Normen
Arbeitsgerichtsgesetz §29
JN §55
ZPO §259 (2)
ZPO §411
Arbeitsgerichtsgesetz §29
JN §55
ZPO §259 (2)
ZPO §411
Spruch:
Der Wert des Klagsanspruches und der Wert des vom Beklagten gestellten Zwischenantrages auf Feststellung werden nach § 55 JN. (§ 29 ArbGerG.) nicht zusammengerechnet (Judikat 56 neu). Aussprüche eines Gerichtes über bedingende Rechtsverhältnisse sind als bloße Vorfragenentscheidungen der Rechtskraft nicht fähig.
Entscheidung vom 6. Mai 1952, 4 Ob 48/52.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf den Grund des Pensionsanspruchs ein und erkannte mit Zwischenurteil, daß dem Kläger ein Betrag von 3141.89 S an Pension für die Zeit vom 1. August 1949 bis 31. März 1951 dem Gründe nach zustehe. Die Versetzung des Klägers in den dauernden Ruhestand sei mit 1. Dezember 1947 wirksam, weil ihm das Dekret am 26. November 1947 zugestellt worden sei. Wenngleich im rechtskräftigen Teil- und Zwischenurteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 8. Feber 1950, 5 Cr 836/51-4, angenommen worden sei, daß die Dienstzeit nur bis 31. Juli 1947 und nicht bis 30. November 1947 sowie der Aktivitätsbezug für den Monat Juli 1947 und nicht der für November 1947 zugrunde zu legen sei, könne eine Rechtskraftwirkung dieses Urteils auf die vorliegende Sache nicht angenommen werden. Denn hier handle es sich um Pensionsansprüche für eine Zeit, die das frühere Verfahren nicht betroffen habe. Der Umstand, daß im Vorprozeß über den Grund des dortigen Anspruchs mit Zwischenurteil entschieden worden sei, sei ohne Belang, weil es sich nicht um ein Zwischenurteil auf Grund eines Zwischenfeststellungsantrages gehandelt habe. Nur ein solches könnte nach Ansicht des Erstgerichtes Rechtswirkungen hinsichtlich des präjudiziellen Rechtsverhältnisses hervorbringen, die über die Reichweite der Sachentscheidung hinausgingen. Ein Zwischenurteil über den Grund des Klagsanspruches habe keine größere Rechtskraftwirkung als das Endurteil selbst. Im übrigen habe die Beklagte gar nicht bestritten, daß das Pensionierungsdekret dem Abwesenheitskurator des Klägers erst am 26. November 1947 zugestellt worden sei, so daß nach der Anlage zur GDO., Abschnitt I, Nr. 3, der Wirksamkeitsbeginn der Pensionierung der 1. Dezember 1947 sei. Ein Verzicht des Klägers auf die Geltendmachung der über die Ansprüche des Vorprozesses hinausgehenden Forderungen könne nicht angenommen werden, weil es verständlich gewesen sei, daß der Kläger mit der Geltendmachung so lange zugewartet habe, bis sich die Rechtsprechung gefestigt haben würde.
Die Beklagte erhob gegen das erstgerichtliche Urteil Berufung und stellte bei der Berufungsverhandlung den Zwischenantrag auf Feststellung, daß sich der Kläger seit 1. August 1947 im Ruhestand befinde. Sie bewertete den Antrag mit 11.000 S.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Zwischenurteil und wies den Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten ab. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß das frühere Urteil zu 5 Cr 836/51 auf den vorliegenden Rechtsstreit keine Rechtskraft wirke, da die Berechnung der Pension nicht rechtskräftig geworden sei. Von einem Einverständnis des Klägers zur Bemessung der weiteren Pension auf Grund des früheren Urteils könne nicht gesprochen werden, weil das Stillschweigen des Klägers nach der Lage der Dinge nicht als Zustimmung habe aufgefaßt werden können. Der Zwischenantrag sei nicht berechtigt, weil das Pensionsdekret dem Kläger erst am 26. November 1947 zugestellt worden sei und erst vom darauffolgenden Monatsersten an Wirkung gehabt habe.
Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der Beklagten insoweit als unzulässig zurück, als sie gegen den bestätigenden Teil des angefochtenen Urteils gerichtet war. Im übrigen gab er ihr nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist, soweit sie die Zuerkennung von 3141.89 S an den Kläger betrifft, unzulässig. Nach § 23 ArbGerG. gelten für die Rechtsmittel und das Rechtsmittelverfahren mangels besonderer Vorschriften die Bestimmungen des Vierten Teils der Zivilprozeßordnung (§§ 461 - 528 ZPO.). Da abweichende Bestimmungen über die Zulässigkeit der Revision im Arbeitsgerichtsgesetz nicht enthalten sind, ist auch § 502 Abs. 3 ZPO. anzuwenden, wonach gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes die Revision unzulässig ist, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert 10.000 S nicht übersteigt. Im vorliegenden Fall kann bei der Berechnung des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat (vgl. Judikat 56 neu vom 8. Dezember 1951, Präs. 198/51), der Wert des eingeklagten Geldbetrages von 3141.89 S und der Streitwert des Zwischenfeststellungsantrages nicht nach § 55 JN. (§ 29 ArbGerG.) zusammengerechnet werden. Diese Gesetzesstelle setzt ebenso wie die des § 227 ZPO voraus, daß die zusammenzurechnenden Ansprüche von einer einzelnen Partei oder von Streitgenossen geltend gemacht werden. Wenn es sich wie hier um einen nicht vom Kläger, sondern von der Beklagten gestellten Antrag handelt, kann dessen Streitwert mit dem Wert der vom Kläger erhobenen Ansprüche nicht zusammengerechnet werden. Es ist vielmehr, ähnlich wie bei einer Klage und Widerklage, die Zulässigkeit der Revison für den vom Kläger in der Klage gestellten Antrag und den von der Beklagten gestellten Zwischenantrag auf Feststellung getrennt zu beurteilen (OGH-E. v. 27. Oktober 1951, 4 Ob 98/51, v. 20. September 1951, 4 Ob 111/51). Da nur der Streitwert des Zwischenfeststellungsantrages, nicht aber auch der des bestätigenden Teiles des angefochtenen Urteils den Betrag von 10.000 S übersteigt, erweist sich die Revision gegen diesen Teil als unzulässig und muß zurückgewiesen werden.
Was die Bekämpfung der Entscheidung über den Zwischenantrag auf Feststellung betrifft, ist die Revision unberechtigt. Das frühere Urteil, das die Pensionsbezüge des Klägers nur bis zum 31. Juli 1949 zum Gegenstand hatte, hat rechtskräftig festgestellt, daß dem Kläger gegen die Beklagte Pensionsansprüche zustehen. Diese Ansprüche wurden für die angegebene Zeit auf der Basis berechnet, daß die Dienstzeit des Klägers bis 31. Juli 1947 zugrunde zu legen sei. Die Frage, von wann ab die Pensionierung zu gelten habe und wie daher die Pensionsbezüge zu berechnen seien, ist nichts anderes als eine der Rechtskraft unfähige Vorfrage für die Beantwortung der Hauptfrage, ob und in welcher Höhe dem Kläger der Anspruch auf Pension zukommt. Aussprüche des Gerichtes über bedingende Rechtsverhältnisse sind als bloße Vorfragenentscheidungen der Rechtskraft nicht fähig (Vgl. Stein - Jonas - Schönke, Komm. zur DZPO.[17] I., § 322, S. 10 f.). Dabei ist es selbstverständlich, daß zur Beurteilung der Rechtskraftwirkung auch die Urteilsgrunde herangezogen werden konnten. Bemerkt sei, daß die Zerlegung der Entscheidung im Vorprozeß in ein Zwischen- und ein später zu erlassendes Endurteil die Rechtskraft auf spätere Ansprüche nicht erweitert hat. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn über das präjudizielle Rechtsverhältnis der Pensionierung des Klägers vom 31. Juli 1947 auf Grund eines Zwischenfeststellungsantrages mit eigener Rechtskraftwirkung auch für die Zukunft urteilsmäßig entschieden worden wäre. So aber lag nur ein Zwischenantrag der Beklagten auf Feststellung vor, daß dem Ruhegenuß des Klägers die bis 12. März 1938 zurückgelegte Dienstzeit und der Aktivitätsbezug zu dieser Zeit zugrunde zu legen sei. Dieser Zwischenantrag wurde abgewiesen. Mit Recht haben sich die Untergerichte auf den Standpunkt gestellt, daß sie unabhängig von der Vorentscheidung über den für einen anderen Zeitraum geltend gemachten Pensionsanspruch sachlich entscheiden könnten. Dementsprechend war auch das Berufungsgericht befugt, den Zwischenfeststellungsantrag meritorisch zu erledigen. Daß diese Erledigung mit den Tatsachen etwa nicht übereinstimme, hat die Revisionswerberin gar nicht vorgebracht.
Auch die Rechtsansicht der Untergerichte, ein Verzicht des Klägers auf die weitergehenden Ansprüche sei nach § 863 ABGB. nicht anzunehmen, ist zu billigen. Wenn der Kläger zunächst einen geringeren Pensionsanspruch auf Grundlage kürzerer Dienstzeiten geltend machte, gab er damit noch nicht unzweideutig zu erkennen, daß er auf weitergehende Forderungen verzichte. Überhaupt ist der Kläger nicht gehalten, bei sonstigem Ausschluß seiner weiteren Ansprüche sogleich in einem alle Forderungen zu stellen. Nur in besonders gelagerten Fällen könnte aus einem derartigen Verhalten auf Verzicht geschlossen werden. Hier dagegen liegen solche besondere Verhältnisse nicht vor, der Kläger hat vielmehr schon in der früheren Klage nichts vorgebracht, woraus auf Verzicht geschlossen werden könnte.
Es ergibt sich, daß das Berufungsgericht den Zwischenantrag der Beklagten auf Feststellung, daß der Kläger mit Wirkung vom 1. August 1947 (und nicht erst ab 1. Dezember 1947) im Ruhestand sei, mit Recht abgewiesen hat, weil die Wirkung der Pensionierung erst mit 1. Dezember 1947 eintreten konnte.
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