OGH 1Ob541/86

OGH1Ob541/8617.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Johannes Michael W***, geb. 12.Jänner 1981, dzt. bei seinem Vater Robert W***, Musiklehrer, Pernerstorfergasse 73/1/12, 1100 Wien, infolge Revisionsrekurses des Robert W***, vertreten durch Dr. Franz Groiß, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 18.September 1985, GZ 44 R 3289/85-47, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 12.September 1984, GZ 6 P 503/83-21, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Sowohl der Vater als auch die Mutter des am 12.Jänner 1981 geborenen Johannes Michael W*** beantragen gemäß § 177 Abs 2 ABGB, ihnen wegen nicht bloß vorübergehender Trennung jeweils alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB; im folgenden kurz: "Elternrechte") allein zu übertragen. Die Eltern des Minderjährigen lernten sich 1979 als Musikstudenten kennen, heirateten im Sommer 1980, weil die Mutter schwanger geworden war, und wohnten dann gemeinsam in Wien 10., Pernerstorfergasse 73/1/12. Im Juni 1983 verließ die Mutter die eheliche Gemeinschaft und kehrte in ihre Heimat nach Vorarlberg zurück. Sie wohnt nunmehr in Lustenau und ist an der dortigen Musikschule seit Herbst 1983 beschäftigt. Der Vater weigerte sich anläßlich der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft durch die Mutter, ihr den Minderjährigen nach Lustenau mitzugeben.

Am 27. Dezember 1983 vereinbarten die Eltern vor dem Pflegschaftsgericht, daß das Kind vorläufig im Haushalt des Vaters bleiben sollte. Diese Vereinbarung war nur für die Verfahrensdauer gedacht. Während einer Ausübung des Besuchsrechtes zum mj. Johannes im August 1984 behielt die Mutter das Kind bei sich in Vorarlberg. Auf Grund des sofortigen Vollzuges des erstgerichtlichen Beschlusses kam es am 25.September 1984 wieder zum Vater.

Das Erstgericht übertrug die Elternrechte dem Vater, setzte diesen Beschluß gemäß § 12 Abs 1 AußStrG sogleich in Vollzug und wies den Antrag der Mutter, ihr die Elternrechte zu übertragen, ab.

Es stellte im wesentlichen fest:

Die Verhältnisse beim Vater seien für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes günstig. Er besitze eine geräumige Wohnung, sei Musiklehrer mit voller Lehrverpflichtung, "jedoch nur an drei Nachmittagen an der Musikschule Wiener Neustadt tätig". Während seiner Abwesenheit werde der Minderjährige von der väterlichen Großmutter betreut. Die Mutter sei an der Rheintalischen Musikschule mit halber Lehrverpflichtung beschäftigt. Während ihrer Abwesenheit könne der Minderjährige von einer ordentlichen Pflegefamilie betreut werden. Der mj. Johannes sei ein körperlich und geistig seinem Alter entsprechend entwickeltes Kind. Beide Elternteile stünden ihm als gleichwertige Bezugspersonen sehr nahe. Er sei an beide Elternteile gefühlsmäßig stark gebunden. Eine Bevorzugung eines Elternteiles sei nicht erkennbar, sehr wohl aber eine merkliche Präferenz für den gewohnten väterlichen Bereich. Der Minderjährige fühle sich beim Vater geborgen. Er sei bisher ausgezeichnet gefördert worden. Der Vater sei psychisch geordnet, reifer und verantwortungsbewußter als die Mutter, die noch immer Merkmale innerer Unausgeglichenheit und unbewältiger Spannungen in Richtung eines neurotischen Zustandsbildes zeige. Die Betreuung durch die Mutter würde für das Kind eine einschneidende Änderung im Betreuungsstil bedeuten. Das Verhalten der Mutter lasse eine Entwicklung in Richtung symbiotischer Kind-Mutter-Beziehungen nicht ausschließen. Eine Umstellung für den Minderjährigen bedeute es auch, wenn er nach der Absicht der Mutter während ihrer Berufstätigkeit einer "Tagesmutter" anvertraut werde. Die Zuweisung der Pflege an die Mutter stelle ein merkliches Risiko für die künftige günstige Entwicklung des Kindes dar. Es entspreche daher dem Wohl des Kindes besser, die Elternrechte dem Vater zuzuweisen. Das eingeholte kinderpsychologische Gutachten lasse eine deutliche Präferenz für den väterlichen Bereich erkennen. Die Beschreibung des Persönlichkeitsbildes der Mutter durch den Sachverständigen werde auch dadurch bestätigt, daß sie sich an die mit dem Vater getroffenen Vereinbarungen nicht gehalten und das Kind aus seiner gewohnten Umgebung herausgenommen habe.

Das Rekursgericht gab auf der Grundlage teils ergänzender und teils abweichender Feststellungen im ersten Rechtsgang dem Rekurs der Mutter Folge, wies ihr die Elternrechte zu und den Antrag des Vaters auf Zuteilung der Elternrechte ab.

Der Oberste Gerichtshof gab mit Beschluß vom 17.April 1985, 1 Ob 552/85, auf dessen Begründung zur näheren Darstellung des Verfahrens im ersten Rechtsgang verwiesen wird, Folge, hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Mutter auf.

Das Rekursgericht wies nach Verfahrensergänzung auch im zweiten Rechtsgang der Mutter die Elternrechte zu:

Es traf - zum Teil auf Grund eigener Beweisaufnahmen durch persönliche Vernehmung beider Elternteile - über die Gründe der Entfremdung der Eltern, über die Pflege und Erziehung des Kindes durch die Mutter und durch den Vater und über die persönlichen Verhältnisse der nunmehr getrennt lebenden Eltern umfangreiche Feststellungen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

Die Mutter habe sich von ihrer Absicht, die Schwangerschaft nicht zu unterbrechen, auch von ihrer nunmehrigen Schwiegermutter, die ihr dazu finanzielle Hilfe angeboten habe, nicht abbringen lassen. Sie habe nach der Geburt das Kind selbst versorgt und diesem ihre besondere Fürsorge zugewendet, indem sie es über ein Jahr lang gestillt habe. Zwischen den Eltern habe von Anfang an keine tiefe Beziehung bestanden; diese habe sich auch während der ehelichen Gemeinschaft nicht entwickelt. Der Vater habe die Mutter nicht als Persönlichkeit akzeptiert und dauernd versucht, sie zu ändern. Er habe auf ihre Gefühle und Gedanken nicht Rücksicht genommen und sei dagegen gewesen, daß sie weiterstudiere. Er habe das Unbehagen der Mutter in der Großstadt und ihre Klagen über Heimweh ignoriert und sie wegen ihrer Abstammung aus Vorarlberg herabgesetzt. Die Schwiegermutter habe sich in die häuslichen Belange eingemengt. Die Mutter habe ungeachtet der Widerstände ihres Gatten ihre Ausbildung als Musiklehrerin abgeschlossen. Seit dem Beginn des Jahres 1983 sei es zunehmend zu Spannungen zwischen den Eltern gekommen. Während eines Sommerurlaubes des Vaters mit dem Kind im Juni 1983 habe sich die Mutter entschlossen, nach Vorarlberg zurückzukehren. Die Mutter sei in der ersten Julihälfte 1983 nach Vorarlberg auf Urlaub gereist und habe versucht, dort eine Existenzgrundlage zu schaffen. Im August 1983 habe der Vater die Herausgabe des Kindes an die Mutter - nachdem sie in Vorarlberg ihre Verhältnisse geordnet hatte - entgegen seiner Zusage verweigert. Der Mutter stehe seit 1. August 1983 in Lustenau eine Zweizimmerwohnung zur Verfügung. Seit Herbst 1983 sei sie an der Rheintalischen Musikschule in Lustenau mit einer Lehrverpflichtung von ca. 20 Wochenstunden beschäftigt. Die Schule sei nur fünf Minuten von der Wohnung entfernt. Infolge der blockweisen Stundeneinteilung an der Musikschule sei die Mutter nur vier bis fünf Stunden täglich von der Wohnung abwesend. Sie könnte künftig auch Gleitzeit in Anspruch nehmen und daher das Kind weitaus überwiegend selbst betreuen; zudem befinde sich nur fünf Minuten von der Wohnung entfernt ein Kindergarten. Auch die Möglichkeit, das Kind (vorübergehend) bei einer befreundeten kinderliebenden Familie, die in geordneten Verhältnissen lebe, unterzubringen, bestehe. Die Mutter lebe in bescheidenen, aber geordneten Verhältnissen und verdiene ca. 10.000 S monatlich. Sie habe die Möglichkeit, von der Stadtgemeinde Lustenau eine größere Wohnung zu bekommen. Die Mutter weise keine Anzeichen eines neurotischen Zustandsbildes mehr auf. Ihr Persönlichkeitsreifungsprozeß (bei dem im Zuge ihrer Selbstfindung und Auseinandersetzung mit der Loslösung von ihrer Familie, der Schwangerschaft, Sexualität und der Familiensituation neurotische Entwicklungstendenzen aufgetreten waren) sei weitestgehend abgeschlossen. Sie fühle sich vollkommen ausgeglichen und habe durch die Trennung zu sich selbst gefunden. Sie sei nach ihrer Gesamtpersönlichkeit durchaus in der Lage, das Kind aufzuziehen und für es zu sorgen. Nach der Übersiedlung nach Lustenau habe die Mutter bis 3.Juni 1984 wiederholt ihr Besuchsrecht in Wien (und zum Teil auch in Vorarlberg) ausgeübt, um den Kotakt mit dem Kind aufrecht zu erhalten. Im Sommer 1984 habe die Mutter mit dem Kind einen dreieinhalbwöchigen Urlaub verbracht und sich nach dessen Ablauf geweigert, das Kind dem Vater herauszugeben, worauf der Vater auf Grund des in Vollzug gesetzten erstgerichtlichen Beschlusses die Herausgabe des Kindes unter Einschaltung der Exekutive am 21. September 1984 in Vorarlberg durchgesetzt habe. Die Mutter habe auch in der Folge den Kontakt zum Kind durch stundenweise Besuche in der ehelichen Wohnung in Wien im Oktober, November, Dezember 1984 und im Jänner 1985 trotz beträchtlicher Kosten und großer räumlicher Entfernung aufrechterhalten und überdies das Kind angerufen sowie Briefe und Pakete geschickt. Die Mutter sei nunmehr entschlossen, die Scheidung anzustreben.

Der Vater wohne mit dem Kind in der Ehewohnung in Wien 10., die sehr geräumig sei. Ein Raum sei dort kindergerecht eingerichtet. Bedenken gegen die Fähigkeit des Vaters zur Erziehung des Kindes bestünden nicht, wenn er auch in starker Abhängigkeit von seiner Mutter stehe, die 58 Jahre alt sei und nach der Trennung der Eltern den Minderjährigen während der berufsbedingten und sonstigen Abwesenheiten des Vaters versorgt habe. Der Vater habe seit mehreren Jahren eine volle Lehrverpflichtung an einer Musikschule in Wiener Neustadt mit wöchentlich 27 Unterrichtsstunden. Da diese Unterrichtsstunden auf drei Wochentage konzentriert seien, sei er unter Berücksichtigung der Fahrzeiten von Wien dreimal wöchentlich mindestens von 10 Uhr bis 19,30 Uhr von der Wohnung abwesend. Der Vater halte aber auch noch Musikproben ab und organisiere Konzerte. Er habe einen großen Bekanntenkreis, der sich zum Teil in Wiener Neustadt befinde, so daß er häufig auch das Wochenende in Wiener Neustadt verbringe und gelegentlich auch den Minderjährigen dorthin mitnehme. Der Vater beziehe einschließlich Familienbeihilfe 13.000 S monatlich. Der Minderjährige besuche von etwa 8 bis 12 Uhr einen Pfarrkindergarten in Wien 10. Er übernachte in der Regel mit dem Vater in der Ehewohnung und werde von diesem in den Kindergarten gebracht. An den Unterrichtstagen werde das Kind von der Großmutter vom Kindergarten abgegolt und dann in die Wohnung der väterlichen Großeltern im 2. Bezirk gebracht. An unterrichtsfreien Tagen widme der Vater seine Freizeit in erster Linie dem Kind. Wenn er abends weggehe, bringe er das Kind zu seinen Eltern, wo er dann auch nach seiner Rückkehr übernachte. Der mj. Johannes sei ein physisch und psychosozial gut entwickeltes Kind, das emotional an beide Elternteile gebunden sei. Bei der Ausübung des Besuchsrechtes habe die Mutter sogleich wieder guten Kontakt zum Kind, das sich, solange der Vater nicht in unmittelbarer Nähe sei, ungezwungen benehme, sein Verhalten aber ändere und sich unnatürlich aufführe, wenn der Vater dabei sei, so als ob es dann seine Gefühle nicht zeigen dürfe. Die Mutter sei bei diesen Kontakten sehr um das Kind bemüht. Die Besuche stellten für das Kind kaum eine psychische Belastung dar. Abschließend gelangte das Rekursgericht auf Grund des persönlichen Eindrucks beider Elternteile zum Ergebnis, daß die Mutter eine gefestigte reife, nunmehr selbstsichere Persönlichkeit sei, die den Prozeß der Selbstfindung abgeschlossen habe. Sie wolle dem Kind alle nur mögliche Fürsorge ohne jedwede Übertreibung angedeihen lassen. Das Kind, das sie allen widerwärtigen Bedingungen zum Trotz geboren habe, stelle ihren Lebensinhalt dar. Die Mutter wirke ruhig, in ihren Aussagen aufrichtig, ohne Übertreibung und überzeuge in ihrer Darstellung. Sie sei eine ruhige, introvertierte Person, die menschliche Wärme ausstrahle und ohne Zweifel eine fürsorgliche und behutsame Mutter sei. Der Vater habe vor dem Rekursgericht einen eher gewandten, Sachverhalte beschönigenden und nicht so verläßlichen Eindruck wie die Mutter gemacht. Er scheine mehr an äußeren Erfolgen orientiert und lege eher auf einen geordneten äußeren Ablauf des Familienlebens und häufige gesellschaftliche Kontakte als Zeichen der Selbstbestätigung wert. Bei dieser Sachlage seien zwar beide Elternteile geeignet, den Minderjährigen zu pflegen und zu erziehen, der Mutter jedoch der Vorzug zu geben, weil sie in persönlicher Hinsicht einen günstigeren, fürsorglicheren und herzlicheren Eindruck hinterlassen habe. Für die Zuteilung der Elternrechte an die Mutter spreche auch, daß sie das Kind in weitaus größerem Ausmaß persönlich betreuen könne als der Vater. Mit Rücksicht auf dessen auswärtige Berufstätigkeit habe sich das Kind zuletzt in sehr erheblichem Ausmaß in tatsächlicher Betreuung der Großmutter befunden. Die Betreuung und Erziehung eines Kindes durch einen Elternteil sei aber der durch die Großmutter vorzuziehen. Bei der Mutter sei eine nahezu vollständige Betreuungsmöglichkeit gegeben. Die Mutter dürfe bei der erstmals zu treffenden Entscheidung über die Elternrechte nicht allein deshalb ausscheiden, weil mit der Zuteilung der Elternrechte an sie ein Wechsel in den Aufenthalts- und Pflegeverhältnissen des Kindes verbunden wäre. Infolge der laufenden Kontakte zwischen Mutter und Kind erscheine der Pflegeplatzwechsel nicht problematisch. Entscheidend sei für die Zuteilung der Elternrechte die bessere Eignung des Elternteils als Bezugs- und BetreuungspersON Kleinkinder seien im allgemeinen im besonderen Maß der mütterlichen Liebe und Pflege bedürftig und deshalb, wenn nicht andere Umstände besonderer Art dagegen sprächen, vorzüglich der Pflege und Erziehung der Mutter zuzuweisen. Andere Kinder hätten im übrigen nach entwicklungspsychologischen Erkenntnissen eine viel stärkere Bindung zur Mutter als zum Vater.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt.

Der pauschale Vorwurf des Revisionsrekurswerbers, das Verfahren der zweiten Instanz sei äußerst mangelhaft, das Rekursgericht habe sich insbesondere mit der Situation und dem Wohl des Kindes nicht entsprechend auseinandergesetzt, ist aktenwidrig. Der erkennende Senat hat dem Rekursgericht im Aufhebungsbeschluß vom 17.April 1985, 1 Ob 582/85, die persönliche Vernehmung der beiden Streitteile als zweckmäßig empfohlen, damit es sich ein möglichst verläßliches Bild über die Erziehungseignung der Eltern verschaffe. Die zweite Instanz hat diese Anregung aufgegriffen und auf Grund des persönlichen Eindruckes, den es bei der Vernehmung von beiden Elternteilen gewann, umfangreiche Feststellungen über die Gründe ihrer Trennung, ihre nunmehrigen Lebensverhältnisse, über die Situation des Kindes und vor allem auch über ihre Erziehungseignung getroffen. Daß diese Vernehmung - über die Bestimmung des § 38 Abs 3 GOG hinaus - zum Teil vom gesamten Rekurssenat durchgeführt, in der Folge aber die Vernehmung des Vaters vom Referenten allein fortgesetzt wurde, bildet keinen Verfahrensmangel.

Der Revisionsrekurswerber rügt insbesondere, daß die Feststellung über die zeitliche Belastung der Eltern durch ihre Berufstätigkeit lediglich auf Grund der Angaben der Eltern getroffen worden seien, obwohl Anfragen an deren Dienstgeber leicht möglich gewesen wären. Der Revisionsrekurswerber bekämpft damit die Beweiswürdigung des Rekursgerichtes, das die zu dieser Frage von den Eltern gemachten Angaben, die die Eltern im übrigen gegenseitig auch gar nicht anzweifelten, als ausreichend ansah. Auf die in diesem (und auch in anderen Punkten) erfolgte Bekämpfung der Beweiswürdigung ist nicht einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung (zB EFSlg. 42.253, 42.254) auch im Verfahren außer Streitsachen nicht Tatsacheninstanz ist. Eine Auseinandersetzung mit der vom Revisionsrekurswerber zitierten gegenteiligen Entscheidung EFSlg. 25.866, die darauf gestützt wurde, daß im Verfahren außer Streitsachen der Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht gilt, ist hier entbehrlich, weil das Rekursgericht die entscheidenden Feststellungen auf Grund unmittelbarer Beweisaufnahme getroffen hat.

Eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung ist auch die Rüge, die zweite Instanz habe einen Großteil ihrer Feststellungen - auch zur Person des Vaters - auf die Aussage der Mutter gestützt; dies war der zweiten Instanz, die sich hier auf Grund des persönlichen Eindruckes über die relative Erziehungseignung beider Elternteile die für die Entscheidung erforderlichen Grundlagen schaffen sollte, nicht verwehrt. Der Oberste Gerichtshof hat der zweiten Instanz in dem bereits zitierten Aufhebungsbeschluß auch nicht aufgetragen, ein weiteres kinderpsychologisches Gutachten einzuholen, sondern nur ausgesprochen, die zweite Instanz werde wegen der Bedenken, die sie gegen das Gutachten des Gerichtssachverständigen Dr. Erwin S*** im ersten Rechtsgang hatte, in geeigneter Weise, vor allem wohl durch eigene Beweisaufnahme oder Einholung eines weiteren Gutachtens, die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Die Unterlassung der Einholung eines weiteren kinderpsychologischen Gutachtens, das im übrigen in den Tatsacheninstanzen nicht beantragt wurde, bildet auch keinen Feststellungsmangel. Festgestellt wurde, daß der mj. Johannes ein physisch und psychosozial gut entwickeltes Kind ist, das emotinal an beide Elternteile gebunden ist. Für irgendwelche, von diesen Feststellungen abweichende nachteilige Entwicklungen seit der etwa eineinhalb Jahre zurückliegenden Untersuchung besteht kein Anhaltspunkt, so daß die neuerliche Einholung eines Gutachtens auch unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen seit der Entscheidung erster Instanz nicht erforderlich war.

Das Rekursgericht hat sich auch ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Kind aus dem angeordneten Wechsel in den Erziehungsverhältnissen große Belastungen drohen, und dies mit der Begründung verneint, daß die Mutter durch Besuche laufend Kontakt zum Kind gehalten habe und diese Besuche für das Kind keine nennenswerte Belastung bedeutet hätten. Der Revisionsrekurswerber mißdeutet die gegenteilige Aussage der Mutter, die sich offensichtlich auf die stundenweise Ausübung des Besuchsrechtes (nach der Fahrt von Vorarlberg nach Wien) sowie auf die zeitweise Anwesenheit des Vaters bei diesen Kontakten bezog. Aus den Feststellungen des Rekursgerichtes geht klar hervor, daß es die Mutter als nunmehr reife, selbstsichere Person, die menschliche Wärme ausstrahlt, fürsorglich und behutsam ist, für geeigneter als den Vater ansieht, das Kind zu erziehen, und der Mutter auch deshalb den Vorzug gab, weil sie die Erziehung in größerem Ausmaß als der Vater persönlich durchführen kann, wogegen der Vater mit Rücksicht auf das größere Ausmaß seiner Berufstätigkeit und seiner Freizeitgestaltung die tatsächliche Betreuung des Kindes in sehr erheblichem Ausmaß der väterlichen Großmutter überlassen habe. Es liegen somit beachtliche überwiegende Gründe dafür vor, daß die Erziehung des erst fünf Jahre alten Kindes durch die Mutter seinem Wohl besser als die väterliche Erziehung entspricht. Gewiß wurde der Erfahrungssatz, daß Kinder der mütterlichen Obsorge und des ständigen Kontaktes mit der Mutter bedürfen, besonders auf Kleinkinder bezogen (7 Ob 571/77) und auch ausgesprochen, daß der Grundsatz, daß der ständigen Betreuung des Kindes durch die Mutter grundsätzlich einer solchen durch eine Stellvertreterin des Vaters bei Gleichwertigkeit der sonstigen Voraussetzungen der Vorzug zu geben sei (EFSlg. 33.625, 31.223 ua), in aller Regel nur für "Kleinkinder" gilt (EFSlg. 43.370, 40.900), hiebei aber auch ein fünfjähriges Kind noch als Kleinkind angesehen (EFSlg. 38.400). Im Hinblick auf die günstigeren Voraussetzungen bei der Mutter ist der Erziehung des Kindes durch sie jedenfalls der Vorzug vor der weitgehend von der mütterlichen Großmutter durchgeführten Erziehung beim Vater zu geben.

Dieser Wertung stehen auch die mit dem Pflegeplatzwechsel zwangsläufig verbundenen vorübergehenden Umstellungsschwierigkeiten des Kindes nicht entgegen. Wie schon im ersten Rechtsgang gesagt wurde, soll die im Regelfall für Jahre richtungsweisende Entscheidung über den Verbleib eines Kindes nach rechtskräftiger Ehescheidung (bzw. dauernder Trennung) der Eltern nicht von dem mehr oder weniger zufälligen Umstand abhängen, welcher Elternteil im Zeitpunkt der faktischen Trennung das Kind gerade bei sich hat; bei der erstmals zu treffenden Enm cueidung über die Elternrechte soll ein Elternteil nicht allein deshalb ausscheiden, weil mit der Zuteilung an ihn ein Wechsel im Aufenthalt und in den Pflegeverhältnissen verbunden wäre. Die EFSlg. 43.387 betraf insoweit einen Sonderfall, als dort das Kind mit Zustimmung beider Elternteile jahrelang von einer Großmutter sehr gut betreut worden war, so daß dem Grundsatz der Kontinuität der Erziehung bei gleichwertigen Voraussetzungen der Vorzug gegeben wurde. Der zitierten Entscheidung lag somit eine, wenn auch offenbar nicht gemäß § 177 Abs 1 ABGB pflegschaftsgerichtlich genehmigte, auf Dauer angelegte Vereinbarung der Eltern zugrunde.

Im vorliegenden Fall bringt die vom Rekursgericht angeordnete Maßnahme auf Dauer eine Verbesserung der Pflege- und Erziehungsverhältnisse. Die Feststellungen des Rekursgerichtes über die Persönlichkeit der Mutter bieten ausreichende Gewähr dafür, daß sie in der Lage sein wird, die mit dem Pflegeplatzwechsel des Kindes voraussichtlich verbundenen vorübergehenden Schwierigkeiten durch vorsorgliche und behutsame Betreuung bald auszugleichen. Die vom Revisionsrekurswerber zitierte Rechtsprechung, wonach ein Pflegeplatzwechsel nur ausnahmsweise angeordnet werden darf, wenn aus besonderen Umständen eine wesentliche Verbesserung der Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten des Kindes zu erwarten ist (EFSlg. 43.388; ausführlich SZ 53/142 ua), betrifft Fälle, in denen bereits eine Sorgerechtsentscheidung durch das Gericht erfolgt war und von dieser wieder abgegangen werden soll.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

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