Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Zwischen den Eltern der Minderjährigen ist ein Scheidungsprozeß anhängig, in dem am 17.12.1981 Ruhen des Verfahrens eingetreten ist. Seit 1981 leben die Eltern getrennt. Die Mutter lebt mit den beiden Töchtern in der ehelichen Wohnung in Innsbruck, der Vater mit dem Sohn in Thaur. Die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten über die mj. Martina stehen auf Grund des in Teilrechtskraft erwachsenen Beschlusses des Erstgerichtes vom 17. Dezember 1981 der Mutter zu.
Die Mutter stellte den Antrag, ihr die elterlichen Rechte in Ansehung des mj. Christian und der mj. Verena zuzuerkennen. Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus und stellte seinerseits den Antrag, ihm die Elternrechte zuzuweisen. Die Mutter begehrte weiters, den Vater zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 2.000 für die in ihrem Haushalt lebenden Kinder Martina und Verena zu verpflichten. Der Vater stellte den Antrag, für den Fall des Ausspruchs einer Unterhaltsverpflichtung, der Mutter die Bezahlung eines Unterhaltsbetrages für den mj. Christian aufzuerlegen. Das Erstgericht sprach aus, daß die elterlichen Rechte und Pflichten im Umfang des § 144 ABGB in Ansehung des mj. Christian A dem Vater Mag. Martin A und in Ansehung der mj. Verena A der Mutter Lorelinde A zustehen. Es sprach weiters aus, daß eine Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die mj. Kinder Verena und Martina und der Mutter in Ansehung des mj. Christian dem Grunde nach bestehe. Das Erstgericht stellte fest, die mj. Verena befinde sich seit 1981 zusammen mit ihrer Schwester Martina im Haushalt der Mutter, während der mj. Christian beim Vater lebe. Anhaltspunkte dafür, daß einer der beiden Elternteile das Wohl der Kinder gefährde, bestünden nicht. In rechtlicher Hinsicht vertrat der Erstrichter den Standpunkt, es gelte einen seit 2 1/2 Jahren bestehenden faktischen Zustand rechtlich zu sanktionieren. Es seien daher die elterlichen Rechte in Ansehung der mj. Verena der Mutter zuzuerkennen, wogegen dem Vater die elterlichen Rechte in Ansehung des mj. Christian zu übertragen seien.
Das Rekursgericht gab den Rekursen der Streitteile, soweit sie die Zuteilung der elterlichen Rechte bekämpften, nicht Folge; der Beschluß des Erstgerichtes über das Zurechtbestehen von Unterhaltspflichten dem Grunde nach wurde aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Rekursgericht stellte ergänzend fest, bei der Trennung der Eltern im November 1981 sei es zu einer wenigstens vorläufigen übereinkunft dahin gekommen, daß die mj. Martina bei der Mutter zu verbleiben habe, wogegen der Vater die Kinder Verena und Christian bei seinem Auszug aus der ehelichen Wohnung mitgenommen habe. Nach Einbringung der Ehescheidungsklage durch die Mutter habe der Vater die Meinung vertreten, daß eine Scheidung nicht der einzige Ausweg aus der Ehekrise sein müsse, er schlage daher eine vorübergehende Trennung der Ehegatten in der Form vor, daß er die Ehewohnung verlasse, die beiden älteren Kinder mit sich nehme und mit ihnen in seinem Elternhaus in Thaur Wohnung nehme. Der Vertreter der Mutter habe in einem Schreiben vom 20.11.1981 darauf verwiesen, daß eine Einigung der Eltern in der Weise erfolgt sei, daß der Vater mit den beiden älteren Kindern nach Thaur übersiedle, ohne daß ihm aus dieser vorübergehenden Trennung ein Vorwurf gemacht werde. Am 28.11.1981 habe der Vater die Kinder Christian und Verena entsprechend einer mit der Mutter getroffenen Vereinbarung in deren Wohnung gebracht. Die Mutter habe den Wunsch ausgesprochen, die Kinder sollten einige Zeit bei ihr verbleiben. Es sei zu einer Auseinandersetzung mit dem Vater gekommen, der darauf beharrt habe, die Kinder am Abend wieder nach Thaur zu bringen. Als der Vater die Wohnung der Mutter mit den Kindern verlassen wollte, habe die Mutter das Kind Christian in der Wohnung zurückbehalten und dem Vater erst übergeben, als dieser ihr das Kind Verena überlassen habe. Seither lebten die beiden Mädchen Martina und Verena in der Wohnung der Mutter, die aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, zwei Kinderzimmern, Küche, Bad und WC bestehe. Die Mutter betreibe gemeinsam mit ihrer Schwester im Hause, in dem sich die Wohnung befinde, ein Immobilienbüro; sie sei aber nicht ganztägig berufstätig und könne sich daher auch untertags ihren Kindern widmen; in der übrigen Zeit würden die Mädchen von der Großmutter versorgt. Die Kinder seien gepflegt und hätten ein gutes Verhältnis zur Mutter; insbesondere für das Kind Verena sei die Mutter eine wichtige Bezugsperson. Der Vater wohne mit seiner Mutter, seiner Schwester und dem mj. Christian in den oberen Stockwerken eines zweistöckigen Einfamilienhauses in Thaur, dessen Erdgeschoß von der Familie seines Bruders bewohnt werde. Der Vater sei Angestellter der Kammer für Arbeiter und Angestellte und Lehrbeauftragter an der Universität Innsbruck.
Der mj. Christian werde in Abwesenheit des Vaters von dessen Mutter betreut, die nunmehr 77 oder 78 Jahre alt, aber rüstig und ihrer Aufgabe gewachsen sei.
Die Schwester des Vaters sei 43 Jahre alt, unverheiratet, von Beruf Kindergärtnerin und könne daher den Vater bei der Kinderbetreuung unterstützen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, die seit November 1981 andauernde Trennung der Eltern sei nicht mehr eine bloß vorübergehende im Sinne des § 177 Abs 1 und 2 ABGB, so daß die Voraussetzung für eine Elternrechtsentscheidung gegeben sei. Die zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung sollte lediglich eine vorübergehende Regelung treffen, sie habe sich nicht auf alle elterlichen Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB, sondern ausschließlich auf den Aufenthalt der Kinder bei dem einem bzw. anderen Elternteil erstreckt. Es fehle daher an einer wirksamen Vereinbarung, deren Genehmigung nach § 177 Abs 1 ABGB in Betracht zu ziehen wäre; vielmehr habe das Gericht im Sinne des § 177 Abs 2 ABGB über die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung komme es allein auf die Wahrung des Kindeswohles an. An sich bestünden weder Bedenken gegen die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten an die Mutter noch gegen deren Zuweisung an den Vater. Beide Elternteile seien in der Lage und auch gewillt, die Kinder in jeder Beziehung gehörig zu versorgen, ihre Pflege und Erziehung sicherzustellen und sie auch zu vertreten. Die Kinder hätten sich dort, wo sie sich seit langem aufhalten, eingewöhnt; ein Wechsel der faktischen Pflege- und Erziehungsverhältnisse könne für sie nur von Nachteil sein. Der mj. Christian habe in Thaur den Kindergarten besucht und im Jahre 1983 das schulpflichtige Alter erreicht. Es entspräche keineswegs seinem Interesse, ihn aus der mittlerweile längst gewohnten Umgebung herauszureißen und eine wesentliche Milieiänderung, die mit einem Schulwechsel verbunden wäre, herbeizuführen. Entsprechendes gelte auch für Verena, allerdings mit der Einschränkung, daß dieses Kind noch nicht schulpflichtig sei, dafür sei es aber an das Zusammensein mit der jüngsten Schwester Martina gewöhnt. Es werde zwar die Auffassung vertreten, daß bei der ersten Entscheidung über die Zuteilung der Elternrechte ein im Wege eigenmächtiger Ansichnahme herbeigeführter Aufenthalt eines Kindes außer Betracht zu bleiben habe, doch komme es immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Als Verena nach kurzem Aufenthalt beim Vater von der Mutter in ihre Obhut zurückgenommen worden sei, seien die Verhältnisse noch nicht konsolidiert gewesen. Der Aufenthalt in der von der Mutter benützten Ehewohnung sei für das Kind das Gewohnte. Immerhin habe auch der Vater, wenn auch unter erheblichem psychischen Druck stehend, an der übernahme des Kindes durch die Mutter mitgewirkt. Aus all diesen Gründen erscheine jene Lösung am besten dem Wohl der Kinder zu entsprechen, daß dem seit Jahren bestehenden faktischen Zustand bei der Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten Rechnung getragen werde.
Der Vater bekämpft die Entscheidung des Rekursgerichtes insoweit, als die Elternrechte in Ansehung der mj. Verena der Mutter übertragen wurden.
Rechtliche Beurteilung
Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstrichters in Ansehung der Zuteilung der elterlichen Rechte bestätigte, liegt insoweit eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes vor, die, wie der Rechtsmittelwerber zutreffend erkennt, nur unter den Einschränkungen des § 16 AußStrG anfechtbar ist. Der Rechtsmittelwerber erblickt eine offenbare Gesetzwidrigkeit darin, daß das Rekursgericht einen durch rechtswidriges Handeln der Mutter geschaffenen Zustand rechtlich sanktioniert habe, was dem Wohl des Kindes abträglich sei. Wenn die Vorinstanzen die Ansicht vertreten, daß der mj. Christian bei ihm gut untergebracht sei, müsse gleiches auch für die mj. Verena gelten. Es dürfe auch nicht übersehen werden, daß die Mutter ganztägig berufstätig sei und die Kinder während der Berufstätigkeit von einer fremden Person betreut werden, wogegen in seinem Haushalt die Betreuung durch die Großmutter bzw. seine Schwester, die Kindergärtnerin sei, gesichert wäre.
Der Betreuung durch Verwandte sei gegenüber einer Fremdbetreuung der Vorzug zu geben.
Mit diesen Ausführungen wird jedoch eine offenbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung des Rekursgerichtes nicht dargetan. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg.44.642, 42.327, SZ 44/180; SZ 39/103 u.a.). Offenbar gesetzwidrig ist auch eine Entscheidung, die gegen Grundprinzipien des Rechtes verstößt (EFSlg.44.647, 35.071 u.a.), so wenn das Wohl des pflegebefohlenen Kindes gänzlich außer acht gelassen wurde (EFSlg.44.648, 42.340 u. a.). Hängt eine Entscheidung von den Umständen des Einzelfalles ab, wird darin im Regelfall keine offenbare Gesetzwidrigkeit liegen können. Im vorliegenden Fall erachteten die Vorinstanzen den Umstand, daß es der Mutter gelungen war, die mj. Verena unter Bruch einer mit dem Vater geschlossenen Vereinbarung an sich zu bringen, als nicht entscheidend, sondern maßen dem Prinzip der Steitigkeit und Dauer der Pflege und Entziehung entscheidende Bedeutung bei. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß die Eignung eines Elternteils zur Erziehung dadurch, daß er das Kind listig der Pflege und Erziehung des anderen Elternteils entzogen hat, nicht von vornherein ausgeschlossen wird (EFSlg.36.037); in der Übertragung der Sorgerechte an die Mutter, die das Kind entgegen einer zwischen den Elternteilen getroffenen Vereinbarung widerrechtlich in ihre Pflege und Erziehung brachte, wurde keine offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt (EFSlg.42.341). Es trifft zu, daß die Voraussetzungen für eine gedeihliche Pflege und Erziehung der mj. Verena auch beim Vater gegeben wären. Letztlich behauptet der Rekurswerber damit aber nur, daß die Vorinstanzen die Argumente, die für das Verbleiben der mj. Verena bei der Mutter sprechen, unrichtig abgewogen hätten. Da nach der Aktenlage nicht gesagt werden kann, daß das Wohl der mj. Verena bei der Mutter gefährdet wäre, liegt eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG nicht vor.
Demzufolge ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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