OGH 2Ob30/85

OGH2Ob30/8529.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerd A, Pensionist, 6890 Lustenau, Augartenstraße 40 b, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagten Parteien

1.) Mehmed B, Arbeiter, 6971 Hard, Seestraße 25, 2.) C

D Versicherungs-Aktiengesellschaft, 1011 Wien,

Rotenturmstraße 16-18, beide vertreten durch Dr.Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 390.000,-- s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert S 451.000,--; Revisionsinteresse des Klägers S 90.000,--, Revisionsinteresse der Beklagten S 250.000,--), infolge Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22. Februar 1985, GZ.6 R 246/84-40, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9.Juli 1984, GZ.7 a Cg 4347/83-34, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 10.929,80 (darin S 960,-- Barauslagen und S 906,35 USt.) bestimmten Kosten seiner Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Hingegen ist der Kläger schuldig, den Beklagten die mit S 5.268,18 (darin S 600,-- Barauslagen und S 424,38 USt.) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 24.11.1978 gegen 18 Uhr ereignete sich auf der Landstraße in Hard auf Höhe der Kreuzung dieser Straße mit der Kiesestraße ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger als Lenker des Mopeds mit dem Kennzeichen V 80.370 schwer verletzt wurde. Der Erstbeklagte stieß damals als Lenker und Halter des PKWs mit dem Kennzeichen V 69.143, der bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, im Zuge eines überholvorganges mit dem ihm entgegenkommenden Kläger zusammen. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Verkehrsunfalles mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bregenz wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Alleinverschulden des Erstbeklagten an dem Unfall ist nicht mehr strittig.

Der Kläger forderte insgesamt S 600.000,-- an Schmerzengeld sowie eine Verunstaltungsentschädigung von insgesamt S 120.000,-- und stellte auch ein Feststellungsbegehren.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, daß das begehrte Schmerzengeld überhöht sei und ein Ersatzanspruch nach § 1326 ABGB dem Kläger nicht zustehe, weil er verheiratet sei und nach seinen persönlichen Lebensumständen nicht durch eine allfällige Verunstaltung, sondern nur durch eine Verminderung seiner Arbeitsfähigkeit in seinem besseren Fortkommen verhindert werde. Das Erstgericht sprach dem Kläger unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von S 300.000,-- ein Schmerzengeld von weiteren S 300.000,-- und, ebenfalls unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von S 30.000,-- eine Verunstaltungsentschädigung von weiteren S 20.000,-- zu; dem Feststellungsbegehren gab es statt; ein Mehrbegehren von S 70.000,-- wurde abgewiesen.

Infolge der Berufungen beider Teile - der Ausspruch über das Feststellungsbegehren blieb unbekämpft - änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes, das hinsichtlich des Schmerzengeldzuspruches bestätigt wurde, hinsichtlich des Zuspruches einer Verunstaltungsentschädigung im Sinne der Klagsabweisung ab. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen des Klägers und der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung; während der Kläger Abänderung im Sinne des Zuspruches der Verunstaltungsentschädigung von S 90.000 beantragt, streben die Beklagten Abänderung im Sinne des Zuspruches von nur S 50.000 und Abweisung des Mehrbegehrens an; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger und die Beklagten beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Keine der Revisionen ist berechtigt.

Im Revisionsverfahren sind nur die Höhe des Schmerzengeldes und der Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung strittig.

1.) Zum Schmerzengeld:

Nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes erlitt der Kläger bei dem Unfall einen zentralen Hüftverrenkungsbruch, einen Oberschenkelbruch links, einen Schienbeinkopfbruch links, einen Trümmerbruch des Wadenbeins mit Zertrümmerung des Wadenbeinköpfchens und mehrfachen Bruch des Wadenbeins sowie einen offenen schweren Verrenkungsbruch des Sprunggelenks. Der zentrale Hüftverrenkungsbruch wurde durch Zugverband am Oberschenkel und mit einem Schraubenzugverband am Rollhöcker behandelt. Der Hüftverrenkungsbruch ist ausgeheilt. Es ist jedoch noch eine leichte Inkongruenz des Gelenkes vorhanden. Hier ist derzeit nicht abzusehen, ob es nicht später noch zu einer vorzeitigen Abnützung des Hüftgelenkes kommen wird. Der Oberschenkelbruch links ist primär mit einer Platte versehen worden. Nach der Entfernung der Platte ist es bei einem Bagatelltrauma zu einem neuerlichen Bruch des Oberschenkels gekommen, sodaß der Oberschenkel mit einem Marknagel versorgt werden mußte, der in der Folge wiederum entfernt wurde. Der Oberschenkelbruch ist in guter Funktion geheilt. Beim Schienbeinkopfbruch und bei dem offenen schweren Verrenkungsbruch des Sprunggelenkes wurde eine Osteosynthese durchgeführt. Das Osteosynthesematerial, das in den Schienbeinkopf und in das Sprunggelenk eingebracht worden war, wurde in mehreren Sitzungen entfernt. Es besteht jetzt von seiten des Schienbeinkopfbruches eine gute Wiederherstellung der Form des Schienbeinkopfes mit einer deutlichen Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit. Der Trümmerbruch des Wadenbeins erfolgte gerade an jener Stelle, wo der Fußhebernerv vorbeizieht. Der Fußhebernerv ist mit der Zertrümmerung des Wadenbeinköpfchens zerstört worden. Es besteht daher durch den Ausfall des Fußhebernervs eine Gefühlsstörung. Diese Gefühlsstörung umfaßt auch die Fußsohle, da auch der Tibialisnerv beschädigt wurde. Die Zehen und das untere Sprunggelenk des linken Beines sind unbeweglich. Das obere Sprunggelenk ist in einer etwas ungünstigen Spitzfußstellung von 10 Grad mehr oder weniger versteift. Beim Kläger besteht eine deutliche Muskelverschmächtigung und eine Durchblutungsveränderung des Beines. Es liegt bei ihm eine sehr schlechte Gangleistung vor, die auf die unfallsbedingte Verkürzung des Beines und die Beugestellung des Hüftgelenks zurückzuführen ist. Der Kläger kann nur mit orthopädischem Schuhwerk gehen. Wegen des ausgedehnten Weichteilschadens am Unterschenkel ist es beim Kläger gehäuft zum Auftreten von abgestorbener Haut, die immer wieder abgetragen und plastisch ersetzt werden mußte, gekommen. Der Kläger war vom 24.11.1978 bis 16.3.1979 in stationärer Behandlung im Unfallkrankenhaus Bregenz. Vom 27.3. bis 12.6.1979 sowie während des ganzen August 1979 befand er sich im Rehabilitationszentrum Bad Häring. In der Folge wurde er weiterhin ambulant im Unfallkrankenhaus Bregenz behandelt. Vom 7.9.1979 bis 20.9.1979 befand er sich neuerlich in stationärer Behandlung im Unfallkrankenhaus Bregenz. Zu einem weiteren stationären Aufenthalt kam es in der Zeit vom 29.5.1980 bis 13.6.1980. Im Zuge dieses Aufenthalts wurde das restliche Metall vom linken Sprunggelenk entfernt. Vom 20.5.1981 bis 2.6.1981 mußte der Kläger zur Entfernung der Platte am linken Unterschenkel neuerlich in das Unfallkrankenhaus Bregenz stationär aufgenommen werden. Am 24.6.1981 stürzte der Kläger und es kam zu einem neuerlichen Bruch am Oberschenkel links, was wiederum einen zweiwöchigen stationären Aufenthalt bedingte. Am 10.7.1982 ist der Kläger neuerlich gestürzt und hat sich dabei einen Bruch im unteren Anteil des Oberschenkels links zugezogen, weshalb er wiederum bis 17.7.1982 stationär in das Unfallkrankenhaus Bregenz mußte. Die Verletzungen vom 24.6.1981 und 10.7.1982 sind unfallskausale Verletzungen. Auch im Jahre 1983 mußte der Kläger vom 9.5. bis 18.5. stationär in das Unfallkrankenhaus Bregenz aufgenommen werden, wobei der Oberschenkelmarknagel entfernt wurde. Die Behandlung des Klägers konnte auch im Jahre 1983 noch nicht zur Gänze abgeschlossen werden. Die unfallskausalen Schmerzen des Klägers lassen sich in folgenden Schmerzperioden erfassen:

5 Tage sehr starke Schmerzen, 42 Tage starke Schmerzen, 86 Tage mittelstarke Schmerzen, 351 Tage leichte Schmerzen. Der Kläger war im Unfallszeitpunkt technischer Angestellter und als Betriebsschlosser tätig. Er wurde 1979 von seiner Firma gekündigt. Seit 1980 bezieht er eine Rente von der Pensionsversicherungsanstalt. Es besteht beim Kläger in bezug auf seine frühere Tätigkeit als Betriebsschlosser eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit. Bedingt durch die Veränderungen im Hüftgelenk sowie im Sprunggelenk wird der Kläger auch in Hinkunft bis an sein Lebensende zeitweise leichte Schmerzen zu ertragen haben. Heute kann bereits davon ausgegangen werden, daß der Kläger bis an sein Lebensende - komprimiert - zumindest durch 21 Tage hindurch pro Jahr leichte Schmerzen haben wird. Hiebei sind allfällige Schmerzen, die eventuell zunehmend durch vorzeitige Abnützung des Hüft- oder Sprunggelenks auftreten können, und die unter Umständen auch zu einer weiteren Operation Anlaß bieten können, nicht erfaßt. Nicht erfaßt sind auch Veränderungen in den für die Zukunft zu erwartenden Schmerzen, die aus einer Versteifung des Sprunggelenkes resultieren oder daraus, daß der Kläger sich einer Hüftgelenksoperation unterziehen müßte und ein neues Hüftgelenk erhalten würde. Es läßt sich heute noch nicht sagen, ob bzw. wann eine Sprunggelenksversteifung erforderlich sein wird. Derzeit ist eine derartige Sprunggelenksversteifung nicht indiziert. Bei einer Versteifung des Sprunggelenkes wäre der Kläger in bezug auf die Sprunggelenksbeschwerden beschwerdefrei, wodurch sich die heute bereits abschätzbaren Beschwerden von zumindest 21 Tagen pro Jahr um 1/3 reduzieren würden. Die Versteifung eines Sprunggelenkes stellt aber gleichfalls ein erhebliches Ungemach dar. Ob es zu einer zunehmenden Hüftgelenksarthrose beim Kläger kommen wird, kann heute gleichfalls noch nicht verläßlich abgeschätzt werden. Der Kläger muß orthopädisches Schuhwerk verwenden und das linke Bein ständig bandagieren. Unterläßt er dies, so schwillt sein Bein an und es bildet sich Wasser darin, was zu Beschwerden führt. Trotz Verwendung orthopädischer Schuhe ist der Gang des Klägers deutlich hinkend, wobei der Kläger linksseitig kürzer belastet als rechts. Der Barfußgang ohne orthopädische Schuhe ist deutlicher hinkend, vor allem durch eine Versteifung des Sprunggelenkes in leichter Spitzfußstellung und wegen der Unmöglichkeit, den Fuß nach oben zu heben. Beim linken Bein besteht eine deutliche Muskelverschmächtigung am Oberschenkel und eine starke Verschmächtigung der Muskulatur und der Weichteile am Unterschenkel. Das linke Bein weist ausgedehnte blaurötliche Verfärbungen auf. An der Außenseite des linken Hüftgelenkes befindet sich beim Kläger eine 7 cm lange, rötliche Narbe nach der Entfernung des Marknagels. An der Außenseite des linken Oberschenkels befindet sich eine längs verlaufende, 32 cm lange Narbe nach Verplattung eines Oberschenkelbruches. Am oberen Ende findet sich eine fleckförmige 2 x 2 cm große Narbe nach Zugbehandlung an einer Schraube. Oberhalb des Kniegelenkes finden sich fleckförmige Narben nach Zugbehandlung mit einem Nagel. Beim Kläger ist auch eine Narbe vorhanden, die an der Außenseite des Kniegelenkes beginnt, schräg unterhalb des Kniegelenkes nach innen zieht und hier in ein flächenförmiges Narbenareal einmündet, wobei sich dieses Narbenareal über die ganze Vorderseite des Unterschenkels erstreckt, insbesondere über der Schienbeinkante und dann weiter auf die Vorderseite des Sprunggelenkes zieht und hier, sowie auch an der Schienbeinkante flächenförmig mit der Unterlage verwachsen und hier nicht verschieblich ist. Die Haut in diesem Bereich ist schuppend, oberflächlich serös sezernierend. Das Hautgefühl an der Außenseite des Unterschenkels und des Fußrückens ist herabgesetzt. Auch an der Fußsohle ist das Hautgefühl herabgesetzt. An der Streckseite des rechten Oberschenkels findet sich ein 20 x 20 cm großes depigmentiertes Areal nach Entnahme von Spalthaut. Der linke Fuß ist deutlich verschmälert und verkürzt. Es ist der linke Fuß 23 cm, der rechte Fuß 24 cm lang. Die Breite, über dem Mittelfußknochen gemessen, beträgt links 8 cm, rechts 9,5 cm. Die Beweglichkeit der Zehen ist eingeschränkt. Sie können geringgradig nach unten gebracht werden, wobei sie sich gleichzeitig etwas spreizen. Sie können aber nicht nach oben gebracht werden. Das untere Sprunggelenk ist unbeweglich. Das obere Sprunggelenk steht in einer Stellung von 10 Grad in Spitzfußstellung, aus dieser Stellung heraus sind keine Bewegungen möglich, es spannt sich aber etwas die Tibialisanteriorsehne an.

Das äußere Erscheinungsbild des Klägers ist insofern beeinträchtigt, als der Kläger einen hinkenden Gang hat und orthopädische Schuhe tragen muß. Der Kläger verwendet beim Gehen auch meistens einen Stock. Beim Baden sind zweifelsohne die ausgeprägten Narben und Defekte als Verunstaltung sichtbar; das Hinken fällt beim Barfußgang noch deutlicher auf als in bekleidetem Zustand. Der Kläger ist verheiratet und hat 4 Kinder, die jetzt 17, 16, 14 und 6 Jahre alt sind. Vor dem Unfall hat er mit seiner Familie sehr viele Wanderungen unternommen und Bergtouren gemacht. Er hat auch regelmäßig Fußball, Handball und Tischtennis gespielt. Im Winter ist er Langlaufen gegangen. Diese Sportausübung ist dem Kläger heute auf Grund der Unfallsfolgen nicht mehr möglich. Der einzige Sport, den er nach wie vor ausüben kann, ist der Schwimmsport.

Auf Grund dieser Feststellungen kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß bei Berücksichtigung der bisher erlittenen und der für die Zukunft bereits verläßlich vorhersehbaren Schmerzen und Beschwerden ein Schmerzengeld von S 600.000,-- angemessen sei. Das Berufungsgericht billigte die Schmerzengeldbemessung durch das Erstgericht.

In ihrer Revision erachten die Beklagten unter Anführung einiger Beispiele aus der Rechtsprechung ein Schmerzengeld von insgesamt S 300.000,-- für ausreichend.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß bei der Bemessung des Schmerzengeldes nach ständiger Rechtsprechung die Art und Schwere der Körperverletzungen, die Art und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen sind; es ist umso höher zu bemessen, je bedeutender die Körperverletzungen, je länger die Heilung oder Gesundheitsstörung, je intensiver die mit der Verletzung verbundenen Schmerzen und je empfindlicher die üblichen Folgen für das Leben und die Gesundheit des Verletzten sind, wobei auch seelische Schmerzen berücksichtigt werden müssen (vgl.ZVR 1962/256 uva).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger durch den Unfall bei Bedachtnahme auf die weiteren, als Unfallfolge in den Jahren 1981 und 1982 erlittenen Oberschenkelfrakturen im Bereiche des linken Beines vom Hüftgelenk bis zum Sprunggelenk ca.zehn schwere Knochenbrüche erlitten; der Heilungsverlauf war langwierig und kompliziert. Er war bisher zur Behandlung der Unfallfolgen ca. 8 1/2 Monate in stationärer Behandlung im Krankenhaus oder im Rehabilitationszentrum und mußte sich zahlreichen Operationen unterziehen. Als Folge des Unfalles ist der Kläger voll arbeitsunfähig. Es wurden äußerst intensive und lange Schmerzperioden festgestellt. Darüberhinaus hat der im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz 40-jährige Kläger bis an sein Lebensende jährlich mit - komprimiert - 21 Tagen leichten Schmerzen zu rechnen, die nur dann um 1/3 pro Jahr reduziert würden, wenn eine Versteifung des Sprunggelenkes, die ebenfalls ein erhebliches Ungemach darstellt, vorgenommen würde. Bei Berücksichtigung der physischen und psychischen Beeinträchtigungen des Klägers in ihrer Gesamtheit erscheint auch bei Bedachtnahme auf in jüngerer Zeit entschiedene vergleichbare Fälle (8 Ob 200/83, 8 Ob 215/83, 2 Ob 22/84) das von den Vorinstanzen mit insgesamt

S 600.000 festgesetzte Schmerzengeld nicht zu hoch bemessen.

2.) Zum Anspruch nach § 1326 ABGB:

Das Erstgericht erachtete einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung einer Verunstaltungsentschädigung für gegeben, das Berufungsgericht verneinte den Anspruch.

Der Kläger vertritt in seiner Revision die Auffassung, auf Grund der Verunstaltungen sei ihm jede Chance auf berufliches Fortkommen und damit auf soziale und finanzielle Besserstellung, wie sie eine Karriere in der Arbeitswelt im allgemeinen mit sich bringe, verschlossen. Gerade die Chance auf berufliche und finanzielle Besserstellung, die durch den Schädiger verhindert wurde, solle durch den Anspruch nach § 1326 ABGB abgegolten werden. Diesbezüglich handle es sich um Ersatz eines immateriellen Schadens, der durch diese Bestimmung ausdrücklich als ersatzfähig erklärt werde. Beim Vorliegen von Verunstaltungen sei nicht nur der Entgang des sicher zu erwartenden Verdienstes, sondern auch die Chance auf berufliche Besserstellung abzugelten.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Eine Entschädigung nach § 1326 ABGB gebührt dann, wenn der Verletzte durch die Verunstaltung, also durch eine erheblich nachteilige Veränderung seiner Erscheinung, in seinem besseren Fortkommen behindert werden kann.

Daß im vorliegenden Fall der Kläger durch die Verletzungsfolgen verunstaltet wurde, ist nicht zweifelhaft. Dies allein genügt aber für den Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung nicht; dafür ist außerdem die Möglichkeit der Behinderung des besseren Fortkommens des Verletzten (im beruflichen oder im privaten Bereich) durch die eingetretene Verunstaltung erforderlich.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß der Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung nach § 1326 ABGB wegen Behinderung des besseren beruflichen Fortkommens dann nicht in Betracht kommt, wenn die Verletzung zur Aufhebung der Erwerbsfähigkeit geführt hat, weil dann eben die Behinderung des besseren beruflichen Fortkommens nur auf den Wegfall der Erwerbsfähigkeit, nicht aber auf die erlittene Verunstaltung zurückgeführt werden kann (ZVR 1974/141; ZVR 1981/98; 8 Ob 259/82 ua). Gerade dies trifft auf den Kläger zu, der infolge der beim Unfall erlittenen Verletzungen erwerbsunfähig wurde und aus diesem Grunde seine vor dem Unfall ausgeübte Erwerbstätigkeit aufgeben mußte (ZVR 1984/322 ua). Der Kläger hatte, da er verheiratet war und es noch ist, im Unfallszeitpunkt keine Heiratsaussichten, die beeinträchtigt werden könnten. Eine Beeinträchtigung seines besseren beruflichen Fortkommens durch die erlittene Verunstaltung kommt, wie oben ausgeführt, nicht in Betracht. Daß er in anderer Weise infolge der ihm zugefügten Verunstaltung in seinem besseren Fortkommen behindert werden könnte, wurde weder behauptet noch ergibt sich dies aus den Feststellungen der Vorinstanzen.

Unter diesen Umständen hat aber das Berufungsgericht trotz der zweifellos vorhandenen unfallsbedingten Verunstaltung des Klägers den Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung im Sinne des § 1326 ABGB mit Recht abgelehnt (ZVR 1984/322 ua).

Beiden Revisionen mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte