OGH 3Ob561/84

OGH3Ob561/8419.12.1984

SZ 57/206

Normen

JN §87 Abs1
JN §99 Abs3
JN §87 Abs1
JN §99 Abs3

 

Spruch:

Die ausländische juristische Person, die durch ihr Verhalten im geschäftlichen Verkehr den Eindruck erweckt, sie habe im Inland eine Niederlassung, kann hier nach § 87 Abs. 1 JN geklagt werden

OGH 19. 12. 1984, 3 Ob 561/84 (LG Klagenfurt 2 R 178/84; BG Villach 9 C 1771/81)

Text

Mit einer am 3. 12. 1981 beim Bezirksgericht Villach eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei die Bezahlung von fünf Rechnungen im Betrag von 2 400 DM, 2 415 DM, 2 300 DM, 899 DM und 2 300 DM, zusammen 10 349 DM, abzüglich einer Teilzahlung von 4 789 DM, sohin 5 560 DM sA.

Beide Streitteile sind Spediteure. Die beklagte Partei hat ihren Hauptsitz in Pontebba. In Österreich hat die beklagte Partei keine Niederlassung. Es gibt zwar eine Firma B & C in Kärnten, doch handelt es sich hier um eine selbständige Firma, die mit der beklagten Partei in keinem Naheverhältnis steht. Die beklagte Partei hat auch in Österreich keine ständige Vertretung. Nur in einem Prospekt der beklagten Partei ist von österreichischen Niederlassungen die Rede. Die beklagte Partei besitzt in Österreich kein Vermögen. Der Erfüllungsort lag nicht in Österreich, weil die beklagte Partei die Waren immer nur bis zur österreichischen Grenze zu versenden hatte.

Die klagende Partei machte geltend, daß wegen der getrennten, jeweils nicht über 30 000 S liegenden Rechnungsbeträge die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes gegeben sei. Da die beklagte Partei, wie sich aus einer von ihr ausgestellten Rechnung ergebe, in Österreich eine Niederlassung habe, lägen der Gerichtsstand nach §§ 87 Abs. 1 JN oder 99 Abs. 3 JN vor. Gemäß § 67 AÖSp., § 88 Abs. 1 JN sei auch der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben. Und schließlich könne die klagende Partei wegen der von der beklagten Partei behaupteten Gegenrechnung den Gerichtsstand nach § 99 Abs. 1 JN geltend machen.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück und verneinte alle geltend gemachten Gerichtsstände.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verworfen wurde. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Rekurs an den OGH zulässig sei. Es billigte die Auffassung des Erstgerichtes über das Nichtvorliegen der Gerichtsstände nach § 88 Abs. 1 JN in Verbindung mit § 67 AÖSp., war aber der Auffassung, daß der Gerichtsstand nach § 87 Abs. 1 JN deshalb gegeben sei, weil die beklagte Partei zwar keine inländische Niederlassung habe, sich jedoch in ihrem Schriftverkehr auf solche Niederlassungen berufe, weshalb sie iS der Lehre von Fasching I 436 so zu behandeln sei, als hätte sie eine solche Niederlassung. Ob darüber hinaus auch der Gerichtsstand des Vermögens vorliege, müsse bei dieser Sachlage nicht geprüft werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der von der beklagten Partei in ihrem Revisionsrekurs immer wieder hervorgehobene Umstand, daß es in Wahrheit keine Niederlassung oder ständige Vertretung der beklagten Partei in Österreich gibt und die gleichlautende Firma in Kärnten rechtlich von der beklagten Partei völlig getrennt sei, reicht nicht aus, um die Rechtsansicht der zweiten Instanz zu erschüttern.

Grundsätzlich gehen sowohl die Bestimmung des § 87 Abs. 1 JN (Gerichtsstand der Niederlassung) als auch die Bestimmung des § 99 Abs. 3 JN (Gerichtsstand des Vermögens in der Form einer ständigen Vertretung einer ausländischen juristischen Person für das Inland) nicht von einer rechtlichen Konstruktion, sondern von einer faktischen Situation aus. Es muß sich also im ersten Fall zB nicht um eine echte "Zweigniederlassung" nach §§ 13 ff. HGB handeln (SZ 51/29); und es kommt im zweiten Fall nicht darauf an, welche Vertretungsmacht der inländischen Vertretung wirklich zusteht und ob die Vertretungsmacht ausdrücklich oder allenfalls auch nur konkludent eingeräumt wurde (EvBl. 1977/128).

Der Senat 2 des OGH hat sich kürzlich in seiner Entscheidung vom 28. 8. 1984, 2 Ob 598/84, der Auffassung von Fasching (Komm. I 436) angeschlossen, daß eine Niederlassung iS des § 87 JN auch dann anzunehmen ist, wenn die beklagte Partei im geschäftlichen Verkehr mit dem Kläger ein Briefpapier verwendete, nach welchem eine Filiale in einem bestimmten Ort bestehe. Wenn dabei Fasching von einem "dolosen" Handeln der beklagten Partei ausgehe, so komme es dabei nicht auf die Gründe an, die für die Verwendung des Briefpapiers maßgebend gewesen seien, es komme insbesondere nicht etwa darauf an, daß die Absicht bestanden habe, die klagende Partei in Irrtum zu führen. Maßgebend sei vielmehr nur, ob die beklagte Partei eine bezügliche Behauptung aufgestellt habe.

Bei der inländischen Vertretung nach § 99 Abs. 3 JN muß dasselbe gelten. Hier könnte, worauf die Revisionsrekursbeantwortung mit Recht hinweist, auf die Lehre von äußerem Tatbestand im Zusammenhang mit der Annahme einer sogenannten Anscheinsvollmacht zurückgegriffen werden. Wenn in diesem Sinn eine beklagte ausländische juristische Person durch irgendein Verhalten bei der klagenden Partei den begrundeten Glauben erweckt hätte, sie betreibe im Inland eine Vertretung (vgl. HS 9098-9100 ua.), dann entsteht nicht nur ein solches Vertretungsverhältnis, sondern eben auch der bezügliche Gerichtsstand.

Der erkennende Senat schließt sich der angeführten Auffassung von Fasching und der zitierten Entscheidung des Senates 2 an, weil es durchaus sinnvoll erscheint, gerade eine ausländische Partei, die im Geschäftsverkehr mit einer inländischen Niederlassung oder Vertretung wirbt (um eine bestimmte Betriebsgröße zu dokumentieren, aber auch, um ihre Erreichbarkeit im Inland darzustellen), im Interesse des Schutzes der sich darauf stützenden und darauf vertrauenden Kläger so zu behandeln, als hätte sie wirklich diese Niederlassung oder Vertretung.

Die beklagte Partei führte nun in einer Rechnung an die klagende Partei auf ihrem Geschäftspapier an, sie habe mehrere österreichische Niederlassungen, davon eine in Villach; in einem Prospekt war einerseits eine Karte enthalten, die den Eindruck erweckte, die Firma in Italien und die Firma in Österreich seien identisch oder arbeiteten ständig zusammen; andererseits war wiederum eine österreichische Niederlassung in Villach angeführt. Damit hat die beklagte Partei durch ihre eigenen Geschäftsunterlagen (Rechnung, Prospekt) den äußeren Tatbestand einer Niederlassung oder zumindest einer inländischen Vertretung geschaffen, weshalb die Gerichtsstände nach § 87 Abs. 1 JN bzw. § 99 Abs. 3 JN gegeben sind.

Daß die klagende Partei ihre Geschäfte nicht über diese inländische Niederlassung oder Vertretung abwickelte, ist nicht Voraussetzung der Anwendung dieser Gerichtsstände. Daß die klagende Partei entgegen dem von der beklagten Partei hervorgerufenen äußeren Tatbestand schon bei Klagseinbringung Kenntnis davon gehabt hätte, daß die Texte der beklagten Partei auf ihren Rechnungen und Prospekten unrichtig sind, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

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