OGH 2Ob827/52

OGH2Ob827/525.11.1952

SZ 25/293

Normen

ABGB §608
ABGB §819
AußStrG §158
AußStrG §174
ABGB §608
ABGB §819
AußStrG §158
AußStrG §174

 

Spruch:

Ist die Abhandlung durchgeführt worden, ohne daß auf die Anordnung einer Substitution Bedacht genommen wurde, so fehlt es an der Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Abhandlung und kann auch eine Substitutionsabhandlung mangels ihrer gesetzlichen Voraussetzungen nicht stattfinden.

Zulässigkeit des Verzichts einer großjährigen und eigenberechtigten Erbin auf Zustellung der Einantwortungsurkunde.

Entscheidung vom 5. November 1952, 2 Ob 827/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Frankenmarkt; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Auf Grund der letztwilligen Anordnungen im Ehe- und Erbvertrag d. dto. 15. April 1947, durch welchen Theresia St. zur Alleinerbin ihres am 30. Juli 1950 verstorbenen Gatten Matthias St. berufen worden war, der von ihr zum Nachlaß abgegebenen und zu Gericht angenommenen unbedingten Erbserklärung und des mit der erblasserischen Tochter erster Ehe und nunmehrigen Rekurrentin Theresia B., geborene St., am 6. Dezember 1950 im Zug der Abhandlung abgeschlossenen Erbübereinkommens wurde der Nachlaß mit Beschluß vom 12. Feber 1950, A 202/50/10 der Theresia St. eingeantwortet und auf Grund der Einantwortungsurkunde vom gleichen Tage A 202/50/11 ihr Eigentumsrecht an den erblasserischen Hälften der Liegenschaften EZ. 32 Grundbuch G. und EZ. 172 Grundbuch K. bücherlich einverleibt. Im Sinne des Erbübereinkommens wurde zugleich zur Sicherung der von der Erbin anerkannten auf Punkt 5 des Ehe- und Erbvertrages beruhenden Verpflichtung, die Gütergemeinschaftsliegenschaften einem Kind des Matthias St. aus seiner ersten Ehe mit Theresia St., geb. St., nämlich Matthias St. jun. und Theresia B., geb. St. zu einem ihnen beliebigen Zeitpunkte zu übergeben oder längstens von Todes wegen zu überlassen, das Veräußerungsverbot zugunsten der Theresia B. einverleibt. Infolge Todeserklärung des M. St. jun. erscheint aus dieser Anordnung nur mehr Theresia B. anspruchsberechtigt.

Theresia St. stellte im Jahre 1952 den Antrag, das Abhandlungsverfahren wieder aufzunehmen und die Einantwortungsurkunde im Sinne des § 158 AußstrG. zu ergänzen und eine entsprechende Eintragung im Grundbuch zu verfügen.

Das Erstgericht lehnte den Antrag ab, weil nach rechtskräftiger Beendigung der Abhandlung eine Entscheidung über den behaupteten Sicherstellungsanspruch im außerstreitigen Verfahren nicht mehr möglich und eine Wiederaufnahme des beendeten Abhandlungsverfahrens nicht statthaft sei.

Dem Rekurs der Antragstellerin gab das Berufungsgericht nicht Folge, indem es darauf hinwies, daß sie im Abhandlungsverfahren auf die Zustellung der Einantwortungsurkunde verzichtet habe und daß dieser Verzicht, da ihm das einverständlich abgeschlossene Erbübereinkommen mit seinen Sicherungsbestimmungen vorausgegangen war, ohne weiteres als zulässig anzusehen sei. Es sei darum bedeutungslos, daß die Antragstellerin im Zeitpunkte des Verzichtes den Inhalt der Einantwortungsurkunde nicht kannte und darum auf ein Rechtsmittel dagegen nicht habe wirksam verzichten können. Mit Rechtskraft der Einantwortungsurkunde sei aber das Abhandlungsverfahren beendet und dem Abhandlungsgericht die Möglichkeit entzogen, sich weiter mit der Nachlaßsache zu befassen. Die mit diesem Augenblick eingetretene Präklusivwirkung der Einantwortung bewirke aber auch, daß Erben oder Vermächtnisnehmer, denen ein Sicherstellungsanspruch zusteht, diesen nicht mehr beim Abhandlungsgericht, sondern nur mehr im ordentlichen Rechtsweg durchsetzen können. Die Abweisung des Wiedereröffnungsantrages, der überdies mit dem Inhalt des Erbübereinkommens im Widerspruch stunde, sei darum mit Recht erfolgt.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Theresia St. als unzulässig zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof tritt der Meinung der Vorinstanzen über die sogenannte Präklusivwirkung der Einantwortung bei, welche darin besteht, daß das Abhandlungsgericht nach der Rechtskraft der Einantwortung keine Möglichkeit mehr besitzt, sich mit der konkreten Nachlaßsache zu befassen, weshalb auch seine Zuständigkeit zu Verfügungen und Entscheidungen aufhört, die nur im Rahmen der Nachlaßabhandlung getroffen werden können, und derlei Maßnahmen, die während der Abhandlung beim Abhandlungsgericht zu beantragen sind, von ihm nicht mehr begehrt oder bewilligt werden dürfen (Klang, 2. Aufl., zu § 819 ABGB., S. 1051). Das gilt zum Beispiel von der Vorsorge für die Sicherstellung von Vermächtnissen (SZ. XV/203), aber auch für die nach § 158 AußstrG. bei Substitutionen oder ihnen nach §§ 707 bis 709 ABGB. gleichzuhaltenden Anordnungen zu treffenden bücherlichen Sicherungsmaßnahmen. Sind solche aus was immer für Ursachen unterblieben, ist die Abhandlung durchgeführt worden, ohne daß auf die Anordnung einer Substitution Bedacht genommen wurde, und ist die Einantwortung ohne jede Beschränkung durch eine Substitution rechtskräftig durchgeführt und das Eigentumsrecht des Instituten an den Nachlaßliegenschaften ohne Beschränkung durch das Sustitutionsband einverleibt worden, so ist die Verlassenschaftsabhandlung endgültig beendet. Es fehlt an der Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Abhandlung und es kann auch eine Substitutionsabhandlung mangels ihrer gesetzlichen Voraussetzungen nicht stattfinden.

Zu prüfen ist also nur, ob die Abhandlung nach Mathias St. bereits rechtskräftig beendet ist. Diese Frage ist von der Unterinstanzen zutreffend bejaht worden. Die Antragstellerin hat im Zuge der Abhandlung im Zusammenhang mit dem vor dem Gerichtskommissar geschlossenen Erbübereinkommen mit der Erbin ausdrücklich auf Zustellung der ergehenden Beschlüsse verzichtet. Ein solcher Verzicht einer großjährigen und eigenberechtigten Erbin ist, möge die von ihr vermißte Belehrung über seine Tragweite stattgefunden haben oder nicht, an sich durchaus zulässig und wirksam. Ihm kann auch nicht etwa unter Berufung auf SZ. VII/354 entgegengehalten werden, daß im voraus auf ein Rechtsmittel gegen eine noch nicht ihrem Inhalt nach bekannte Entscheidung nicht wirksam verzichtet werden könne. Zunächst verzichtete die Antragstellerin dem Wortlaute des Abhandlungsprotokolles S. 87 nach nur auf die Zustellung der ergehenden Beschlüsse, worunter nur der Endbeschluß ON. 10 und die Einantwortungsanordnung ON. 11 gemeint sein können. Auch in diesem Fall wären diese Beschlüsse längst rechtskräftig, da die Rekursfrist für die Anfechtung der Einantwortungsverordnung und des Beschlusses ON. 10 infolge ihres Verzichtes auf die Zufertigung mit dem Tage der Abgabe des Beschlusses an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung (12. Dezember 1950) zu laufen begonnen hatte.

Tatsächlich ist aber richtig anzunehmen, daß infolge der durch das Erbübereinkommen geschaffenen Lage die Antragstellerin nicht nur auf die Zustellung der beiden Beschlüsse, sondern auch auf Rechtsmittel gegen diese verzichtet hat. Ein solcher Verzicht ist aber durchaus wirksam, weil er ja nur für eine ihrem im Abhandlungsprotokoll erklärten Willen entsprechende Entscheidung gelten sollte und nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Rekurs desjenigen, auf dessen Antrag eine Entscheidung getroffen wurde, gegen eine solche Entscheidung unzulässig ist (vgl. 1 Ob 283/46). Im vorliegenden Fall konnte der Zustellungsverzicht der Antragstellerin daher nur zugleich die Bedeutung auch eines Rechtsmittelverzichtes haben, durch den das Verfahren beschleunigt werden sollte. Die beiden Beschlüsse vom 12. Dezember 1950, ON. 10 und 11, verwirklichen aber lediglich verfahrensrechtlich den Inhalt des Erbübereinkommens vom 6. Dezember 1950, in dem sie die Einantwortung des Nachlasses an die Alleinerbin, die Kenntnisnahme des getroffenen Erbübereinkommens und die Durchführung der aus den Ergebnissen der Abhandlung und des Erbübereinkommens sich ergebenden bücherlichen Eintragungen aussprechen bzw. anordnen. Sie enthalten also nichts, was nicht genau der Aktenlage und vor allem dem Erbübereinkommen entspräche, und es liegt also nur eine dem Willen auch der Antragstellerin entsprechende stattgebende Entscheidung vor. Der Erbin selbst wurde antragsgemäß die Einantwortungsverordnung ON. 11 zu Handen des Gerichtskommissärs, der Beschluß ON. 10 jedoch zu eigenen Handen zugestellt. Damit ist die Rechtswirksamkeit der Einantwortungsurkunde hergestellt (SZ. XXI/54, NotZtg. 1938, S. 19, GlU. 2184, 16.095). Wenngleich an sich die Antragstellerin auch zum Kreise jener Interessenten gehört, denen die beiden Beschlüsse zuzustellen waren, so konnte sie doch rechtswirksam auf diese Zustellung und auf Rechtsmittel gegen diese Beschlüsse verzichten.

Die Abhandlung ist darum tatsächlich rechtswirksam beendet und für eine Wiederaufnahme zu dem Zwecke der Nachtragung einer Anordnung der Einverleibung des Substitutionsbandes bleibt kein Raum (GlU. 3889, 6796, 16.078).

Damit ist allerdings nicht gesagt, daß ein allfälliges Recht der Nacherbin auf Sicherung dadurch erloschen ist, daß eine fideikomissarische Substitution bzw. bücherliche Einverleibung des Substitutionsbandes in der Einantwortungsurkunde unterblieben ist (GlU. 7198, SZ. XXIV/234). Im außerstreitigen Verfahren aber kann dieser Anspruch auf keinen Fall noch durchgesetzt werden. Hiefür ist ausschließlich nur mehr der ordentliche Rechtsweg offen (ZBl. 1935, Nr. 137).

Es kann darum unerörtert bleiben, ob in Punkt 5 des mehrerwähnten Ehe- und Erbvertrages eine fideikommissarische Substitution zu erblicken ist. Es genügt in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die Norm des § 158 AußStrG., soweit großjährige und eigenberechtigte Erben oder Legatare in Betracht kommen, nachgiebiges Recht darstellt und diese Personen auf jede Sicherstellung, und darum auch auf die in § 158 AußstrG. vorgesehene Form der Sicherstellung verzichten und sich mit einer anderen, z. B. der Einverleibung eines Veräußerungsverbotes zugunsten des Nacherben auf den Nachlaßliegenschaften begnügen können.

Es kann demnach von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht die Rede sein. Der außerordentliche Revisionsrekurs war darum als unzulässig zurückzuweisen.

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