OGH 6Ob536/86

OGH6Ob536/8620.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Klinger und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Anna S***, Hausfrau, Hauptstraße 22, 4890 Frankenmarkt, vertreten durch Dr.Alois Nußbaumer, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die Gegner der gefährdeten Partei 1.) Josef S***, Maschinist, und 2.) Iremine S***, Hilfsarbeiterin, Hauptstraße 32, 4890 Frankenmarkt, beide vertreten durch Dr.Erich Gugenberger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung eines Vorkaufsrechtes infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 20.November 1985, GZ R 999/85-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 17.Oktober 1985, GZ2 C 6/85-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Gegner der gefährdeten Partei aufgetragen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die gefährdete Partei ist zur Hälfte, die Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden kurz Gegner) sind je zu einem Viertel Eigentümer der Liegenschaft EZ 87 KG Frankenmarkt.

Zur Sicherung ihres Vorkaufsrechtes, und zwar ihres Anspruches auf Bekanntgabe des Vorkaufsfalles und der Verkaufsbedingungen durch die Gegner, beantragte die gefährdete Partei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher jenen die Verfügung über ihre beiden Viertelanteile an der genannten Liegenschaft durch Veräußerung untersagt und die Anmerkung des Veräußerungsverbotes zugunsten der gefährdeten Partei angeordnet werde.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung und bestimmte der gefährdeten Partei zum Nachweis der klageweisen Geltendmachung des gesicherten Anspruches eine Frist bis 20.11.1985. Es nahm als bescheinigt an, daß die Miteigentümer der Liegenschaft EZ 87 KG Frankenmarkt ein wechselseitiges Vorkaufsrecht vereinbart haben, das allerdings nicht verbüchert wurde. Die Gegner haben ihre Anteile unter Mißachtung des Vorkaufsrechtes der gefährdeten Partei an Dritte verkauft.

Rechtlich schloß das Erstgericht daraus, der gefährdeten Partei drohe damit ein Vermögensschaden, weil ihr Vorkaufsrecht im Falle der Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Käufer untergehe. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es führte aus, nach § 1079 ABGB habe der Verpflichtete dem Vorkaufsberechtigten für allen Schaden zu haften, wenn er ihm die Einlösung nicht angeboten habe; bei Verbücherung des Vorkaufsrechtes könne der Berechtigte die Sache auch dem Dritten abfordern. Da das Gesetz somit zwischen dinglichem und nicht verbüchertem Vorkaufsrecht unterscheide, vertrete die herrschende Rechtsprechung den Standpunkt, daß dem Berechtigten bei Unterbleiben des Einlösungsanbotes mangels Verbücherung des Vorkaufsrechtes bloß ein Schadenersatz-, nicht aber auch ein Erfüllungsanspruch zustehe. Zwar habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl1977,94 die von der Lehre gegen die in der ausführlich begründeten Entscheidung EvBl1973/64 gipfelnden Rechtsprechung vorgetragenen Gegenargumente als beachtlich bezeichnet, diese Entscheidung sei indessen vereinzelt geblieben, weil der Oberste Gerichtshof in der Folge (z.B. in MietSlg.32.147) zu seiner bisher vertretenen Auffassung zurückgekehrt sei. Dieser Ansicht schließe sich das Rekursgericht an. Die Bestimmung des § 1079 zweiter Satz ABGB erschiene überflüssig, wenn damit nicht hätte zum Ausdruck gebracht werden sollen, daß es sich bei den aus der Verletzung verbücherter Vorkaufsrechte abgeleiteten Ansprüchen um solche besonderer Art handle. Normiere der Gesetzgeber hiefür außergewöhnliche Sanktionen, erscheine es durchaus verständlich, daß er an die Verletzung bloß obligatorischer Vorkaufsrechte als nicht nach außen auftretende Vertragswidrigkeit auch keine nach außen wirksame Rechtsfolgen habe knüpfen wollen. Solle aber der Käufer durch die Vertragswidrigkeit seines bloß schuldrechtlich gebundenen Verkäufers nicht berührt werden, könne dem in seinem obligatorischen Vorkaufsrecht Verletzten bloß ein Anspruch auf Ersatz seines in Geld zu vergütenden Schadens zugebilligt werden. Ein solcher Anspruch könne jedoch nicht durch eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 Z.6 EO gesichert werden.

§ 379 Abs4 EO bestimme vielmehr, daß das Verbot der Veräußerung, Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften, Liegenschaftsanteilen und bücherlichen Rechten zur Sicherung von Geldforderungen nicht verfügt werden dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist berechtigt. Das Rekursgericht zeigt eine für die Lösung der Rechtsfrage beachtliche Auslegungskontroverse auf: Während die überwiegende Rechtsprechung (SZ 1/54; SZ 6/25; SZ 23/356; SZ 38/148 = JBl1966,253 mit ablehnender Glosse von Gschnitzer; JBl1974,204 mit ablehnender Glosse von Rummel; MietSlg.32.147) in Übereinstimmung mit Krasnopolski-Kafka, Obligationenrecht (1910), 388, Swoboda, ABGB II 287 (der sich zur Begründung allerdings lediglich auf SZ 1/54 berief) und Feil, Österreichisches Grundbuchsrecht (1972),186 (mit unzutreffender Berufung auf Gschnitzer, der in JBL1966,254 - vgl. auch Schuldrecht, Besonderer Teil, 31 - die gegenteilige Auffassung vertrat) aus dem besonderen Hinweis im § 1079 erster Satz ABGB, der Verpflichtete hafte dem Berechtigten mangels Anbotes zur Einlösung für allen Schaden, schloß, daß dem Vorkaufsberechtigten nur der erwähnte Schadenersatz-, jedoch weder verkaufvertragliche Erfüllungsansprüche noch der Anspruch auf das Anbot zur Einlösung zustünden, hat sich die Lehre (von den erwähnten Ausnahmen abgesehen) auf den gegenteiligen Standpunkt gestellt (Ehrenzweig, System 2 II/1 420; Bettelheim im Klang-Komm. 1 II/2 1031, Faistenberger, Das Vorkaufsrecht (1967) 159 ff; Gschnitzer aaO; Rummel aaO; Bydlinski im Klang-Komm. 2 IV/2 881 ff; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 296; Aicher in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 1079). Diese Ansicht vertrat der Oberste Gerichtshof auch in der Entscheidung EvBl1957/255, der zwar offensichtlich ein verbüchertes Vorkaufsrecht zugrunde lag, in der aber diese Ausführungen nicht auf ein solches beschränkt wurden. In einzelnen Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten, es müsse nicht näher geprüft werden, ob bei Vereitelung eines nicht verbücherten Vorkaufsrechtes nicht nur Schadenersatz-, sondern auch Erfüllungsansprüche bestünden; auch erstere seien gemäß § 1323 ABGB in erster Linie auf Naturalersatz gerichtet, sodaß der Vorkaufsberechtigte Schadenersatz zunächst in der Form begehren könne, daß ihm der Verpflichtete das Eigentum an der Liegenschaft anderweitig verschaffe (SZ 32/14; 6 Ob 289/62; SZ 36/128). In der von Koziol-Welser (aaO) und Aicher (aaO) als Wende in der Rechtsprechung begrüßten Entscheidung JBl1977,94, brachte der Oberste Gerichtshof zum Ausdruck, die Rechtslehre (zuletzt insbesondere Bydlinski aaO) habe gegen die herrschende Rechtsprechung beachtliche Argumente vorzubringen; ein Anbietungsanspruch könne allerdings nur dem Vertragspartner, dessen Erben oder jenem Erwerber gegenüber geltend gemacht werden, mit welchen eine dreiseitige rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Übertragung der Verpflichtung an ihn bestehe. Die Auffassung, daß die Lehre beachtliche Argumente gegen die herrschende Rechtsprechung vorbringe, vertrat der erkennende Senat auch in der nicht veröffentlichten Entscheidung vom 8.6.1978, 6 Ob 616/78. In beiden Entscheidungen kam allerdings dieser Frage keine tragende Bedeutung zu.

Bei neuerlicher Überprüfung der Tragweite obligatorischer Vorkaufsrechte im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern kann sich der Oberste Gerichtshof - so wie schon in JBl1977,94 angekündigt - den zutreffenden Argumenten der Lehre nicht mehr verschließen. Die ältere Rechtsprechung berief sich auf den Umkehrschluß aus § 1079 erster Satz ABGB, weil diese Bestimmung sonst überflüssig wäre, sollte damit nicht festgeschrieben werden, daß der Vorkaufsberechtigte im Falle vertragswidriger Unterlassung des Einlösungsanbotes nur auf den - sonst generell

bestehenden - Schadenersatzanspruch beschränkt sein sollte. Zutreffend verweisen Rummel (aaO 207) und Bydlinski (aaO 882) auf die dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch innewohnende Tendenz zur Klarstellung auch für den Rechtsunkundigen, wie sie etwa auch in den § 932 und 430 zum Ausdruck gelangt, obschon die Schadenersatzpflicht des Vertragspartners auch in diesen Fällen ohne weiteres aus den §§ 1293 ff ABGB abgeleitet werden könnte. Im übrigen stützt schon die bloße Wortinterpretation, die für sich allein den Umkehrschluß nicht rechtfertigt (vgl. Bydlinski Methodenlehre, 476 f), die Annahme, der Vorkaufsberechtigte müsse sich bei Mißachtung der Verpflichtung zum Einlösungsanbot mit Schadenersatzansprüchen begnügen, nicht ausreichend ab; im Gegensatz zu den vergleichsweise herangezogenen Gesetzesstellen (wie z.B.§ 46 ABGB) entbehrt § 1079 erster Satz ABGB nämlich einer darauf hindeutenden Einschränkung (z.B. durch das Wort "nur" oä). Zumindest ebenso gut läßt sich aus einem Vergleich der beiden Sätze des § 1079 ABGB der Schluß rechtfertigen, der Gesetzgeber habe den bloß obligatorisch Berechtigten nur im Falle des Eigentumserwerbes durch den Dritten auf Schadenersatzansprüche beschränken wollen, während er dem dinglich Berechtigten darüber hinaus das Recht einräumt, die Sache dem Dritten abzufordern (vgl. Rummel aaO 206). Auch die auf den Rückgriff auf die Familieneinstandsrechte gestützte historische Interpretation (JBl1974,204) zeitigt keine verläßlichen Ergebnisse. Diese Familieneinstandsrechte wurden nämlich - wie Rummel und Bydlinski überzeugend nachgewiesen haben - nur deshalb abgeschafft, weil man die Höchstpersönlichkeit solcher Bindungen anstrebte. Somit könnte gegen den Erfüllungsanspruch des bloß obligatorisch Vorkaufsberechtigten lediglich eingewendet werden, die Auffassung, daß der Kaufvertrag schon durch die einseitige Erklärung des Vorkaufsberechtigten ohne entsprechendes Anbot des Verpflichteten zustande komme, übersehe, daß der Kauf (auch) vom Willen des Verkäufers abhänge. Dessen Einverständnis sei noch nicht in der Vereinbarung des Vorkaufsrechtes zu erblicken, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht der gesamte Inhalt des Kaufvertrages festgelegt werde. Erst mit der Annahme des vertragsgemäßen Anbotes werde der Berechtigte Käufer und könne damit auf Vertragszuhaltung dringen. Wie von der Lehre (vor allem von Bydlinski aaO 883) zutreffend dargelegt, kommt es jedoch auf die - gewiß fehlende - Käuferstellung des Vorkaufsberechtigten nicht an, wenn dieser, wie hier, nicht die Zuhaltung eines Kaufvertrages, sondern - seinem Recht entsprechend - die Anbietung der davon betroffenen Sache zur Einlösung, demnach erst die Verschaffung der Käuferstellung begehrt. Daß der vom Vorkaufsberechtigten angestrebte Vertrag völlig unbestimmt sei, trifft deshalb nicht zu, weil im Zeitpunkt der Vorkaufsvereinbarung jedenfalls die Vertragsparteien und der Kaufgegenstand, somit ein wesentlicher Teil des Vertragsinhaltes, feststehen. Daher wird - wie bei § 1056 ABGB - nur der Preis erst später bestimmt. Auf allfällige Nebenabreden kann es hingegen nicht ankommen. Will man demnach die Bestimmtheitserfordernisse des Kaufvertrages nicht überspannen, so steht schon bei Vereinbarung des Vorkaufsrechtes fest, daß der Kaufinhalt durch den Vorkaufsfall objektiv vollkommen bestimmt ist. Geht man, was an sich unbestritten ist, davon aus, daß die Vorkaufsabrede zum Anbot verpflichtet und die Verpflichtung zum Anbot auch nicht an der mangelnden Bestimmtheit scheitert, so kann diese auch der Annahme eines (zunächst bedingten) Kaufes nicht entgegenstehen (Bydlinski aaO 883). Es wäre im übrigen auch ein Wertungswiderspruch, wenn der Vorkaufsberechtigte zwar Erfüllung begehren könnte, sofern der Verpflichtete anbietet und dieses Anbot angenommen wird, nicht aber auch dann, wenn der Verpflichtete seine Anbietungspflicht von vornherein und damit das Vorkaufsrecht besonders massiv verletzt hat (Faistenberger aaO 159). Zutreffend verweist auch Aicher (aaO) auf die Tatsache, es sei nie bezweifelt worden, daß beim dinglichen Vorkaufsrecht dem Berechtigten stets vom Einlösungsanbot unabhängige Erfüllungsansprüche gegenüber dem Verpflichteten zustehen, obgleich die Verbücherung keine inhaltliche Änderung der Rechtsbeziehungen zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem bewirkt.

Sind aber - der Sachlage nach

durchsetzbare - Erfüllungsansprüche der gefährdeten Partei zu bejahen, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der weiteren Frage, ob nicht auch die nach dem § 1323 ABGB zu beurteilenden Schadenersatzansprüche zu dem gleichen Ergebnis führen müßten. Dennoch kann noch nicht in der Sache selbst entschieden werden. Da das Gericht zweiter Instanz, ausgehend von seiner Rechtsansicht, die Mängelrüge im Rekurs der Gegner der gefährdeten Partei nicht behandelt hat, wird es diese im fortgesetzten Verfahren zu erledigen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs1 EO.

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