OGH 8Ob32/85

OGH8Ob32/8521.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.

 Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erna L*****, vertreten durch Dr. Rudolf Watschinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagten Parteien 1.) Peter B*****, und 2.) O***** Versicherungsanstalt, *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 75.000,‑ s.A. (Revisionsstreitwert S 20.000,‑), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6. Februar 1985, GZ 2 R 283/84‑22, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 6. Juli 1984, GZ 1 Cg 95/84‑12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00032.850.1121.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im übrigen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von S 20.000,‑ samt 4 % Zinsen seit 31. 1. 1984 (Kosten einer vorzunehmenden Narbenkorrektur) und im Kostenpunkt ebenso wie die klagsstattgebende Entscheidung des Erstgerichtes über diesen Teil des Klagebegehrens und im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrte aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus einem Verkehrsunfall vom 14. 9. 1983 die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 75.000,‑ s.A. Dem Grunde nach ist die Schadenersatzpflicht der Beklagten nicht mehr strittig. Das Begehren der Klägerin umfaßte unter anderem die Zahlung eines Betrages von S 40.000,‑ aus dem Titel der Behinderung des besseren Fortkommens, weil verletzungsbedingt noch zahlreiche deutlich sichtbare Narben im Gesicht der Klägerin vorhanden seien. Besonders störend wirke eine Narbe am Ansatz des Unterlides; auch der Lidschluß sei durch die Narbe etwas behindert. Sollte der Klägerin eine Entschädigung aus dem Titel der Behinderung des besseren Fortkommens nicht zustehen, dann gebühre ihr der dafür geltend gemachte Betrag als Ersatz der Kosten für eine Narbenkorrektur. Diese Kosten könnten auch ohne bereits durchgeführter Operation geltend gemacht werden (ON 1 und 5).

Die Beklagten wendeten dazu im Wesentlichen ein, daß der Klägerin keine Verunstaltungsentschädigung nach § 1326 ABGB gebühre. Sie sei Hilfsarbeiterin und verheiratet; durch die Beeinträchtigung ihres äußeren Erscheinungsbildes könne ihr besseres Fortkommen nicht behindert werden. Die von der Klägerin in Betracht gezogenen Narbenkorrekturen würden vom Sozialversicherungsträger bezahlt, weil es sich um eine funktionelle Störung handle. Es werde daher Legalzession eingewendet (ON 2 und 6).

Nachdem das Erstgericht der Klägerin mit Teilanerkenntnisurteil vom 5. 4. 1984 einen Betrag von S 16.666,67 s.A. zugesprochen hatte, erkannte es die Beklagten mit seinem Endurteil schuldig, der Klägerin den Betrag von S 26.433,33 s.A zu bezahlen; das Mehrbegehren der Klägerin auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 31.900,67 s.A. wies es ab.

Der im Endurteil erfolgte Zuspruch umfaßte auch die Kosten einer kosmetischen Operation in der Höhe von S 20.000,‑.

Dazu stellte das Erstgericht im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Klägerin erlitt dadurch, daß sie bei dem Verkehrsunfall vom 14. 9. 1983 mit dem Gesichtsschädel gegen die Windschutzscheibe des Autos prallte, in dem sie mitfuhr, eine Schädelprellung und Schnittwunden im Gesicht, und zwar im Bereich der Oberlippe, der linken Wange und an der Stirn, im Bereich der Nasenwurzel und des linken Auges. Am 16. 12. 1983 (Untersuchung durch den Gerichtssachverständigen) bestanden bei ihr im Bereich des linken Auges, der Nase und der Oberlippe deutlich sichtbare Narben sowie mehrere kleinere kaum sichtbare Narben im Bereich der linken Wange. Die Bindehaut des linken Auges war gerötet und es bestand eine leichte Bindehautentzündung. Der Lidschluß war durch die Narbe am Oberlid diskret behindert. Im Falle einer Narbenschrumpfung kann eine Lidplastik notwendig werden. Die vorhandenen Narben können durch eine entsprechende kosmetische Operation verbessert werden. Eine derartige Operation durch einen anerkannten Operateur kostet zwischen S 20.000,‑ und S 25.000,‑, wobei das Übergewicht des Honorars sich auf die Operation selbst und nicht auf den Krankenhausaufenthalt bezieht.

Die Klägerin ist verheiratet und seit zwei Jahren als Hilfsarbeiterin tätig.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Klägerin keine Verunstaltungsentschädigung im Sinne des § 1326 ABGB zustehe, weil sie durch die vorhandene Narben in ihrem besseren Fortkommen nicht beeinträchtigt werde. Zu den vom Schädiger zu ersetzenden Heilungskosten gehörten aber auch die Kosten einer kosmetischen Operation, soweit sie zur gänzlichen oder teilweisen Beseitigung einer durch die Verletzung hervorgerufenen Verunstaltung in zweckmäßiger Weise aufgewendet würden. Die Kosten einer künftigen Operation könnten schlechthin schon vor ihrer Vornahme gefordert werden. Es bedürfe auch nicht des Beweises der Wahrscheinlichkeit der Vornahme einer solchen Operation. Die Narbenkorrektur könne zumindest eine teilweise Verbesserung des Narbenbildes mit sich bringen, weshalb dieses Begehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Bei der Höhe des Zuspruches sei nicht vom Höchstansatz auszugehen, sondern vom Durchschnittswert in der Höhe von S 20.000,‑, weil im Rahmen der kosmetischen Operation auch funktionelle Störungen mitbehoben werden müßten und damit zu rechnen sei, daß der Sozialversicherungsträger zumindest teilweise für die Krankenhauskosten aufkomme. Die Klägerin müsse sich im übrigen auch nicht mit der billigsten Art der Narbenkorrektur begnügen, sondern sie könne auch ärztliche Hilfe außerhalb der Sozialversicherung in Anspruch nehmen, sodaß der Zuspruch auch aus diesen Erwägungen in der Höhe von S 20.000,‑ gerechtfertigt erscheine.

Das Endurteil des Erstgerichtes wurde von der Klägerin und von den Beklagten mit Berufung bekämpft.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Klägerin keine Folge. Hingegen gab es der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Endurteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Klägerin nur einen Betrag von S 6.433,33 s.A. zusprach, ihr auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 51.900,97 s.A. gerichtetes Mehrbegehren aber abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß im Umfang der Urteilsabänderung die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Der klagsabweisende Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes umfaßt auch die vom Erstgericht zugesprochenen Kosten einer kosmetischen Operation in der Höhe von S 20.000,‑.

Dazu führte das Berufungsgericht, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Der auf § 1326 ABGB gegründete Schadenersatzanspruch der Klägerin sei zu Recht abgewiesen worden, weil keine Möglichkeit der Behinderung ihres besseren Fortkommens bestehe.

Aber auch ein Schadenersatzanspruch der Klägerin aus dem Titel der Kosten, die eine kosmetische Operation erfordern würde, bestehe nicht. Hier gehe es um den Ersatz von Heilungskosten, die nach § 1325 ABGB bei jedem Grad des Verschuldens zu ersetzen seien. Der Oberste Gerichtshof habe in einigen Entscheidungen ausgesprochen, die Kosten einer künftigen Operation könnten schlechthin schon vor ihrer Vornahme gefordert werden, ja es bedürfe nicht einmal des Beweises der Wahrscheinlichkeit der Vornahme der Operation. Diese objektiv‑abstrakte Betrachtungsweise habe die einhellige Kritik der Lehre herausgefordert, da im Gegensatz zu einer Sachbeschädigung die Verletzung des Körpers allein noch nicht zu einer Vermögensminderung führe. Das Problem sei über die Vorschußpflicht des Schädigers zu lösen. Demnach habe der Schädiger dem Verletzten die für die Heilung erforderlichen Beträge zur Verfügung zu stellen, die von Verletzten widmungsgemäß für die Heilung zu verwenden seien. Der Vorteil dieser Lösung liege abgesehen von der rechtsdogmatischen Konsequenz vor allem darin, daß es zu keiner Bereicherung, aber auch zu keiner Benachteiligung des Geschädigten kommen könne. Der Geschädigte müsse nämlich über die widmungsgemäße Verwendung des Vorschusses auf Verlangen Rechnung legen und könne natürlich, weil es sich nur um einen Vorschuß und nicht um die endgültige Schadenersatzleistung handle, nach Abschluß des Heilungsverfahrens noch zusätzliche Schadenersatzforderungen stellen, wenn die Heilungskosten höher gewesen seien als ursprünglich prognostiziert. Diese Möglichkeit sei ihm bei einer objektiv‑abstrakten Berechnung der Heilungskosten verwehrt. Außerdem erübrigten sich bei der Verweisung des Geschädigten auf die Vorschußpflicht des Schädigers fiktive Überlegungen dergestalt, wie sie in diesem Prozeß von den Beklagten hinsichtlich der Kostentragung durch den Sozialversicherungsträger angestellt worden seien. Warte man nämlich mit der schadenersatzrechtlichen Entscheidung über die Heilungskosten bzw. mit der Abrechnung eines allfälligen Heilungskostenvorschusses bis zum Abschluß des Heilverfahrens zu, dann sei nicht nur die tatsächliche Höhe der Heilungskosten, sondern auch der vom Sozialversicherungsträger geleistete Heilungskostenbeitrag bekannt.

Der Anspruch des Geschädigten auf eine Vorschußleistung des Schädigers sei kein Novum im Schadenersatzrecht. In Ansehung von Kraftfahrzeugreparaturkosten oder von Kosten zur Neuanschaffung eines Fahrzeuges sei er bereits Allgemeingut in der Judikatur, die dem Geschädigten auch den Ersatz von Bankzinsen für Darlehen zubillige, wenn er den Schädiger vergeblich zur Bevorschussung der Schadenersatzleistung aufgefordert habe. Daß Vorschußleistungen gerichtlich eingefordert werden könnten, sei ständige Rechtsprechung zum Beispiel in Ansehung von Prozeßkostenvorschüssen für Ehescheidungsstreitigkeiten. Da der Oberste Gerichtshof unlängst in der Rechtsfrage der fiktiven Reparaturkosten eine Schwenkung in Richtung einer subjektiv‑konkreten Berechnungsweise sogar bei Vermögensschäden vollzogen habe, liege die Lösung des Problems des Ersatzes von Heilungskosten, die noch nicht aufgewendet wurden, über die klagsweise durchsetzbare Bevorschussungspflicht des Schädigers im Trend der neuersten Rechtsentwicklung.

Diese Überlegungen erforderten allerdings eine klare Trennung zwischen dem Anspruchsgrund Ersatz von Heilungskosten und dem Anspruchsgrund der Bevorschussung solcher Kosten. Letzterer Klagsgrund würde auch voraussetzen, daß der Geschädigte behaupte, er sei aus finanziellen Gründen auf die Bevorschussung angewiesen, insbesondere deshalb, weil er keine sozialversicherungsrechtliche Deckung beanspruchen könne. Die Klägerin habe keinerlei Vorbringen in dieser Richtung erstattet. Ihren Behauptungen sei vielmehr zu entnehmen, daß es ihr um Schadenersatz und nicht um eine verrechnungspflichtige Bevorschussung gehe. Da noch nicht einmal feststehe, ob, wann und mit welchem Kostenaufwand sich die Klägerin einer kosmetischen Operation unterziehen werde, sei ihr auf den Titel Ersatz von Heilungskosten gegründeter Anspruch nicht berechtigt.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gegen den abändernden Teil seiner Entscheidung begründete das Berufungsgericht damit, daß es von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Ersatz künftiger Heilungskosten abgegangen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie im Umfang der Abweisung ihres Begehrens mit einem Betrag von S 20.000,‑ s.A. (Kosten einer kosmetischen Operation) erkennbar aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung im Sinne des § 503 Abs. 2 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der Klägerin ein weiterer Betrag von S 20.000,‑ (s.A.) zuerkannt werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Ersatzfähigkeit der Kosten einer künftigen kosmetischen Operation von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Sachlich ist sie im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Zu den vom Schädiger zu ersetzenden Heilungskosten gehören auch die Kosten einer kosmetischen Operation, soweit sie zur gänzlichen oder teilweisen Beseitigung einer durch die Verletzung hervorgerufenen Verunstaltung als zweckmäßig anzusehen sind (ZVR 1976/264; 8 Ob 66/83; 8 Ob 200/83 ua.). Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß die Kosten einer künftigen Operation schon vor ihrer Vornahme gefordert werden können und es nicht einmal des Beweises einer Wahrscheinlichkeit der Vornahme der Operation bedarf (RZ 1937, 140; JBl. 1955, 305; ZVR 1976/264; 8 Ob 131/82; 8 Ob 66/83; 8 Ob 200/83 uva). Diese Rechtsprechung wurde in der Lehre verschiedentlich kritisiert ( Gschnitzer in JBl. 1955, 305; Apathy , Aufwendungen zur Schadensbeseitigung 82; Reischauer in Rummel ABGB Rdz. 18 zu § 1325). Der Oberste Gerichtshof hat in Ablehnung dieser Kritik unter Berufung auf die Ausführungen Koziols in österreichisches Haftpflichtrecht II 127 f seine bisherige Rechtsprechung im wesentlichen mit der Begründung aufrecht erhalten, es sei einzuräumen, daß bei einer Körperverletzung im Zeitpunkt der Verletzung nur ein realer Personenschaden vorliege, eine Vermögensminderung aber noch nicht eingetreten sei. Der Geschädigte habe einen Anspruch auf Wiederherstellung seiner Gesundheit. Die Beseitigung der durch die Körperverletzung entstandenen Nachteile erfordere aber einen in Geld meßbaren Aufwand, dessen objektiv‑abstrakte Berechnung sich mit einem Größenschluß rechtfertigen lasse. Stehe nämlich dem Geschädigten für die Verletzung absoluter Vermögensgüter ein Anspruch auf Ersatz eines objektiv‑abstrakt berechneten Schadens zu, müsse dies um so mehr für die Verletzung eines höher zu bewertenden Persönlichkeitsrechtes gelten. Einer Verletzung der Interessen des Schädigers durch das Begehren höherer Kosten als der tatsächlich notwendigen Aufwendungen könne durch Zuspruch des jedenfalls erforderlichen Minimums begegnet werden (RZ 1985/14).

Davon abzugehen bieten auch die Ausführungen des Berufungsgerichtes keinen Anlaß. Der erkennende Senat hält daher an der dargestellten einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fest.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß die Klägerin von den Beklagten aus dem Rechtsgrund der Heilungskosten im Sinne des § 1325 ABGB die Kosten einer kosmetischen Operation, durch die die vorhandenen Narben verbessert würden, ersetzt verlangen kann, ohne die Vornahme einer solchen Operation bereits veranlaßt zu haben oder auch nur die Wahrscheinlichkeit der Vornahme einer derartigen Operation nachweisen zu müssen.

Über die Höhe der aus diesem Rechtsgrund der Klägerin zu ersetzenden Kosten kann aber trotz der getroffenen Feststellung, daß eine solche Operation S 20.000,‑ bis S 25.000,‑ kostet, noch nicht abgesprochen werden, weil auf den Einwand der Beklagten, die von der Klägerin in Betracht gezogenen Narbenkorrekturen würden vom Sozialversicherungsträger bezahlt, weil es sich um die Beseitigung funktioneller Störungen handle, eingegangen werden muß.

Gemäß § 332 Abs. 1 ASVG geht, wenn Personen, denen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Leistungen zustehen, den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Versicherungsfall erwachsen ist, aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften beanspruchen können, der Anspruch auf den Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat. Der Forderungsübergang vollzieht sich von Gesetzes wegen unabhängig davon, ob der Verletzte die Leistungen des Sozialversicherungsträgers in Anspruch nimmt; maßgeblich ist allein, daß die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers eingetreten ist (ZVR 1966/67; ZAS 1974, 59; 8 Ob 264/73 ua). Der Forderungsübergang erfolgt grundsätzlich sofort mit der Entstehung des Schadenersatzanspruches (ZVR 1980/241; ZVR 1984/231 ua). Während der Legalzessionar im Rahmen des Deckungsfonds Regreßansprüche gegen den Schädiger erwirbt, verliert der Geschädigte im demselben Ausmaß, in dem sein Schaden durch die Leistungspflicht des Legalzessionars gedeckt ist, die Aktivlegitimation gegenüber dem Schädiger (ZVR 1972/204; ZVR 1977/239 ua). Die im § 332 Abs. 1 ASVG normierte Legalzession tritt nicht ein, soweit es sich um freiwillige Leistungen des Sozialversicherungsträgers handelt (ZVR 1975/221; ZVR 1977/9; SZ 56/44 ua.).

Gemäß § 133 Abs. 3 ASVG gelten kosmetische Behandlungen als vom Sozialversicherungsträger zu leistende Krankenbehandlung, wenn sie zur Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände dienen. Andere kosmetische Behandlungen können als freiwillige Leistungen gewährt werden, wenn sie der vollen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit förderlich oder aus Berufsgründen notwendig sind.

Aus dieser dargestellten Rechtslage ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß die als Hilfsarbeiterin sozialversicherte Klägerin insoweit nicht zur Geltendmachung der Kosten einer zukünftigen Operation gegenüber den Beklagten aktiv klagslegitimiert ist, als der Sozialversicherungsträger zur Leistung dieser Maßnahme der Krankenbehandlung verpflichtet ist. Dies ist insoweit der Fall, als die von der Klägerin in Aussicht genommene Operation der Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände dient. Auf Grund der Feststellungen der Vorinstanzen kann nicht gesagt werden, daß dies auszuschließen sei, zumal nach diesen Feststellungen der Lidschluß (am linken Auge der Klägerin) durch eine Narbe am Oberlid diskret behindert wird und nicht erkennbar ist, inwieweit es sich bei der Korrektur dieser Narbe nur um eine Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes der Klägerin oder (zumindest auch) um die Beseitigung eines funktionellen Krankheitszustandes (Behinderung des Lidschlusses) handelt.

Es wird daher, um über die Höhe der der Klägerin zu ersetzenden Kosten der von ihr in Aussicht genommenen Operation erschöpfend absprechen zu können, klarzustellen sein, welche Narben im einzelnen korrigiert werden sollen und ob es sich bei diesen Korrekturen um die Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände im Sinne des § 133 Abs. 3 ASVG handelt. Soweit dies der Fall ist, ist die Klägerin zur Geltendmachung von Heilungskosten gegenüber den Beklagten nicht aktiv legitimiert; soweit dies nicht der Fall ist, haben ihr die Beklagten die Kosten der in Aussicht genommenen kosmetischen Operation zu ersetzen, soweit sie zur Verbesserung der im Gesicht der Klägerin zurückgebliebenen Narben zweckmäßig ist.

Da es unter diesen Umständen offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 Abs. 1 ZPO), waren in Stattgebung der Berufung der Klägerin das Urteil des Berufungsgerichtes im Umfang der Anfechtung und das Urteil des Erstgerichtes im gleichen Umfang aufzuheben; die Rechtssache war in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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