OGH 6Ob738/83

OGH6Ob738/8330.8.1984

SZ 57/132

Normen

Codex Juris Canonici can 87
G über die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger Art6
MRK Art9
StGG Art14
StGG Art15
Codex Juris Canonici can 87
G über die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger Art6
MRK Art9
StGG Art14
StGG Art15

 

Spruch:

Für den staatlichen Bereich liegt eine wirksame Erklärung über den Austritt aus einer anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft nur vor, wenn diese Erklärung der zuständigen Verwaltungsbehörde gegenüber abgegeben worden ist. Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse der Staatsbürger, RGBl. 1868/49, verstößt nicht gegen Art. 9 MRK

OGH 30. 8. 1984, 6 Ob 738/83 (LG Salzburg 32 R 85/83; BG Salzburg 15 C 1169/81)

Text

Die klagende Erzdiözese Salzburg klagte im Verfahren 13 C 319/76 des BG Salzburg gegen den Beklagten die Kirchenbeiträge für die Jahre 1972 und 1973 ein. Der Beklagte bestritt den Klagsanspruch und brachte ua. vor: Er sei als Kind, also als Handlungsunfähiger, getauft worden und daher zu diesem Zeitpunkt nicht entscheidungsfähig gewesen. Ein Eintritt in die katholische Kirche sei nach Erlangung der Handlungsfähigkeit nicht erfolgt. Es liege somit kein Beitritt zur katholischen Kirche vor, weshalb der Beklagte aus dieser Kirche auch nicht austreten könne. Die Gattin des Beklagten habe bis zu ihrem Tode Ende 1974 die Kirchenbeitragsangelegenheiten erledigt. Der Beklagte fühle sich nicht als Mitglied der katholischen Kirche, sei jedoch aus Tradition bereit, 600 S jährlich zu bezahlen, falls auf jede Überprüfung seiner Einkommensverhältnisse verzichtet werde. Eine Austrittserklärung könne er sich nicht leisten, weil er damit zugäbe, bis dahin Mitglied der Kirche gewesen zu sein. Als Partei vernommen sagte der Beklagte aus, er habe sich nicht als Mitglied der Kirche gefühlt, jedoch von seiner Frau Kenntnis erhalten, wenn Bescheide gekommen seien. Er habe bisher die katholische Kirche nicht wissen lassen, daß er nicht ihr Mitglied sei. Mit Urteil des BG Salzburg vom 2. 12. 1976, 13 C 319/76-8, wurde der Beklagte zur Zahlung der eingeklagten Kirchenbeiträge verpflichtet. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, der Beklagte habe erstmals im Zuge des Rechtsstreites seinen Austritt aus der katholischen Kirche erklärt. Er müsse die bis zum Austritt angefallenen Beträge bezahlen. Für künftige Beiträge werde er aber nicht herangezogen werden können, weil die Austrittserklärung im Hinblick auf die UNO-Deklaration und im Hinblick auf die Europäische Menschenrechtskonvention abgeschwächt ausgelegt werden müsse, sodaß der Austritt nicht bloß vor der Verwaltungsbehörde, sondern auch im Prozeß erklärt werden könne.

Die klagende Erzdiözese Salzburg begehrte vom Beklagten den Betrag von 2 052 S als mit rechtskräftigem Kirchenbeitragsbescheid festgesetzten Kirchenbeitrag für das Jahr 1979.

Der Beklagte erhob gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl Widerspruch und brachte vor, er habe bereits im Zuge des Verfahrens 13 C 319/76 des BG Salzburg gegenüber der Erzdiözese Salzburg als der zuständigen Repräsentantin "der römisch-katholischen Religionsgenossenschaft die Erklärung der Nichtzugehörigkeit" abgegeben. Der Beklagte sei zwar katholisch getauft, doch sei die Taufhandlung von seinen Eltern veranlaßt worden; sie könne für den Beklagten nach Erlangung der Volljährigkeit nicht mehr verbindlich sein. Da der Beklagte sich nicht als Mitglied der katholischen Kirche fühle, sei es ihm nicht möglich, vor der Bezirksverwaltungsbehörde seinen Austritt zu erklären, weil er dadurch gezwungen würde, entweder direkt oder indirekt zuzugeben, bisher Mitglied der katholischen Kirche gewesen zu sein.

Die klagende Partei brachte dazu vor, es sei ihr bekannt, daß der Beklagte nicht Mitglied sein wolle; man könne aber diesen Willen nur dann anerkennen, wenn er über den Weg der Bezirksverwaltungsbehörde erklärt würde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte ist getaufter Katholik. Er hat bereits 1976 und später der klagenden Partei gegenüber wiederholt erklärt, nicht Mitglied der römisch-katholischen Kirche zu sein. Der Beklagte hat bisher nicht seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche im Wege der Bezirksverwaltungsbehörde erklärt. Die klagende Partei hat dem Beklagten für das Jahr 1979 einen Kirchenbeitrag von 2 032 S vorgeschrieben. Da der Beklagte sich nicht als Mitglied der Kirche fühlt, hat er auf diese Beitragsvorschreibung nicht reagiert.

In rechtlicher Hinsicht sei primär die Frage zu klären, ob ein Austritt aus der römisch-katholischen Kirche und somit eine Beendigung der Mitgliedschaft nur im Wege der Bezirksverwaltungsbehörde oder im Einzelfall auch durch eine direkte Erklärung gegenüber der "Religionsgenossenschaft" bzw. der Kirche mit gleicher Wirkung erfolgen könne. Dem staatlichen Recht sei es verwehrt zu bestimmen, wer nach den internen Vorschriften einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft Mitglied sei. Die römischkatholische Kirche genieße Autonomie im Rahmen des Codex Juris Canonici. Danach seien alle nach römisch-katholischem Ritus Getaufte lebenslang Mitglied. Im Hoheitsbereiche der Republik Österreich sei die Frage der Kirchenbeitragspflicht staatliches Recht. Die Kirchenbeiträge hätten aus zivilrechtlicher Sicht den Charakter von Vereinsbeiträgen (SZ 37/33). Wer Mitglied der römisch-katholischen Kirche sein könne, bzw. wer nicht Mitglied sei, bestimmten für den staatlichen Bereich im Zuge der Durchsetzung von Kirchenbeiträgen die Art. 5 bis 7 des Gesetzes zur Regelung interkonfessioneller Verhältnisse vom 25. 5. 1868, RGBl. 49. Nach Art. 5 dieses Gesetzes gingen bei Religionsveränderung alle genossenschaftlichen Rechte der verlassenen Kirche an den Ausgetretenen verloren. Nach Art. 6 werde zur Erreichung der gesetzlichen Wirkung des Austrittes eine Meldung an die politische Behörde vorgeschrieben, welche dann die Anzeige an die verlassene Kirche übermittle. Der Eintritt in eine neue Kirche müsse persönlich bei der zuständigen Stelle der Kirche erklärt werden. In verwaltungsrechtlicher Sicht habe im Streitfalle die Bezirksverwaltungsbehörde zu entscheiden, ob jemand Angehöriger einer bestimmten Kirche sei. Dessenungeachtet könne das gemäß § 19 ABGB angerufene Gericht die Frage der Religionszugehörigkeit als Vorfrage lösen. Aus den Berichten des konfessionellen Ausschusses bei Beratung des "interkonfessionellen Gesetzes" sei der Gedanke der grundsätzlichen Gleichberechtigung der Religionsbekenntnisse zu entnehmen. In einem Ausschußbericht vom 15. 12. 1868 heiße es ua., daß jeder zu freier Wahl des Bekenntnisses befugt und von der Behörde der Schutz dieser Freiheit zu gewähren sei. In diesem Zusammenhang werde dann darauf verwiesen, daß aber der Austritt aus der Kirche unmittelbar der politischen Behörde zu melden und erst von dieser dem Vorsteher der Kirche anzuzeigen sei. In der Praxis sei die Möglichkeit gegeben, daß die Bezirksverwaltungsbehörde über die Austrittsmeldung durch Bescheid erkennen könne, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Austritt strittig sein sollten. Nach den Ausführungen von Hussarek, Staatskirchenrecht S 10, sei die Übermittlung der Austrittserklärung an die Kirche nicht Bedingung für die Rechtswirksamkeit der Austrittsmeldung im staatlichen Bereiche. Daraus ergebe sich, daß die Zugehörigkeit zu einer Religionsgenossenschaft unabhängig von anderen in der jeweils betroffenen Religionsgenossenschaft und vom Staat beurteilt werde. Der Religionsaustritt sei nach staatlichem Recht nur die Bestätigung für eine Parteienerklärung, daß eine Person aus einem bestimmten Sonderrechtsbereich ausscheide. Es handle sich um ein Rechtsgeschäft, welches einer bestimmten Form unterworfen werde. Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse sei keine materiellrechtliche, sondern eine Formvorschrift im Interesse der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Es müsse daher diese Bestimmung im Geiste der Glaubens- und Gewissensfreiheit ausgelegt werden. Sie diene offensichtlich dem Zweck, einen Austrittswerber vor Einflußnahme durch die bisherige Kirche oder Religionsgenossenschaft zu schützen, weil die Religionsgenossenschaft in den meisten Fällen erst mit der Verständigung vom Austritt Kenntnis erlange und zu diesem Zeitpunkt bereits eine wirksame Austrittserklärung für den staatlichen Bereich vorliege. Mit Glaubensfreiheit sei das Recht gemeint, jederzeit den Glauben zu wechseln, konfessionslos zu bleiben oder dem Glauben des Atheismus zu folgen. Die Gewissensfreiheit sei die Ungebundenheit des Geistes, entscheiden zu können, was als richtig oder falsch angesehen werde. Das Gesetz über die interkonfessionellen Verhältnisse sei eine Anweisung für die Praxis, abgeleitet aus dem Staatsgrundgesetz vom 21. 12. 1867, RGBl. 142. Dieses Recht sei im Art. 63 Abs. 2 des Staatsvertrages von Saint Germain weiter bestätigt worden. Es habe sich dann mit den sogenannten Menschenrechten des Staatengemeinschaftsrechtes weiter entwickelt. Art. 18 der Allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte der Vereinten Nationen wende sich an die Staatenmitglieder zur Gewährleistung des Rechtes auf Glaubens- und Gewissensfreiheit. In Anlehnung daran sei es zum Staatengemeinschaftsrecht der Europäischen Menschenrechtskonvention gekommen. Diese Normen seien durch innerstaatliche Gesetze in Verfassungsrang erhoben worden (BGBl. 210/1958 und 59/1964). Der Art. 9 MRK gewährleiste ebenfalls das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit. Im Rahmen der Vereinten Nationen sei dann der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte geschaffen worden, diese Bestimmungen des Staatengemeinschaftsrechtes seien mit BGBl. 591/1978, für den österreichischen Rechtsbereich ausdrücklich übernommen worden. Im Art. 18 seien die entsprechenden, im wesentlichen übereinstimmenden Vorschriften enthalten. Es werde zwar in der rechtlichen Praxis das Gesetz nicht als unmittelbar anwendbar angesehen, weil es an den Ausführungsbestimmungen fehle, doch ergebe sich aus den Erläuterungen der Vorberatungen zu diesem Gesetz, daß Ausführungsbestimmungen bzw. Verfassungsbestimmungen nicht notwendig seien, weil die daraus entspringenden Rechte bereits nach der österreichischen Rechtsordnung garantiert seien. Abgesehen davon könne eine Rechtsgültigkeit dieser Normen über Art. 9 B-VG in die österreichische Rechtsordnung eingeführt werden. Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes seien auf alle Fälle auch bei der Beurteilung von Rechtsfragen des innerstaatlichen Rechtes (Auslegung) heranzuziehen. Der Richter als Organwalter des Staates habe dafür zu sorgen, daß die Entscheidung nicht nur mit dem innerstaatlichen Recht konform gehe, sondern auch mit den Verpflichtungen des Staates aus dem Völkerrecht in Einklang stehe. Es seien sohin sämtliche Entscheidungen im Zweifel zugunsten der Religionsfreiheit bzw. Glaubens- und Gewissensfreiheit zu fällen. Die Beteiligung des Staates beim Religionsaustritt iS des Art. 14 StGG bzw. Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse diene nur zur Erleichterung des Austrittes aus einer Religionsgenossenschaft, nicht aber zur Erschwerung dieses Vorganges. Es komme ihr keine Registrierungsfunktion im öffentlichen Interesse zu, da auch der Eintritt in eine Religionsgenossenschaft ohne Beteiligung des Staates erfolge. Hinsichtlich der römischkatholischen Kirche gebe es daher auch getrennte Geburts- bzw. Taufscheinunterlagen. Mit Art. 14 StGG und den später immer wieder bestätigenden Normen werde dem Staat die Pflicht auferlegt, keine Erschwerung beim Austritt aus einer Religionsgenossenschaft vorzunehmen und unnötige Verzögerungen zu vermeiden. Es solle niemand länger als Mitglied einer Religionsgenossenschaft betrachtet werden, als es von der betreffenden Person gewünscht werde. Der zum Ausdruck gebrachte Austrittswille bzw. der Wille der Nichtzugehörigkeit rücke sohin in den Vordergrund der Betrachtung. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit gewähre einen Rechtsraum, der frei von staatlicher Einflußnahme sei und für den staatlichen Bereich die Möglichkeit eröffne, sich mit sofortiger Wirkung von einer Mitgliedschaft zu einer Kirche zu befreien. Bezogen auf den vorliegenden Fall könne das Gericht nicht verlangen, daß die Austrittserklärung über die Bezirksverwaltungsbehörde abgegeben werden müsse, um auf dem staatlichen Bereich die Nichtmitgliedschaft feststellen zu können. Damit würde der Beklagte gezwungen, sich als Katholik behandeln zu lassen, was er nicht wolle. Es würde gegen den Geist des Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse verstoßen, wenn man auf dem Weg über die Bezirksverwaltungsbehörde beharren wollte. Der Beklagte habe über lange Zeit unstrittig erklärt, nicht Mitglied der römischkatholischen Kirche zu sein; dies sei auch dieser Kirche zur Kenntnis gelangt. Bei Beharren auf den Vorschriften würde man den Beklagten zwingen, bis zur Erfüllung der Formvorschriften Mitglied der römisch-katholischen Kirche zu sein. Jeder Zwang in diese Richtung verstoße aber gegen den Grundsatz der Religions- bzw. Glaubens- und Gewissensfreiheit. Es bestehe vielmehr die von den völkerrechtlichen Pflichten und innerstaatlichen Normen abgeleitete Pflicht, die vom Beklagten abgegebene unzweifelhaft endgültige Erklärung, nicht Mitglied der römisch-katholischen Kirche zu sein, als verbindlich anzuerkennen. Dies falle um so leichter, wenn bedacht werde, daß bei Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland automatisch ein Ausscheiden aus der inländischen Religionsgemeinschaft bewirkt werde, ohne daß es deshalb einer Dazwischenschaltung der Bezirksverwaltungsbehörde bedürfe. Schließlich umfasse das Recht der Religionsfreiheit auch das Recht, die Zugehörigkeit zu einer Religionsgenossenschaft zu verschweigen; dieses Recht könne sogar unter die Geheimsphäre iS des § 16 ABGB eingeordnet werden. Seien die Kirchenbeiträge im säkularisierten Rechtsbereiche Vereinsbeiträgen gleichgestellt, müsse in der Rechtsbeziehung zwischen Verein und Mitglied der zwingende Grundsatz von Treu und Glauben iS des Art. 1 des Kundmachungspatentes zum ABGB zusätzlich anerkannt werden. Im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Gerechtigkeit sei aus dieser Vertragsbeziehung die römischkatholische Kirche verpflichtet, die direkte Austrittserklärung als wirksam anzunehmen, wenn im konkreten Falle die Unzumutbarkeit eines bestimmten verlangten Verhaltens vorliege. Da der Beklagte somit nicht Mitglied der römisch-katholischen Kirche sei, könnten von ihm keine Kirchenbeiträge verlangt werden.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt.

Die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche beginne nach kanonischem Recht gemäß can. 87 Codex Juris Canonici mit der Taufe. Die Taufe präge nach katholischer Auffassung ein unauslöschliches Merkmal ein, weshalb von der katholischen Kirche auch eine nach staatlichem Recht aus dieser Kirche ausgetretene Person weiterhin als der katholischen Kirche zugehörig angesehen werde. Es gelte der Grundsatz: "semel catholicus, semper catholicus". Es sei unbestritten, daß das Mitgliedschaftsrecht insgesamt dem verfassungsrechtlich geschützten Autonomiebereich der Religionsgemeinschaft zugehörig sei und zu den inneren Angelegenheiten der Kirche iS des Art. 15 StGG gehöre. Andererseits könne der Staat unabhängig von der innerkirchlichen Regelung bestimmen, wen er im Bereiche seines Rechtes als Kirchenmitglied betrachte. Rechtstheoretisch stunden Mitgliedschaft kraft Kirchenrechtes und Mitgliedschaft kraft staatlich sanktionierten Rechtes ebenso unabhängig nebeneinander wie kirchliche und staatliche Rechtsordnung überhaupt (vgl. ua. Link, Kirchenrechtliche und staatskirchenrechtliche Fragen des kirchlichen Mitgliedschaftsrechtes, ArchKirchR 1971, 304; Engelhardt, Der Austritt aus der Kirche, S 19, 30 und 31). Nach Art. 14 StGG sei in Österreich die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet. Nach Art. 9 MRK habe jedermann Anspruch auf Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasse ua. auch die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion. Dies entspreche dem Grundsatz der sogenannten negativen Bekenntnisfreiheit, wonach einerseits niemand vom Staat zum Mitglied einer Kirche gemacht werden dürfe, andererseits auch niemand, der freiwillig Mitglied einer Kirche geworden sei und deren Glauben nicht mehr teile, gegen seinen Willen gezwungen werden könne, deren Mitglied zu bleiben. Dementsprechend beinhalte der Grundsatz der negativen Bekenntnis- bzw. Religionsfreiheit nicht bloß das Recht, einer Kirche oder Religionsgemeinschaft von Anfang an fern zu bleiben, sondern auch das Recht, aus der Kirche oder der Religionsgemeinschaft auszutreten, wenn der Betreffende nichts mehr mit ihr zu tun haben wolle (Engelhardt aaO 40). Die unmittelbaren Wirkungen des staatlichen Kirchaustrittsrechtes beschränkten sich auf den Bereich des staatlichen Rechtes. Soweit die Tätigkeit staatlicher Behörden und die Anwendung staatlicher Rechtssätze in Betracht kämen, werde nach vollzogenem Kirchaustritt eine Kirchenmitgliedschaft nach staatlichem Recht nicht mehr als existent angenommen. Mit dieser Beschränkung auf die bürgerlichen Wirkungen der Kirchenmitgliedschaft vermeide der Staat einen Eingriff in den innerkirchlichen Rechtsbereich. Zur Wahrung des Grundrechtes der Glaubens- und Bekenntnis- bzw. Religionsfreiheit sei es daher ausreichend, wenn der Staat den Kirchen nach dem von ihm anerkannten Kirchenaustritt die Hilfe des weltlichen Armes zur Durchführung von Mitgliedschaftspflichten entziehe bzw. der Staat den Bürgern die Möglichkeit eröffne, sich den staatlich durchsetzbaren Konsequenzen der Mitgliedschaft zu entziehen (vgl. Engelhardt aaO 46 f.; Link aaO 320 f.). Auch wenn das Gesetz vom 25. 5. 1868, RGBl. 49, die interkonfessionellen Verhältnisse geregelt habe, sei doch unbestritten, daß die Bestimmung des Art. 6 dieses Gesetzes auch für den Austritt ohne Eintritt in eine andere Religionsgemeinschaft gelte. Art. 6 mache die Austrittserklärung nicht vom Eintritt in eine andere Religionsgemeinschaft abhängig. Nach dem Gesetz über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich vom 28. 4. 1939, GBlÖ. 1939/543, und der zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erlassenen Verordnung GBlÖ. 1939/718, welche gemäß dem RÜG, StGBl. 1945/6, als österreichische Rechtsvorschriften in Geltung gesetzt worden seien und gemäß Art. II Abs. 4 des Vermögensvertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen, BGBl. 195/1960, weiterhin geltendes Recht seien, würden die Kirchenbeiträge von näher bezeichneten Stellen der katholischen Kirche festgesetzt und erhoben. Gemäß § 3 Abs. 1 des Kirchenbeitragsgesetzes sei für die Geltendmachung des Anspruches auf Kirchenbeiträge der Rechtsweg zulässig. Nach der Rechtsprechung des VfGH stehe den die Kirchenbeiträge vorschreibenden Organen kein Imperium zu; es sei den kirchlichen Organen verwehrt, über die Beitragspflicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise zu entscheiden; die Kirchenbeitragsschuldigkeiten seien vielmehr dadurch als zivilrechtliche Verpflichtungen qualifiziert, daß das Gesetz die Entscheidung über die Kirchenbeitragsstreitigkeiten den Gerichten zuweise. Demgemäß vertrete auch der OGH die Auffassung, daß die Kirchenbeitragsschulden zivilrechtliche Verpflichtungen seien (EvBl. 1946/379). Der Beklagte habe zunächst eingewendet, zwar katholisch getauft worden zu sein, habe jedoch gemeint, diese Taufe habe für den staatlichen Bereich keine Wirkungen haben können, da es sich dabei nicht um eine persönliche Entscheidung gehandelt habe. Er habe aber nicht behauptet, daß die Taufe ohne oder gegen den Willen des für den Beklagten zum Zeitpunkt der Taufe zuständigen gesetzlichen Vertreters erfolgt wäre. Im Falle einer Taufe gegen oder ohne den Willen des gesetzlichen Vertreters würde die Mitgliedschaft auf Grund dieser Taufe jedenfalls für den staatlichen Bereich zu verneinen sein, da die Taufe ebenso wie der Austritt (aus der Kirche) einen Willensakt darstelle (vgl. Engelhardt aaO 29 f.; Link aaO 307 f.). Der 1921 geborene Beklagte habe auch nicht behauptet, daß die Taufe bzw. die Wahl des Religionsbekenntnisses entgegen den damals in Geltung gestandenen Art. 1 bis 3 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse erfolgt wäre. Lägen aber keine nach staatlichem Recht zu beachtenden Willensmängel vor, bestunden keine Bedenken dahin, daß durch die Aufnahme eines Kindes durch die Taufe in die jeweilige Kirche gegen den Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit verstoßen würde. Abgesehen von der einfachgesetzlichen Regelung des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse bestimme Art. 14 StGG, daß niemand zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden könne, sofern er nicht nach dem Gesetz der berechtigten Gewalt eines anderen unterstehe. Auch im Hinblick auf Art. 9 MRK, dem Verfassungsrang zukomme, bestunden keine Bedenken, zumal in Österreich durch das Gesetz über die religiöse Kindererziehung Gewähr geleistet werde, daß das betreffende Kind nach vollendetem 14. Lebensjahr über sein Weiterverbleiben in der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft selbst entscheiden könne. Es sei somit der Beklagte auch für den staatlichen Bereich gültiges Mitglied der katholischen Kirche geworden. Es sei zu prüfen, ob der vom Beklagten abgegebenen Erklärung, nicht Mitglied der katholischen Kirche zu sein bzw. nicht sein zu wollen, die Wirkung des Austrittes zukomme. Die Austrittserklärung - aus welcher Religionsgemeinschaft immer - stelle eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar, wobei ein ausdrückliches oder schlüssiges Verhalten erforderlich sei, welches nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung trete. Die Erklärung, nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft zu sein bzw. es nie geworden zu sein, stelle bestenfalls eine Wissenserklärung, aber keine Willenserklärung dar. Auch aus dem vom Berufungsgericht zusätzlich festgestellten Sachverhalt könne - abgesehen von den Erfordernissen des Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse - weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Austrittserklärung abgeleitet werden. Der Beklagte habe im Verfahren 13 C 319/76 des BG Salzburg durch seine Erklärung, er könne sich eine Austrittserklärung auch deshalb nicht leisten, weil er dann bis zum Zeitpunkt des Austrittes zugäbe, Mitglied der Kirche gewesen zu sein, ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß er keine Austrittserklärung abgebe, sondern auf dem Rechtsstandpunkt verharre, nie Mitglied geworden zu sein. In einem solchen Falle sei es aber unzulässig, die Wissenserklärung des Beklagten später in eine Willenserklärung iS eines Austrittes umzudeuten, zumal der Beklagte auch im vorliegenden Verfahren ausdrücklich erklärt habe, er könne keine Austrittserklärung abgeben. Eine Austrittserklärung könne aber wirksam nur im Wege des Verfahrens nach Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse erfolgen. Wenn der Staat schon die Möglichkeit eines Austrittes aus der Kirche, die nach ihrem Selbstverständnis einen solchen Austritt nicht und daraus folgend keine Vorschriften über Art und Form des Austrittes kenne, für den staatlichen Bereich normiere, müsse auch geregelt sein, wem gegenüber diese Austrittserklärung zu erfolgen habe. Für den österreichischen Rechtsbereich habe diese Erklärung vor der Bezirksverwaltungsbehörde zu erfolgen. Es sei nicht zu erkennen, weshalb die Erklärung vor der staatlichen Behörde, welche dazu diene, den Religionsaustritt zu erleichtern und den Austretenden dem Kontakt mit der betreffenden Religionsgemeinschaft und damit einer allfälligen Beeinflussung zu entziehen, dem Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 14 StGG und Art. 9 MRK widersprechen solle. Gesetzliche Formvorschriften verfolgten verschiedene Zwecke, wie etwa den Schutz vor Übereilung, der Beweissicherung und auch der besonderen Offenkundigkeit des Verfahrens. Die Vorschrift über den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft diene neben dem Schutz des Austretenden vor Beeinflussung auch der leichteren Beweisführung, zumal nach allgemeiner Auffassung die Austrittserklärung selbst dann wirksam sei, wenn die Verwaltungsbehörde die Erklärung nicht weitergeleitet habe. Gerade der vorliegende Fall, wo der Beklagte ausdrücklich erst in der Berufungsmitteilung behauptet habe, die Erklärung, nicht katholisch zu sein, stelle den Austritt dar, zeige, welche Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Natur sich ergeben würden, wollte man es in das Belieben des Austretenden stellen, auf welche Weise er seinen Austritt erkläre. Wenn der OGH in der Entscheidung GlUNF 5823 in einem Falle die Austrittserklärung nach Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse nicht für erforderlich gehalten habe, könne die dort ausgesprochene Rechtsansicht wegen des anders gelagerten Sachverhaltes nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Abgesehen davon sei das Berufungsgericht mit Höslinger, Religionszugehörigkeit und religiöse Kindererziehung, ArchKirchR 1952, 89 ff., der Auffassung, daß die Formalhandlung der Austrittsmeldung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung allein in dem Verlassen eines anerkannten Religionsbekenntnisses Wirksamkeit für den staatlichen Bereich gewähre und sich keine staatliche Behörde oder kein staatliches Gericht mit einer einfachen Willenskundgebung einer Partei bezüglich der Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft begnügen könne. Die Formvorschriften über die Abmeldung hätten auch den Zweck, den Kreis der Mitglieder und damit die Befugnisse der Kirchen und der Religionsgemeinschaften in erkennbarer Weise abzugrenzen. Der Beklagte hätte, falls er den Austritt deshalb nicht habe erklären wollen, weil er seiner Meinung nach nie Katholik geworden sei, die Möglichkeit gehabt, die Frage der Zugehörigkeit längst von der Verwaltungsbehörde mit Bescheid feststellen zu lassen (Rieger-Schima, Rechtslexikon, Religion 17; VfSlg. 5583). Da somit ein zumindest nach staatlichem Recht gültiger Austritt aus der katholischen Kirche nicht vorliege, sei der Beklagte weiterhin auch nach staatlichem Recht als Mitglied der katholischen Kirche anzusehen. Daraus ergebe sich seine Verpflichtung zur Bezahlung des der Höhe nach nicht strittigen Kirchenbeitrages.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte bekämpft in der Revision nicht mehr, daß er Mitglied der römisch-katholischen Kirche geworden ist. Seine Ausführungen lassen sich dahin zusammenfassen, es liege ein wirksamer Austritt aus der römisch-katholischen Kirche vor, der eine Durchsetzung allenfalls gegebener kirchenrechtlicher Ansprüche im staatlichen Rechtsbereich verhindere. Dabei vertritt er die Auffassung, im Lichte des Art. 9 MRK dürfe Art. 6 des Gesetzes vom 25. 5. 1868, RGBl. 49, bei dem es sich um eine Schutzvorschrift für den Austrittswilligen handle, nicht dahin ausgelegt werden, daß eine der in dieser Gesetzesstelle genannten Austrittsform gleichwertige Erklärungsform nicht ausreiche. Der Beklagte unterstellt dabei, er habe eine auf den Kirchenaustritt gerichtete Willenserklärung zu gerichtlichem Protokoll abgegeben.

Diese letztere Frage kann auf sich beruhen, weil auch mit einer solchen Erklärung für den Beklagten nichts gewonnen wäre. Im Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse vom 25. 5. 1868 ist angeordnet, daß der Austretende den Austritt aus einer anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft bei der politischen Behörde melden muß, damit er seine gesetzliche Wirkung habe. § 3 der Verordnung vom 18. 1. 1869, RGBl. 13, bestimmt dazu, daß die Meldung bei der Behörde mündlich zu Protokoll gegeben oder in einem an diese gerichteten, mit der Unterschrift des Austretenden versehenen Schriftstück niedergelegt sein muß.

Soweit der Beklagte in der nur vor der Bezirksverwaltungsbehörde abzugebenden Austrittserklärung eine unangemessene, sachlich unbegrundete und damit gegen Art. 9 MRK verstoßende Erschwernis erblickt, kann ihm nicht zugestimmt werden. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Anordnung bestehen keine Bedenken. Einerseits ist es wegen der Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung der Glaubens- und Gewissensfreiheit Pflicht des Staates, Möglichkeiten zum Wechsel oder zur Aufgabe der Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Religionsgemeinschaft zu geben (Listl in JZ 1971, 347; Hollerbach in Listl - Müller - Schmitz, Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 895), andererseits kann die Religionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 2 MRK gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen, zB aus Gründen der öffentlichen Ordnung, unterstellt werden. Daß es der Rechtssicherheit und damit der öffentlichen Ordnung dienen kann, wenn der Austritt aus einer anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft an eine Erklärung gegenüber einer bestimmten Behörde gebunden wird, ist nicht zu bezweifeln. Aus dem Gedanken des Art. 9 MRK ist daher nicht gegen eine dahin gehende Auslegung des Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse und des § 3 der Verordnung vom 18. 1. 1869 zu gewinnen, daß nur eine Erklärung gegenüber der Verwaltungsbehörde die Austrittswirkungen für den staatlichen Bereich zeitigt.

Entgegen der Meinung des Beklagten spricht aber auch der Umstand, daß es sich bei den genannten Vorschriften um Schutzvorschriften für den Austrittswilligen handelt, nicht gegen die Auffassung, daß sie eine zwingende Formvorschrift darstellen. Schon nach dem objektiven Wortsinn und dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt die Bestimmung des Art. 6 des genannten Gesetzes ("damit jedoch der Austritt ... seine gesetzliche Wirkung habe, muß der Austretende denselben der politischen Behörde melden ..."), daß es sich um eine ausschließliche Form handelt. Daß diese Form zum Schutz des Austrittswilligen gewählt wurde, spricht nicht gegen ihre Ausschließlichkeit, weil dieser Schutz gerade durch diese Form gewährleistet erscheint. Hätte der Gesetzgeber auch eine andere Form zulassen wollen, dann hätte er dies im Wortlaut zum Ausdruck bringen müssen und auch leicht zum Ausdruck bringen können. Auch in der Lehre wird offensichtlich die Auffassung von der Ausschließlichkeit der Austrittsform vertreten (vgl. außer der vom Berufungsgericht bereits zitierten Meinung Höslingers, Rieger-Sagburg-Schima in Rechtslexikon, Religion - Religionswechsel - religiöse Kindererziehung, Blatt 14 und 15; Heimerl-Pree, Kirchenrecht, 80). Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung GlUNF 5823 betrifft, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, einen anderen Sachverhalt, weshalb eine Auseinandersetzung mit der darin vertretenen Auffassung, daß unter den dort gegebenen Umständen eine Austrittserklärung nicht erforderlich sei, unterbleiben kann.

Ist aber ein in anderer als der in Art. 6 des Gesetzes über die interkonfessionellen Verhältnisse und des § 3 der Verordnung vom 18. 1. 1869 vorgeschriebenen Form erklärter Austritt nicht wirksam, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beklagte einen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche in anderer Form überhaupt erklärt hat; im Fehlen von diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen kann kein Feststellungsmangel erblickt werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte