OGH 1Ob641/84

OGH1Ob641/848.10.1984

SZ 57/151

Normen

JN §28
JN §28

 

Spruch:

Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge, die nur Beurteilungs-, nicht aber Befolgungsregeln enthalten, schließen die inländische Gerichtsbarkeit nicht aus

OGH 8. 10. 1984, 1 Ob 641/84 (OLG Linz 5 R 109/84; KG Ried im Innkreis 3 Cg 59/84) = ZfRV 1985, 127 (Hoyer) = IPRax 1985, 295 (Matscher) = RdW 1985, 340 (Schwimann 332)

Text

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 10. 5. 1983, S 6/83, wurde über das Vermögen der Firma N GesmbH der Konkurs eröffnet. Mit der vorliegenden, auf die Zuständigkeitsbestimmung des § 43 Abs. 5 KO gestützten Klage ficht der Masseverwalter eine Zahlung der Gemeinschuldnerin an die beklagte Partei vom 26. 1. 1983 in der Höhe von 20 000 S an. Die beklagte Partei, die ihren Sitz in der Schweiz hat, habe diese Zahlung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit entgegengenommen und sei daher schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 20 000 S sA zu bezahlen.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Gemäß Art. 2 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vom 16. 12. 1960, BGBl. 125/1962, gelte die Gerichtsbarkeit des Staates, wo die Entscheidung gefällt wurde, für persönliche Ansprüche gegen einen zahlungsfähigen Schuldner dann als ausgeschlossen, wenn der Schuldner zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz in dem Staat hatte, wo die Entscheidung geltend gemacht wird.

Das sich der Argumentation der beklagten Partei anschließende Erstgericht wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück.

Das Rekursgericht verwarf über Rekurs der klagenden Partei die erhobene Einrede. Den Rekurs an den OGH erklärte es für zulässig. Soweit das Anfechtungsrecht vom Masseverwalter ausgeübt werde, sei das Konkursgericht zur Verhandlung und Entscheidung über Anfechtungsklagen gemäß § 43 Abs. 5 KO ausschließlich zuständig. Diese Zuständigkeit gehe nicht dadurch verloren, daß eine Entscheidung des Konkursgerichtes allenfalls auf Grund der Bestimmungen des Vertrages BGBl. 125/1962 in der Schweiz insofern nicht anerkannt werde, als sie dort nicht vollstreckbar sei. Nur wenn das Gesetz die Zuständigkeit des Konkursgerichtes ausdrücklich von der Anerkennung der Entscheidung in dem Staat, in dem die beklagte Partei ihren Sitz hat, abhängig macht oder wenn durch den genannten Vertrag die Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes für das Erkenntnisverfahren ausgeschlossen wäre, könnte von einem Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit gesprochen werden. Wie bereits der Titel des Vertrages zeige, handle es sich um einen Vollstreckungsvertrag. Aus Vorschriften über Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen lasse sich eine Abgrenzung der inländischen Gerichtsbarkeit nicht ableiten. Die inländische Gerichtsbarkeit des Erststaates sei von der Anerkenntnis seiner Entscheidung durch den Zweitstaat unabhängig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es gibt zwei Arten von Vollstreckungsabkommen: In den einen wird die Zuständigkeit der Gerichte direkt festgelegt (compe128tence directe), mit der Folge, daß diese gemeinsamen Regeln an die Stelle der innerstaatlichen Zuständigkeitsnormen treten, woraus sich dann die Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung derjenigen Urteile ergibt, die von einem gemäß der Konvention zuständigen Gericht eines Vertragsstaates erlassen worden sind. Diese seltenen Abkommen enthalten sogenannte Befolgungsregeln. Zur anderen Kategorie von Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen zählen die Konventionen, die nur die Voraussetzungen festlegen, unter denen die im anderen Vertragsstaat ergangenen Urteile anzuerkennen und zu vollstrecken sind, während die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung unangetastet bleibt. Zu den Anerkennungs-und Vollstreckungsvoraussetzungen gehört regelmäßig, daß das Urteil von einem Gericht gefällt worden ist, dessen nach innerstaatlichem Recht gegebene Zuständigkeit die Konvention billigt. Derartige Abkommen enthalten für die internationale Zuständigkeit nur sogenannte Beurteilungsregeln (compe128tence indirecte). Zu dieser Kategorie gehören die weitaus meisten Verträge (Kropholler, ZfRV 1968, 301 f.; vgl. Heller-Berger-Stix 775; Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht 26; Fasching Zivilprozeßrecht Rdz. 78). Eine bloß Beurteilungsregeln enthaltende Konvention ist nicht nur, wie der OGH bereits aussprach, das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 521/1974 (SZ 55/95), sondern auch der Vertrag vom 16. 12. 1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, BGBl. 125/1962; aus diesem Abkommen sind somit keine Normen zu gewinnen, die eine internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte schaffen oder eine nationale Zuständigkeit ausschließen (Hoyer, ZfRV 1971, 121). Die in dem Abkommen enthaltenen Zuständigkeitsvorschriften wenden sich vielmehr lediglich an das Zweitgericht, das prüfen muß, ob die Zuständigkeit des Erstgerichtes nach den Vorschriften der Konvention derart gegeben war, daß die Entscheidung auch im Zweitstaat geltend gemacht werden kann. Die Zuständigkeitsvorschriften des Erststaates werden somit nicht verändert. Die Anordnung des § 43 Abs. 5 KO, wonach das Konkursgericht für noch nicht anhängig gemachte Anfechtungsklagen ausschließlich zuständig ist, wurde geschaffen, um während eines inländischen Konkursverfahrens Anfechtungsprozesse zu beschleunigen und eine einheitliche Beurteilung des Zeitpunktes des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit zu ermöglichen (RV 3 BlgNR 15. GP 47); sie begrundet auch die österreichische inländische Gerichtsbarkeit (vgl. Fasching aaO Rdz. 76).

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