. Die Übergabe der Typenscheine an die Beklagte erfolgte "praktisch gleichzeitig" mit der Bezahlung des Kaufpreises für die LKW. Elfriede S***, die geschäftsführende Gesellschafterin der Helmut S*** Gesellschaft mbH, wußte von den vereinbarten Bedingungen und unterfertigte den Kreditvertrag mit. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht den Standpunkt, die Vereinbarung eines Zurückbehaltungsrechtes der Beklagten sei wirksam zustandegekommen. Habe auch der Typenschein für sich allein keinen besonderen oder gar keinen Wert, müsse doch dem Gläubiger das Recht eingeräumt werden, sich Sicherheiten zu verschaffen, auch wenn diese nur darin bestehen, dem Schuldner die Verwertung zu erschweren. Der Typenschein sei kein untrennbares Zubehör des Kraftfahrzeuges. Nach § 10 Abs.2 KO seien Zurückbehaltungsrechte im Konkurs wie Absonderungsrechte zu behandeln. Nach der Konkursordnung sei jedoch bei gleicher Klasse eine Befriedigung der Konkursgläubiger nach dem Verhältnis ihrer Forderungen geboten. Eine Einlösung der Typenscheine würde eine Besserstellung der Beklagten bewirken, die mit den Grundsätzen der Konkursordnung nicht in Einklang zu bringen und daher sittenwidrig wäre. Die Weigerung der Beklagten, die Typenscheine herauszugeben, sei daher rechtswidrig.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig ist. Ausgehend von den - unbekämpft gebliebenen - Feststellungen des Erstgerichtes führte das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung aus, der Kläger besitze keinen Rechtsanspruch auf Herausgabe der Typenscheine. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes auch nach der Konkurseröffnung stelle keine schikanöse Rechtsausübung dar. Den Masseverwalter treffe keine gesetzliche Verpflichtung, dem Retentionsberechtigten für die Bereitschaft zur Herausgabe der Typenscheine eine Leistung zu erbringen. Eine Behauptung, daß sich die Beklagte durch die Weigerung, die Typenscheine auszufolgen, einen finanziellen Vorteil und eine Bevorzugung gegenüber den anderen Konkursgläubigern verschaffen möchte, sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben worden. Die Frage der Verwertbarkeit der Typenscheine sei nicht Verfahrensgegenstand. Ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht könne auch mit einem über die Bestimmung des § 471 ABGB hinausgehenden Umfang begründet werden.
Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Typenschein weder Bestandteil, noch Zubehör des Kraftfahrzeuges (ZVR 1960/14, ZVR 1969/19, SZ 47/50 u.a.). Auch in der vom Kläger zitierten Entscheidung JBl. 1953, 570, wurde es lediglich dahingestellt gelassen, ob der Typenschein ein eigenes rechtliches Schicksal haben könne. Der Oberste Gerichtshof hat darüberhinaus bereits in der Entscheidung ZBl. 1936/49 den Standpunkt vertreten, durch die Überlassung des Typenscheines an einen anderen werde selbst in dem Fall, daß man ein Zubehörverhältnis annehmen wollte, dieses Verhältnis jedenfalls gelöst. Mit der Verfügung über die Hauptsache wird nicht auch über das Zubehör verfügt, sodaß der Käufer am Typenschein, der ihm nicht übergeben wurde, Eigentum nicht erwirbt. Ein Zurückbehaltungsrecht kann nicht nur auf gesetzlicher Anordnung oder richterlicher Verfügung beruhen, es kann auch durch Rechtsgeschäft begründet werden (Klang in Klang 2 II 543 und 546, Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 471). Die Vereinbarung eines Zurückbehaltungsrechtes ist sinnvoll insbesondere auch bei Gegenständen ohne Vermögenswert, wie Zeugnissen, Pässen, anderen Ausweispapieren und ähnlichem (Klang a.a.O. 546, Petrasch a.a.O.), da dem Schuldner an der Ausfolgung derartiger Sachen im allgemeinen sehr gelegen ist (SZ 55/112); auch ein Zurückbehaltungsrecht an dem Typenschein eines Kraftfahrzeuges für die Dauer des Bestehens einer Darlehensschuld ist zulässig und wirksam (ZVR 1969/19, 6 Ob 775/80). Der Umstand, daß diese Gegenstände eine Verwertung nicht zulassen, hindert dies nicht, weil das Zurückbehaltungsrecht des bürgerlichen Rechts ein Verwertungs- oder Befriedigungsrecht nicht gewährt (Klang a. a.O., Koziol-Welser, Grundriß 7 II 85), dem Sachinhaber das Zurückbehaltungsrecht vielmehr nur zur Sicherung seiner Forderung zusteht, das Recht, die Herausgabe der Sache von der Zug-um-Zug-Befriedigung seiner Forderung abhängig zu machen (Petrasch a.a.O., Rdz 7 und 9; EvBl. 1961/525; SZ 55/112). Es kann deshalb keinesfalls aus dem fehlenden Verwertungsrecht der Beklagten eine schikanöse Rechtsausübung bei Verweigerung der Herausgabe der Typenscheine geschlossen werden. Es kann auch nicht gesagt werden, daß das der Beklagten von der Helmut S*** Gesellschaft mbH eingeräumte Recht für sie wertlos sei. Der Umstand, daß über das Vermögen der Helmut S*** Gesellschaft mbH der Konkurs eröffnet wurde, ist ohne Einfluß auf den vorliegenden Rechtsstreit. Zwar ist das Retentionsrecht im Konkurs formell wie ein Pfandrecht zu behandeln (§ 10 Abs.2 KO) und wird daher, wie dieses, durch die Konkurseröffnung nicht berührt (§ 11 Abs.1 KO). Dies bedeutet aber - wie auch der Kläger nicht verkennt - noch keine inhaltliche Gleichstellung mit Pfandrechten, sodaß das Zurückbehaltungsrecht im Konkurs keinen Verwertungsanspruch gibt; das Retentionsrecht erfährt vielmehr inhaltlich keine Änderung (EvBl. 1955/126, Klang a. a.O. 548, Petrasch a.a.O. Rdz 11). Der Umstand, daß der zurückbehaltene Typenschein keinen Vermögenswert besitzt, hat deshalb im Konkurs nicht zur Folge, daß der Zurückbehaltungsberechtigte sein Recht verliert, weil etwa das ihm eingeräumte Recht wirkungslos geworden wäre.
Für die Geltendmachung des Retentionsrechtes sind im Konkurs wie außerhalb des Konkurses die gleichen Grundsätze maßgebend (EvBl. 1955/126).
Von einer Sicherungsübereignung jener LKW, deren Typenscheine Gegenstand des Zurückbehaltungsrechtes der Beklagten sind, kann keine Rede sein; sie wurde auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Die Übergabe eines Typenscheines genügt nicht zur Sicherungsübereignung eines Kraftfahrzeuges (JBl. 1958, 309). Mit Recht haben deshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
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