OGH 3Ob92/84

OGH3Ob92/843.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Y*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 19. Juni 1984, GZ 1 R 151/84‑18, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 28. Februar 1984, GZ 4 Cg 449/83‑11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0030OB00092.840.1003.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Durch die ihr am 28. 10. 1983 zugestellte einstweilige Verfügung des Erstgerichts vom 13. 10. 1983, 4 Cg 449/83‑4, wurde der verpflichteten Partei verboten, „im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Kosmetika und Pflegemitteln neben Waren unentgeltliche Zugaben (Prämien) wie eine Keramik‑Wattedose oder eine Opalglas‑Vase anzubieten, anzukündigen oder einem größeren Kreis von Personen zu gewähren“.

Diese einstweilige Verfügung ist seit 24. 1. 1984 rechtskräftig.

In dem am 21. 2. 1984 eingebrachten Exekutionsantrag behauptete die betreibende Partei, die verpflichtete Partei habe der einstweiligen Verfügung dadurch zuwidergehandelt, dass sie in der dritten Woche des Jahres 1984 in einer Postwurfsendung an Wiener Haushalte einen Prospekt wie Beilage ./F verteilt und darin insbesondere angekündigt habe, bei Bestellung innerhalb von zehn Tagen werde mit der bestellten Ware gleichzeitig eine vergoldete Halskette mitversendet und bei einer Mindestbestellung von vier Produkten würden die roten, das heißt niedrigeren Aktionspreise gelten. Ab der Bestellung eines vierten Produkts sei ein zusätzliches „Überraschungsgeschenk“ angekündigt worden. Bei Bestellung mittels des vorgedruckten Bestellscheins würden die angekündigten Zugaben auch tatsächlich gewährt. Die betreibende Partei beantragte die Bewilligung der Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen und die Verhängung einer Geldstrafe von 50.000 S.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution und führte in der Begründung seines Beschlusses aus, dass die einstweilige Verfügung ihrem Wortlaut nach an einen durch die Zugabe einer Keramik‑Wattedose oder einer Opalglas‑Vase erfolgten konkreten Verstoß gegen das Zugabengesetz anknüpfe und gleichartige oder ähnliche Verstöße gegen das Zugabengesetz verbiete. Das behauptete Mitversenden einer vergoldeten Halskette bei Bestellung innerhalb von zehn Tagen und das Ankündigen eines Überraschungsgeschenks ab der Bestellung eines vierten Produkts seien den in der einstweiligen Verfügung konkret angeführten Verstößen gegen das Zugabengesetz zumindest ähnlich.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Gericht zweiter Instanz den Exekutionsantrag ab.

Im Titelverfahren seien nur solche Waren als Zugaben qualifiziert worden, die nur unter der Voraussetzung des Bezugs der Hauptsache gewährt werden. Deshalb sei der Gegnerin der gefährdeten Partei im Titelverfahren entgegengehalten worden, sie habe beim Anbot der Hauptsache nicht zum Ausdruck gebracht, dass diese nur als Probe bezogen und die Wattedose unabhängig von der Genehmigung der Hauptsache behalten werden könne. Das im Exekutionsantrag dargelegte Verhalten der verpflichteten Partei sei dem in der einstweiligen Verfügung verbotenen nicht ähnlich, weil die nunmehr angebotenen Geschenke vom Standpunkt des Zugabengesetzes als bloße Werbegeschenke angesehen werden könnten. Ein solches Vorgehen des werbenden Kaufmanns könnte als Umgehung des Zugabenrechts und damit als Tatbestand nach § 1 UWG gewertet werden. Der psychologische Kaufzwang könnte im vorliegenden Fall in der Scheu des Kunden liegen, die mit einem „Geschenk“ zugesandten Waren zurückzuschicken. Immerhin werde aber der Versendungskauf nicht persönlich und unmittelbar abgewickelt, weshalb die für eine Pression zu entgeltlichem Abschluss typische Situation fehle. Überdies bringe der Spruch der einstweiligen Verfügung den Gesetzeswortlaut des § 1 ZugG zum Ausdruck, sodass Spruch und Begründung übereinstimmten. In der Begründung sei zum Ausdruck gebracht worden, dass die Möglichkeit, die Wattedose trotz Stornos des Bezugs der Hauptsache zu behalten, nur unzulänglich umschrieben worden sei und dass ein Recht zum Storno hinsichtlich der Hauptsache in den Werbeprospekten gar nicht erscheine. In der Beilage ./F werde der Vertrag über die Hauptsache hingegen als Testangebot umschrieben, das nicht mehr den zwingenden und für eine Zugabe typischen Zusammenhang zwischen Haupt-und Nebensache abgebe. In der Begründung der die einstweilige Verfügung bestätigenden Rekursentscheidung sei unterstützenderweise nur deshalb auch auf § 1 UWG hingewiesen worden, weil hinsichtlich der Opalglas‑Vase in einem Teil des Prospektmaterials ein gesonderter Preis von 30 S angegeben worden oder doch errechenbar gewesen sei, während eine Zugabe grundsätzlich unentgeltlich abgegeben werde. Deshalb habe darauf hingewiesen werden müssen, dass unter diesen Umständen zumindest ein wettbewerbswidriges Koppelungsangebot vorliege. Im vorliegenden Fall komme es aber weniger darauf an, ob die Gewährung von Prämien oder Geschenken beim Bezug der Hauptsache als Testangebot unter irgendein Verbot des gesamten Wettbewerbsrechts einschließlich der Nebengesetze falle. Es gehe vielmehr hier darum, ob sie bereits unter das im Exekutionstitel ausgesprochene Verbot falle. Andernfalls würde den Parteien auch die Möglichkeit genommen, die allfällige Wettbewerbswidrigkeit des neuen Vorgehens durch drei Instanzen überprüfen zu lassen. Diesem Argument stehe allerdings die in der Judikatur immer wieder verfochtene Notwendigkeit gegenüber, Verbote gegen Verletzungen des Wettbewerbsrechts eher weit zu fassen, um ein Ausweichen des Gegners der gefährdeten Partei in neue Formen wettbewerbswidrigen Vorgehens möglichst zu vermeiden. Das könne aber nicht dazu führen, dem Verbot auch Verhaltensweisen zu unterstellen, mit denen im Titelverfahren nicht gerechnet worden sei, wie etwa im vorliegenden Fall, weil Ankündigung, Anbot und Gewährung zusätzlicher Leistungen überwiegend als Verstöße gegen das Zugabengesetz gewertet worden seien, weil die Möglichkeit, die Hauptsache erst nach Ansicht und Genehmigung behalten zu müssen, nur unzulänglich umschrieben und hinsichtlich der Hauptsache gar kein Gestaltungsrecht eingeräumt worden sei, das aber mit den nunmehrigen Wettangeboten vorliege.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und dass der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO) zulässig sei und begründete den zweiten Ausspruch mit der fließenden Grenze zwischen Werbegabe und Zugabe gerade unter dem Gesichtspunkt des psychologischen Kaufzwangs.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist nach den gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden §§ 502 Abs 4 Z 1 und 528 Abs 2 ZPO zulässig; es ist aber nicht berechtigt.

Für die Exekutionsbewilligung ist nicht die materielle Rechtslage, sondern nur der Exekutionstitel maßgebend ( Heller‑Berger‑Stix I 187; ÖBl 1983, 149; EvBl 1975/94 ua).

Das Bewilligungsgericht hat daher die Verpflichtung nur aufgrund des Titels, hier der einstweiligen Verfügung festzustellen. Es hat nicht zu untersuchen, was der Verpflichtete nach dem Gesetz zu leisten hätte, sondern, wozu er im Titel verpflichtet wurde. Bei Entscheidungen bildet nur der Spruch den Titel, nicht seine Begründung. Es kommt auf den Sinn der Worte an, der ihnen gewöhnlich beigelegt wird. Was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben, kann bei Erledigung des Exekutionsantrags nur aus dem Titel selbst geschlossen werden. Das Bewilligungsgericht hat sich dabei streng an den Wortlaut des Spruchs zu halten. Es hat ihn auszulegen, aber daraus keine weiteren Ansprüche abzuleiten. Im Zweifel über den Sinn des Spruchs können die Entscheidungsgründe zur Auslegung herangezogen werden (MietSlg 2717; SZ 25/121; SZ 38/128; SZ 48/41; SZ 49/54 und 81; EFSlg 34.549 und 34.565; ÖBl 1980, 164). Es bedarf aber keiner Auslegung des Spruchs, wenn daraus der Inhalt der Entscheidung eindeutig hervorgeht (SZ 41/103; RZ 1980/31).

Nach dem Spruch der diesem Exekutionsverfahren zugrunde liegenden einstweiligen Verfügung ist der verpflichteten Partei verboten, „im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Kosmetika und Pflegemitteln neben Waren unentgeltliche Zugaben (Prämien) wie eine Keramik‑Wattedose oder eine Opalglas‑Vase anzubieten, anzukündigen oder einem größeren Kreis von Personen zu gewähren“.

Da es sich um eine einstweilige Verfügung zur Sicherung eines auf das Zugabengesetz gestützten Unterlassungsanspruchs handelt und der Spruch der genannten Verfügung die verba legalia des § 1 Abs 1 Satz 1 des zitierten Gesetzes enthält, nach dem es verboten ist, „im geschäftlichen Verkehr neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anzubieten, anzukündigen oder einem größeren Kreis von Personen zu gewähren“, kann schon allein aufgrund des Spruchs der einstweiligen Verfügung auch ohne ausdrückliche Anführung des Bundesgesetzes vom 3. 8. 1934 über das Verbot von Zugaben zu Waren oder Leistungen (Zugabengesetz), BGBl II Nr 196, kein Zweifel daran bestehen, dass der Gegnerin der gefährdeten Partei damit nur dem einstweiligen Unterlassungsverbot vergleichbare Verstöße im Sinn des § 1 Abs 1 Satz 1 ZugG untersagt wurden.

Die hier entscheidungswesentliche Rechtsfrage, ob die verpflichtete Partei durch die dem Exekutionsantrag zugrundegelegte Postwurfsendung Beilage ./F dem ihr in der einstweiligen Verfügung erteilten Verbot zuwidergehandelt hat, wurde vom Gericht zweiter Instanz im Sinn der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, insbesondere ÖBl 1979, 12, verneint, mit der das Höchstgericht – unter Zustimmung Schönherrs (vgl dessen Glosse zur zitierten Entscheidung, ÖBl 1979, 15) – endgültig von seiner Entscheidung SZ 31/30 abging und klarstellte, dass es bei den Zugaben im Gegensatz zu den Werbegaben entscheidend darauf ankommt, dass der Interessent bei verständiger Würdigung annehmen müsse, es werde zusätzlich zur bezogenen Ware oder Leistung ein Vorteil gewährt, den er eigentlich bezahlen müsste, den er aber wegen des Erwerbs der Hauptware oder der Inanspruchnahme der Hauptleistung – und nur unter dieser Bedingung – unentgeltlich beziehen könne. Es liege daher auch noch keine Zugabe vor, wenn die Nebenware ohne Bindung an das Hauptgeschäft in der Erwartung eines solchen gegeben werde, selbst wenn dieses meist tatsächlich abgeschlossen werde. Maßgeblich seien vielmehr die dem Interessenten bekanntgegebenen Voraussetzungen, unter denen er die Zuwendung erhalte. Wenn in der Ankündigung unter anderem darauf hingewiesen werde, dass der Interessent die mit der bestellten Ware zugeschickte Beigabe auch dann behalten könne, wenn er die ihm nicht gefallende Ware kommentarlos zurücksende, erwecke dies bei den Interessenten bei verständiger Würdigung nicht den Eindruck, dass die Gewährung der Beigabe vom Kauf einer Hauptware abhängig sei, vielmehr werde die Unabhängigkeit davon klar und unmissverständlich hervorgehoben. Einer solchen Ankündigung könne zwar entnommen werden, dass der Kauf eines oder mehrerer der angepriesenen Artikel erwartet werde, nicht aber, dass die Zuwendung der Beigabe an den Kauf eines solchen Artikels gebunden sei. Da es auch nicht auf die rechtliche Konstruktion, sondern auf den wirtschaftlichen Tatbestand ankomme, bedürfe es auch keiner Erörterung, ob die Ankündigung ein Anbot zu einem Kauf mit Rücktrittsrecht des Käufers oder zu einem Kauf auf Probe sei, der im Zweifel bis zum Ablauf der Ansichtsfrist aufschiebend bedingt wäre. Entscheidend sei vielmehr, dass, wirtschaftlich gesehen, unzweifelhaft der Eindruck erweckt werde, dass die Zuwendung der Beigabe unabhängig davon erfolge, ob tatsächlich einer der zur Ansicht bestellten Artikel vom Besteller behalten und gekauft werde, dass also der Kauf der Hauptware keine Voraussetzung für diese Zuwendung sei.

Dieser Auffassung, die sich mit der Lehre (vgl Baumbach‑Hefermehl , Wettbewerbsrecht 14 1747) und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GR 68, 649/650), deckt, schließt sich der erkennende Senat auch im vorliegenden Fall an, der – entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers – dem mit der Entscheidung (ÖBl 1979, 12), entschiedenen durchaus vergleichbar ist (vgl außerdem ÖBl 1970, 51; 1977, 43 und 1979, 66).

Die verpflichtete Partei forderte in der Postwurfsendung Beilage ./F zur schriftlichen Bestellung der in der Postwurfsendung vorgestellten Produkte und/oder zur Teilnahme an einer Sparbuchverlosung auf und wies mehrfach darauf hin, dass der Besteller die in der Postwurfsendung als „Geschenke“ bezeichneten, mit der bestellten Ware mitgelieferten drei Gegenstände (Halskette, Schönheitsratgeber und Überraschungsgeschenk) auf alle Fälle behalten könne, auch wenn er wider Erwarten mit dem Testangebot nicht zufrieden sein sollte. In der Postwurfsendung erklärte die verpflichtete Partei, Y***** möchte, dass der Besteller auf jeden Fall ihre Produkte ausprobiere. Deshalb komme er ihm heute besonders entgegen. Alles, was heute bestellt werde, erhalte der Besteller ein paar Tage später per Post zu sich nach Hause. Sollte er wider Erwarten nicht zufrieden sein, könne er sogar angebrochene Packungen zurückschicken. Die beiliegende Rechnung brauche er aber auf jeden Fall erst in drei Monaten zu bezahlen.

Wenn im vorliegenden Fall von einem „Testangebot“ gesprochen wird, konnte dies bei den Interessenten bei verständiger Würdigung insbesondere der weiteren wiederholten Hinweise, dass die „Geschenke“ auf alle Fälle behalten werden könnten, auch wenn die Besteller mit den bestellten anderen Waren nicht zufrieden seien, und dass sogar angebrochene Packungen zurückgeschickt werden könnten, nicht den Eindruck erwecken, dass die Gewährung der „Geschenke“ an den Kauf der angebotenen Ware gebunden sei. Dass die „Geschenke“ von der Bestellung anderer Waren abhängig gemacht wurden, macht sie im Hinblick auf die beim Kauf auf Probe im Belieben des Käufers stehende Genehmigung der Ware nicht zu deren Zugaben.

Der vom Anbot derartiger „Geschenke“ allenfalls ausgehende „psychologische Kaufzwang“ reicht für sich allein nicht aus, eine Werbegabe zu einer verbotenen Zugabe im Sinn des Zugabengesetzes zu machen. Nur solche Zugaben sind jedoch durch die einstweilige Verfügung verboten. Ob im gegenständlichen Verhalten ein Verstoß gegen § 1 UWG erblickt werden könnte, war daher nicht zu erörtern.

Dem unbegründeten Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

Nach den §§ 74 und 78 EO sowie den §§ 40, 41 und 50 ZPO hat die betreibende Partei keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.

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