Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.793,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 617,55 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 3.3.1975 beschäftigt, und zwar ab 1.1.1980 im Angestelltenverhältnis. Er wurde am 19.4.1984 wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit entlassen.
Der Kläger begehrt an Kündigungsentschädigung und Abfertigung insgesamt S 170.040,97 brutto sA mit der Behauptung, er habe am 19.4.1984 in seiner Scheidungssache einen dringenden Termin bei seinem Anwalt, Rechtsanwalt Dr. Eberhard Molling, gehabt; diesen Grund habe er dem Werkmeister der beklagten Partei, Manfred B***, nicht angegeben, sondern um Urlaub für diesen Tag ersucht, damit seine Frau (die mit der Frau B*** befreundet war) davon nichts erfahre. Manfred B*** habe letztlich gegen die Inanspruchnahme des Urlaubstages nichts eingewendet. Die Entlassung sei daher ungerechtfertigt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger habe für 19.4.1984 ohne Angabe von Gründen Urlaub erbeten, der ihm jedoch wegen dringender Arbeiten im Betrieb nicht gewährt worden sei. Er sei am 19.4.1984 den ganzen Tag unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen, so daß er gerechtfertigt entlassen worden sei. Zudem sei die Arbeitsleistung des Klägers in letzter Zeit immer schlechter geworden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf - mit einer Ergänzung - dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und bestätigte das Ersturteil, wobei es insgesamt von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging:
Zwischen dem Kläger und seiner Frau waren seit einiger Zeit ein "über das übliche Ausmaß hinausgehendes" Ehescheidungsverfahren sowie weitere Gerichtsverfahren anhängig, weshalb der Kläger Rechtsanwalt Dr. Eberhard Molling mit seiner Vertretung beauftragt hatte. Der Kläger hatte für den 19.4.1984 (Gründonnerstag) 9 Uhr mit Rechtsanwalt Dr. Eberhard Molling einen Termin vereinbart. Dieser Termin war "für den Kläger wichtig"; welches Verfahren er betraf, ist nicht mehr feststellbar. Anfang der Karwoche 1984 und dann noch einmal unmittelbar vor dem 19.4.1984 fragte der Kläger den Werkmeister Manfred B***, ob er für den 19.4.1984 Urlaub haben könne, ohne einen triftigen Grund hiefür zu nennen. Manfred B*** sagte zum Kläger beide Male ausdrücklich, daß er keinen Urlaub haben könne, weil zu viel Arbeit sei. Ansonsten bekam der Kläger, wenn er dringende Angelegenheiten zu besorgen hatte, von der beklagten Partei stets frei, wenn er darum ersuchte.
Trotz Verweigerung des Urlaubs erschien der Kläger am 19.4.1984 nicht zur Arbeit. Er begab sich zu Rechtsanwalt Dr. Eberhard Molling, mußte dort einige Zeit warten und erfuhr dann, daß er am Vormittag nicht mehr drankommen werde. Er wrude für 16 Uhr desselben Tages noch einmal zu Rechtsanwalt Dr. Eberhard Molling bestellt, wo er eine Besprechung in der Dauer von etwa einer Stunde hatte. Als der Kläger am nächsten Tag (Karfreitag) zum Dienst erschien, wurde er von dem persönlich haftenden Gesellschafter der beklagten Partei entlassen.
Die familiären Schwierigkeiten des Klägers wirkten sich auf seine Dienstleistungen aus; er war bei der Arbeit unkonzentriert und geistesabwesend. Es unterliefen ihm auch Fehler. Der Kläger wurde deshalb beanstandet und ihm die Entlassung angedroht. Beide Vorinstanzen waren der Ansicht, daß das Verhalten des Klägers den Entlassungsgrund des § 27 Z 4 erster Fall AngG erfülle. Der Kläger habe seine Dienstleistungen während einer den Umständen nach erheblichen Zeit, nämlich einen ganzen Arbeitstag lang unterlassen, obwohl im Betrieb der beklagten Partei viel Arbeit zu erledigen war. Dem Kläger komme auch kein rechtmäßiger Hinderungsgrund zugute. Das Fernbleiben vom Dienst für einen ganzen Tag wegen eines Rechtsanwaltstermins stelle keinen solchen Grund dar, wenn der Termin beim Rechtsanwalt nicht äußerst dringend und unaufschiebbar sei. Der Ablauf der Geschehnisse am 19.4.1984 spreche dafür, daß der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, den Termin beim Anwalt auf den späteren Nachmittag verschieben zu lassen. Ein Fernbleiben des Klägers vom Dienst wäre dann überhaupt nicht oder nur für kurze Zeit erforderlich gewesen. Außerdem hätte der Kläger vor dem Vormittags- und Nachmittagstermin beim Rechtsanwalt und zwischen beiden Terminen ohne Schwierigkeit einige Stunden seiner Arbeit nachgehen können. Sein gänzliches Wegbleiben sei selbst dann nicht gerechtfertigt gewesen, wenn man in der Wahrnehmung des Termins einen rechtmäßigen Hinderungsgrund erblicken wollte. Die Entlassung des Klägers sei daher gerechtfertigt, so daß ihm kein Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung zustehe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Eine für die Entscheidung erhebliche Aktenwidrigkeit - das Berufungsgericht ging irrtümlich von einem Vormittagstermin um 11 Uhr statt 9 Uhr aus - liegt nicht vor, weil der Kläger jedenfalls in der Lage gewesen wäre, zwischen dem Vormittags- und dem Nachmittagstermin bei seinem Anwalt einige Stunden seiner Arbeit nachzugehen.
Gemäß § 27 Z 4 erster Fall AngG ist es als wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, anzusehen, wenn der Angestellte ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterläßt. "Erheblich" ist das Dienstversäumnis insbesondere dann, wenn ihm nach der Dauer der versäumten Arbeit, nach Maßgabe der Dringlichkeit der zu verrichtenden Arbeit oder wegen des Ausmaßes des auf Grund des Versäumnisses nicht erzielten Arbeitserfolges oder der sonstigen dadurch eingetretenen betrieblichen Nachteile besondere Bedeutung zukommt; dabei ist stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen (Kuderna, Entlassungsrecht 66; Martinek-Schwarz, AngG 6 662, SZ 34/108; Arb. 9015, 9436, 9578, 9991 ua). Nach diesen Grundsätzen ist das Dienstversäumnis des Klägers in der Dauer eines ganzen Tages erheblich, wußte er doch, daß sein Ansuchen um einen Urlaubstag mit der Begründung abgelehnt worden war, daß in der Karwoche zuviel Arbeit im Betrieb sei (vgl. Arb. 9578). Der Revisionswerber tritt der Ansicht der Vorinstanzen, daß das Dienstversäumnis erheblich war, auch nicht entgegen, sondern behauptet, daß ihm ein rechtmäßiger Hinderungsgrund zustattenkomme.
Ein rechtmäßiger, die Entlassung nach § 27 Z 4 erster Satz AngG ausschließender Hinderungsgrund liegt vor, wenn dem Dienstnehmer mit Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls aus besonderen Gründen eine vertragsgemäße Arbeitsleistung billigerweise nicht zugemutet werden kann. Dabei kommen nicht nur Dienstverhinderungen durch Krankheit, Unglücksfall, Arbeitsunfall udgl. in Betracht; auch andere wichtige, die Person des Dienstnehmers betreffende Gründe (§ 8 Abs. 3 AngG) wie überhaupt jede unvorhersehbare Kollision von Vertragspflichten mit einer höherwertigen Pflicht können das ansonsten pflichtwidrige Unterlassen der Dienstleistung im Einzelfall rechtfertigen (Kuderna aaO 45; Martinek-Schwarz aaO 26;
Arb. 9.578). Sache des Dienstnehmers ist es, den Beweis für jene besonderen Umstände zu führen, die sein Fernbleiben von der Arbeit im konkreten Fall rechtfertigen sollen (Kuderna aaO 68;
Martinek-Schwarz aaO 621; Arb. 9.672).
Der Kläger hat für die Annahme eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes ausreichende Umstände nicht bewiesen. Anders als bei der Verhinderung durch öffentliche Pflichten, wie Vorladungen zu Behörden (siehe dazu ausführlich Martinek-Schwarz aaO 252), die einen rechtmäßigen Hinderungsgrund darstellen und zudem den Anspruch des Angestellten auf das Entgelt bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 AngG unberührt lassen, bildet der von einem Angestellten mit seinem Anwalt vereinbarte Besprechungstermin in der Regel keinen solchen Hinderungsgrund, weil es dem Mandanten eines Rechtsanwaltes meistens möglich und zumutbar ist, auf die Wahl des Termins entsprechenden Einfluß zu nehmen. Unter besonderen Voraussetzungen mag auch der von einem Dienstnehmer mit seinem Anwalt vereinbarte Termin einen rechtmäßigen Hinderungsgrund für das Unterbleiben der Dienstleistung bilden, etwa wenn es sich um eine unaufschiebbare Angelegenheit des Dienstnehmers handelt, der Anwalt also zB. für ihn unmittelbar bevorstehende Verhandlungen oder vor dem Ablauf stehende Fristen wahrzunehmen hat und eine Besprechung mit dem Anwalt außerhalb der Arbeitszeit des Dienstnehmers nicht mehr möglich ist. Derartige besondere Voraussetzungen hat aber der Kläger nicht bewiesen. Er behauptete zwar die "Dringlichkeit" des Anwaltstermins, doch kam nicht einmal hervor, auf welches Verfahren des Klägers sich der Besprechungstermin vom 19.4.1984 bezog, sondern lediglich, daß "der Termin für den Kläger wichtig" war. Das ist aber für die Annahme eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes zu wenig. Der Kläger hätte sich nach der ersten Ablehnung seines Urlaubsgesuches durch den Werkmeister am Beginn der Karwoche um einen anderen, nicht in die Arbeitszeit fallenden Termin bemühen müssen; daß er das vergeblich versucht und die Sache keinen Aufschub mehr geduldet habe, behauptete der Kläger nicht einmal. Auch nach der zweiten Ablehnung seines Urlaubsgesuches hätte er immer noch versuchen können, den Anwaltstermin kurzfristig verschieben zu lassen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, spricht der Ablauf der Geschehnisse vom 19.4.1984 dafür, daß diese Möglichkeit von vorneherein bestanden hätte. Schließlich war aber zur Besorgung der für den Kläger wichtigen persönlichen Angelegenheit in keinem Fall ein ganzer Arbeitstag erforderlich.
Der Kläger kann sich auch nicht damit rechtfertigen, daß er dem vorgesetzten Werkmeister den Grund seiner persönlichen Verhinderung (wegen der Gefahr, daß seine eigene Frau davon erfahre) nicht nennen wollte und daher ein (neutrales) Urlaubsansuchen für einen Tag stellte. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, dem Dienstgeber persönlich den Grund für das beabsichtigte Wegbleiben mitzuteilen und um die für die Wahrnehmung des vereinbarten Anwaltstermin erforderliche Freizeit zu ersuchen; keinesfalls rechtfertigte aber die Ablehnung des Urlaubsgesuches durch den Werkmeister das Versäumnis eines ganzen Arbeitstages.
Der vom Berufungsgericht zitierte Fall der Inanspruchnahme einer gewerkschaftlichen Beratung durch eine Arbeitnehmerin (Arb. 7.576) ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers mit seinem Fall nicht vergleichbar; dort war die Dienstnehmerin rund drei Stunden zu spät zur Arbeit gekommen, nachdem sie am Vortag gekündigt worden war und angenommen hatte, die Kündigung sei infolge ihres Verhaltens bei einer stattgefundenen Vertrauensmännerwahl ausgesprochen worden und deshalb die Gewerkschaft aufgesucht hatte, um sich rasch Klarheit über die durch die Dienstgeberkündigung hervorgerufene Rechtslage zu verschaffen.
Auch die lange Dauer des Dienstverhältnisses des Klägers vermag die Erheblichkeit seines Dienstversäumnisses nicht entscheidend zu beeinflussen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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