Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit S 17.178,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.000,-Barauslage und S 1.379,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende D AG und der Vater der Erstbeklagten, Otto E (auch F), schlossen am 24. beziehungsweise 26. April 1978 einen mit 31. Dezember 1991 befristeten 'Tankstellenbelieferungsvertrag' über die Tankstelle in Wolkersdorf, Bundesstraße 7 (Beilage B). Mit diesem Vertrag übernahm der Tankstelleninhaber Otto E den Verkauf und die Lagerung von Esso-Produkten (Treibstoffen, Motorenöl, Zubehör, Reifen usw.) sowie aller anderen Waren, die derzeit und in Zukunft von der Klägerin vertrieben würden, auf eigene Rechnung (Punkt 1.); er verpflichtete sich, nur diese Produkte zu vertreiben und sie ausschließlich bei der Klägerin zu kaufen (Punkt 2. Abs 1). Die damaligen Verkaufspreise (Tankwagenpreise) der Klägerin für Treibstoff und Heizöl Extra wurden ausdrücklich festgelegt (Punkt 3. Abs 1).
Der Tankstelleninhaber verpflichtete sich, den Absatz von Esso-Produkten in jeder Weise zu fördern und nichts zu unternehmen, was den Absatz von Konkurrenzprodukten unmittelbar oder mittelbar zu fördern geeignet wäre oder in sonstiger Weise den Interessen der Klägerin nachteilig sein könnte. Für den Fall der Stillegung der Tankstelle durch den Tankstelleninhaber innerhalb der Vertragsdauer sollte Ruhen des Vertrages eintreten, so daß bei einer Wiederinbetriebnahme alle Rechte und Pflichten auf die ausbedungene Vertragsdauer wieder in Kraft treten würden; die Klägerin behielt sich für diesen Fall ausdrücklich das Recht auf Schadenersatz vor (Punkt 6. Abs 2).
Falls der Tankstelleninhaber sein Geschäft oder das Geschäftsgrundstück verpachten, verkaufen oder sonst weitergeben wollte, war er verpflichtet, dies zunächst der Klägerin binnen 14 Tagen zu den gleichen Bedingungen anzutragen, die ihm von einem fremden, ernsthaften Käufer angeboten würden; bei einer Ablehnung der Klägerin hatte er den Vertrag auf den Nachfolger zu überbinden (Punkt 7. lit a).
Zugleich mit der Annahme dieses von Otto E am 24. April 1978 unterfertigten Vertragsanbotes teilte die Klägerin ihrem Vertragspartner mit Schreiben vom 26. April 1978 (Beilage 3) noch folgendes mit:
'.........
Sollten uns die angeführten Tankwagenpreise nicht mehr wirtschaftlich erscheinen, so haben wir jederzeit das Recht, die Aufnahme von Preisverhandlungen zu verlangen. Sofern diese Verhandlungen innerhalb von drei Monaten nach erfolgter schriftlicher Verständigung, diese Verhandlungen aufnehmen zu wollen, zu keinem Ergebnis führen, haben Sie das Recht, Verhandlungen mit uns konkurrierenden Mineralölkonzernen, die unter ihrer Marke verkaufen, wie zum Beispiel G, B.P., H, I, J, K etc, aufzunehmen. Wir sind jedoch berechtigt, auf das günstigste, Ihnen vorliegende Angebot einzusteigen oder die Fortsetzung des Vertrages zu den gegebenen Bedingungen zu verlangen. Wir haben binnen einem Monat nach Vorliegen des schriftlichen Konkurrenzoffertes unser Recht auszuüben.
Sollten wir eine weitere Belieferung der Tankstelle zu den Bedingungen des Konkurrenzoffertes oder denen des Vertrages nicht durchführen können oder wollen, so ist der Tankstelleninhaber berechtigt, den Bedarf anderweitig zu decken und zwar so lange, bis wir schriftlich erklären, zu den Bedingungen des der L gleichrangigen Konkurrenzunternehmens oder zu denen des Vertrages die Belieferung fortsetzen zu wollen. Ab Abgabe dieser Erklärung sind Sie wieder verpflichtet, ausschließlich Esso-Produkte von der L zu beziehen.' Otto E und seine Gattin hatten das Grundstück, auf dem sich die Tankstelle befindet, im Jahr 1971 von der Klägerin gegen Ratenzahlung gekauft.
Zur Sicherung ihres Rechtes zum Betrieb der Tankstelle und zum ausschließlichen Verkauf von Esso-Produkten ließ sich die Klägerin von den beiden Käufern gegen Zahlung von S 200,-- die mit 31. Dezember 1990 befristete Dienstbarkeit zum jederzeitigen Betreten und Befahren der Liegenschaft einräumen und im Grundbuch einverleiben (Beilagen R, S).
Im Jahr 1980 trat die Erstbeklagte mit Zustimmung der Klägerin in den Tankstellenbelieferungsvertrag und in den Dienstbarkeitsvertrag ein. Als sie die Tankstelle ca. 1 1/2 Jahre lang geführt hatte, der Betrieb aber weiterhin defizitär blieb, schloß sie die Tankstelle, ohne die Klägerin vorher informiert zu haben. Nachdem ein Angestellter der Klägerin auf allfällige Schadenersatzansprüche hingewiesen und der Gatte der Erstbeklagten, Erich B, mit dem zuständigen Gebietsdirektor der Klägerin, Günther M, gesprochen hatte - wobei letzterer mit Schadenersatzforderungen der Klägerin von 1 Million S gedroht hatte - teilte die Erstbeklagte der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juni 1981 (Beilage D) mit, daß sie die Tankstelle wegen finanzieller Schwierigkeiten schließen werde; ihre Absicht war dabei auf eine endgültige Schließung gerichtet. Die Klägerin erwiderte am 30. Juni 1981
(Beilage E):
'In Beantwortung Ihres Schreibens vom 24.6.1981 teilen wir Ihnen mit, daß wir unter folgenden Voraussetzungen mit einer Schließung der Tankstelle einverstanden sind:
1) Die Schließung der Tankstelle muß eine endgültige sein, das heißt, Sie und Ihre Rechtsnachfolger sind verpflichtet, im gegenständlichen Standort bis zum 31.12.1991 (Laufzeit des Vertrages) keine Tankstelle zu errichten oder zu betreiben.
2) Sollte unter geänderten Verhältnissen eine Wiedereröffnung der Tankstelle im Einvernehmen zwischen Ihnen und uns in Erwägung gezogen werden, so lebt der Tankstellenbelieferungsvertrag im vollen Umfang wieder auf.
3) Sofern Sie beabsichtigen die Anlage abzutragen und die Kessel einzuschlämmen, sind wir bereit, den bestehenden Dienstbarkeitsvertrag, der im Grundbuch einverleibt ist, aufzulösen.
Sollten Sie jedoch den Betrieb der Tankstelle nur stillegen,
dann bleibt der Dienstbarkeitsvertrag zur Sicherung
unserer Rechte auf die vorgesehene Laufzeit gültig.
Wir hoffen, hiermit Ihren Vorstellungen entsprochen zu haben und bitten Sie, zum Zeichen Ihrer Kenntnisnahme, um Unterfertigung der beiliegenden Kopie und Retournierung derselben an unsere Gesellschaft.' Die Erstbeklagte unterfertigte dieses Schreiben und sandte es an die Klägerin zurück. Mündliche Vereinbarungen über eine allfällige Wiedereröffnung der Tankstelle wurden zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten nicht getroffen.
Anfang 1982 zeigte Ing. N - Prokurist der Fa. 'Avanti', einer Konkurrentin der Klägerin - gegenüber Erich B Interesse an einer Weiterführung der Tankstelle gegen Zahlung einer monatlichen Pacht von S 16.000,--. Gespräche mit der Klägerin über einen Vertragsaustritt der Erstbeklagten blieben erfolglos. Schließlich ermächtigte und bevollmächtigte die Erstbeklagte die zweitbeklagte GmbH - eine Tochtergesellschaft von 'Avanti' - , alles zur Wiedereröffnung der Tankstelle vorzukehren. Sie war mit allen weiteren Handlungen der Zweitbeklagten einverstanden; die gesamte nachfolgende Korrespondenz mit der Klägerin betreffend die Wiedereröffnung der Tankstelle wurde von der Zweitbeklagten konzipiert.
Mit Schreiben vom 19. April 1982 (Beilage 4) teilte die Erstbeklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf Punkt 7. lit a des Tankstellenbelieferungsvertrages Beilage B mit, daß sie ihre Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag an die Zweitbeklagte 'als Nachfolger überbunden' habe. Am 28. April 1982 gab die Zweitbeklagte der Klägerin bekannt, daß sie die Tankstelle zum Betrieb übernommen habe; sie kenne die Vereinbarungen mit der Klägerin über diese Tankstelle und ersuche um Anbotstellung für die Belieferung der Tankstelle ab 3. Mai 1982 (Beilage F = 5). Die Klägerin antwortete der Zweitbeklagten mit Schreiben vom 3. Mai 1982 (Beilage G = 7), daß eine übertragung der Rechte aus dem Tankstellenvertrag nur im Einvernehmen und mit Einverständnis der Klägerin zulässig sei. Die Klägerin könne einer übernahme der Tankstelle durch die Zweitbeklagte nicht zustimmen und behalte sich weitere Schritte vor. Auf Grund dieser ablehnenden Stellungnahme der Klägerin vereinbarten die Beklagten, daß die Zweitbeklagte die Tankstelle zur treuhändigen Verwaltung und zum Betrieb für die Erstbeklagte übernehme. Sie teilte diese Vereinbarung der Klägerin mit Schreiben vom 4. Mai 1982 (Beilage H = 6) mit und forderte die Klägerin zu einer eindeutigen Stellungnahme und zur Anbotstellung infolge der geänderten Marktverhältnisse auf. Sollte die Klägerin dieser 'letzten Aufforderung' nicht nachkommen, sehe sich die Zweitbeklagte gezwungen, zusammen mit der Erstbeklagten entsprechende Schritte gegen sie einzuleiten.
Hierauf wies die Klägerin die Erstbeklagte am 12. Mai 1982 (Beilage I = 9) darauf hin, daß auf Grund der Vereinbarung vom 30. Juni 1981 eine Wiedereröffnung der Tankstelle nur im Einvernehmen mit ihr erfolgen könne. Da ein solches Einvernehmen mit der Klägerin bisher nicht gepflogen worden sei, lade sie die Erstbeklagte ohne Präjudiz für ihren Rechtsstandpunkt zu Verhandlungen über die Möglichkeit einer Wiedereröffnung der Tankstelle ein.
Eine Wiederinbetriebnahme der Tankstelle ohne Zustimmung der Klägerin würde rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Mit Schreiben vom 12. Mai 1982 (Beilage 10) teilte die Erstbeklagte der Klägerin mit, daß die Tankstelle 'zum Betrieb wiederhergestellt' sei; sie bestelle daher 'gemäß Tankstellen-Liefervertrag vom 24. April 1978 5.000 Liter Esso-Benzin, 5.000 Liter Esso-Extra-Benzin und 5.000 Liter Esso-Diesel 'zu den Preisen wie in Punkt 3. des obigen Tankstellenliefervertrages vereinbart'. Die Erstbeklagte erwarte die prompte Lieferung der Klägerin innerhalb der nächsten 7 Tage. Als die Klägerin eine Lieferung ablehnte (Beilage O), kündigte die Erstbeklagte am 19. Mai 1982 unter Hinweis auf Beilage 3. an, daß sie 'unter Vorbehalt ihrer Rechte' den Bedarf anderweitig decken werde (Beilage 11). In ihrem Antwortschreiben vom 26. Mai 1982 (Beilage P) wies die Klägerin nochmals darauf hin, daß eine Wiedereröffnung der Tankstelle ohne ihre Zustimmung vertragswidrig und deshalb unzulässig sei. Daraufhin setzte die Erstbeklagte mit Schreiben vom 21. Juni 1982 (Beilage 12) der Klägerin zur Belieferung ihrer Tankstelle eine Nachfrist bis längstens 27. Juni 1982 und erklärte für den Fall einer weiteren Ablehnung der Belieferung den Rücktritt vom Tankstellenbelieferungsvertrag. Die Wiedereröffnung der Tankstelle - welche jetzt von der Zweitbeklagten betrieben wird - am 2. August 1982 wurde durch Preistafeln in beiden Fahrtrichtungen der Bundesstraße 7 in Wolkersdorf angekündigt; außerdem wurde auf einem Spannplakat zwischen den Dachstützen der Tankstelle mit der Aufschrift 'Neueröffnung' auf die Inbetriebnahme verwiesen.
Unter Berufung auf § 1 UWG, aber auch auf ihre vertraglichen Rechte begehrt die Klägerin, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, den Verkauf von Mineralöltreibstoffen an der Tankstelle in Wolkersdorf, Bundesstraße 7, zu unterlassen und das Spannplakat mit der Aufschrift 'Neueröffnung' sowie die Preistafeln zu beseitigen. Der Bruch der Vereinbarung vom 30. Juni 1981 sei sittenwidrig, weil die Schließung der Tankstelle und die darüber getroffene Vereinbarung ausschließlich im Interesse der Erstbeklagten erfolgt seien, während die Klägerin für den Fall der Einhaltung dieser Abmachung auf die Geltendmachung ihrer Rechte aus dem Tankstellenbelieferungsvertrag verzichtet habe. Die übereinstimmende Absicht der Parteien sei dahin gegangen, die Tankstelle endgültig zu schließen und sie nur bei Vorliegen geänderter Verhältnisse mit beiderseitiger Zustimmung wieder zu eröffnen. Eine solche Änderung der Verhältnisse habe sich bis heute nicht ergeben. Das Verhalten der Erstbeklagten, welche durch Mißachtung freiwillig übernommener Pflichten der Klägerin gegenüber Vorteile erzielen wolle, sei unlauter, weil es mit dem Vertrauen in bestehende Bindungen eine der wesentlichsten Grundlagen jedes Geschäftsverkehrs erschüttere. Die Zweitbeklagte habe sich in Kenntnis der bestehenden Vereinbarungen an diesem Vertragsbruch der Erstbeklagten beteiligt und damit gleichfalls unlauter gehandelt.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die Erstbeklagte habe die Vereinbarung vom 30. Juni 1981 nur 'aus Angst vor einer Auseinandersetzung mit der Klägerin und im Hinblick auf ihre triste wirtschaftliche Lage' unterschrieben. Soweit danach eine Wiedereröffnung der Tankstelle nur mit Zustimmung der Klägerin - und nicht bloß 'im Einvernehmen' mit ihr - möglich war, handle es sich um eine der Erstbeklagten ohne jede Gegenleistung der Klägerin auferlegte 'wirtschaftliche Knebelung', welche die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung zur Folge habe. Eine Verpflichtung zum Betrieb der Tankstelle auch bei wirtschaftlicher Unrentabilität sei dem Vertrag Beilage B nicht zu entnehmen. Da die Klägerin trotz der ihr bekanntgegebenen Absicht der Erstbeklagten, die Tankstelle wieder zu eröffnen, unter Mißachtung der vertraglichen Bindungen eine Belieferung der Erstbeklagten abgelehnt habe, sei diese unter Nachfristsetzung vom Vertrag zurückgetreten. Erst danach sei im Einvernehmen mit der Zweitbeklagten, welche auch die Geschäftsführung übernommen habe, die Tankstelle tatsächlich wieder in Betrieb genommen worden.
Das Erstgericht wies die Klage aus rechtlichen Erwägungen ab. Die Klägerin und die Erstbeklagte seien an den Tankstellenbelieferungsvertrag Beilage B samt Zusatzvereinbarung Beilage 3 bis zum 31. Dezember 1991 gebunden. Für den Fall einer Stillegung der Tankstelle - wie sie hier vorgenommen worden sei - hätten die Parteien ausdrücklich ein bloßes 'Ruhen des Vertrages' vereinbart; bei einer Wiederinbetriebnahme der Tankstelle sollten demgemäß alle Rechte und Pflichten für den Rest der bedungenen Vertragsdauer wieder in Kraft treten. Die nach der Schließung der Tankstelle getroffene Zusatzvereinbarung Beilage E, welche gleichfalls eine Wiedereröffnung der Tankstelle vorsehe, sei inhaltlich nur eine Wiederholung der seinerzeit getroffenen Abmachungen. Die hier geforderten 'geänderten Verhältnisse' seien infolge des Hinzutretens der Zweitbeklagten jetzt gegeben. Auch die Klägerin selbst beharre nicht auf einer weiteren Stillegung der Tankstelle; sie habe vielmehr die Erstbeklagte mehrfach zu - an sich überflüssigen - Verhandlungen über eine allfällige Wiedereröffnung eingeladen. Die von der Erstbeklagten im Lauf der - sonst 'eher ergebnislosen' - Korrespondenz aufgegebene Treibstoffbestellung zeige das Bemühen der Erstbeklagten um ein Einverständnis mit der Klägerin und müsse als Aufforderung zur Vertragserfüllung durch die Klägerin gewertet werden. Die Klägerin habe nicht erklären können, weshalb sie diesem Verlangen der Erstbeklagten nicht nachgekommen sei. Ihre Behauptung, daß die Erstbeklagte im Zuge der Korrespondenz keine Vorschläge über die finanzielle Abdeckung und Besicherung allfälliger Forderungen der Klägerin aus Treibstofflieferungen gemacht habe, sei durch das Beweisverfahren nicht bestätigt worden. Es müsse daher von einer grundlosen Weigerung der Klägerin ausgegangen werden, welche auf diese Weise das in Beilage E geforderte Einvernehmen mit der Erstbeklagten ohne Angabe von Gründen vereitelt habe.
Allfällige Unklarheiten über die Auslegung dieser Zusatzvereinbarung gingen gemäß § 915 ABGB zu Lasten der Klägerin. Von einem Vertragsbruch der Erstbeklagten könne bei dieser Sachlage ebensowenig die Rede sein wie von einem Verstoß gegen § 1 UWG. Die Erstbeklagte, welche sich im Gegensatz zur Klägerin durchaus vertragskonform verhalten habe, sei vielmehr berechtigt gewesen, infolge der Ablehnung einer weiteren Belieferung durch die Klägerin ihren Bedarf an Mineralölprodukten anderweitig zu decken. Das Berufungsgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Von den als unbedenklich übernommenen, eingangs wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen des Ersturteils ausgehend, hielt das Berufungsgericht die Rechtsrüge der Klägerin für begründet. Nach der Vertragslage sei eine Wiedereröffnung der Tankstelle durch die Erstbeklagte oder einen Dritten nur im beiderseitigen Einverständnis möglich gewesen. Mangels einer entgegenstehenden Vereinbarung sei die Klägerin berechtigt gewesen, ihre Zustimmung auch ohne Angabe von Gründen zu verweigern; im übrigen müßte aber die Wiederinbetriebnahme der Tankstelle durch eine Tochtergesellschaft eines Mitbewerbers als ausreichender Grund für eine Verweigerung der Zustimmung durch die Klägerin angesehen werden. Mangels des erforderlichen 'Einvernehmens' der Parteien habe die (vertragswidrige) Wiedereröffnung der Tankstelle durch die Erstbeklagte nicht zum Wiederaufleben des Tankstellenbelieferungsvertrages Beilage B geführt. Da der Klägerin sohin die Ablehnung einer Belieferung der Erstbeklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, sei auch die Erstbeklagte nicht zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt gewesen.
Entgegen der Meinung der Beklagten könne aber auch von einer unzulässigen, weil gegen die guten Sitten verstoßenden wirtschaftlichen 'Knebelung' der Erstbeklagten durch die Vereinbarung E nicht gesprochen werden. Zu dieser Vereinbarung sei es erst nach der Schließung der Tankstelle durch die Erstbeklagte gekommen; sie sei nichts anderes als eine nachträgliche Sanktionierung des vertragswidrigen Verhaltens der Erstbeklagten gewesen.
Diese und ihr Gatte hätten vor dem Erstbericht bekundet, daß sie nicht die Absicht gehabt hätten, die Tankstelle wiederzueröffnen. Wenn die Klägerin unter diesen Umständen nicht nur die Schließung, sondern auch eine allfällige Wiederinbetriebnahme der Tankstelle von ihrer vorherigen Zustimmung abhängig gemacht habe, könne dies nicht als sittenwidrig angesehen werden, habe doch die wirtschaftliche Gegenleistung der Klägerin in einem offensichtlichen Verzicht auf die ihr nach dem Vertrag Beilage B zustehenden Schadenersatzansprüche bestanden.
Sei demgemäß aber der 'ruhende' Tankstellenbelieferungsvertrag mangels Zustimmung der Klägerin nicht wieder rechtswirksam geworden, dann sei ein Recht der Erstbeklagten, ihren Bedarf an Treibstoffen anderweitig zu decken, ebensowenig entstanden wie ein Recht zur Weitergabe der Tankstelle gemäß Punkt 7. lit a des Vertrages Beilage B. Die Frage eines allfälligen Verstoßes der Erstbeklagten auch gegen den Dienstbarkeitsvertrag (Beilagen R und S) könne bei dieser Sachlage auf sich beruhen.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach von den Beklagten mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Die Beklagten beantragen, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Einen wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens sehen die Beklagten im Unterbleiben von Beweisaufnahmen über die Ursachen der 'negativen Ertragslage', welche die Erstbeklagte im Jahr 1981 zur Schließung der Tankstelle bewogen habe. Damit machen die Rechtsmittelwerber der Sache nach einen auf (vermeintlich) unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhenden Feststellungsmangel des angefochtenen Urteils geltend, auf welchen bei Behandlung der Rechtsrüge einzugehen sein wird.
In ihren Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wiederholen die Beklagten ihre schon vor den Untergerichten vertretene Rechtsauffassung, wonach das in Beilage E vorgesehene 'Einvernehmen' der Parteien über eine allfällige Wiedereröffnung der Tankstelle nicht dahin zu verstehen sei, daß es dazu der Zustimmung der Klägerin bedurft hätte; nach dem Wortlaut der Vereinbarung habe es vielmehr genügt, daß 'eine Wiedereröffnung der Tankstelle im Einvernehmen ... in Erwägung gezogen' wurde, wie dies auch tatsächlich geschehen sei. Demgegenüber hat jedoch das Berufungsgericht ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß sich beim Abschluß der Vereinbarung Beilage E beide Vertragspartner darüber einig gewesen waren, daß eine Wiedereröffnung der Tankstelle nur mit Zustimmung beider Teile möglich sein sollte (ON 24 S 167). Diese nicht nur aus dem Wortlaut von Beilage E, sondern auch auf Grund der Aussagen der Zeugen O und M sowie der Parteiaussage der Erstbeklagten gewonnene und damit dem Bereich der Tatsachenfeststellungen angehörende Annahme des angefochtenen Urteils ist eine überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen; mit ihren gegenteiligen Rechtsmittelausführungen bekämpfen die Beklagten in unzulässiger und deshalb unbeachtlicher Weise die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen.
Der Revision kann aber auch insoweit nicht gefolgt werden, als damit
neuerlich die Unwirksamkeit der Vereinbarung Beilage E wegen
Verstoßes gegen § 879 Abs 1 ABGB geltend gemacht wird. Sittenwidrig
im Sinne dieser Gesetzesstelle ist, was offenbar widerrechtlich ist,
ohne gegen ein ausdrückliches gesetzliches Verbot zu verstoßen, also
zwar nicht gesetzwidrig, wohl aber grob rechtswidrig ist. Die vom
Richter vorzunehmende Interessenabwägung muß daher eine grobe
Verletzung rechtlicher geschützter Interessen oder - bei einer
Interessenkollision - ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch
die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen
ergeben. Da sich aber die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes
nicht nur aus seinem Inhalt, sondern auch aus dem Gesamtcharakter
der Vereinbarung - im Sinne einer zusammenfassenden Würdigung von
Inhalt, Beweggrund und Zweck - ergeben kann, sind bei der
Beurteilung nach § 879
Abs 1 ABGB insbesondere auch alle Umstände zu berücksichtigen,
unter denen das Rechtsgeschäft abgeschlossen worden ist (Arb. 9385 =
EvBl 1976/9 = RdA 1975, 214 = SozM I Ae 1111 mit weiteren Hinweisen
auf Lehre und Rechtsprechung; im gleichen Sinn SZ 51/142; SZ 52/67;
EvBl 1980/117;
EvBl 1982/31 = JBl 1982, 217 = ZAS 1982, 220; RdW 1984, 215 ua;
Koziol-Welser 6 I 117; siehe dazu auch Krejci in Rummel, Komm.z.ABGB I 908 ff § 879 RN 48 ff). Eine solche Sittenwidrigkeit der Vereinbarung Beilage E hat aber das Berufungsgericht hier mit Recht verneint und dabei zutreffend vor allem darauf verwiesen, daß dieses übereinkommen nur eine nachträgliche Sanktionierung eines vertragswidrigen Verhaltens der Erstbeklagten - nämlich der einseitigen Schließung der Tankstelle - durch die Klägerin gewesen war.
Was die Beklagten gegen diese Rechtsauffassung der zweiten Instanz vorbringen, ist nicht stichhältig: Daß die Erstbeklagte zur (einseitigen) Stillegung des Tankstellenbetriebes auch ohne Zustimmung der Klägerin berechtigt gewesen wäre, kann entgegen der Meinung der Revision weder aus dem letzten Absatz des Punktes 6. des Vertrages Beilage B noch aus anderen Beweisergebnissen abgeleitet werden; die Vertragswidrigkeit eines solchen Verhaltens folgt vielmehr im Sinneider zutreffenden Ausführungen in der Revisionsbeantwortung der Klägerin nicht nur aus dem Zusammenhang der Punkte 1., 2. und 5. des Tankstellenbelieferungsvertrages, sondern vor allem auch daraus, daß sich die Klägerin 'für diesen Fall' - also bei einseitiger Schließung der Tankstelle durch die Erstbeklagte - ausdrücklich das Recht auf Schadenersatz vorbehalten hatte. Die gegenteilige Auslegung dieser Bestimmung in der Revision findet weder im Wortlaut des Vertrages noch in den übrigen Beweisergebnissen eine Grundlage und ist daher vom Berufungsgericht mit Recht abgelehnt worden.
Damit ist aber auch dem Einwand der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung Beilage E der Boden entzogen: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war die Absicht der Erstbeklagten im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung auf eine endgültige Schließung der Tankstelle gerichtet gewesen. Wenn die Klägerin unter diesen Umständen ihre Zustimmung zu einer solchen - dem Zweck des Vertrages Beilage B zuwiderlaufenden - Maßnahme davon abhängig machte, daß eine allfällige künftige Wiederinbetriebnahme der Tankstelle unter geänderten Verhältnissen nur mit ihrer Zustimmung möglich sein sollte, dann kann darin eine sittenwidrige 'Knebelung' der Erstbeklagten umso weniger gesehen werden, als ja die Klägerin mit dieser Vereinbarung nur ihre Rechte aus dem ursprünglichen Vertrag wahrgenommen hatte; schon deshalb ist für die Annahme eines groben Mißverhältnisses der beiderseitigen Interessen kein Raum.
Ebensowenig wie die Vereinbarung Beilage E selbst kann aber auch die
spätere Weigerung der Klägerin, einer Weiterführung des
Tankstellenbetriebes durch die Zweitbeklagte zuzustimmen, als
sittenwidrig angesehen werden, muß doch der Umstand, daß es sich bei
der Zweitbeklagten um eine Tochtergesellschaft einer Mitbewerberin
der Klägerin handelt, jedenfalls als ausreichender Grund für eine
derartige Ablehnung gewertet werden. Der Klägerin ist unter diesen
Umständen kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie sich mit einer
Wiedereröffnung der Tankstelle durch die Zweitbeklagte nicht
einverstanden erklärt hat. Konnte aber ohne Zustimmung der Klägerin der Vertrag Beilage B nicht wiederaufleben, dann war sie auch nicht zu einer weiteren Belieferung der Tankstelle mit Mineralölprodukten verpflichtet. Damit ist aber der von der Erstbeklagten schlüssig erklärte Rücktritt von diesem Vertrag ins Leere gegangen und ohne rechtliche Wirkungen geblieben.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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