Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.728,48
bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 259,68 Umsatzsteuer und S 872,-- Barauslagen) und die mit S 2.603,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 214,88 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte erwirkte gegen Johann B (auch C), Händler, Perbersdorf, am 29.1.1982 beim Handelsgericht Wien ein Versäumungsurteil über den Betrag von S 217.934,66 samt 12 % Zinsen seit l6.9.1981. über ihren Antrag wurde am 19.4.1982 zur Hereinbringung dieser Forderung die Fahrnisexekution bewilligt und beim Bezirksgericht Mureck am 4.Mai 1982 zu E 592/82 ein exekutives Pfandrecht an den Postzahlen 1 bis 3 durch Anmerkung auf dem Pfändungsprotokoll desselben Gerichtes E 591/82 zugunsten der nunmehr Beklagten als betreibenden Partei erwirkt. Der Verkauf der gepfändeten Sachen war für den 8.6.1982, 10 Uhr, vorgesehen. Mit Schreiben vom 13.5.1982
übermittelte der Beklagtenvertreter dem späteren Gemeinschuldner Johann B (auch C) die Exekutionseinstellung mit dem Ersuchen, diese links unten zu unterfertigen und dem Bezirksgericht Mureck zuzuleiten. Bei dem die Einstellungsermächtigung enthaltenden Schreiben des Beklagtenvertreters vom 13.5.1982 handelte es sich um einen vorgedruckten Text, in welchem auf § 39 Z 6 EO Bezug genommen wird. Unter dem Zitat '§ 39/6' findet sich ein mit Maschinschrift beigefügtes Zitat '§ 200/3'. Der unter Vorlage dieses Schreibens vom Gemeinschuldner gestellte Antrag auf Einstellung der Exekution ist auf einem vorgedruckten Formblatt des Bezirksgerichtes Mureck beurkundet, bei dessen Ausfüllung sowohl hinsichtlich des Einstellungsantrages vom 17.5.1982 als auch hinsichtlich des darauf gegründeten Einstellungsbeschlusses vom 25.5.1982 die auf § 200 Z 3 EO bezugnehmende Variante durchgestrichen ist und 'dessen optisches Erscheinungsbild eine Einstellung nach § 39
Abs.1 Z 6 EO' beurkundet. Eine Zustellung des Beschlusses wurde - im Einstellungsermächtigungsschreiben des Beklagtenvertreters war auf Beschlußausfertigung verzichtet worden, der Verpflichtete Johann B (auch C) hatte auf Beschlußausfertigung verzichtet - nicht vorgenommen. über das Vermögen des Johann B wurde mit Wirkung ab 18.11.1982 zu 20 S 66/82
des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Unstrittig ist, daß der Gemeinschuldner innerhalb der letzten 60 Tage vor Konkurseröffnung, nämlich am 12.10.1982, an die Beklagte eine Zahlung in der Höhe von S 20.000,- auf Abschlag ihrer Forderung geleistet hat. Mit Schreiben vom 8.1.1983 behauptete der Masseverwalter gegenüber der Beklagten, daß diese Zahlung des Gemeinschuldners der Anfechtung im Sinne des § 30 Abs.1 Z 1 KO unterliege und forderte die Beklagte auf, bis längstens 24.1.1984 den ihr zugekommenen Betrag an die Konkursmasse zu refundieren. Nach Ablehnung durch die Beklagte erhob der Masseverwalter die gegenständliche Anfechtungsklage mit dem Begehren, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von S 20.000 s.A. in die Konkursmasse zu bezahlen.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein: Das Urteilsbegehren sei 'formell irreparabel verfehlt', weil das Klagebegehren die Bezeichnung des anzufechtenden Rechtsgeschäftes nicht enthalte und die Anfechtung in Form einer Feststellung der Unwirksamkeit der Zahlung erfolgen müßte. Im übrigen habe eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners gefehlt. Die Zahlung sei zur Abwendung der eingeleiteten Exekution erfolgt, die nicht nach § 39 Z 6 EO, sondern nur nach den Bestimmungen der §§ 200 Z 3, 272 EO eingestellt worden sei, und stelle sich als nichtanfechtbare Realisierung des ein halbes Jahr vor der Zahlung erworbenen Pfandrechtes dar. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es kam zu dem Ergebnis, daß zwischen den Parteien des strittigen Exekutionsverfahrens nicht eine gänzliche Einstellung desselben, sondern nur eine Einstellung des Verkaufsverfahrens nach dem § 200 Z 3 EO beabsichtigt gewesen und das äußere Erscheinungsbild der gerichtlichen Handlung von ihrem wahren Inhalt abgewichen sei. Das Erstgericht meinte, es müsse daher davon ausgegangen werden, daß die Zahlung der Hintanhaltung der Durchführung einer Exekution gedient habe und somit nicht inkongruent gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und ergänzte diese dahin, daß im fortgesetzten Pfändungsprotokoll E 591/82 des Bezirksgerichtes Mureck am 25.5.1982 die Einstellung des Exekutionsverfahrens E 592/82 gemäß § 39/6 EO vermerkt wurde. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus: Es bestehe nicht der geringste Zweifel, daß das Exekutionsgericht das von der Beklagten eingeleitete Fahrnisexekutionsverfahren E 592/82 im Sinne des § 39 Abs.1 Z 6 EO habe einstellen wollen und auch eingestellt habe. Zu dieser Handlung sei es auf Grund der ihm unterbreiteten Parteienanträge und Erklärungen befugt gewesen. Wenn es beim gerichtlichen Einstellungsbeschluß objektiv zu einer Diskrepanz mit dem wahren Willen der Betreibenden (jetzt Beklagten) gekommen sein sollte, gehe dies einzig und allein zu deren Lasten. Darüberhinaus ließe sich die tatsächlich vorgenommene Einstellung nach § 39
Abs.1 Z 6 EO aber auch nicht mehr ändern. Es dürfe nicht übersehen werden, daß durch den beiderseitig abgegebenen Beschlußausfertigungsverzicht der vom Bezirksgericht Mureck gefaßte Einstellungsbeschluß mit der Unterfertigung durch den Rechtspfleger am 25.Mai 1982 in Rechtskraft erwachsen und nicht mehr abänderbar geworden sei. Die Einstellung sei auch im diesbezüglichen Pfändungsprotokoll vermerkt worden und habe zur Wirkung gehabt, daß das darin ursprünglich erworbene Pfandrecht der Beklagten an den Postzahlen 1 bis 3
erloschen sei. Im Zeitpunkt der Teilzahlung des Verpflichteten am 12.10.1982, also rund 5 Wochen vor der am 18.11.1982 erfolgten Konkurseröffnung über das Vermögen, sei nicht nur kein Exekutionsverfahren zugunsten der Beklagten anhängig gewesen, sondern es habe - und darauf komme es bei der Fahrnisexekution an - kein Pfand- oder Befriedigungsrecht der Beklagten gegenüber dem Verpflichteten bestanden. Von einer kongruenten Deckung sei daher keine Rede. Durch die erfolgte Zahlung habe die Beklagte aber eine Befriedigung erlangt, die sie zu dieser Zeit nicht mehr zu beanspruchen gehabt habe und die sie vor den anderen Gläubigern begünstigt habe. Der Anfechtungsgrund gemäß § 30 Abs.1 Z 1 KO sei daher gegeben. Da auch richtigerweise ein Leistungsbegehren gestellt worden sei, sei der Klage stattzugeben gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Zunächst ist der Auffassung des Berufungsgerichtes entgegenzutreten, durch den beiderseitig abgegebenen Beschlußausfertigungsverzicht sei der vom Bezirksgericht Mureck gefaßte Einstellungsbeschluß mit der Unterfertigung am 25.5.1982 in Rechtskraft erwachsen und unabänderbar geworden, der Vermerk über die Einstellung im Pfändungsprotokoll habe bewirkt, daß das darin ursprünglich erworbene Pfandrecht der Beklagten an den Postzahlen 1 bis 3 erloschen sei.
Das Berufungsgericht beruft sich zur Stützung seiner Auffassung zu Unrecht auf Heller-Berger-Stix, Kommentar, S 501. Auf Seite 500 unten wird nämlich ausdrücklich ausgeführt, daß dem Betreibenden nur dann der Einstellungsbeschluß nicht zugestellt werden müsse, wenn der Antrag von ihm ausgehe, nicht aber, wenn der Verpflichtete zum Beispiel auf Grund eines sogenannten Einstellungsschreibens, das Begehren anbringe. Da im vorliegenden Fall der Verpflichtete beim Exekutionsgericht den Antrag gestellt hat, war grundsätzlich der Einstellungsbeschluß der Betreibenden (jetzt Beklagten) zuzustellen (§§ 62, 78 EO; 427 ZPO; Fasching III, 831 f). Daran vermag im vorliegenden Fall auch der Verzicht auf Beschlußausfertigungen nichts zu ändern. Es geht hier um die Frage der Zulässigkeit und Wirksamkeit eines vor Fällung eines grundsätzlich zuzustellenden Beschlusses abgegebenen Verzichtes auf Beschlußausfertigung und damit eines Verzichtes auf Zustellung des Gegners jener Partei, die den der Entscheidung zu Grunde liegenden Antrag gestellt hat. Es wurde zwar bereits in mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ausgesprochen, daß auf die Zustellung eines Beschlusses auch vor seiner Erlassung wirksam verzichtet werden könne (so SZ 25/293; 1 Ob 28/75;
3 Ob 624/78), doch handelte es sich dabei durchwegs um Fälle, bei denen diejenige Partei auf Beschlußausfertigung verzichtet hatte, auf deren Antrag die Entscheidung, die überdies diesem Antrag entsprach, gefällt worden war.
Zur Begründung der Zulässigkeit eines solchen Vorausverzichtes wurde darauf hingewiesen, daß der Zustellungs-, aber auch Rechtsmittel-Verzicht nur für eine dem erklärten Willen entsprechende Entscheidung gelten sollte (JBl.1947, 156; SZ 25/293; 3 Ob 624/78). Einer eingehenden Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen bedarf es im vorliegenden Fall nicht, weil - abgesehen davon, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Beschlußausfertigungsverzicht der antragstellenden Partei, sondern um deren Gegnerin handelte - die diese Entscheidungen tragende Voraussetzung, nämlich die Fällung jener Entscheidung, bezüglich welcher der Beschlußausfertigungsverzicht abgegeben wurde, hier nicht vorliegt. In diesem Zusammenhang kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem nach den Feststellungen vom damaligen Verpflichteten und späteren Gemeinschuldner vorgelegten Schreiben des Vertreters der damals betreibenden Partei (der jetzigen Beklagten) im Hinblick darauf, daß es sich um ein Schreiben der damaligen betreibenden Partei an die damals verpflichtete Partei handelte, um eine verfahrensrechtlich wirksame Verzichtserklärung gehandelt hat. Auch wenn man letzteres bejaht, liegt eine Erklärung vor, deren Sinn und Bedeutung jedenfalls deshalb zweifelhaft war, weil in dieser Erklärung außer '§ 36/6 EO' auch '§ 200/3' (EO) genannt war. Liegt aber eine zweifelhafte Erklärung vor, dann darf keinesfalls das gesamte Exekutionsverfahren eingestellt werden (vgl.Heller-Trenkwalder, EO 3 , Anm.1 zu Formular Nr.297;
Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht 2 , 218;
Heller-Berger-Stix, EO 11 , MGA, Anm.10 zu § 200). Aus der Undeutlichkeit des Schreibens über die beantragte Einstellung folgt aber auch, daß der in diesem Schreiben erklärte Beschlußausfertigungsverzicht nicht als solcher für den Fall der Einstellung gemäß § 39 Abs.1 Z 6 EO angesehen werden darf. Für den gemäß § 39 Abs.1 Z 6 EO gefällten Einstellungsbeschluß liegt daher auch kein Zustellungsverzicht vor. Mangels eines solchen hätte es - auch wenn man im Sinne der zitierten Entscheidungen einen Zustellungsvorausverzicht in jenen Fällen für zulässig hält, in welchen inhaltlich die Entscheidung gefällt wird, bezüglich welcher der Beschlußausfertigungsverzicht abgegeben wurde - zur Wirksamkeit des Beschlusses und zum Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist der Zustellung bedurft. Mangels einer solchen ist der Einstellungsbeschluß des Bezirksgerichtes Mureck nicht formell rechtskräftig geworden. Damit liegt aber nicht nur keine rechtskräftige Entscheidung der für dieses Verfahren maßgebenden Vorfrage, ob zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung das Pfandrecht der nunmehr Beklagten an den Postzahlen 1 bis 3 des Pfändungsprotokolles E 591/82 des Bezirksgerichtes Mureck noch bestand, vor, sondern es ist auch mit Rücksicht auf den rechtsgestaltenden Charakter des Einstellungsbeschlusses gemäß § 39 Abs.1 Z 6 EO das Erloschensein des Pfandrechtes im genannten Zeitpunkt zu verneinen. Die rechtsgestaltende Wirkung tritt ein, wenn der stattgebende rechtsgestaltende Beschluß gegenüber allen Parteien formell rechtskräftig, also unanfechtbar geworden ist (vgl.Fasching, Lehrbuch Rdz 1496, 1558). Da der Einstellungsbeschluß nicht formell rechtskräftig geworden ist, konnte er als Einstellungsbeschluß gemäß § 39 Abs.1 Z 6 EO nicht die Gestaltungswirkung gehabt haben, daß das am 4.Mai 1982 begründete Pfandrecht erlosch und daher zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung am 12.10.1982 nicht mehr bestand. Daß das Pfandrecht allenfalls später im Sinne des § 256 Abs.2 ZPO erloschen ist, ist unerheblich und braucht nicht erörtert werden.
Ist aber auf Grund dieser Ausführungen davon auszugehen, daß zum Zeitpunkt der nun angefochtenen Zahlung das Pfandrecht noch bestand, dann liegt nach der seit der Entscheidung SZ 45/12 einhelligen Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes im Falle einer im Zuge einer Exekution vom Verpflichteten geleisteten Zahlung keine inkongruente Deckung vor, weil der Gläubiger dadurch nichts in anderer Art erhielt, als ihm nach materiellem Recht zustand, weshalb auch eine zur Vermeidung des Zwangsverkaufes geleistete Zahlung des Verpflichteten als kongruente Deckung anzusehen ist (so auch SZ 45/57;
JBl.1977, 651). Die vom Masseverwalter allein aus dem Grunde der inkongruenten Deckung erfolgte Anfechtung der Zahlung ist daher unberechtigt.
Es war daher in Stattgebung der Revision - und ohne auf deren weitere Ausführungen einzugehen - das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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