OGH 2Ob22/84

OGH2Ob22/8426.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef K*****, vertreten durch Dr. Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Rudolf Hubalek, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen 1.051.626 S sA, Zahlung einer Rente und Feststellung (Streitwert 165.000 S) infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 1984, GZ 18 R 270/83-83, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. September 1983, GZ 39 a Cg 380/79-74, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat:

„1.) Die beklagte Partei hat der klagenden Partei 326.531,30 S samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 1979 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2.) Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für den Ersatz aller künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 19. 6. 1973 haftet, wobei ihre Haftung auf die vertraglich vereinbarten Versicherungssummen begrenzt ist und bei dieser Haftung von einer Verschuldensteilung von 2 : 1 zugunsten des Klägers auszugehen ist.

3.) Das Mehrbegehren von 725.094,70 S samt Anhang, das Begehren auf Zahlung einer jährlichen Rente von 45.000 S ab 1. 1. 1983 und das Feststellungsbegehren werden abgewiesen.

4.) Die klagende Partei hat der beklagten Partei 22.941,13 S an Verfahrenskosten erster Instanz, 3.476,70 S an Kosten des Berufungsverfahrens und 18.434,05 S an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Am 19. 6. 1973 ereignete sich auf dem Volderer Weg zwischen Volders und Wattens ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem Motorfahrrad, pol. Kennzeichen *****, und Friedrich M***** mit dem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW, pol. Kennzeichen *****, beteiligt waren. Der Kläger erlitt bei diesem Unfall schwere Verletzungen. Friedrich M***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 17. 10. 1973, U 718/73-3, wegen dieses Unfalls der Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG schuldig erkannt. Dem Strafurteil wurde zugrundegelegt, dass Friedrich M***** die rechte Fahrbahnhälfte nicht einhielt und auf einem mit einem Fahrverbot belegten Weg fuhr.

Der Kläger begehrt 1.051.626 S sA, eine jährliche Schmerzengeldrente von 45.000 S und die Feststellung der mit der vertraglichen Versicherungssumme beschränkten Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden. Sein Leistungsbegehren umfasst folgende Teilansprüche, abzüglich einer Teilzahlung von 270.000 S: 1.) 7.000 S für Sachschaden, 2.) 900.000 S Schmerzengeld, 3.) 100.000 S für Verhinderung des besseren Fortkommens, 4.) 31.151 S Verdienstentgang im Jahre 1973, 5.) 72.000 S an Entgang von Nebenverdiensten in den Jahren 1980 bis 1983, 6.) 150.000 S Pflegekosten bis Ende 1981, 7.) 8.000 S Besuchskosten, 8.) 50.000 S Fahrtkosten zu Ärzten, 9.) 66.475 S Anschaffungskosten, Sonderausstattung und Erhaltungskosten für einen PKW und Kosten der Lenkerprüfung, 10.) 25.000 S Aufwendung für Haus und Garten, das sind zusammen 1.409.626 S. Die Differenz zu dem sich aus den Teilansprüchen abzüglich der Teilleistung ergebenden Betrag von 1.139.626 S und dem Urteilsantrag hat ihre Ursache in der unrichtigen Errechnung des eingeschränkten Betrags nach der Klagseinschränkung bei der ersten Tagsatzung am 30. 11. 1979 (S 13, Differenz + 12.000 S) und in der Nichtberücksichtigung der letzten Ausdehnung des Schmerzengeldes bei der Tagsatzung am 20. 6. 1983 (S 313, - 100.000 S).

Die beklagte Partei wirft dem Kläger ein Mitverschulden von 1/3 vor und bestreitet die Höhe und die Berechtigung einzelner Teilansprüche. Unter Berücksichtigung der an die Sozialversicherungsträger bereits erbrachten Leistungen und des Rentenbarwerts stehe von der Versicherungssumme von 3 Mill S zum 1. 1. 1983 nur mehr ein Betrag von 849.873 S zur Verfügung. Im Falle des Zuspruchs einer Schmerzengeldrente sei daher mit einer Rentenkürzung zu rechnen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger, ausgehend von einer Verschuldensteilung von 2 : 1 zu seinen Gunsten 361.380 S sA zu und wies das Leistungsmehrbegehren von 690.246 S sA, sowie das Rentenbegehren ab. Dem Feststellungsbegehen gab es auf der Basis der festgestellten Verschuldensteilung statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Ausspruch über die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden und in der Abweisung des Rentenbegehrens. Im Ausspruch über das Leistungsbegehren änderte es das Ersturteil dahin ab, dass es dem Kläger insgesamt 460.531,30 S sA zuerkannte und das Mehrbegehren von 591.094,70 S sA abwies.

Gegen den abweisenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne eines weiteren Zuspruchs von 658.694,70 S sA, einer jährlichen Rente von 45.000 S ab 1. 1. 1983 und der Feststellung der quotenmäßig unbeschränkten Haftung der beklagten Partei.

Gegen einen Teilzuspruch von 200.000 S sA richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer weiteren Teilabweisung im Umfange der Anfechtung.

Beide Revisionswerber stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag. Beide beantragen ferner, der Revision des Gegners nicht Folge zu geben.

Die Revision des Klägers ist nicht, die Revision der beklagten Partei ist nur zum Teil berechtigt.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den auf den AS 319 bis 322 (S 5 bis 11 der Urteilsausfertigung) dargestellten Sachverhalt zugrunde. Danach wies die Fahrbahn des Volderer Weges eine Breite von 3,3 m auf. Der Kläger fuhr mit seinem 68 cm breiten Moped mit einer Geschwindigkeit von rund 40 km/h und einem Seitenabstand zum rechen Fahrbahnrand von rund 50 cm von Volders Richtung Wattens. In seiner Fahrtrichtung bestand ein Fahrverbot für ein- und mehrspurige Kraftfahrzeuge. Friedrich M***** kam mit dem 1,6 m breiten PKW mit einer Geschwindigkeit von rund 38 km/h aus der Gegenrichtung. In seiner Fahrtrichtung bestand ein Fahrverbot für mehrspurige Kraftfahrzeuge mit Ausnahme für Anrainer. In der Nähe des Hauses Nr 45 verläuft die Fahrbahn in Form einer unübersichtlichen Linkskurve. Beim Befahren dieser Kurve hatte der PKW einen Seitenabstand von ca 60 cm zum linken Fahrbahnrand. Als sich die Fahrzeuglenker erstmals wahrnahmen, waren sie ca 25 m voneinander entfernt. Friedrich M***** verrieß den PKW nach rechts und bremste, konnte jedoch den Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Die Kollision erfolgte etwa in Fahrbahnmitte. Die Kontaktgeschwindigkeit des PKW betrug rund 34 km/h. Um die Fahrzeuge innerhalb der halben Sichtstrecke anhalten zu können, hätte der PKW nicht mehr als 26 km/h und das Moped nicht mehr als 24 km/h fahren dürfen.

Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine offene Knieluxationsfraktur mit Abriss des Gefäßnervenstrangs, eine Unterschenkelfraktur mit mehrfachen Vorfußfrakturen links, eine laterale Schlüsselbeinfraktur links mit Plexuslähmung und Hautabschürfungen im Bereich der linken Schulter, zahlreiche Rissquetschwunden und Prellungen am linken Unterarm, sowie einen Blutungsschock. Das linke Bein musste am linken Oberschenkel amputiert werden. Der linke Arm ist infolge der Verletzungen ohne Funktion. Insgesamt waren mit den Verletzungen des Klägers bis 31. 12. 1974 110 Tage schwere, 140 Tage mittelstarke und 200 Tage leichte Schmerzen verbunden. Mit 1. 1. 1975 ist im Wesentlichen der Endzustand eingetreten. Seither erleidet der Kläger jährlich 10 Tage mittelstarke und 40 Tage leichte Schmerzen. Mit einer wesentlichen Änderung dieses Zustands ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu rechnen. Nach der Spitalsentlassung am 9. 8. 1973 musste der Kläger von seiner Gattin durch rund 6 Monate 12 Stunden täglich gepflegt werden, da er nicht in der Lage war, die einfachsten Verrichtungen des Lebens selbst zu besorgen. Dieser Zustand besserte sich im Laufe des Jahres 1974. Seit 1. 1. 1975 benötigt der Kläger täglich eine Pflege von rund 2 Stunden. Der Kläger vereinbarte mit seiner Gattin, dass er ihr im Falle eines Ersatzes der Pflegekosten 50 S pro Stunde bezahlt. Dies ergibt für einen Zeitraum von 6 Monaten 108.000 S, für das Jahr 1974 109.500 S und für die Zeit vom 1. 1. 1975 bis 31. 12. 1981 255.500 S. Insgesamt macht der Pflegeaufwand 473.000 S aus. Für den Zeitraum von 1973 bis 1981 erhielt der Kläger Hilflosenzuschüsse im Gesamtbetrag von 367.620,50 S.

Das Wohnhaus des Klägers ist ca einen Kilometer von der nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels entfernt. Seit dem Unfall ist es dem Kläger nicht mehr möglich, eine solche Strecke zu Fuß zurückzulegen. Im ersten Jahr nach der Spitalentlassung wurde er von Melchior M***** mit dessen PKW viermal wöchentlich, in den nächsten 6 Wochen dreimal wöchentlich zur ambulanten Behandlung nach Innsbruck gefahren. Der Kläger war in dieser Zeit nicht in der Lage, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Er vereinbarte mit Melchior M***** ein Entgelt von 150 S pro Fahrt, sodass sich aus diesen Fahrten Gesamtkosten von 39.600 S ergeben.

Der Kläger hatte nicht die Absicht, den Führerschein und einen PKW zu erwerben. Er investierte seine Ersparnisse in sein Wohnhaus. Da es ihm jedoch aufgrund des Unfalls nicht mehr möglich ist, weite Strecken zu Fuß zurückzulegen, legte er die Lenkerprüfung ab und kaufte sich einen PKW. Dieser musste aufgrund der unfallsbedingten körperlichen Gebrechen des Klägers mit Sondereinrichtungen versehen werden. Der PKW kostete 91.491,52 S, die Lenkerprüfung 4.000 S. Gegenüber einem Moped ist für die Erhaltung des PKW ein Mehraufwand von 2.000 S durch 10 Jahre erforderlich.

Das Grundstück des Klägers umfasst samt Wohnhaus ca 2.000 m2 mit Obst- und Gemüsegarten. Vor dem Unfall verrichtete der Kläger alle Arbeiten selbst. Seither muss er für die anfallenden Arbeiten Arbeiter heranziehen, wofür er durchschnittlich im Jahr 5.000 S auszulegen hat.

Der Kläger ist aufgrund des Unfalls zu 100 % erwerbsunfähig. Vor dem Unfall war er bei der Firma S***** beschäftigt und hätte ohne den Unfall im Jahre 1973 noch 57.151,77 S netto verdient. Für das Jahr 1973 erhielt er von seinem Dienstgeber noch 18.675,79 S, von der AUVA ein Taggeld von 624 S und eine Versehrtenrente von 945,62 S, von der Tiroler Gebietskrankenkasse ein Familien-Taggeld von 3.660,54 S und ein Krankengeld von 20.631,15 S.

Der Kläger verrichtete vor dem Unfall Gelegenheitsarbeiten als Maurer und Fliesenleger, wobei er durchschnittlich monatlich 2.000 S verdiente, die er nicht versteuerte. Im Jahr 1980 erhielt er von der AUVA eine Versehrtenrente von 11.152,60 S monatlich und im Jahre 1981 eine solche von 11.721,40 S monatlich. Von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter erhielt er im Jahre 1980 eine Invaliditätspension von monatlich 8.235 S und im Jahre 1981 eine solche von 6.142,30 S monatlich (je incl. Kinderzuschuss). Ohne den Unfall wäre der Kläger bei der Firma S***** weiter beschäftigt und in das Angestelltenverhältnis übernommen worden. Er hätte aber seine vorige Tätigkeit fortgesetzt und keine weiteren Aufstiegsmöglichkeiten gehabt.

Der beklagten Partei steht zur Befriedigung der Schadenersatzansprüche aus den gegenständlichen Unfall eine Versicherungssumme von 3 Mill S zur Verfügung. Unter Berücksichtigung aller bisher von ihr erbrachten Leistungen steht noch ein Restkapital von 698.693 S zur Verfügung.

Das Erstgericht hielt eine Verschuldensteilung von 2 : 1 zugunsten des Klägers für gerechtfertigt. Es erachtete ein Schmerzengeld von 800.000 S als angemessen. Es sprach demgemäß dem Kläger 2/3 der oben unter den Punkten 1.) und 7.) bis 10.) genannten Teilbegehren und ein Schmerzengeld von 534.000 S abzüglich der Teilzahlung von 270.000 S zu. Einen Anspruch des Klägers auf eine Schmerzengeldrente verneinte das Erstgericht, weil sich Grad, Ausmaß und Dauer der künftigen Schmerzen mit Sicherheit feststellen ließen. Aufgrund der 100%igen Invalidität stehe dem Kläger auch keine Entschädigung für Verhinderung des besseren Fortkommens zu. Die Ansprüche des Klägers auf Verdienstentgang und Pflegekosten seien im berechtigten Umfang von 2/3 auf die Sozialversicherungsträger übergegangen, die höhere Sozialversicherungsleistungen erbracht hätten, sodass dem Kläger kein Anspruch mehr zustehe.

Das Berufungsgericht billigte die Verschuldensteilung des Erstgerichts. Beide Fahrzeuglenker hätten verbotswidrig eine Straße benützt, deren Befahren nur dem Verkehr der Anrainer vorbehalten gewesen sei. Den Friedrich M***** treffe zwar der schwere Schuldvorwurf, weil er die einleitende Handlung gesetzt und auch gegen § 7 Abs 2 StVO verstoßen habe. Daraus, dass sich die Kollision in Fahrbahnmitte ereignet habe, ergebe sich, dass der Kläger jedenfalls objektiv gegen die Bestimmung des § 7 Abs 2 StVO verstoßen habe. Der Nachweis, dass ihn daran kein Verschulden treffe, sei dem Kläger nicht gelungen. Dahingestellt bleiben könne, ob der Kläger eine geringere als die vom Erstgericht festgestellte Geschwindigkeit eingehalten habe. Hinsichtlich der Pflegekosten vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Anspruchs die zeitliche Komponente nicht beachtet ergebe. Unter Berücksichtigung der zeitlichen Kongruenz habe sich ein Direktanspruch des Klägers an Pflegekosten von 99.151,30 S. Über den Verdienstentgang des Klägers und die Leistungen der Sozialversicherungsträger traf das Berufungsgericht nach einer teilweisen Beweiswiederholung eigene Feststellungen, aufgrund welcher es in Übereinstimmung mit dem Erstgericht zu dem Ergebnis gelangte, dass dem Kläger kein Direktanspruch mehr zukomme, weil durch die Leistungen der Sozialversicherungsträger der Deckungsfonds überschritten werde. Das Berufungsgericht billigte die Schmerzengeldbemessung durch das Erstgericht. Mangels ausreichender Bemessungskriterien für die Zukunft seine Teilbemessung gerechtfertigt. Den Zuspruch einer Schmerzengeldrente lehnte das Berufungsgericht ab.

1.) Zur Revision des Klägers:

Der vom Kläger behauptete Verfahrensmangel (AS 396) wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Gegen den Vorwurf eines Mitverschuldens wendet sich der Kläger zunächst unter Hinweis auf den Schutzzweck eines mit Ausnahme für Anrainer angeordneten Fahrverbots. Es sei ihm aber auch zu Unrecht ein Fehlverhalten angelastet worden. Ein Ausweichen nach rechts sei nach den örtlichen Verhältnissen für ihn nicht in Betracht gekommen. Die einzige Möglichkeit, der unmittelbar drohenden Gefahr zu entgehen, sei ein Auslenken nach links gewesen. Auch bei Beibehaltung seiner Fahrlinie wäre eine kontaktfreie Begegnung nicht möglich gewesen. Gegenüber den schweren Verstößen des Friedrich M***** müsse die Fehlreaktion des Klägers vernachlässigt werden.

Dem Standpunkt des Klägers kann nicht beigepflichtet werden. Beide Fahrzeuglenker gehörten nicht zu dem Personenkreis, der von den Fahrverboten nach § 52 lit a Z 6a und 6c StVO ausgenommen war. Der Zweck solcher beschränkter Fahrverbote ist darauf gerichtet, den Verkehr auf den von ihnen betroffenen Straßen auf ein möglichst geringes Ausmaß einzuschränken. Die Verbote dienten bei der im vorliegenden Fall nur 3,3 m breiten Fahrbahn auch ganz allgemein der Sicherheit des Verkehrs. Wenn sich der Kläger über das ihn betreffende Fahrverbot hinwegsetzte, verletzte er eine Schutznorm iSd § 1311 ABGB. Dass auch dem PKW-Lenker eine solche Schutznormverletzung zur Last fällt, hebt die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Klägers und den ihn treffenden Schuldvorwurf nicht auf. Bei der Verschuldensabwägung ist auf Seiten des Klägers, entgegen dem Standpunkt der Revision, auch sein fahrtechnisches Fehlverhalten zu berücksichtigen. Der Kläger kann sich für sein Ausweichmanöver nach links, das nur im äußersten Notfall und nur dann zulässig ist, wenn eine andere Möglichkeit der Kollisionsverhütung nicht besteht (ZVR 1983/103 uva) nicht auf ein Überraschungsmoment berufen. Er hätte mit der Begegnung mit einem, vom Fahrverbot ausgenommenen Verkehrsteilnehmer rechnen müssen, der ein Fahrzeug mit der zulässigen Breite von 2,5 m lenkt, und demnach bei der geringen Fahrbahnbreite von vornherein sein Fahrverhalten darauf einstellen müssen. Nach dem Standpunkt des Klägers fuhr er auch nur eine Geschwindigkeit von 20 km/h. Bei dieser Geschwindigkeit hätte er aber ausreichend Zeit zur Reaktion auf das Fehlverhalten des PKW-Lenkers gehabt. Wie bereits das Berufungsgericht richtig hervorhob, wäre der Unfall unterblieben, wenn der Kläger seine Fahrlinie beibehalten hätte, weil er bei einem Abstand von ca 50 cm zum rechten Fahrbahnrand und der Breite seines Fahrzeugs von 68 cm noch immer einen Abstand von rund 50 cm zur Fahrbahnmitte gehabt hätte. Der Standpunkt der Revision, bei Beibehaltung der Fahrlinie des Klägers wäre eine kontaktfreie Begegnung nicht möglich gewesen, ist daher unrichtig. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Bewertung des Mitverschuldens des Klägers mit 1/3 ist daher zu billigen.

Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe bei der Beurteilung des Verdienstentgangs das Nettoeinkommen und die Pensionsbezüge des Klägers aus verschiedenen Jahren gegenübergestellt, ist aktenwidrig (vgl die eingehende Darstellung im Berufungsurteil S 376). Entgegen der Meinung der Revision sind auch Haupt- und Nebeneinkommen nicht unterschiedlich zu beurteilen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dienen alle Einnahmen, die dem Verletzten aus seiner Erwerbstätigkeit vor dem Unfall zugeflossen sind, also auch solche aus einer Nebenbeschäftigung, begrifflich der Deckung des Lebensunterhalts (ZVR 1977/77; RZ 1976/79), sodass auch hinsichtlich der Nebeneinkünfte ein Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger insoweit stattfindet, als dieser - was hier zutrifft - kongruente Leistungen erbringt.

Das Familien- und Taggeld wird nach § 152 Abs 1 ASVG für die Zeit des Ruhens des Anspruchs auf Krankengeld gewährt und dient dem gleichen Zweck wie das Krankengeld, nämlich dem Ausgleich des Lohnausfalls (Germann-Rudolf-Teschner, ASVG Anm 4 zu § 138 und Anm 1 zu § 152). Beim Familien- und Taggeld handelt es sich daher um den Verdienstentgang sachlich kongruente Leistungen des Sozialversicherungsträgers, das daher bei Berechnung des Deckungsfonds nicht zu vernachlässigen war.

Zu Recht haben die Vorinstanzen eine Verunstaltungsentschädigung abgelehnt, weil ein solcher Anspruch dann nicht in Betracht kommt, wenn die Verletzungen, wie im vorliegenden Fall, zu einer Aufhebung der Erwerbsfähigkeit führen (ZVR 1982/392; ZVR 1981/98). Da der Kläger bereits verheiratet ist, scheidet die Möglichkeit, durch eine Heirat eine Verbesserung seiner Lage herbeizuführen, aus. Aus den von der Revision zitierten Entscheidungen (JBl 1976, 539; ZVR 1979/136 und SZ 51/63) ist für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen, weil diesen Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrundelagen (keine Aufhebung der Erwerbsfähigkeit, Möglichkeit der Verehelichung). Der Kläger konnte aber auch nicht begehren, dass ihm die Verunstaltungsentschädigung hilfsweise aus dem Titel des Schmerzelgeldes zuerkannt wird (EvBl 1961/149; Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzgeld4 168).

Eine Schmerzengeldrente wurde vom Obersten Gerichtshof bisher nur in Ausnahmefällen zuerkannt (ZVR 1977/169; ZVR 1976/370). Diesen Entscheidungen lagen jedoch Fälle mit außerordentlich schweren Verletzungen und nicht restlos überschaubaren Schmerzensfolgen zugrunde. Mit ihnen ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, sodass auch in der Ablehnung einer Schmerzengeldrente den Vorinstanzen beizupflichten ist.

2.) Zur Revision der beklagten Partei:

Das Schmerzengeld ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich global zu bemessen. Eine Teilbemessung ist nur zulässig, wenn im Zeitpunkt der Beendigung des Schadenersatzprozesses die Auswirkungen der Verletzung für die Zukunft noch nicht in vollem Umfang abschätzbar sind (ZVR 1976/77 ua). Diese Voraussetzung liegt hier aber nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht vor, sodass entgegen der Vorgangsweise der Vorinstanzen eine Globalbemessung stattzufinden hat. Zutreffend weist die beklagte Partei darauf hin, dass sich der von den Vorinstanzen zuerkannte Schmerzengeldbetrag jenen Beträgen nähert, die in letzter Zeit nur für Verletzungen mit schwersten Dauerfolgen gewährt wurden (2 Ob 23 und 26/84). Es liegt zwar auch beim Kläger eine schwere Körperverletzung mit beträchtlichen Dauerfolgen vor, unter Bedachtnahme auf die in vergleichbaren Fällen (2 Ob 149/83; 2 Ob 171/82; 2 Ob 178/82; 2 Ob 186/80) zugesprochenen Beträge ist jedoch im vorliegenden Fall ein Betrag von 600.000 S insgesamt angemessen. Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote beträgt das Schmerzengeld somit 400.000 S. Bei Bedachtnahme auf die übrigen Teilansprüche und die Teilzahlung ergibt sich dann eine Kapitalrestforderung von 326.531,30 S.

Rechtliche Beurteilung

Demgemäß ist der Revision der klagenden Partei nicht, der Revision der beklagten Partei auch nur zum Teil Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Bei der Berechnung des Verhältnisses zwischen dem Prozesserfolg und dem Prozessverlust des Klägers war die Schmerzengeldüberklagung im Sinne der herrschenden Rechtsmeinung außer Betracht zu lassen, da von einer offenbaren Überklagung noch nicht gesprochen werden kann. Davon ausgehend hat dann der Kläger im ersten Verfahrensabschnitt (das ist bis zur Tagsatzung vom 16. 2. 1981) mit rund 46 % obsiegt und ist mit rund 54 % unterlegen, sodass er der beklagten Partei 8 % der Kosten von 40.203,80 S (darin enthalten 2.420 S Barauslagen und 2.798,80 S USt), das sind 3.216,30 S zu ersetzen hat. Im zweiten Verfahrensabschnitt (das ist bis zur Tagsatzung vom 20. 11. 1981) beträgt das Erfolgsverhältnis 40 % zu 60 % zu Lasten des Klägers. Der Kostenersatzanspruch der beklagten Partei beträgt daher 20 % von 35.084,40 S (darin enthalten 1.450 S Barauslagen und 2.491,44 S USt), das sind 7.016,88 S. Für den dritten Verfahrensabschnitt (das ist bis zur Tagsatzung vom 4. 1. 1983) ergibt sich ein Obsiegen des Klägers mit 43 % und demnach ein Kostenersatzanspruch der beklagten Partei von 14 % der Kosten von 75.604,80 S (darin enthalten 5.070 S Barauslagen und 5.224,80 S USt) das sind 10.584,67 S. Für die Tagsatzung vom 20. 6. 1983 gebühren der beklagten Partei 20 % (Erfolgsverhältnis 40 % : 60 % zu Lasten des Klägers) der Kosten von 10.616,40 S (darin enthalten 410 S Barauslagen und 756,40 S USt), das sind 2.123,28 S. Im Berufungsverfahren obsiegte der Kläger mit 45 % und hat daher der beklagten Partei 10 % der Kosten von 34.767,12 S (darin enthalten 2.280 S Barauslagen und 2.953,37 S USt), das sind 3.476,70 S zu ersetzen.

Für die erfolglose Revision steht dem Kläger ein Kostenersatzanspruch nicht zu. Er hat aber der beklagten Partei die Kosten der Revisionsbeantwortung zur Gänze und die Kosten ihrer auf der Basis ihres Prozesserfolgs von 33 % zu 67 % zu ersetzen. Die Kosten der Revision der beklagten Partei betragen 6.718,70 S (darin enthalten 320 S Barauslagen und 581,70 S USt); 34 % hievon = 2.284,35 S. Die Kosten der Revisionsbeantwortung betragen 16.149,70 S (darin enthalten 1.600 S Barauslagen und 1.322,70 S USt).

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